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DOI: 10.1055/s-0035-1570273
Sicherheit in der Endoprothetik – Wie begegnen wir stetig steigenden Anforderungen?
Publikationsverlauf
Publikationsdatum:
15. Dezember 2015 (online)
- Hohe Anforderungen durch Patienten
- Geeignete Testverfahren
- Das Training macht‘s
- Ursachen und Vermeidung von Komplikationen
- Wir brauchen verlässliche Daten!
Anlässlich der 2. Qualitäts- und Sicherheitskonferenz zur Endoprothetik haben Experten auf einer gemeinsamen Pressekonferenz der Deutschen Gesellschaft für Endoprothetik (AE) und des Bundesverbands Medizintechnologie (BVMed) erläutert, welche Anforderungen an künstliche Gelenke und Ärzte gestellt werden. Auf der Konferenz in Frankfurt diskutierten Ärzte, Wissenschaftler, Ingenieure, Vertreter der Industrie und Juristen vom 05.-06. November über neue Herausforderungen in der Endoprothetik.
Der Gelenkersatz ist eine der Erfolgsgeschichten der Medizin der letzten Jahrzehnte, vor allem Menschen mit Arthrose und Rheuma profitieren von künstlichen Gelenken. In Deutschland werden jährlich bei rund 400 000 Patienten künstliche Gelenke implantiert, davon allein rund 220 000 Hüft- und 150 000 Kniegelenke. Die Methoden sind bewährt und etabliert, dennoch steht die Endoprothetik vor immer neuen Herausforderungen. Prof. Carsten Perka, Vizepräsident der AE, Charité-Universitätsmedizin Berlin, Prof. Michael M. Morlock, Leiter des Instituts für Biomechanik an TU Hamburg-Harburg, und Heinrich Wecker, Ceramtec GmbH, stellvertretender Sprecher des Exekutivkomitees des deutschen Endoprothesenregisters (EPRD), informierten über die sich kontinuierlich ändernden Anforderungen. Einfluss hat nicht nur die Einführung neuer Produkte, sondern auch die demografische Entwicklung. Patienten, Materialien und Operateur, sowie die operative Technik sind die Faktoren, die den Erfolg des Gelenkersatzes bestimmen.
Hohe Anforderungen durch Patienten
Aus Sicht der Patienten sind die Erwartungen an das Ergebnis deutlich gestiegen. War früher vor allem ein schmerzfreies Gehen das Ziel, wollen die Patienten heute nahtlos an ihre bisherigen Aktivitäten anknüpfen. Dabei stellen vor allem Sportarten mit schnellen Richtungswechseln und Körperkontakt (z.B. Fußball, Handball), extremen Belastungen Operations(z.B. Marathon) oder einem hohen Bewegungsumfang (z.B. Yoga) die künstlichen Gelenke vor enorme Herausforderungen. Langfristig nimmt der Bedarf eines Gelenkersatzes durch die steigende Lebenserwartung der Bevölkerung zu. Ein weiterer Aspekt ist die Gewichtszunahme, die vor allem im Bereich Knieendoprothetik zu steigenden Zahlen führt.
Im Durchschnitt sind 95 % der Patienten nach einem Gelenkersatz zufrieden, die verbleibenden 5 % gelte es zu verbessern, fordern die 3 Experten. Ziel der Aufklärung des behandelnden Arztes muss es immer sein, die Erwartung der Patienten und die tatsächliche Möglichkeiten in Einklang zu bringen. Die Grenzen und Risiken müssen klar aufgezeigt werden. Auch wenn Prothesen dauerfest sein sollen – es handelt sich um Verbrauchs- und Verschleißteile, die sofort nach dem Einbau mit der Abnutzung beginnen und es kann lediglich versucht werden, den Verschleiß zu minimieren. Je mehr ein Gelenk belastet wird, desto mehr nutzt es sich ab. Das gilt für künstliche ebenso wir für natürliche Gelenke. Moderne Prothesen behalten ihre Funktionalität 20–25 Jahre. Darüber hinaus fehlen die Erfahrungen mit den neuen Materialien. Diese Daten sind aber wichtig, da mit zunehmender Lebenserwartung die Revisionseingriffe zwangsläufig zunehmen. Daten aus dem englischen Endoprothesenregister zeigen nach 10 Jahren eine Revisionsrate von etwa 2,1 %. Wünschenswert wären 2 % nach 20 Jahren – so Prof. Morlock, mehr sei aus technischer Sicht, bedingt durch den Verschleiß, nicht zu erwarten.
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Geeignete Testverfahren
Mit Blick auf das Material wird schnell klar: Bei etablierten Prothesen sind Material und Design unkritisch. Einfluss auf das (subjektive) Ergebnis haben vor allem der Operateur und der Patient selbst. Bei neuen Materialien, Techniken oder OP-Konzepten sieht das anders aus – hier können unerwartete Probleme auftreten. Sowohl Arzt als auch Patient tragen in diesen Fällen eine hohe Eigenverantwortung. Welchen realen Belastungen ein künstliches Gelenk später wirklich ausgesetzt ist, kann im Vorfeld nur bedingt verlässlich getestet werden. Die präklinisch genormten Testverfahren, die in der Regel zum Einsatz kommen, beziehen sich immer auf Versagensmechanismen, die in der Vergangenheit bereits aufgetreten sind. In der Regel werden die Prothesen für 5-10-Jahresbelastungen getestet, für mehr gibt es weltweit nicht genug Kapazitäten. Die Tests basieren auf der am häufigsten ausgeführten Tätigkeit: dem Gehen. Zusätzlich testen die Hersteller auf höchste mechanische Belastungen wie Stolpern oder Treppensteigen. Aber wieviel Testen ist sinnvoll? Im Worst-Case-Szenario versagen alle Prothesen, auch die klinisch erfolgreichen. Es ist daher dringend notwendig, die Testverfahren weiterzuentwickeln und die zugrundeliegenden Zusammenhänge zu verstehen.
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Das Training macht‘s
Die Anforderungsentwicklung betrifft nicht nur die Materialien der Implantate, sondern auch die operative Qualität.
Besonders muskelschonende Operationsverfahren haben einen hohen Stellenwert. Zu den benötigten Qualifikationen eines Chirurgen zählen, neben dem handwerklichen Geschick, das theoretische Wissen sowie eine qualifizierte praktische Ausbildung. Immer komplexere Implantatsysteme machen ein ausführliches Training unerlässlich.
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Ursachen und Vermeidung von Komplikationen
Trotz bester Voraussetzungen, treten auch in Deutschland hin und wieder Probleme mit Endoprothesen auf. Die häufigsten Komplikationen sind Lockerungen der Implantate oder Infektionen. Außerdem korrodieren Metallimplantate und setzen Partikel frei, die sich schon nach kürzester Zeit im Körper des Patienten nachweisen lassen. Die Infektionsrate beträgt durchschnittlich ca. 1 %. Je länger eine Operation dauert, desto höher sei die Infektionsrate, erläutert Prof. Perka. Neben der Ausbildung der Operateure spielt hier der Allgemeinzustand des Patienten eine wichtige Rolle: so dauert beispielsweise eine Operation bei einem übergewichtigen Patienten länger als bei einem normalgewichtigen. Auch die Hautflora des Patienten ist entscheidend; antiseptische Waschungen vor der Operation sowie ein gezieltes Screening auf Erreger bei Risikogruppen können die Infektionsrate reduzieren.
Aktuell ist die Forschung an antibakteriellen Beschichtungen für Implantate im Fokus. Diese könnten eine Besiedlung mit Bakterien reduzieren, ohne ein Einwachsen der Osteoblasten zu verhindern.
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Wir brauchen verlässliche Daten!
2011 fiel der Startschuss für das deutsche Endoprothesenregister (EPRD). Mit dem Register ist es möglich, alle Parameter von der Diagnose über den chirurgischen Prozess bis hin zu einer eventuellen Revision zu erfassen. Aktuell sind im EPRD ca. 150 000 Datensätze enthalten, erste Auswertungen seien für Anfang des kommenden Jahres erwartet, prognostiziert Wecker. Die integrierte Datenbank enthält ca. 36 000 verschiedene Prothetik-Komponenten, eine Detailtiefe, die weltweit einmalig ist. Die Experten erhoffen sich von dem Register tiefe Einblicke und ein verbessertes Verständnis der Zusammenhänge.
Bisher ist die Teilnahme am EPRD freiwillig und etwa die Hälfte aller infrage kommenden Krankenhäuser pflegt ihre Daten ein. Der BVMed und die AE fordern ab Mitte 2017 eine gesetzliche Verpflichtung zur Teilnahme am Endoprothesenregister.
Die Initiative EndoCert der DGOOC (Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie) ist weltweit das erste Zertifizierungssystem für Endoprothetik. Ziel ist es, Prozesse festzulegen und sie zu standardisieren. Die Teilnahme am EPRD ist für zertifizierte Zentren verpflichtend. Die Experten hoffen, in Zukunft anhand der Daten des EPRD überprüfen zu können, ob die Zertifizierung zu einer Verbesserung der Versorgungsqualität beiträgt.
Dr. Anna Beckmann, Stuttgart
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