Klinik Einkauf 2019; 01(01): 29-31
DOI: 10.1055/s-0036-1595712
Beschaffung
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart

Sortimentstraffung als Erfolgshebel: Ortenau Klinikum hebt siebenstelliges Einsparpotenzial

Carolin Freye
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Publication Date:
05 March 2019 (online)

 

    Sachkostenoptimierungen sind auch für Kliniken in Deutschland ein wichtiges Thema. Welche positiven Ergebnisse eine Bündelung von Verbrauchsgütern haben kann, zeigt sich am Beispiel des Ortenau Klinikums.


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    Deutsche Kliniken stehen seit Jahren vor der Herausforderung, die Diskrepanz zwischen Kostensteigerung und Erlösminderung zu schultern. Die Kosten-Erlös-Schere öffnet sich immer weiter, ohne dass ein Trendwechsel absehbar ist. Das Ortenau Klinikum, ein wachsender Klinikverbund mit 1 707 Planbetten, die sich auf acht Standorte verteilen, geht diese Herausforderung aktiv an. Mit rund 89,4 Millionen Euro pro Jahr sind die Sachmittel ein bedeutender Kostenblock für den Verbund. Obwohl die Sachkosten des Ortenau Klinikums mit 5,2 Millionen Euro je 100 Betten bereits deutlich unter dem bundesweiten Durchschnitt von 6,6 Millionen Euro liegen, soll dieser Hebel für die wirtschaftliche Sicherung der Häuser genutzt werden.

    Die Vereinheitlichung der standortindividuellen Warenkörbe ist hierbei ein wichtiger Schritt. Neben der schwer messbaren Senkung von Prozesskosten führt v. a. die Standardisierung zu ergebniswirksamen Preisreduktionen. Je nach Ausgangssituation sind so Einsparpotenziale von bis zu 15 Prozent realistisch. Um die Einsparpotenziale schnell realisieren zu können, arbeitet das Ortenau Klinikum aktuell mit der Unternehmensberatung Bredehorst Clinic Medical Management GmbH (Bredehorst CMM) zusammen. Die Zusammenarbeit zeigt bereits nach neun Monaten Projektlaufzeit ein Einsparpotenzial von 1,3 Millionen Euro, das sowohl in den medizinischen als auch in den nicht medizinischen Warengruppen, inkl. sämtlicher Dienstleistungen, gehoben werden kann. Möglich ist dies durch eine partnerschaftliche Zusammenarbeit, die auch die Anwender der Produkte einschließt, sowie eine detaillierte Datenbasis.

    Im folgenden Interview gehen der Dipl. Betriebswirt Thomas Klauser, Leiter Einkauf und Logistik II des Ortenau Klinikums, und Kim Königer, Geschäftsführender Partner der Bredehorst CMM, auf die Herausforderungen der Sortimentsstraffung ein.

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    Thomas Klauser leitet seit 15 Jahren die Abteilung Einkauf und Logistik II des Ortenau Klinikums. Davor arbeitete der Diplom Betriebswirt 10 Jahre als Leiter der Wirtschaftsabteilung beim Ortenau Klinikum Offenburg.(Foto: Ortenau Klinikum)
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    Kim Kristian Königer ist geschäftsführender Partner der Bredehorst Clinic Medical Management, die national und international Krankenhäuser bei der Sachmitteloptimierung und Logistik berät.(Foto: Bredehorst CCM)
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    Das Ortenau Klinikum ist ein wachsender Klinikverbund mit acht Standorten. Mittels Standardisierung will der Klinikverbund im Einkauf deutliche ergebniswirksame Preisreduktionen erreichen.(Foto: Ortenau Klinikum)

    Herr Königer, wie wichtig ist die Datenqualität im Einkauf, um eine Sortimentsstraffung umsetzen zu können?

    Königer: Für die Standardisierung ist eine vollständige Datenbasis notwendig, die zeitgleich die konsequente Zuordnung der Waren und Dienstleistungen in Warengruppen beinhaltet. Diese Voraussetzungen sind nur selten in den Materialwirtschaftssystemen unserer Kunden zu finden. Besonders bei nicht medizinischen Warengruppen sehen wir häufig sehr unvollständige oder nicht vorhandene Daten. Wir schaffen daher eine neue Ausgangsbasis und digitalisieren zu Projektbeginn die Kreditorenrechnungen unserer Kunden. Die darin enthaltenen Informationen erfassen wir per OCR-Erkennung für eine weitergehende Datenverarbeitung und schlüsseln dann jeder Rechnungsposition den passenden EClass-Code zu, einem weltweit verbreiteten Datenstandard für Waren und Dienstleistungen. Für das Ortenau Klinikum bearbeiteten wir rund 46 000 Kreditorenrechnungen, die wir zusätzlich mit der Materialwirtschaft abglichen. Die so erzeugte holistische Abbildung über die Kosten und Verbräuche ermöglicht es, den unterschiedlichen Artikeleinsatz der einzelnen Klinikstandorte innerhalb des Verbundes herauszuarbeiten. So identifizierten wir in den medizinischen und nicht medizinischen Warengruppen rund 51 300 Artikel, die es zu standardisieren galt.

    Vor dem Hintergrund der Artikelvielfalt scheint es so, als hätte jeder Standort – überspitzt formuliert – seinen eigenen Warenkorb gehabt. Was waren die Gründe für standortindividuelle Einkaufsentscheidungen?

    Klauser: Die Gründe hierfür lagen in der damaligen Organisationsstruktur. Bis zum Jahr 2004 hatten die Klinikstandorte teilweise eigene Einkaufsabteilungen bzw. wurden die Bedarfe an den kleineren Standorten durch die Verwaltung abgedeckt. Es handelte sich also nicht so sehr um eine bewusste Entscheidung, sondern vielmehr um gewachsene Strukturen. Bereits seit 2004 wird aber der überwiegende Anteil der Beschaffungen über die zentrale Abteilung ‚Einkauf und Logistik‘ mit Sitz am Standort Offenburg gemanagt.
    Königer: Die Zusammenschlüsse von Klinikstandorten finden sich oft noch Jahre später in den Einkaufsdaten wieder. Der Warenkorb ist voll von historischen Beschlüssen und Vorlieben der bisherigen Entscheider. Das Konkurrenzdenken, das vor dem Zusammenschluss herrschte, überdauert den Zusammenschluss oft noch Jahre und erschwert zusätzlich die Definition standortübergreifender Standards.

    Produktlistungen und Lieferantenwechsel werden nicht selten durch die Anwender beeinflusst oder gar initiiert. Wie ist Ihre Einschätzung hierzu?

    Klauser: Diese meistens gut gemeinten dezentralen Beschaffungen halte ich für kontraproduktiv. Die Kosten einer Ware setzen sich letztendlich nicht nur aus dem Preis, sondern noch aus vielen anderen Kriterien zusammen. Dies hängt damit zusammen, dass z.B. der Aufwand, den gewünschten Artikel herauszusuchen, die Preisrecherche durchzuführen und am Ende dann evtl. den Artikel selbst im stationären Handel einzukaufen, um ein Vielfaches höher ist, als der eigentliche Preis des Artikels. Auch der Zahlvorgang für den Einkauf / die Finanzbuchhaltung ist am Ende sehr viel aufwändiger, als wenn es sich um einen Artikel aus dem Standardsortiment handelt, der über den zentralen Einkauf beschafft wird. Denn hier ist die überwiegende Anzahl der Stammdaten inkl. Preise im Materialwirtschaftssystem hinterlegt. Alle Bearbeitungsschritte können somit direkt aus dem System vorgenommen werden.
    Königer: Ich kann Herrn Klauser nur zustimmen. Das Etablieren und Leben eines Standardsortiments reduziert die Gesamtkosten jedes Artikels. Ideen der Anwender bringen oft wertvolle Impulse in den Einkauf. Hieraus darf aber keine Spontanlistung von Artikeln resultieren.

    Worin liegen die größten Herausforderungen, einen klinikweiten Warenkorb zu etablieren?

    Klauser: Beim nicht medizinischen Material muss man differenzieren. Wir haben für das Ortenau Klinikum beispielsweise schon vor vielen Jahren alle Artikel aus dem Büromaterial- und Lebensmittelbereich überarbeitet und einheitliche Warenkörbe etabliert, sodass alle Klinikstandorte standardisierte Produkte zu einheitlichen Preisen einsetzen. Schwierig war es zu Beginn, die Menschen vor Ort von den Vorteilen einer zentralen Beschaffung zu überzeugen, da ad-hoc-Beschaffungen, wie sonst üblich, nicht mehr möglich und erwünscht waren. Auch für den IT-Bereich gilt inzwischen, dass an allen Standorten die identische Hardware verwendet wird. Auch Software wird, wenn möglich, zentral gesteuert und beschafft. Im Betriebs- und medizintechnischen Bereich ist eine standardisierte Beschaffung, aufgrund unterschiedlicher Anlagen an den Standorten, etwas schwieriger. Durch die Schaffung zentraler Strukturen in der Technik sind wir aber auch hier auf einem guten Wege, um einen Großteil der notwendigen Beschaffungen über Rahmenverträge, die für alle Klinikstandorte gelten, abzuwickeln.
    Königer: Nicht zu unterschätzen sind auch weiche Faktoren. Mit den Strukturen wachsen auch subjektive Überzeugungen und Bedenken. Diese stehen Standardisierungsplänen oft im Weg und müssen erst beseitigt werden. Das ist ein Vorteil, den wir als externer Partner mitbringen. Wir kennen die individuellen Bedenken nicht und können so unbeschwerter an den Prozess herangehen. Wenn wir dem Anwender die Frage stellen, warum Standort A mit einem bestimmten Produkt arbeiten kann, er aber nicht, wird diese Frage oft weniger emotional beantwortet, als wenn sie vom internen Einkauf gestellt wird. Wir erhalten meist sachliche Gründe für die Ablehnung und können so schneller auf einer fachlichen Ebene in die Diskussion und die Konsensfindung einsteigen.

    Die nächste Frage knüpft genau hier an: In welchen Punkten ist die Zusammenarbeit mit einem externen Partner bei der Vereinheitlichung des klinikweiten Artikelkatalogs besonders hilfreich?

    Klauser: Hilfreich ist ganz sicher, dass Bredehorst CMM zu allen Themen über Experten verfügt, die mit den jeweiligen internen Experten auf Augenhöhe und im Detail diskutieren können, egal ob es sich um Endoprothetik, Labor, Medikalprodukte, Pharma, Betriebstechnik, IT etc. handelt. Hilfreich ist zudem der externe Benchmark, über den Bredehorst CMM verfügt. Damit können Einwendungen aus Qualitätsgründen oftmals widerlegt werden. Ein ganz wichtiger Aspekt ist der zeitliche Aufwand. Während der Einkauf oftmals zu 90 Prozent im Tagesgeschäft eingebunden ist, kann sich ein Externer über mehrere Monate hinweg ausschließlich mit dem Thema der Sachkostenoptimierung beschäftigen und die Umsetzungen sehr zeitnah vorantreiben, so dass Einsparungen auch kurzfristig realisiert werden können.

    Welche Bedenken hatten Sie vor der Zusammenarbeit mit einem externen Partner?

    Klauser: Der Einkauf hatte das Thema Sachkostenoptimierung bei der Geschäftsführung aktiv angesprochen und auch die Gründe, weshalb eine externe Begleitung sehr sinnvoll ist, detailliert darlegen können. Wir hatten also von Beginn an keine Bedenken – ganz im Gegenteil. Bedenken gab es teilweise von den Anwendern, da befürchtet wurde, dass Artikel ohne Rücksprache mit ihnen aufgrund eines günstigeren Preises einfach ausgetauscht werden. Diese konnten aber, durch die sehr frühzeitige Einbeziehung der Fachabteilungen, schnell zerstreut werden. Wichtig war uns in der Zusammenarbeit, dass die Leitung des Einkaufs selbstverständlich in alle Entscheidungen eingebunden war und den Prozess der Umstellungen mit begleitet hat.

    Was hat das Sachkostenoptimierungsprojekt bezogen auf die Artikelauswahl verändert?

    Klauser: Im Rahmen des Projektes wurden vom A- bis zum C-Artikel alle Artikel untersucht, kritisch hinterfragt und mit alternativen Produkten gebenchmarkt. Gesucht wurde immer nach einer Lösung, die qualitativ gut, preislich aber attraktiver ist als der bisher eingesetzte Artikel. Interessant war, dass es in den gebildeten Artikelkommissionen sehr oft möglich war, auch über Qualitätsansprüche zu diskutieren und ggf. auf Artikel umzusteigen, die qualitativ etwas unter dem vorigen Artikel lagen, preislich dann aber auch deutlich attraktiver waren. Auch in Zukunft werden die vorzuhaltenden Qualitäten in diesen Gremien diskutiert werden und somit Einfluss auf die Artikelauswahl haben.

    Das Interview führte Carolin Freye
    Klinik Einkauf


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    Thomas Klauser leitet seit 15 Jahren die Abteilung Einkauf und Logistik II des Ortenau Klinikums. Davor arbeitete der Diplom Betriebswirt 10 Jahre als Leiter der Wirtschaftsabteilung beim Ortenau Klinikum Offenburg.(Foto: Ortenau Klinikum)
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    Kim Kristian Königer ist geschäftsführender Partner der Bredehorst Clinic Medical Management, die national und international Krankenhäuser bei der Sachmitteloptimierung und Logistik berät.(Foto: Bredehorst CCM)
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    Das Ortenau Klinikum ist ein wachsender Klinikverbund mit acht Standorten. Mittels Standardisierung will der Klinikverbund im Einkauf deutliche ergebniswirksame Preisreduktionen erreichen.(Foto: Ortenau Klinikum)