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DOI: 10.1055/s-0036-1580399
„Auf den Punkt gebracht“ – Protonenpumpen-Inhibitoren und Demenz? Eine neue Nebenwirkung, über die ich meine Patienten aufklären muss?
Publication History
Publication Date:
10 November 2016 (online)
Die Demenz ist, bedingt durch die gestiegene Lebenserwartung, ein zunehmendes Problem in Gesellschaften westlicher Zivilisation. Das Risiko an einer Demenz zu erkranken beträgt in Deutschland jenseits des 65. Lebensjahrs knapp 2 % pro Jahr.
Es gibt eine zunehmende epidemiologische Forschung, die auch häufig eigenommene Medikamente hinsichtlich eines ungünstigen Einflusses untersucht. Es wird beispielsweise derzeit diskutiert, ob Anticholinergika kognitive Fähigkeiten beim älteren Menschen vermindern (JAMA Intern Med 2015; 175: 401–407). Bei der Auswahl von Substanzgruppen hat sich eine Bonner Arbeitsgruppe den Protonenpumpenblockern (PPI) zugewandt. Sie gehören bei uns zu den am häufigsten eigenommenen Medikamenten und können inzwischen rezeptfrei erworben werden. In einer pharmakoepidemiologischen Studie (JAMA Neurol 2016; 73: 410–416) verglichen die Autoren bei über 75-jährigen Patienten, die mindestens 1,5 Jahre regelmäßig PPIs verschriebenen bekommen hatten und bei denen in einer AOK-Datenbank bisher keine Demenz dokumentiert war, das Auftreten einer Demenz, definiert als die wiederholte Dokumentation von mindestens einem der acht Demenz-assoziierten ICD codes, mit 71.000 Patienten über 75 Jahre ohne Hinweis auf Demenz in der Datenbank. Unter Einbeziehung möglicher Einflussfaktoren (confounder) war das Risiko, eine Demenz unter regelmäßiger PPI-Einnahme diagnostiziert zu bekommen pro Zeiteinheit um etwa 40 % erhöht (HR 1,44; 1,36-1,52). Eine frühere Pilotstudie derselben Arbeitsgruppe an einem anderen Kollektiv fand einen ähnlichen Trend. Eine dritte Studie an einem Kollektiv aus Allgemeinarzt-Praxen fand keine Assoziation zwischen PPI-Einnahme und Demenz bei älteren Patienten (Int Psychogeriatr 2016; 28: 1059–1065). Wir sollten solche Hinweise, die auf reinen hypothesenfreien statistischen Assoziationen beruhen, zur Kenntnis nehmen ohne vorschnelle Folgerungen zu ziehen. Denn es gibt zu viele Möglichkeiten eines noch nicht erkannten systematischen Fehlers bei dieser Art von Untersuchungen, denen ein kausaler Boden fehlt. Gleichwohl gemahnt uns die Beobachtung, Medikamente gezielt und restriktiv zu verordnen und die Patienten über ihre Krankheit, einschließlich positiver wie möglicher negativer Folgen der Behandlung, verständlich in einem ungestörten Gespräch aufzuklären. Dies gilt für die besonders häufige gastroösophageale Refluxerkrankung, eine der wesentlichen Indikationen für regelmäßige PPI-Einnahmen, es gilt aber auch für all die fraglichen Indikationen zur PPI-Einnahme (Stichwort „Magenschutz“) und für zu lange Einnahmen. Es gibt ja noch eine Reihe weiterer, wenn auch seltener Nebenwirkungen als Folge der Langzeitgabe von PPIs wie z. B. Vitamin-B12-Mangel, eine erhöhte Rate von Knochenfrakturen oder von Infektionen bei bestimmten Risikokonstellationen.