Z Orthop Unfall 2015; 153(06): 576
DOI: 10.1055/s-0035-1570274
Orthopädie und Unfallchirurgie aktuell
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Schmerzen am Bewegungsorgan – Manuelle Medizin kann umfangreiche Diagnostik und Medikamente ersparen

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Publication Date:
15 December 2015 (online)

 

    Bei jedem 2. Patienten mit Schmerzen am Bewegungsorgan können Orthopäden und Unfallchirurgen keine strukturelle Ursache finden. Ihnen soll die Manuelle Medizin helfen. Bisher kommt das alternative Verfahren, bei denen der Arzt ausschließlich mit den Händen behandelt, vor allem bei Kreuzschmerzen zum Einsatz. Experten zufolge könnten weit mehr Schmerzpatienten davon profitieren.

    Chronische Schmerzen an Muskeln und Skelett sind der häufigste Grund für Arbeitsausfälle. Allein die Diagnose Rückenschmerz verursacht laut Angaben der Techniker Krankenkasse bis zu 40 Millionen Fehltage im Jahr. Bei der Hälfte der Patienten mit Schmerzen am Bewegungsorgan liegt jedoch keine strukturelle Ursache vor – wie zum Beispiel ein eingeklemmter Wirbel oder ein Bandscheibenvorfall.

    „Mithilfe spezieller Handgriffe, die sich an der Neurophysiologie des Körpers orientieren, erkennt der ausgebildete Orthopäde die eigentliche Ursache“, erklärt Dr. med. Hermann Locher, Leiter der wissenschaftlichen Arbeitsgruppe Manuelle Medizin in der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie. Oft handle es sich um übertragene Schmerzen aus Fehlfunktionen der Wirbelsäule oder Blockaden des Gewebenetzes, das Knochen, Muskeln und innere Organe verbindet. „Diese Funktionsstörungen können manuell aufgelöst werden“, so Locher, der allein in den letzten 30 Jahren bereits mehr als 50 000 Rückenschmerz-Patienten behandelt hat. Aufwändige Untersuchungen wie etwa einen Herzkatheter, eine Angiografie oder Röntgen würden in manchen Fällen dadurch unnötig. „Auch Schmerz-Medikamente, Muskelrelaxantien oder Psychopharmaka können so eingespart werden“, sagt Locher.

    Auslöser der Blockierungen seien häufig eine Überbelastung beim Sport oder Bewegungsmangel durch überwiegend sitzende Tätigkeit. Aber auch psychosoziale Faktoren wie Stress oder Konflikte können zur Schmerzquelle werden. „Deswegen ist es wichtig, dass wir den Menschen als Ganzes betrachten und seine Lebenssituation in die Behandlung mit einbeziehen“, betont Locher.

    Die Manuelle Medizin ist ein fester Bestandteil in der Orthopädie und Unfallchirurgie. Mehr als die Hälfte der Orthopäden und Unfallchirurgen absolvieren zudem die Zusatzweiterbildung „Manuelle Medizin / Chirotherapie“. Niedergelassene Orthopäden wenden die Methode bei jedem 3. Patienten an. „Weniger häufig findet die Manuelle Medizin derzeit noch in den anderen Fächern wie etwa der Allgemeinmedizin oder der Kinderheilkunde Anwendung“, so Locher.

    Die nationale Versorgungsleitlinie Kreuzschmerz empfiehlt die Manuelle Medizin bereits bei nicht spezifischen, akuten sowie bei chronischen Kreuzschmerzen. Auch in den Leitlinien zur Kopf- und Brustschmerztherapie ist die manuelle Medizin verankert. „Es wäre wünschenswert, die Manuelle Medizin und somit auch die Osteopathie in weitere Leitlinien mit aufzunehmen, vor allem die, die Schmerzen am Bewegungsorgans betreffen“, so Locher. Denn zahlreiche Funktionsstörungen im Kopfbereich könnten ebenfalls manuell therapiert werden, beispielsweise Gleichgewichtsstörungen oder Schluckstörungen.

    Nach einer Pressemitteilung (DKOU)


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