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DOI: 10.1055/s-0035-1564944
Arztbewertungsportale – Sympathiepunkte sammeln im Netz
Publication History
Publication Date:
09 October 2015 (online)
Ob Arztbewertungsportale ihr Kernanliegen erfüllen – Patienten zu helfen, gute von weniger guten Ärzten zu unterscheiden – ist offen, wie Teil 1 eines Reports dazu in der letzten Ausgabe der ZfOU beschrieben hat. Geklärt haben Gerichte unterdessen manche Streitfrage zum Umgang mit Schmähkritik, wie 2 Juristen in der aktuellen Ausgabe beleuchten.
Ärzte sind keineswegs recht- und machtlos beim Umgang mit den Einträgen in Arztbewertungsportalen. Grundsätzlich akzeptieren zu müssen, dass die eigene Praxis auf Portalen zur Bewertung steht, heißt noch lange nicht, jede Beleidigung, Schmähung oder Falschbehauptung hinnehmen zu müssen. Dabei sind die Tipps und Ratschläge, die der Düsseldorfer Anwalt Dr. Volker R. Herrmann und sein Mainzer Kollege Jürgen Gmerek geben, im Detail durchaus unterschiedlich. Herrmann plädiert eher für Zurückhaltung beim direkten Kontakt zu Portalen und Bewertern, im Zweifel eher für die juristisch wasserdichte Vorgehensweise. Sein Mainzer Kollege wirbt für einen zumindest initial offenen direkten kommunikativen Umgang mit Kritik.
Umstrittene Freitexte
Als Hauptursache für Missbrauch der Portale – Beleidigung oder die Behauptung falscher Tatsachen – gelten die Freitextfelder. 21 von 24 nach einer Studie von Prof. Martin Emmert (Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, siehe das Interview in Teil 1 in der vorherigen Ausgabe), hierzulande aktuell tätigen Portale setzen auf diese Felder, in denen Nutzer sich Kritik und Lob frei von der Seele schreiben können.
Natürlich würden die üblichen Spielregeln gelten – keine Beleidigungen, nicht lügen, alias falsche Tatsachen behaupten, betont Jameda-Pressesprecherin Elke Ruppert. Doch das war es dann zunächst. Bei den meisten Betreibern checkt zwar der Computer Bewertungen, vor allem Freitexte, auf Schlüsselwörter, um Beleidigungen noch vor Freischaltung zu entdecken. Da rutscht allerdings einiges auch durch. Die Betreiber dürfen nach aktueller Rechtssprechung zunächst alle Bewertungen online stellen, müssen sich erst dann kümmern, wenn Beschwerden kommen. Dann allerdings sofort! Für Ärzte bedeutet das: Sie müssen schon aktiv auf falsche oder gar verleumderische Einträge reagieren, sich bei den Portalen melden (siehe Interviews Gmerek und Herrmann).
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Doch mehr Haftung der Betreiber?
Allerdings hat unlängst der Europäische Gerichtshof hier für einen neuen Zungenschlag gesorgt. Womöglich müssen die Betreiber bei beleidigenden Äußerungen doch sofort haften, Sorge tragen, dass solche Einträge gar nicht erst online landen. Mitte Juni 2015 verdonnerte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte das Portal Delfi.ee zu Schadensersatz gegenüber einer Fährgesellschaft. Die hatte ihre Routen zu manchen Inseln in der Ostsee geändert, dadurch waren im Winter zu Fuß passierbare Eisstraßen zerstört worden. Einige Inselbewohner revanchierten sich darauf mit Titulierungen wie „Bastard“, „Abschaum“ und mehr auf Delfi.ee. Die EU-Richter machten nun den Betreiber für diese Beleidigungen haftbar – der müsse sofort löschen (Urteil EGMR vom 16.06.2015 - 64569/09). Ob sich diese Auffassung hierzulande durchsetzt, ist offen. Der Düsseldorfer Anwalt Volker Herrmann meint, Betroffene könnten sich nun mit dem Rückenwind der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vielleicht besser wehren.
Fest steht: Wenn wirklich harte Beleidigungen im Internet stehen, sollten Ärzte auch eine Anzeige nicht scheuen. Die Identität eines Bewerters aufdecken, müssen Portale hierzulande nur, wenn der Staatsanwalt bei ihnen vor der Türe steht.
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Problemfeld Werbung
Heftig umstritten bleibt auch manche Überschneidung von Information und Werbung bei den kommerziellen Betreibern. Die müssen ihr Geld verdienen mit Werbung, für die Ärzte zahlen. Damit halten die Portale die Hand just bei denen auf, über die sie andere werten lassen – mitunter eben auch gar nicht schmeichelhaft.
Jameda zum Beispiel aktualisiert nach eigenen Angaben jede Woche sein Ärzteverzeichnis, das von einem „externen Anbieter“ eingekauft wird. Ein Arzt findet sich dann auf dem Portal mit Namen, Telefon, Adresse der Praxis wieder. Fertig – und kostenlos. Wer mehr möchte, muss für Premium-Pakete zwischen 55 und 135 € im Monat berappen.
Ein Foto, die Möglichkeit der Beschreibung von Leistungsmerkmalen der Praxis, die Möglichkeit eigene Artikel einzustelIlen, gewährt das Paket „Premium Silber“ (55 €). Für 10 € mehr gibt es „Premium-Gold“. Besonderer Clou: Jameda verlinkt ab jetzt direkt zur Homepage einer Praxis – und das wiederum steigert laut Angaben des Unternehmens massiv die Chancen, dass der Link zur eigenen Praxis bei einer Google-Suche auch ordentlich auf der ersten Seite der Ergebnisliste landet. Grund sei das hohe Ranking von Jameda bei Google.
95 % der Kunden, die das „Premium-Gold-Paket“ buchen, würden derart bei Google ganz vorne auftauchen, wirbt das Portal. Ein „Gold-Kunde“ gewinne derart zusätzlich 60 Patienten neu im Jahr. „Seitdem ich das Gold-Profil auf Jemada habe, erhalte ich laufend neue Patienten – ich bin durchweg zufrieden“, zitiert das Unternehmen den Orthopäden Frank Steeb – ein „Gold-Kunde“ seit 2009.
Allerdings hat eine obendrein beim „Premium-Gold-Paket“ buchbare Option dem Portal jetzt juristischen Ärger eingehandelt. Ein Doktor, der möchte, kann kostenpflichtig auch dafür sorgen, dass seine Praxis bei den Suchergebnislisten im jeweiligen Fachgebiet ganz oben, noch vor dem Platz eines des eigentlichen Rankings als „Top-Platzierung“ prominent zu finden ist. Auch andere Portale wie Esando, Imedo, Docinsider, bieten ähnliche Möglichkeiten.
Für seine Ausgestaltung dieser Top-Platzierung kassierte Jameda aber unlängst eine Schlappe. Das Landgericht München I gab im März 2015 einer klagenden Zentrale zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs Recht (Aktenzeichen [Az.]: 37 O 19570/14). Tenor: Das Portal müsse die Anzeige besser kenntlich machen. Aktuell muss der Nutzer bei solch einer Top-Platzierung erst mit dem Cursor auf dem Bildschirm über einen Hinweis „Premium-Partner“ fahren, um zu lernen, dass es sich hier um Werbung handelt, die nichts mit dem Ranking im eigentlichen Suchergebnis zu tun hat. Jameda erklärte Mitte Juni 2015, gegen das Urteil in die Berufung zu gehen. Man sei überzeugt davon, dass der kostenpflichtige Anzeigenplatz durch farbliche Absetzung und den Hinweis „Premium-Partner“ deutlich von der jameda Ärzteliste abgegrenzt wird. Aber auch die von der ZfOU dazu befragten Anwälte sehen dies kritischer (Siehe die Interviews Gmerek und Herrmann).
Bernhard Epping
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