Z Orthop Unfall 2016; 154(01): 16
DOI: 10.1055/s-0036-1572476
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Neue Wege in der CRPS-Therapie – Durch Schmerz zur Heilung?

Rezensent(en):
Philipp Herlyn
Barnhoorn K, van de Meent H, van Dongen R et al.
Pain exposure physical therapy (PEPT) compared to conventional treatment in complex regional pain syndrome type 1: a randomised controlled trial.

BMJ Open 2015;
5: e008283
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
22. Februar 2016 (online)

 

Barnhoom et al. haben eine Studie zur Therapie des komplexen regionalen Schmerzsyndroms vom Typ I (CRPS I) vorgelegt. Im Gegensatz zur bestehenden Lehrmeinung, bei der der Schmerz eine Warnfunktion zum Schutz erfüllt und Physiotherapie daher nur bis zur Schmerzgrenze angewandt werden soll, wird hier der Schmerzreiz als vom pathophysiologischen Geschehen entkoppelt angesehen und in der physiotherapeutischen Behandlung ignoriert.
Barnhoorn K, van de Meent H, van Dongen R et al. Pain exposure physical therapy (PEPT) compared to conventional treatment in complex regional pain syndrome type 1: a randomised controlled trial. BMJ Open 2015; 5:e008283

Einleitung

In dieser Studie wenden die Autoren im Rahmen eines randomisierten kontrollierten Versuchs ein Behandlungskonzept an, das Sie bereits als Fallserie vorgestellt haben [ 1 ]. Hierbei handelt es sich um Pain Exposure Physical Therapy (PEPT), bei der Patienten für 5 Sitzungen a 40 Minuten eine Schulung und spezielle Physiotherapie erhielten. Ihnen wurde zunächst ausführlich die zugrundeliegende Theorie über Schmerz, schmerzvermeidendes Verhalten und die daraus resultierende Behandlungsrationale des PEPT erläutert. Anschließend erfuhren die Patienten, dass der Therapeut den wie auch immer geäußerten Schmerz zwar wahrnimmt, bei der Behandlung aber darauf nicht reagieren wird unter der Annahme, dass der Schmerz bei sich bessernder Funktion allmählich gelindert wird. Alle Schmerzmedikamente wurden abgesetzt, sämtliche Hilfsmittel wie Schienen, Stützen etc. sollte der Patient nach Möglichkeit nicht mehr nutzen. Die Übungen, welche die Patienten auch als Heimübungsprogramm erlernten, beinhalteten Abhärten der Extremitäten durch Massage und verstärkten Gebrauch im Alltag, Stärkung der Muskelkraft und sowohl aktive als auch passive Gelenkmobilisierung. Während der Therapeut eher den Part eines Instruktors und auch Gesprächspartners übernahm, wurde der Partner des Patienten aus seiner behütenden und schützenden Rolle gedrängt und zu einem motivierenden und ermöglichendem Verhalten angeregt.


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Methodik

In die Studie wurden 56 Patienten eingeschlossen, die entsprechend der aktuellen IASP-Forschungskriterien (Budapestkriterien) an einem CRPS I litten. Anschließend erfolgte eine Randomisierung in 2 Gruppen, entweder PEPT oder eine Kontrollgruppe, die mit herkömmlicher Physiotherapie und leitliniengerechter medikamentöser Therapie behandelt wurde. Die Nachbeobachtung erfolgte über 9 Monate im Hinblick auf Schmerz, Funktion, Lebensqualität und Kraft.


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Ergebnisse

In den Ergebnissen zeigte sich unter Anwendung der Intention to treat ein vergleichbar gutes Ergebnis von herkömmlicher (Kontroll-)Therapie und aktueller PEPT, wobei bei der PEPT ein besseres Bewegungsausmaß resultierte. Bei beiden Gruppen zeigte sich die deutlichste Verbesserung im 1. Untersuchungsintervall nach 3 Monaten. Wurde die Analyse allerdings per protocol durchgeführt (Ausschluss von Wechslern von der Kontroll- in die PEPT-Gruppe vor Beginn der Studie) und stellte damit ein etwas genaueres Abbild der realen Versuchsgruppen dar, zeigte sich zusätzlich eine statistisch signifikante Verbesserung in weiteren einzelnen Messgrößen. Ernsthafte Nebenwirkungen (abgesehen von typischen Medikamentennebenwirkungen in der Kontrollgruppe) wurden in beiden Gruppen nicht beobachtet.

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Mit einer erfrischend anderen Herangehensweise setzen Barnhoorn et al. Physiotherapie zur Behandlung des CRPS ein und nutzen den Schmerz, statt ihn zu vermeiden. (Bild: fpic / Fotolia.com)

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Kommentar

Die Autoren erwähnen als Limitation selbst die kleine Gruppengröße für diese Studie, allerdings hat es offenbar Schwierigkeiten bei der Rekrutierung und bei der Finanzierung über eine längere Studiendauer gegeben.

Zusammenfassend handelt es sich aber um eine hochinteressante Studie, bei der ein neues Behandlungsverfahren in der CRPS-Therapie überprüft wurde. Bei überschaubarem Zeit- und Mittelaufwand (5 Therapieeinheiten vs. 16 Einheiten bei der konventionelle Physiotherapie) sowie Verzicht auf jegliche Medikation und damit Vermeidung aller typischen damit einhergehenden Nebenwirkungen konnte ein absolut vergleichbares Behandlungsergebnis bei den Patienten erreicht werden.


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  • Literatur

  • 1 Ek JW, van Gijn JC, Samwel H et al. Pain exposure therapy may be a safe and effective treatment for longstanding complex regional pain syndrome type 1: a case series. Clin Rehabil 2009; 23: 1059-1066

  • Literatur

  • 1 Ek JW, van Gijn JC, Samwel H et al. Pain exposure therapy may be a safe and effective treatment for longstanding complex regional pain syndrome type 1: a case series. Clin Rehabil 2009; 23: 1059-1066

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Mit einer erfrischend anderen Herangehensweise setzen Barnhoorn et al. Physiotherapie zur Behandlung des CRPS ein und nutzen den Schmerz, statt ihn zu vermeiden. (Bild: fpic / Fotolia.com)