Z Orthop Unfall 2015; 153(06): 567-573
DOI: 10.1055/s-0035-1570272
Orthopädie und Unfallchirurgie aktuell
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

DKOU 2015 – Kongress der Konsolidierung

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Publication Date:
15 December 2015 (online)

 

Keine neuen Megatrends, vielmehr Sacharbeit im Kleinen. Der diesjährige Deutsche Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU) hatte die großen Themen der letzten Tagungen: Prävention vor Regeneration sowie mehr und mehr Versorgungsforschung, um begrenzte Geldmittel bestmöglich einzusetzen.

Mehr als 11 000 Besucher (knapp 9 000 Fachbesucher und 240 Firmenaussteller mit 2 128 Mitarbeitern), an die 1 800 Vorträge, 200 Poster: Der DKOU bleibt wohl unangefochten die größte Tagung des Fachs Orthopädie und Unfallchirurgie in Europa, in Deutschland sowieso. Der gemeinsam von DGOOC, DGU und Berufsverband BVOU veranstaltete Kongress brachte in diesem Jahr (20. – 23. Oktober 2015, Messe Süd in Berlin) jedoch keine wirklich bahnbrechenden News. Aber „Hinterm Horizont“ (so das Kongressmotto) geht’s bekanntlich weiter. Und selbst der im Werbefilm vor vielen Veranstaltungen zu sehende Udo Lindenberg nuschelte höchstpersönlich was von „Kongress, cool“.

Konsolidieren und Fortführen von bewährten Programmen. Zurück in den Ausschuss – wo im Detail muss nachjustiert werden? Ein Artikel fasst diese Riesentagung nicht – einige Impressionen.

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Der größte deutsche Kongress der Orthopädie und Unfallchirurgie zog auch in diesem Jahr zahlreiche Teilnehmer an. (Bild: Thieme Verlagsgruppe)

Was läuft falsch mit der Forschung in O&U?

So einiges, war das Fazit der Sitzung mit diesem Titel (FG17 – Summaries einiger der hier beschriebenen Sitzungen sind unter dem Link am Ende des Beitrags einsehbar, Anm. Red.). Denn die allenthalben gewünschte und ersehnte Translation von neuen Erkenntnissen in den klinischen Alltag stockt. „Forschung sollte translational sein, wir alle wollen dem Patienten helfen“, meinte Sitzungsleiterin Professorin Anita Ignatius von der Universität Ulm. Aber Biomaterialien zum Beispiel, da seien sehr viele neue Dinge untersucht worden, und in der Klinik „sind immer noch dieselben“. Was tun?

Der Engpass liegt ganz vorne: Es sind erstaunliche Mängel in der medizinischen Grundlagenforschung. Beim ganzen Feld Tissue Engineering zum Beispiel sei man blauäugig vorgegangen, wusste Professor Franz Jakob von der Universität Würzburg, da habe man gleich mit vermeintlicher Translation losgelegt ohne die Biologie wirklich verstanden zu haben. Themen wie Antikörper oder Wachstumsfaktoren seien hingegen besser bearbeitet und prompt ginge die Translation durchaus schnell.

Jakob plädierte dafür, viel mehr die ganze Breite des Fachs für Forschung zu nutzen. Forschungsprojekte in O&U müssten und sollten sehr wohl ein klinisch relevantes Problem aufwerfen und bearbeiten. Dann aber gelte es, das volle Methodenspek-trum an einer Uni zu nutzen. „Bringen wir die Mechanobiologie mit der traditionellen Biomechanik im Kontakt“, nannte Jakob ein Arbeitsfeld. Auch der „Dialog“ zwischen Knochen und Tumoren bei der Angiogenese und damit beim Tumorwachstum, oder die Sehnenforschung, beides sind zu Unrecht vernachlässigte Themen.

Hinzu komme, dass die Strukturen für Mediziner, die forschen möchten, schlecht sind. Eigentlich, so Jakob, sollte ein Drittel des Budgets einer Uniklinik für Forschung da sein. Doch die Universitäten vernachlässigten ihr Kernthema: Forschung, so Jakob, laufe aktuell in den medizinischen Fakultäten oft nebenher, „zum Teil katastrophal schlecht begleitet, gerade in der Unfallchirurgie“.

Das Fach O&U nutzt seine Möglichkeiten nicht, Praxis und Grundlagenforschung zu verknüpfen, monierte auch Professor Thomas Pap aus Münster. So gebe es international exzellente Konferenzen zur Knorpelforschung, Stichwort Gordon Research, doch „da ist kein Orthopäde dabei“. Und dann wiederum erlebe er klinische Symposien, wo man quasi unter Umgehung der Grundlagenforschung debattiere. Motto: „Komm, wir nehmen ein Scaffold, hauen ein paar Stammzellen rein, und das funktioniert dann schon.“

Pap ist unter anderem Gutachter für die DFG im Kontext O&U und hatte wenig Schmeichelhaftes von seiner Lektüre zu berichten. Ein Antrag müsse eine klare Arbeitshypothese formulieren. Zu lesen bekomme er hingegen immer wieder generalistische Aussagen à la: „Ich möchte gerne Sehnen erforschen.“ Pap: „Das landet sofort in der Ablage.“ Und manch DFG-Antrag wird offenbar in der Illusion verschickt, man sei der erste auf dem Globus, dem diese Fragestellung in den Sinn kommt. Es sei dann schon ein „peinlicher Fehler“, wenn der Gutachter schnell bemerkt, dass ein als neu präsentiertes Modell längst andernorts getestet und publiziert wurde, sekundierte Jakob.

Einige Unis haben das Problem der Medizinforschung wohl erkannt. Die Berliner Charité steuert mit einem Programm Clinical Scientist für Mediziner in der Weiterbildung gegen. Erfolgreiche Bewerber erhalten nach Abschluss des 3. Jahres der Weiterbildung für die nächsten 3 Jahre ein strukturiertes Curriculum, bei dem die Hälfte der Zeit dezidiert für Forschung vorgesehen ist, wie Dr. Matthias Pumberger von der Charité vorstellte. Eigene Mentoren helfen den angehenden Wissenschaftlern – Ziel ist die Habilitation.

Aktuell sind 50 „Clinical Scientists“ eingeschrieben, hinzu kommen 20 Junior Clinical Scientists – letztere können 2 Jahre vor Beginn einer Weiterbildung nutzen, um zunächst die zwingend nötigen Vorabdaten für ihre Arbeitshypothesen des dann folgenden eigenen Projektantrags zusammenzukriegen. Offen ist, wo die Absolventen später unterkommen. Pumberger sprach von Ideen, spezielle Oberarztstellen zu schaffen, in denen diese Leute auch weiter ihrer Forschungstätigkeit nachgehen können.


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Neue Konzepte aus der Forschung für O&U

Der Bedarf wäre da. Man nehme den Knorpelersatz (WI48). Für Defekte mittlerer Größe im Knie ist die Autologe Chondrozytentransplantation (ACT) heute Standard: Sie schiebt zumindest nach einigen Studien für viele Patienten die Endoprothese hinaus, hilft vielleicht gar, sie zu vermeiden. Allerdings muss jeder 5. Patient damit rechnen, binnen 5 Jahren doch eine Endoprothese zu tragen, wie Dr. Thomas R. Niethammer anhand der Nachuntersuchung von 183 Patienten zeigte, die an der LMU München mit Matrix-basierten ACT-Präparaten eines hiesigen Herstellers behandelt wurden. Arthrofibrose und partielle Insuffizienz waren die wichtigsten Gründe für Revision. Individuelle Faktoren oder defektbezogene Gründe ließen sich als Risikofaktoren für eine Revision nicht dingfest machen. Ein wirklich langlebiges Knorpelregenerat bleibt ein Fernziel.

Ein Problem könnte die bislang übliche Gewinnung einiger Knorpelzellen just aus dem betroffenen Knie eines Patienten und anschließende Vermehrung im Labor sein. Die Zellen stammen aus einem schadhaften Gelenk und sind womöglich nur eine mäßige Ausgangslage für ein Regenerat, meinte Dr. Marcus Mumme vom Universitätsspital Basel. In Basel experimentiert man daher mit der Züchtung von Knorpelersatzgewebe aus einem Stückchen Knorpel der Nasenscheidewand, das dem Patienten entnommen wird. 10 Pa-tienten mit 12 Knorpeldefekten im Knie, 2–6 cm2 groß, wurden bislang behandelt. Bei 6 hat das Implantat bereits über ein Jahr Bestand. Für Erfolgsmeldungen ist es viel zu früh, die Daten einer nun folgenden Phase-II-Studie bleiben abzuwarten. Konzepte, aus Stammzellen Knorpel oder Knorpelersatz nachzuzüchten, kommen aus dem Tiermodell nicht heraus.

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Die diesjährigen Kongresspräsidenten des DKOU v.l.n.r.: Dr. med. Hans-Jürgen Hesselschwerdt (BVOU), Professor Dr. med. Michael Nerlich (DGU) und Professor Dr. med. Rüdiger Krauspe (DGOOC). (Bild: Starface / Ingo Schwarz)

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Präventionsappelle an den Bürger

Mehr Sport und Bewegung bitte, verehrte Bundesbürger! Die Kongresspräsidenten nutzen beim DKOU vor allem die täglichen Pressekonferenzen für ihr Themensetting. Im Vordergrund stand die Prävention durch Bewegung. Zugleich lag ein Fokus auf der Vermeidung und richtigen Behandlung just von Sportverletzungen. Und auch das gab es: Die deutliche Ermahnung für die Patienten, bitteschön, mehr mit dem Arzt zu kooperieren. Denn der macht sich nach erfolgreicher Prothesenimplantation nach Einschätzung der Implanteure zu rasch vom Acker.

Kongresspräsident Professor Rüdiger Krauspe aus Düsseldorf, Präsident der DGOOC, appellierte daher an Patienten, auch bei der Nachsorge mehr dabeizubleiben. „Unsere Patienten sind nicht so sehr an der weiteren Übungsbehandlung inteinteressiert“, wird Krauspe zitiert. Dabei könne nur der regelmäßige Check in 1- bis 2-jährigen Abständen helfen, um die sehr seltene, aber mögliche Lockerung des Implantats zu einem Zeitpunkt zu entdecken, zu dem sie noch asymptomatisch sind, so dass sich „katastrophale Komplikationen“ verhindern lassen, die nach Jahren ohne Check auftreten können.

Professor Michael Nerlich aus Regensburg, diesjähriger Kongresspräsident der DGU, warb für mehr Sturzprophylaxe bei älteren Menschen. Über 120 000 Schenkelhalsbrüche sind es nach Schätzungen pro Jahr in Deutschland, viele davon bei alten Menschen als Folge von Osteoporose, am Ende vielleicht ausgelöst durch den einen, dann doch nicht vermiedenen, Sturz.

Nerlich meinte, Unfallchirurgen seien zwar gerne dafür da, um zu operieren, wenn es nötig ist. Lieber wäre ihm, es wären weniger solcher Brüche zu versorgen – immer noch stirbt jeder 3.-4. der meist alten Patienten binnen eines Jahres nach einer hüftgelenksnahen Fraktur. Die Prävention bleibt hier ein Riesenfeld – die Probleme reichen von mangelnder Bewegung ein Leben lang, falscher Ernährung, vielleicht einer längst fälligen neuen Brille bis zum Abbau von Stolperfallen in der Wohnung.

Dr. Hans-Jürgen Hesselschwerdt, Chefarzt der Theresienklinik in Bad Krozingen und Kongresspräsident für den BVOU, sieht Chancen in mehr präventiven Reha-Maßnahmen. Hier seien vor allem Hausärzte gefordert, die wie alle Vertragsärzte ab März 2016 nach einem neuen G-BA-Beschluss Reha direkt verordnen können. Das Verordnungsblatt Muster 60, mit dem bislang erst ein Antrag bei der Kasse zu stellen ist, entfällt. Für jeden in Reha investierten Euro bekäme die Gesellschaft 5 € zurück, zitierte Hesselschwerdt eine Prognos-Schätzung aus dem Jahr 2009. Reha, die eben nicht erst dann ansetzt, wenn der Unfall bereits passiert ist: Hesselschwerdt hält es für einen Fehler, dass nicht mehr Sturzprophylaxe im Rahmen einer Reha präventiv verordnet wird.

Zugleich trommelte er für mehr Geldmittel an die Reha. Die Redia-Studie von 2011 habe gezeigt, dass sich die Aufenthaltsdauer in der Akutklinik allein von Patienten bei Endoprothesen zwischen 2003 und 2011 um etwa 5 Tage verringerte. „Wir haben heute damit in der nachfolgenden Reha mehr und mehr Aufwand“, so Hesselschwerdt, „die Patienten wieder mobil zu bekommen.“ Das mit entsprechenden Mehrkosten. Damit sei das Problem der „schlechten Risiken“ auf die Reha-Kliniken abgewälzt, kritisierte Hesselschwerdt und forderte spezifischere Reha- Sätze, die sich nach einem für jeden Patienten zu ermittelnden Reha-Index richten.

7,5 Stunden pro Tag sitzt der Bundesdeutsche so herum. Die Folgen, als erhöhte Risiken für einen tückischen Kreislauf aus zunehmendem Übergewicht, dank Faulheit noch mehr Bewegungsmangel und am Ende Herzkreislaufkrankheiten oder auch Osteoporose, sind bekannt. Der Appell zu mehr Bewegung und noch mal mehr Bewegung war auch auf diesem DKOU Dauerbrenner.

Auch Rheuma-Patienten machen offenbar keine Ausnahme. Professorin Erika Gromnica-Ihle, Präsidentin der Deutschen Rheuma-Liga warb für das spezielle Funktionstraining, das an die 12 000 Gruppen der Rheuma-Liga im Bundesgebiet anbieten. Die Nachfrage sei hoch. Damit kontrastieren Daten der Liga, nach denen ein Drittel der Patienten mit Rheuma wiederum gar keiner sportlichen Aktivität nachgeht. Wenigstens an 3 Tagen die Woche mal 30 Minuten körperlich aktiv sein – Gromnica-Ihle nannte es „erschreckend“, dass gerade mal 8 % der Patienten das schafft. Ab 2016 will die Liga ein neu mit der Rentenversicherung entwickeltes Programm „aktiv-hoch-r“ in ihren Verbänden an den Start bringen, das vor allem noch weitgehend asymptomatischen Rheumatikern ein angepasstes Training bietet.

Zugleich rückte in Berlin dieses Jahr die Prävention und rechtzeitige Behandlung von Sportverletzungen nach vorne in der Agenda. Nach Hochrechnungen erleiden 250 000 Menschen im Jahr hierzulande ein Schädel-Hirn-Trauma (SHT) – 2750 sterben daran. 40 000 Gehirnerschütterungen, alias leichte SHT, gibt es pro Jahr im Breitensport, bei hoher Dunkelziffer. Doch wird dieses leichte SHT sträflich am Spielfeldrand unterschätzt. DGU wie DGOOC wollen daher zusammen mit anderen Akteuren besser aufklären, dazu gehört auch das Bundesinstitut für Sportwissenschaften (BISp) in Bonn. „When in Doubt – Take him out“, nennt eine in Berlin präsentierte Broschüre des BISp das Ziel. Das leichte SHT werde im Breitensport unterschätzt und bagatellisiert, mahnte BISp-Direktor Jürgen Fischer. Und generell würden viele Athleten häufig zu schnell wieder in das Training geschickt.

Die Experten warben für eine rege Verbreitung einer neuen kostenlosen App „Schütz Deinen Kopf“ (http://www.schuetzdeinenkopf.de), ein Schnellcheck einer gleichnamigen Initiative, mit der auch Laien gleich am Spielfeldrand feststellen können, wann ein Verdacht auf Gehirnerschütterung besteht. Der Betroffene muss 5 Fragen beantworten, schafft er nur eine nicht, soll er zum Arzt.

Die Gehirnerschütterung ist eine „ernstzunehmende Verletzung“ – betonte auch Dr. Axel Gänsslein vom Klinikum Wolfsburg. Eine Woche Ruhe reiche zwar bei 85 % der Betroffenen, um sich vollständig zu erholen. Bei den verbleibenden 15 % könnten allerdings Folgeschäden bleiben. Die bessere Differenzierung möglicher Folgen, so Gänsslein, sei aber nach wie vor Gegenstand wissenschaftlicher Forschung.


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Knieverletzungen – bei Herren eher ab Frühjahr, bei Damen eher im Winter

AOK und BVOU präsentierten erste Daten aus einer neuen Studie zu den Ursachen von Knieverletzungen. Dafür wurden in Baden-Württemberg die „pseudonymisierten“ Routinedaten, alias Abrechnungsdaten von an die 4 Millionen AOK-Versicherten für die Jahre 2008 bis 2013, gemeinsam in Hinsicht auf Entstehungsursachen von Knieverletzungen ausgewertet. „Die Idee für das Projekt kam von Herrn Flechtenmacher vom BVOU“, lobte Dr. Sabine Knapstein von der AOK Baden-Württemberg. In Berlin gab es Vorabhäppchen zu den Ergebnissen, die 2016 veröffentlicht werden sollen. Offenkundig gibt es Gender-spezifische Unterschiede.

Männer, so Knapstein, hätten statistisch gesehen das höchste Risiko auf Knieverletzungen im Frühjahr – wenn es wieder auf den Bolzplatz geht. Betroffen von Gelenkverletzungen sind vor allem jüngere Männer. Knie-Distorsionen und -Bandverletzungen bei Frauen ereignen sich hingegen gehäuft im 4. Quartal, im Winter – offenbar vor allem auf der Skipiste. Vielleicht hilft die Analyse, Menschen gezielter im Vorfeld über Risikofaktoren zu informieren. Knapstein vergaß nicht die lobende Erwähnung des Orthopädievertrags in Baden-Württemberg, bei dem AOK und Bosch BKK mehr für die Aufklärungsarbeit des Arztes zahlen. Man sei sich mit Kassen ja gewiss nicht immer einig, fügte BVOU-Präsident Dr. Johannes Flechtenmacher hinzu. Betonte dann aber: „Wir Ärzte müssen anerkennen, dass auch die Kassen für ihre Versicherten die bestmögliche Versorgung möchten.“ Und ermahnte en passant seine Kollegen, die in Baden-Württemberg neu vergütete Zeit auch für unangenehme Themen zu nützen. „Sie müssen mit übergewichtigen Patienten unbedingt über Lebensstiländerungen reden.“ Es vergehe keine Woche ohne Patientin oder Patient in seiner Praxis mit Arthrose und zugleich an die 130 Kilo auf der Waage. Nur Gewichtsabnahme und langsamer Aufbau von Bewegung und Sport sind da eine Chance, eine beginnende Arthrose zu verlangsamen.

Und tja – meine Herren Führungskräfte in der Medizin – the same applies to you.

Dr. Christoph Schulze aus Rostock zeigte bei einem Symposium zu „Vorsicht statt Nachsicht“ (WI37), wie sich gerade Chefs in der Medizin mit der eigenen Prävention und Gesundheit recht schwer tun. Von 122 Führungskräften, die zwischen 2008 und 2012 an einem Seminar „Personal Health Management für Führungskräfte“ bei der Bundeswehr mitmachten, kämpften 111 und damit über 90 % bereits mit orthopädischen Leiden – Rückenschmerzen, Arthrosen. Der BMI der Herren im Durchschnittsalter von 54,6 lag bei 26,6, der Bauchumfang bei 96 cm. Das Risiko für orthopädische Erkrankungen korrelierte negativ zur physischen Leistungsfähigkeit und stieg mit der Häufigkeit von Dienstreisen und der generellen Arbeitszeit an. Führungskräfte mit hoher Arbeitszeit und Reisetätigkeit sollten einem spezifischen Training zugeführt werden, resümierte Schulze. Ob das nun bedeute, dass die ganze Bundeswehr aktuell beim Physiotherapeuten sei, ulkte Sitzungsleiter Professor Udo Obertacke vom Klinikum Mannheim. „Nein, natürlich nur die Führungsetage“, gab Schulze zurück. Heiterkeit im Auditorium.


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Laxer Umgang mit Strahlenschutz

Auch beim Strahlenschutz vernachlässigen zu viele Ärzte offenbar die eigene Gesundheit, wie 2 neue Umfragen aus der Schweiz andeuten. Dabei wächst die Strahlenbelastung im OP vielerorts durch den zunehmenden Einsatz von Bildwandlern. Doch nur die Hälfte von 83 am Universitätsspital Zürich befragten Ärzten, Studenten und Pflegern nutzt überhaupt das vorgeschriebene Dosimeter, verwendet Schilddrüsenabschirmung oder Bleischürze richtig, berichtete Dr. Thorsten Jentzsch aus Zürich. 35 % hatte Wissenslücken beim Strahlenschutz.

Auch international sieht der Umgang mit dem Thema nicht besser aus, wie eine Umfrage unter 531 Chirurgen zeigte, die eine Tagung bei der AO-Foundation in Davos besuchten. Das Gros der Teilnehmer äußerte sich zwar besorgt über mögliche Strahlenwirkungen, wie Dr. Alexander Joeris von der AO in Dübendorf, Schweiz, berichtete. Doch die Hälfte trägt erst gar kein Dosimeter, Fehlanzeige bei Bleischürze und Schilddrüsenschutz bei 35 und 70 %.

Wie sich hingegen durch gezielte Intervention eines Klinikums Risiken im OP beherrschen lassen, demonstriert das von Professor Klaus Dresing aus Göttingen geschilderte Programm zur Prävention von gefährlichen Infektionen mit Hepatitis B und C oder HI-Viren. Seit 12 Jahren werden am Uniklinikum Göttingen alle Notfallpatienten routinemäßig mit einem Schnelltest auf diese gefährlichen Erreger getestet. 30-40 min nach Einlieferung und Probennahme liegt das Ergebnis im Schockraum vor. Dabei zeigte sich, dass diese Patienten bis zu doppelt so häufig mit einem der Erreger infiziert sind, wie das Robert-Koch-Institut für die Region voraussagt.

Bei positivem Testergebnis schützen sich die Kliniker durch Sicherungsmaßnahmen. Man arbeite bei diesen Patienten immer mit Augenschutz, mit doppelten Handschuhen, und ja – bestimmte Eingriffe werden bei ihnen auch erst gar nicht durchgeführt, berichtete Dresing. Keine minimalinvasiven Verfahren, man taste nicht mit dem Finger die Knochen oder Weichteile ab, und auch auf eine Jet-Lavage muss verzichtet werden. „Wir müssen uns schützen und sind der Meinung, ein Screening bei Patienten in der Notaufnahme ist erforderlich“, erklärte Dresing. Die Kosten von 30 € pro Test seien gering verglichen mit dem Risiko, dass sich Ärzte oder Pfleger an Patienten infizieren, deren Infektionsstatus unbekannt sei. Die meisten Kliniken haben solch eine Sicherungsleine für ihre Mitarbeiter bislang nicht.

Das Symposium „Vorsicht statt Nachsicht“ (WI37) nahm andererseits auch in den Blick, wie sich Patienten vor unliebsamen Überraschungen durch Fehler in der Medizin besser schützen lassen. So sind Human-Factor-Trainings en vogue, um Teamprozesse in Krankenhäusern zu fördern.

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(Bilder: Starface / Ingo Schwarz)

Ein Kursmodul dafür ist das Hand-Over-Team-Training (HOTT), ein Angebot der Akademie der Unfallchirurgen (AUC), das Dr. Heiko Trentzsch vom Klinikum der Universität München vorstellte. Der 2-tägige Kurs setzt auf Simulationen, die aufgenommen und dann anhand der Videos nachbereitet werden. Die Nachbefragung von 87 Teilnehmern aus Kursen in 2013 und 2014, es sind zumeist komplette Schockraumteams, zeigte, dass viele zufrieden mit dem Programm sind, danach eher zu wissen meinen, wie sie in komplexen Situationen besser zusammen arbeiten. „Wir glauben, dass HOTT ein Beitrag zur Verbesserung der Patientensicherheit ist“, meinte Trentzsch. Daten, ob und wie am Ende solch ein Programm wirklich zu besserer Versorgung führt, gibt es nicht – ein generelles Problem der Szene.

Auch Orthopäden müssen sich mehr um das Thema Fehler in der Arzneimittelgabe kümmern, wie Dr. Hendrik Kohlhof von der Universität Bonn berichtete. Von 60 Patienten, die während eines Monats in 2013 auf einer orthopädischen Normalstation versorgt wurden, nahm im statistischen Mittel jede oder jeder 9 Medikamente ein. Bei 11 % war eine Niereninsuffizienz die Folge einer Fehldosierung, in den meisten Fällen Überdosierung. Nötig ist ein Medikamentencheck für jeden Patienten, nötig dafür wiederum sind elektronische Arzneimittelverordnungssysteme, meinte Kohlhof. Anders ließe sich das Problem nicht in den Griff bekommen. Die Universität Bonn hat ein entsprechendes Tool in ihr KIS integriert.


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Verkehrsunfälle – Plädoyers für Helmpflicht auf Rad und Pedelec

Wenig Klarheit gibt es immer noch für die Frage, wie sehr das Tragen eines Helms Rad- oder auch Pedelec-Fahrer bei einem Unfall schützt.

Nach Zahlen des Statistischen Bundesamts waren 2014 unter 396 getöteten Radfahrern im Straßenverkehr 39 Pedelec-Fahrer. Dr. Christian W. Müller von der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) präsentierte auf dem DKOU Auswertungen zu Unfällen mit Pedelecs in der von der TU Dresden und der MHH betriebenen Datenbank von Verkehrsunfällen GIDAS (German In-Depth Accident Study)die jährlich an die 2000 Unfälle im Raum Dresden und Hannover erfasst. Zwischen 2009 und 2014 sind 51 Unfälle mit Pedelecs oder E-Bikes in GIDAS dokumentiert, das sind 0,4 % aller Unfälle in der Datenbank, die Zahlen steigen leicht an, liegen aktuell bei 11–13 solcher Unfälle im Jahr. Die mittlere Aufprallgeschwindigkeit beim Unfall lag bei 18 km / h, eine parallele Auswertung lieferte für Fahrradfahrer 16 km / h.

Das Durchschnittsalter der Unfallopfer mit Pedelec oder E-Bike lag bei 60 Jahren, Radfahrer sind jünger, mit 37 Jahren. Eine hohe Dunkelziffer an nicht polizeilich erfassten Unfällen sei zu vermuten, meinte Müller. Schlussfolgern lasse sich aber, dass die Unfallschwere bei Pedelec-Fahrern nicht sehr von denen normaler Radfahrer abweiche. Über die Hälfte der Unfälle mit den elektrisch unterstützten Vehikeln waren Zusammenstöße mit Autos, es gibt aber relativ viele Alleinunfälle, was darauf schließen lässt, dass manch älterer Halter so seine Probleme hat, sein wuchtiges Pedelec oder E-Bike zu steuern, meinte Müller. Führende Unfallfolge sei das SHT.

Müller sprach sich, wie seine Kollegin Dr. Rebecca Stier von der MHH, für das Tragen eines Schutzhelms aus, weil der vor dem SHT schützen kann – egal ob Rad oder Stromrad. Stiers eigene Auswertung der GIDAS gab allerdings keine Hinweise darauf, dass ein Helm Radfahrer bei Unfällen auch vor Mittelgesichts- und Unterkieferfrakturen schützt. Auch wenn die DGU offiziell eine Helmpflicht fordert, bleibt die Angelegenheit unter Wissenschaftlern strittig. Institute in Greifswald oder Dresden sind eher gegen eine Helmpflicht.


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Paradigmenwechsel in der Medizin – Keine Behandlung ist eine gute Behandlung

Wie schon 2014 stand das Thema „Zu viele Operationen an der Wirbelsäule“ erneut im Fokus. Professor Hans-Raimund Casser aus Mainz griff auf Zahlen des InEK (Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus) zurück, nach denen die „interventionellen Behandlungen“ an der Wirbelsäule zwischen 2005 und 2011 um knapp 61 %, Bandscheiben-OPs um 70 % und Versteifungsoperationen um 200 % anstiegen. Diese Zunahme könne nicht an veränderter Morbidität liegen, kritisierten Casser und andere Experten unisono.

An den Leitlinien liegt es nicht, allein, die warten darauf, auch umgesetzt zu werden. Erfahren Patienten mit Rückenschmerzen bei leitliniengerechter Behandlung nach 6 Wochen keine Linderung, steht die Entscheidung zu einer multimodalen Therapie einschließlich psychologischer und physiotherapeutischer Betreuung im Vordergrund. Diese Behandlung bekamen 2011 aber gerade mal 42 420 Patienten. Unterm Messer landeten hingegen 478 723, monierte Casser. Längst nicht jede Intervention scheint wirklich indiziert. Casser nannte als ein Negativbeispiel die operative Entfernung eines Bandscheibenvorfalls, der weder die Nervenwurzel noch das Rückenmark bedrängt.

Helfen soll – der Patient. Berufsverband und Fachgesellschaften kündigten in Berlin eine Inititiative „Gemeinsam klug entscheiden“ an, nach der US-Vorlage „Choosing Wisely“. Hesselschwerdt setzt auf Studiendaten aus den USA, nach denen Patienten, die gut über Behandlungsmöglichkeiten aufgeklärt werden, sich deutlich seltener einem operativen Eingriff an der Bandscheibe unterziehen. Nötig sei dann aber auch ein Umdenken im Medizinbetrieb, der am Ende den Ärzten mehr Geld für das Gespräch mit dem Patienten verschafft, gerade dann, wenn es zum bewussten Unterlassen von medizinischen Leistungen führt.


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Physiotherapie ohne Diagnosetools – zumindest an der Halswirbel-säule.

Zugleich fechten manche Teildisziplinen trotz Nationaler Leitlinie Kreuzschmerz immer noch gewaltig miteinander, wer nun wann was am Patienten darf.

Eine frühzeitigere Krankengymnastik (KG) könne helfen, manch chronischen Rückenschmerz zu verhindern oder soweit zu lindern, dass Operationen am Ende gar vermieden werden, wie Andrea Rädlein, stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Verbands für Physiotherapie, anregte (FO25). Das rief einen der Koordinatoren der Nationalen Versorgungsleitlinie Kreuzschmerz auf den Plan, Professor Bernd Kladny aus Herzogenaurach forderte dazu auf, zunächst mal die Nase in den Text zu stecken. Dort sei klar festgelegt, dass es in den ersten 6 Wochen bei neu aufgetretenen Kreuzschmerzen keine Krankengymnastik geben soll. Erst danach, bei entsprechender Anamnese, sehe er auch die Beteiligung des Physiotherapeuten: „Ich wundere mich, dass hier manche von sofortiger Verordnung von KG reden“, monierte Kladny.

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(Bilder: Starface / Ingo Schwarz)

Derweil fehlt es der Physiotherapie bei vielen ihrer Techniken an einem soliden wissenschaftlichen Unterbau, wie ein Symposium zur oberen Halswirbelsäule (PH12) deutlich machte. Zwar tauchen genügend Betroffene mit Störungen auf, die irgendwie auch im Kontext mit der Halswirbelsäule (HWS) stehen könnten – Schwindel, Blockierungen, Kopfschmerzen, HWS-Syndrom, alias diverse so genannte zervikale Syndrome. Die Physiotherapeuten versuchen sich in Manueller Therapie, allein es fehlen Belege für klinische Erfolge. Mehr noch, es fehlen Diagnose--Parameter für das, was wirklich eine Fehlstellung der Wirbel wäre, die hinter Symptomen stecken könnte. Röntgen oder CT seien im Zweifel wichtig für eine Ausschlussdiagnose, etwa von Tumoren, wie Dr. Siegbert Tempelhof aus München berichtete. Darüber hinaus könne er „nichts bieten“. Eine Vielzahl an messbaren Auffälligkeiten bei der Stellung einzelner Knochen ist bislang diagnostisch wertlos, denn, so Tempelhof, man habe keine Vergleichszahlen für ein Normalkollektiv.


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Zertifikate, Zertifikate…

Souveräne Routine war in diesem Jahr die Sicht auf die von den Fachgesellschaften ins Leben gerufenen Programme zur Qualitätssicherung in der Medizin. Die Zertifizierungsprogramme von O&U sind auf dem Gleis. Da wäre die DGU mit Traumaregister und -netzwerk und einem neuen Zertifikat für Zentren der Alterstraumatologie. Da wäre die DGOOC mit EndoCert – dem Prüfsiegel für Qualität in Kliniken, die Endoprothesen implantieren.

Zum 1. Oktober 2015 waren bundesweit 394 Kliniken nach Endocert zertifiziert, 138 Verfahren laufen. Damit wären es am Ende 532 zertifizierte Zentren in Deutschland. Daten, die wirklich etwas darüber aussagen, ob Patienten durch steigende Prozessqualität in den Kliniken auch durch längere Standzeiten bei ihren Prothesen profitieren, gibt es nicht. Noch nicht, wie Dr. Volker Haas, Vorsitzender der Zertifizierungskommission bei EndoCert, betonte: „Wir sind leider noch nicht so weit, dass wir wissen, bringt das was.“ Aber als kleinen Surrogatparameter bot er schon mal, dass die mittlere Zahl der Abweichungen bei den Implantationen in den zertifizierten Häusern zwischen 2011 und 2014 gesunken sei.


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Endoprothesenregister

Beim Endoprothesenregister (EPRD) – für Endocert-Kliniken ist die Teilnahme verpflichtend – scheint es hingegen hinter den Kulissen kräftiger zu rumoren. Mehr als 150 000 Endoprothesen-Operationen waren Oktober in der Kartei, mehr als 630 Kliniken machen mit – aus freien Stücken. Doch der Gründungsvater und bisherige Geschäftsführer der EPRD gGmbH, Professor Joachim Hassenpflug aus Kiel hat gekündigt. Auch das BQS (Institut für Qualität & Patientensicherheit) als bisherige Registerstelle werde ausscheiden, erklärte Hassenpflug in Berlin. Der Kieler Orthopäde zog eine kritische Zwischenbilanz. 20-25 % der jährlichen Implantationen werde derzeit im Register erfasst – ein Anfang, aber keineswegs ausreichend für langfristig zuverlässige Daten. „Mit 20 % brauchen wir da gar nicht erst anfangen“, erklärte Hassenpflug. Statt aktuell 600 Kliniken müssten schon 1200 mitmachen, in denen auch wirklich die Daten aller Patienten erfasst werden müssten.

Auch bei der Produktdatenbank hapere es noch bei der Qualität, es gebe zu viele Eingabefehler. Und das Register werde nur dann akzeptiert werden, wenn die Stakeholder absolut keinen Einfluss auf die Auswertung der Daten nehmen.

Hassenpflug: „Ich wünsche dem EPRD, dass Unabhängigkeit und Transparenz weiterhin aufrecht erhalten werden.“ Unterdessen wachsen Forderungen, die Teilnahme am EPRD verbindlich zu machen. Neben Techniker Kasse, fordern unterdessen auch Bundesverband der Medizintechnik (BVMed) wie Deutsche Gesellschaft für Endoprothetik (AE) den Gesetzgeber auf, die Teilnahme am Register für alle Kliniken verpflichtend zu machen.

Zwischen monetären und medizinischen Fragen schwankte ein Symposium zum Querschnitt der Versorgungsforschung (WI39). Kritik am DRG-System kommt nach wie vor von Krankenhäusern, vor allem denen der Maximalversorgung, die überdurchschnittlich viele Patienten mit schweren Krankheiten versorgen. Das DRG-System bildet womöglich die septische Endoprothetik nicht richtig ab. Kliniken, zumindest wenn sie nicht den Zusatz „Besondere Einrichtung“ tragen, legen dann nach Daten, die Dr. Thomas Randau von der Uniklinik Bonn darlegte, finanziell drauf. 160 Fälle einer septischen Wechseloperation in der Endoprothetik behandelte das Klinikum im Zeitraum von Juni 2013 bis Dezember 2014, viele davon wurden aus dem Umland in die Uniklinik verlegt. Ein Check der Kosten und Einnahmen liefert eine „Unterdeckung“ von 10 000 € pro Fall. Randau: „Sie verdienen zu wenig damit“.

Zu wenig Geld gibt es offenbar auch für die Versorgung des typischen osteoporotischen Altersbruchs, der proximalen Femurfraktur, wie Dr. René Aigner vom Universitätsklinikum Gießen und Marburg anhand der Zahlen für 402 solcher Patienten kalkulierte. Bei Kosten von 8618 € pro Patient lege das Klinikum im DRG-System 585 € jeweils drauf. Auch hier ist allerdings klar, dass Zentren der Maximalversorgung besonders betroffen sind, da sie die schweren Fälle von umgebenden Kliniken zugewiesen bekommen. Eine bessere Behandlung und damit indirekt auch Kostensenkung, so Aigner, sei bei diesen betagten Patienten mit schweren Knochenbrüchen vielleicht durch mehr Zusammenarbeit mit den Geriatern zu schaffen.

Die lange geplante Kooperation der Fachgesellschaften für ein gemeinsames Klinkzertifikat erlitt aber bekanntlich unlängst einen Dämpfer. Aus einem gemeinsamen Zertifikat von DGU und Deutscher Gesellschaft für Geriatrie wurde nichts. Die DGU vergibt seit März 2014 einen Titel AltersTraumaZentrum DGU, die Geriater machen mit bei einem eigenen Gütesiegel Alterstraumatologisches Zentrum (ATZ).

Das wahre Drama zeigt sich hingegen erst dann, wenn nicht mehr Kosten, sondern Ergebnisdaten analysiert werden. Von jenen 402 Patienten aus der am Uniklinikum Marburg-Gießen untersuchten Gruppe mit proximaler Femurfraktur, hat eine Teilgruppe, die nach der OP länger als 3 Tage auf der Intensivstation verbleibt, ein extrem hohes Risiko, zu sterben. Und ganz besonders dann, wenn diese Patienten womöglich auch noch vorübergehend beatmet oder an der Dialyse behandelt werden. Ein Jahr später sind 92 und 85 % aus diesen Gruppen verstorben, die anderen bleiben auf Dauer pflegebedürftig, wie Dr. Daphne Eschbach aus Marburg bilanzierte. Ihr Fazit: „Diese Komplikationen müssen Sie nach besten Kräften vermeiden, wir dürfen möglichst erst gar keine pulmonalen und renalen Komplikationen entstehen lassen.“ Diese dramatischen Zahlen sind ein Argument mehr für Michael Nerlichs Forderung, mehr für die Sturzpropylyxe bei alten und kranken Patienten zu tun.

„Kooperation der Fachgesellschaften und des Berufsverbandes“ war natürlich auch ein Thema (FG19). Doch da blieben diesmal einige führende Köpfe aus den Fachgesellschaften unter sich. „Wer hier ist, weiß eh Bescheid“, bedauerte Sitzungsleiter Professor Felix Bonnaire aus Dresden die Missachtung durch das Publikum.

Den Patienten angesichts der großen Diskussionen über die Zukunft des Gesundheitssystems unbedingt auf die eigene Seite ziehen, war das leidenschaftliche Plädoyer von Professor Fritz Uwe Niethard. „Wir müssen schauen, dass wir die Patienten in die Diskussion mitbekommen über Kosten und Nutzen, sie mit eigenen Daten über Outcomes überzeugen, um sie für unsere Diskussion mit der Politik zu gewinnen.“

Niethard, einer der Architekten eigener Versorgungsforschung von O&U, konnte nicht ohne Stolz darauf verweisen, dass O&U bei der Versorgungsforschung im eigenen Fach so einiges zu bieten hat. Er nannte den Versorgungsatlas der DGOOC mit der AOK, eine eigene Bedarfsanalyse für die Zahl der Ärzte in O&U, Register wie EPRD und Traumaregister.

Kommende Themen für die eigenen Datenanalysen durch die Fachgesellschaften sah Niethard in der demografischen Entwicklung – die zunehmende Vergreisung der Bevölkerung in Deutschland werde auch durch den aktuellen Flüchtlingsstrom nicht grundlegend geändert. Und dann in der sektorenübergreifenden Versorgung.

Die derzeit vorherrschende Trennung der Sektoren mit ihren großen Problemen an den Schnittstellen, avancierte zumindest in dieser Expertenrunde plötzlich zum Auslaufmodell. „Sie muss weg, das muss ein System werden“, forderte auch Professor Reinhard Hoffmann, Generalsekretär der DGU.

Zusammen mit Bernd Kladny von der DGOOC präsentierte Hoffmann Pläne, zumindest optisch die Einheit von DGU, DGOOC, BVOU unter einem Dach voran zu bringen. Ein neues Logo, eine Deutsche O&U als Dachmarke, unter der sich BVOU, DGOU, DGU, DGOOC wie auch eine neu zu gründende eigenständige Akademie der DGOU wiederfinden sollen. Ab kommendem Jahr soll sich eine neue Arbeitsgruppe um das Logo kümmern. Kommen wird offenbar auch die Gründung einer eigenen Akademie der DGOU, bislang gibt es nur die getrennten Akademien von DGOOC und DGU.

Unter dem „gemeinsamen Dach“ (Kladny) grummelt es immer noch hie und da. So habe die DGOU einige Sektionen, die vor Kraft nur so strotzten und schon der Ansicht sind, wir können das auch alleine, deutete Kladny an, dass sich manch einstige Arbeitsgemeinschaft bereits selbst Fachgesellschaft nennt. Kladny: „Da ist es unsere Aufgabe, den Rahmen zu erhalerhalten.“ So ganz kurz blitzte da bei beiden Generalsekretären der Wunsch auf, den eigenen Laden neu aufzuräumen. „Bei den Sektionen haben wir momentan zwischen DGU und DGOOC etliche Redundanzen“, sagte Kladny. Aber zusammenzwingen könne man das nicht, die historisch gewachsenen Eigenbefindlichkeiten und Mentalitätsunterschiede seien noch zu groß.

Die enorme Zahl an Untergliederungen, die Sektionen... fast hätte er gesagt, das sei ein „Irrsinn“, rutschte es Hoffmann heraus. Diese Strukturen oder gar DGU und DGOOC einfach abschaffen werde aber nicht klappen. Hoffmann: „Sie können ja mal versuchen, dafür Mehrheiten zu finden.“ Ein Modell für die Zukunft gibt es. Das Junge Forum, so Kladny, zeige die Zukunft. „Die sehen sich als O&U.“

Dr. Bernhard Epping

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Der größte deutsche Kongress der Orthopädie und Unfallchirurgie zog auch in diesem Jahr zahlreiche Teilnehmer an. (Bild: Thieme Verlagsgruppe)
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Die diesjährigen Kongresspräsidenten des DKOU v.l.n.r.: Dr. med. Hans-Jürgen Hesselschwerdt (BVOU), Professor Dr. med. Michael Nerlich (DGU) und Professor Dr. med. Rüdiger Krauspe (DGOOC). (Bild: Starface / Ingo Schwarz)
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(Bilder: Starface / Ingo Schwarz)
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