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DOI: 10.1055/s-0036-1582387
Nicht muskelinvasives Harnblasenkarzinom - Regionale Hyperthermie und Mitomycin C
Publication History
Publication Date:
08 August 2016 (online)
Bei etwa drei Viertel aller Patienten mit Harnblasenkarzinom ist der Tumor bei der Erstdiagnose auf die Mukosa oder Submukosa beschränkt. Allerdings ist die Rezidivrate nach transurethraler Resektion hoch und betrifft bis zu 75% der Fälle. Daher werden bei Hochrisikopatienten adjuvante Therapien eingesetzt, z. B. die intravesikale Instillation von Zytostatika oder Bacille Calmette-Guérin. Eine Alternative haben Mediziner aus Amsterdam geprüft.
J Urol 2015; 194: 1202–1208
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mit Kommentar
Die regionale Hyperthermie in Kombination mit der intravesikalen Instillation von Mitomycin C ist bei Patienten mit nicht muskulär invasivem Blasenkarzinom (NMIBC) nach transurethraler Tumorresektion machbar und sicher. Zu diesem Ergebnis kommt die Pilotstudie von Elisabeth Geijsen und ihren Kollegen, in der zwischen 2009 und 2011 insgesamt 20 Patienten behandelt wurden.
Bei allen Teilnehmern bestand ein histologisch gesichertes NMIBC mit intermediärem oder hohem Rezidivrisiko im Stadium Ta/T1 vom Grad 3 (Ersttumor) oder ein Stadium Ta/T1 vom Grad 2 (Rezidivtumor). Maximal 6 Wochen nach der transurethralen Resektion erfolgte die Intervention, bestehend aus
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regionaler Hyperthermie über 1 oder 2 Antennensysteme mit jeweils 4 Applikatoren, die um das Becken herum positioniert werden und hochfrequente elektromagnetische Wellen (70 MHz) abgeben, mit einer angestrebten Temperatur von 41 °C über 60 min, inkl. der Aufwärmphase, aber max. 90 min
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Mitomycin C (MMC) 40 mg in 50 ml physiologischer Kochsalzlösung intravesikal, die während der gesamte Hyperthermiesitzung in der Blase verblieb
Die gesamte Behandlung wurde zunächst 1-mal pro Woche über 6 Wochen durchgeführt (Induktionsphase), in der sich anschließenden Erhaltungsphase dann 1-mal alle 3 Monate über 1 Jahr. Für die jetzige Pilotstudie wurden vor allem Machbarkeit und Sicherheit bewertet, dazu die Rezidivraten nach 2 Jahren.
Behandlung bei 9 Patienten abgeschlossen
Die Daten von 18 Patienten konnten ausgewertet werden, bei 2 Patienten wurden kurz nach Studienbeginn Fernmetastasen diagnostiziert, sodass die lokale Therapie abgebrochen wurde. Bei 15 der 18 Teilnehmer konnte die Induktionsphase komplettiert werden, bei 9 von ihnen außerdem die Erhaltungsphase. Bei 4 Patienten war der Therapieabbruch auf die Hyperthermie zurückzuführen, Gründe umfassten in jeweils einem Fall Rückenschmerzen durch die Lagerung, Blasenspasmen, Darmkrämpfe und Widerruf der Einwilligung aus nicht näher genannten Gründen.
Insgesamt wurden 140 Hyperthermie-MMC-Sitzungen durchgeführt, dabei wurde eine mittlere Temperatur in der Blase von 41,6°C erreicht. Die mittlere Maximaltemperatur betrug 42,1°C, die Minimaltemperatur 40,6°C. Die Temperaturen in Rektum und ggf. Vagina lagen jeweils etwas niedriger.
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Keine schweren Nebenwirkungen
Toxizitäten Grad 3 oder 4 nach den Common Toxicity Criteria 3.0 traten in keinem Fall auf. Grad-1-Toxizitäten dagegen wurden bei etwa der Hälfte der Sitzungen angegeben und bestanden im Wesentlichen aus einem kurzen Brennen der Haut im erwärmten Bereich, das sich aber wenige Minuten nach Veränderung der Hyperthermieeinstellungen zurückbildete. Bei den im Rahmen der Nachsorge durchgeführten Zystoskopien zeigten sich keine Schleimhautschädigungen durch die Hyperthermie und MMC-Instillation, mit Ausnahme asymptomatischer lokalisierter Hyperämien und Kalzifizierungen in der Mukosa bei einigen Patienten.
Die rezidivfreie Überlebensrate nach 2 Jahren betrug 78%, bei 3 der 9 Patienten, die das gesamte Protokoll abgeschlossen hatten, kam es zu einem Rezidiv oder einer Progression.
Bei Patienten mit NMIBC und intermediärem bis hohem Rezidivrisiko kann, laut den Autoren, eine Kombination aus lokaler Hyperthermie mit intravesikaler Gabe von Mitomycin C sicher durchgeführt werden, und die angestrebten lokalen Temperaturen werden mit dem vorgestellten System problemlos erreicht. Schwere Nebenwirkungen wurden nicht beobachtet, eine Reihe von Patienten gab allerdings ein Unbehagen oder Schmerzen während der langen Liegedauer an. Größere Studien müssen diesen Ansatz nun weiter prüfen und dabei u. a. auch Miktionsbeschwerden nach der Behandlung und anatomische Veränderungen in der Blase mit validierten Instrumenten bewerten.
Dr. Elke Ruchalla, Bad Dürrheim
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Kommentar
Unzureichende Datenlage
Geijsen et al. beschreiben in ihrer Arbeit eine monozentrische Phase-1/2-Studie zur Durchführbarkeit und Toxizitätsbeschreibung der regionalen 70 MHz-Hyperthermie in Kombination mit intravesikaler Mitomycin-Chemotherapie zur Therapie von Patienten mit nicht muskelinvasivem Urothelkarzinom der Harnblase. Dabei adressieren sie mit den eingeschlossenen Intermediate- bzw. High-Risk-Tumoren eine Population von Patienten, die aufgrund der hohen Rezidiv- und Progressionsraten der Erkrankung zu einer der teuersten Krankheitspopulationen überhaupt zählen und für den Patienten eine erhebliche Belastung darstellen können [1]. Die gegenwärtig verfügbaren adjuvanten Therapiealternativen bestehend aus intravesikaler Chemotherapie oder BCG-Instillationen vermögen zwar einerseits die Rezidiv- bzw. Progressionswahrscheinlichkeit zu senken, jedoch stellen gerade High-Risk-Tumoren nach EORTC nach wie vor ein problematisches Krankheitsbild dar und die Notwendigkeit effektiver adjuvanter Therapiealternativen ist aufgrund der bisherigen Ergebnisse nach wie vor gegeben.
Eine dieser möglichen Methoden wäre eine kombinierte adjuvante Chemo-Hyperthermie-Therapie. Die Autoren zeigen in ihrer Pilotstudie dabei, dass die Methode prinzipiell durchführbar zu sein scheint, wenn auch die Patientenzahl der Studie begrenzt war. Zudem zeigt die Drop-out-Rate von 17% während des Induktionszyklus und 33% während der Erhaltungstherapie eine möglicherweise nicht ganz unproblematische Applikation, auch wenn schwerwiegende Nebenwirkungen nicht berichtet wurden.
Generell muss darauf hingewiesen werden, dass es sich bei der vorgestellten Studie um die erste Studie handelt, in der NMIBC-Patienten mit der regionalen 70Mhz-Hyperthermie behandelt wurden, und, dass andere Formen der Hypertherapieapplikation möglicherweise über differente Nebenwirkungsraten verfügen. So ist generell zwischen der regionalen Hyperthermie, der intracavitären Radiofrequenzhyperthermie und intravesikaler Hyperthermie mit erhitzten Perfusaten zu unterscheiden. In der vorgestellten Studie werden eine Reihe von Antennen um das Becken des Patienten positioniert, welches wiederum an einen speziellen Generator angeschlossen wird, um das Zielorgan – in diesem Fall die Harnblase – möglichst homogen zu erhitzen.
Lammers et al. berichten in ihrem systematischem Review zum Thema, dass die publizierten Studien zwar eine deutliche Reduktion der Rezidivrate nicht muskelinvasiver Blasentumoren erwarten ließen (59% relative Reduktion im Vergleich zu Mitomycin ohne Hyperthermie) und möglicherweise auch positive Effekte auf den Blasenerhalt hätten, gleichzeitig mahnen die Autoren jedoch vor der Heterogenität der eingeschlossenen Studien und weisen darauf hin, dass zudem lediglich eine geringe Anzahl randomisierter Studien eingeschlossen wurde und daher aufgrund des zu erwartenden nicht unerheblichen Selektionsbias keine definitiven Schlüsse gezogen werden können [2]. Jedoch stellen sie die Methode als mögliche Alternative für Patienten dar, welche für eine leitliniengerechte BCG-Therapie nicht infrage kommen würden [2].
Diesbezüglich sind die kürzlich publizierten Ergebnisse von Arends et al. von hohem Interesse. Die Autoren haben in ihrer prospektiven Studie eine adjuvante hypertherme Chemotherapie mit Mitomycin C mit einer BCG-Therapie über ein Jahr verglichen und konnten zeigen, dass die Methode gegenüber einer BCG-Therapie zu einem überlegenen rezidivfreien Überleben der Patienten führte [3]. Einschränkend sei jedoch erwähnt, dass die Studie vorzeitig geschlossen wurde und daher underpowered war, was die Aussagekraft der Ergebnisse einschränkt. Es sind daher weitere klinische Studien nötig, um die Effektivität der Methode, aber auch die optimalen Therapieregime und Hyperthermieapplikationen zu identifizieren.
Ein weiteres mögliches Einsatzgebiet der regionalen Hyperthermie stellt die kombinierte Radiochemotherapie des Harnblasenkarzinoms dar, welche durch den Einsatz der Hyperthermie zu einer Quadrupeltherapie weiterentwickelt wurde (TURB, Radiochemotherapie und Hyperthermie) und die möglichen Vorteile eine hyperthermen Chemosensitivierung der Tumoren ermöglichen soll [4]. Erste Daten zeigen auch hier ermutigende Ergebnisse mit einer möglicherweise verbesserten lokalen Tumorkontrolle als die alleinige Radiochemotherapie. Jedoch fehlen auch hier kontrollierte prospektive Studien mit relevanten Patientenzahlen, die nicht nur den propagierten Vorteil einer möglicherweise verbesserten lokalen Tumorkontrolle, sondern auch die damit verbunden Nebenwirkungen auch hinsichtlich funktioneller Aspekte der Blasenentleerung statistisch zweifelsfrei belegen können [4].
Zusammenfassend muss festgestellt werden, dass die Hyperthermie ihren therapeutischen Stellenwert in der Urologie aufgrund fehlender prospektiv-randomisierter Daten noch nicht gefunden und daher gegenwärtig keinen Einzug in die Empfehlungen unserer Fachgesellschaften gehalten hat.
PD Dr. Bastian Keck, Erlangen
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Literatur
- 1 Sievert KD, Amend B, Naegele U et al. Econic aspects of bladder cancer: what are the benefits and costs?. World J Urol 2009; 27: 295
- 2 Lammers RJ, Witjes JA, Inman BA et al. The role of a combined regimen with intravesical chemotherapy and hyperthermia in the management of non-muscle-invasive bladder cancer: a systematic review. Eur Urol 2011; 60: 81-93
- 3 Arends TJ, Nativ O, Maffezzini M et al. Results of a Randomised Controlled Trial Comparing Intravesical Chemohyperthermia with Mitomycin C Versus Bacillus Calmette-Guérin for Adjuvant Treatment of Patients with Intermediate- and High-risk Non-Muscle-invasive Bladder Cancer. Eur Urol 2016; 2016. 01. 006
- 4 Wittlinger M, Rödel CM, Weiss C et al. Quadrimodal treatment of high-risk T1 and T2 bladder cancer: transurethral tumor resection followed by concurrent radiochemotherapy and regional deep hyperthermia. Radiother Oncol 2009; 93: 358-363
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Literatur
- 1 Sievert KD, Amend B, Naegele U et al. Econic aspects of bladder cancer: what are the benefits and costs?. World J Urol 2009; 27: 295
- 2 Lammers RJ, Witjes JA, Inman BA et al. The role of a combined regimen with intravesical chemotherapy and hyperthermia in the management of non-muscle-invasive bladder cancer: a systematic review. Eur Urol 2011; 60: 81-93
- 3 Arends TJ, Nativ O, Maffezzini M et al. Results of a Randomised Controlled Trial Comparing Intravesical Chemohyperthermia with Mitomycin C Versus Bacillus Calmette-Guérin for Adjuvant Treatment of Patients with Intermediate- and High-risk Non-Muscle-invasive Bladder Cancer. Eur Urol 2016; 2016. 01. 006
- 4 Wittlinger M, Rödel CM, Weiss C et al. Quadrimodal treatment of high-risk T1 and T2 bladder cancer: transurethral tumor resection followed by concurrent radiochemotherapy and regional deep hyperthermia. Radiother Oncol 2009; 93: 358-363