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DOI: 10.1055/s-0036-1583217
Schulterendoprothetik – Inverse oder anatomische Prothese?
Publikationsverlauf
Publikationsdatum:
13. April 2016 (online)
Welcher endoprothetische Gelenkersatz sollte gewählt werden, wenn die primäre Rekonstruktion einer komplexen proximalen Humeruskopffraktur nicht möglich ist? Vergleichsstudien zwischen anatomischer und inverser Prothese liefern kontroverse Ergebnisse. In der vorgestellten prospektiv-randomisierten Studie wurde das Ergebnis nach anatomischer oder inverser Frakturprothetik im älteren Patienten untersucht und Behandlungsempfehlungen für die Praxis gegeben.
Sebastiá-Forcada E, Cebrián-Gómez R, Lizaur-Utrilla A et al. Reverse shoulder arthroplasty versus hemiarthroplasty for acute proximal humeral fractures. A blinded, randomized, controlled, prospective study. J Shoulder Elbow Surg 2014; 23: 1419–1426
Sebastiá-Forcada et al. konnten anhand der Daten aus dem Elda University Hospital (Alicante, Spanien) zeigen, dass Patienten mit inverser Frakturprothese bessere Ergebnisse für Schmerzreduktion, Schulterfunktion und -beweglichkeit und Revisionsrate aufwiesen als Patienten mit Hemiprothesenversorgung. Für die Innenrotation konnte kein Unterschied gefunden werden. Nach Konversion der Hemiprothese in eine inverse Prothese verbesserte sich das Outcome nicht.
Methodik
62 Patienten erfüllten zwischen 2009 und 2011 die Einschlusskriterien der Studie (Alter > 70 Jahre, komplexe proximale Humerusfraktur mit Indikation zur Prothesenversorgung, vollständiges Follow-up von 24 Monaten). Ausschlusskriterien waren das Vorliegen von Kontraindikationen zur OP, Vor-Operationen an der betroffenen Schulter, eine zusätzliche Fraktur der betroffenen Extremität oder neurologische Auffälligkeiten. 61 Patienten (98 %) beendeten das 2-Jahres-Follow-up. Die Patienten wurden der inversen (n = 31) oder anatomischen (n = 30) Frakturprothesengruppe zufällig zugeteilt. Ein modulares Prothesensystem mit dem gleichen zementfreien Prothesenschaft wurde in allen Fällen verwandt (SMR®, Lima, Udine / Italien). Die Tuberkula wurden in gleicher Technik für die anatomische und inverse Prothese mittels Fadencerclage refixiert. Eine klinische und radiologische Nachuntersuchung erfolgte 6 Wochen sowie 3, 6, 12 und 24 Monate postoperativ. Erhoben wurden der Constant-Murley-Score, UCLA-Score, Quick-DASH, das Bewegungsausmaß der betroffenen Schulter und eine standardisierte Kraftmessung. Radiologisch wurde auf Lockerungszeichen, heterotope Ossifikationen, Scapula-Notching und die Heilung der Tuberkula untersucht.
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Ergebnisse
Patienten nach inverser Frakturprothese zeigten im Vergleich zur Hemiprothesenversorgung eine überlegene Schulterfunktion mit besseren Werten für den Constant-Score (56.1 vs. 40.0), UCLA-Socre (29.1 vs. 21.1), Anteversion (120.3 ° vs. 79.8 °), Abduktion (112.9 vs. 78.7) und Außenrotation (4.7 vs. 3.3). Die Innenrotation zeigte keinen Unterschied (2.7 vs. 2.6). Der DASH ergab eine schlechtere subjektive Alltagsfunktion in der Hemiprothesen-Gruppe (17 vs. 29). Die Rate der Tuberkula-Einheilung war nicht signifikant verschieden (64.5 % vs. 56.7 %), allerdings war das klinische Outcome der Hemiprothesen abhängig von der Einheilung und verschlechterte sich deutlich bei knöcherner Resorption. Die Funktion der inversen Prothese zeigte sich von solchen Veränderungen unbeeinflusst. Ein Patient mit inverser Prothese wurde aufgrund eines Infekts 2-zeitig gewechselt. 6 Patienten mit Hemiprothese wurden auf eine inverse TEP konvertiert.
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Die Studie von Sebastiá-Forcada et al. weist ein prospektives Design mit gut vergleichbaren Patientengruppen auf. In Übereinstimmung mit der Literatur fanden sich Funktionsverluste der Hemiprothese bei ausbleibender Heilung der Tuberkula. 6 Patienten mit Hemiprothese zeigten bei insuffizienter Rotatorenmanschette schlechte Ergebnisse, eine kraniale Migration und wurden zur inversen TEP konvertiert. Aufgrund dieser Problematik konnte gezeigt werden, dass die inverse Schulterprothetik auch bei der Frakturversorgung aufgrund der besseren funktionellen Ergebnisse zunehmend an Stellenwert gewinnt. Diese Ergebnisse bleiben unabhängig von der Tuberkula-Einheilung. Bislang wurde in der Literatur von hohen Komplikations- und Revisionsraten der inversen Prothetik berichtet. Aus diesem Grund sind einige Operateure zurückhaltend mit der Indikation. In dieser Studie konnten bessere Funktions- und Überlebenszahlen für die inverse Prothese bei niedriger Komplikationsrate gezeigt werden. Eine mögliche Einschränkung dieser Studie stellt das kurze Follow-up dar. Mögliche Beeinträchtigungen des Langzeitüberlebens (> 10–15 Jahre) der inversen TEP durch z. B. Scapula-Notching oder eine Insuffizienz des Deltamuskels können in diesem Zeitraum noch nicht hinreichend beurteilt werden. Daher bleibt die Empfehlung zur Implantation der inversen Frakturprothese erst bei älteren Patienten > 70 Jahre zunächst bestehen.
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