Klinik Einkauf 2019; 01(01): 40-41
DOI: 10.1055/s-0036-1595716
Beschaffung
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart

Neue Logistik fürs Kaufmännische: Medizintechnik kaufen mit knappen Budgets

Kathrin Reisinger
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Publication Date:
05 March 2019 (online)

 

    Ralf Bannwarth ist Leiter des Geschäftsbereiches Einkauf und Medizintechnik bei den Alb Fils Kliniken – und was er dort entwickelt hat, könnte so manch anderer Klinik bald als Vorbild dienen. Bannwarth nennt sein Projekt liebevoll „SEBPL“. kma sprach mit ihm über seinen „Strategischen Ersatzbeschaffungsplan Medizintechnik“.


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    (Foto: Alb-Fils-Kliniken / Tobias Fröhner)

    Ralf Bannwarth ist Diplom-Ingenieur (FH) für Medizintechnik. Viele Projekte haben ihn immer mehr in den kaufmännischen Bereich gezogen. Nun ist er Leiter des Geschäftsbereiches Einkauf und Medizintechnik bei den Alb Fils Kliniken.

    Alb Fils Kliniken

    Die Alb Fils Kliniken liegen zwischen Stuttgart und Ulm und haben zwei Standorte: ein Haus in Geislingen mit 150 Betten und eines in Göppingen mit 750 Betten. Hier entsteht gerade ein kompletter Neubau, das alte Haus wird danach abgerissen. Die Alb Fils Kliniken bieten die normale Regelversorgung. In 22 Kliniken werden jährlich rund 35 000 Patienten stationär versorgt. Es ist ein klassisches ehemaliges Kreiskrankenhaus.

    Worum handelt es sich bei Ihrem SEBPL-Projekt?

    Es geht um den Ersatz und den Neukauf von Medizintechnik. Jeder Einkäufer kennt das Dilemma: Man braucht ein neues CT, Ultraschall oder Labortechnik, aber es ist nicht genügend Geld da. Die Kliniken sind knapp bei Kasse. Wir bräuchten 4 Millionen Euro pro Jahr allein für die Ersatzbeschaffung von Medizintechnik. Jedoch haben wir nur 3,9 Millionen Euro für alles zusammen zur Verfügung: für die Neu- und die Ersatzbeschaffung sowie die IT, Technik, Möbel und Fahrzeuge. Jeder Bereich des Krankenhauses kämpft dann um „seine“ Ansprüche und seine Budgets, doch auch davon wird es nicht besser. So haben wir die Prozesse um die Investitionsplanung neu gestaltet und ein einheitliches Budget für das gesamte Klinikum geschaffen. Wir können nun Technologiepartnerschaften besser eingehen, die Investitionsplanung genauer und weiter im Voraus gestalten. Aus vielen einzelnen Projekten haben wir alles übernommen und auf dieses Große ausgelegt.

    Wie lief der Einkauf von Medizintechnik vor der Implementierung des Projektes ab?

    Jedes Medizinische Zentrum hat im Vorjahr sein Budget fürs nächste Jahr bekommen. Dann wurde gefragt: Was braucht ihr? Hinterher mussten wir die Liste natürlich priorisieren. Der Topf für Großinvestitionen war immer komplett überzeichnet. Jeder Zentrumsleiter musste zähneknirschend bei sich kürzen und streichen. Da das Budget für Ersatzbeschaffungen oft weg war, wurden dafür mehr Neubeschaffungen getätigt. Das wiederum ist kaufmännisch gesehen schlecht. Denn erstens wurde so nur das Dringendste ersetzt, viele Geräte wurden von der Industrie auf den Status ´out of support´ gesetzt und zweitens wurde bei neuen Geräten nicht bedacht, dass man im Schnitt über 10 Jahre Geld zurücklegen muss, um auch dieses danach zu ersetzen. So hatten wir dann zig Investitionsplanungssitzungen. Und man kann sagen: Wenn die Radiologie ein Kernspin wollte, hat kein anderer mehr was bekommen.

    Wie kam es zu der Idee Ihres SEBPL? Was war die Ausgangssituation?

    Wir hatten schon einige Technologiepartnerschaften realisiert. Zum Beispiel für den Bereich der Radiologie (CT, MRT, Mammografie und ähnliches) sollten alle vom gleichen Industrieunternehmen gekauft werden, um Geld im Paket zu sparen. Die Pauschale wurde von den Fördermitteln gleich abgezogen. Mit diesen Projekten haben wir Bestellungen über 10 Jahre gebündelt für eine Großbeschaffung bei einem Anbieter. Das Gleiche haben wir dann für weitere Disziplinen und Bereiche gemacht. Die Projekte liefen jeweils komplett mit Finanzierung, Service-Management und Investitionsvereinbarung. Und dabei kam dann die Idee, aus den vielen einzelnen Projekten alles auf die gesamte Medizintechnik der Klinik auszuweiten.
    Eine besondere Herausforderung dabei war, zu bedenken, was wird im Altbau und was im Neubau angeschafft. Denn 2023 soll unser neues Haus in Betrieb gehen. Verbunden damit sind zum Teil ganz andere bauliche und räumliche Voraussetzungen. Eine Synchronisation der Geräteplanung war erforderlich. Wir mussten genau überlegen: Was wird im Altbau noch ersetzt oder neu angeschafft, was geht mit in den Neubau und was wird direkt für den Neubau gekauft. Zum Beispiel wird es eine komplett neue Laborstraße geben. Bis dahin müssen wir im Altbau aber möglichst noch mit den bisherigen Geräten im Labor auskommen.

    Wie haben Sie das Projekt bei laufenden Planungen implementiert?

    Das war ein wirklich langer und komplexer Prozess. Wir haben 2017 begonnen. Jedes einzelne noch so kleine Gerät musste in der Datenbank der Medizintechnik eingegeben, korrigiert, kategorisiert und eingruppiert werden, um es auf einer einheitlichen, digitalen Liste zu führen. Dazu bedurfte es so mancher Rundgänge im Haus, weil viele Geräte in Wirklichkeit gar nicht existent waren. Nach einem Jahr hatten wir dann eine Masterliste mit 114 Gerätegruppen erstellt, wo die Tausenden Geräte enthalten sind. Für die Medizintechniker war dies bei der immensen Anzahl an Geräten eine große Herausforderung!

    Wie funktioniert die Beschaffung von Medizintechnik nun mit dem neuen Projekt?

    Die Basis ist jetzt ein aktueller und einheitlicher Datenbestand: Wir haben 6 370 Geräte von 359 Herstellern mit einem Anlagevolumen von rund 40 Millionen Euro. Innerhalb der neu geschaffenen Gruppen von Geräten konnten wir nun erst einmal eine Ersatzbeschaffungsstrategie festlegen, um einen Überblick zu gewinnen, was wir in den nächsten 5 oder 10 Jahren überhaupt brauchen werden. Wir ordnen dann jeweils Ersatzbeschaffungsstrategien den Gerätegruppen zu. Die war zunächst eine rein mathematische Berechnung.
    In dieser Form haben wir dann einen Ersatzbeschaffungsplan bis 2025 erstellt und eine Transparenz erhalten, die es in dieser Form noch nicht gab! Dann kam der Hoppla-Effekt, als wir die Bedarfs-Zahlen gesehen haben. Reichen unsere Mittel überhaupt? Da wir aber genau die erforderliche Menge an zu ersetzenden Geräte pro Gerätegruppe kennen, haben wir die Möglichkeit, über Bündelungen kostengünstiger einzukaufen.

    Was sind die entscheidenden Vorteile?

    Wir haben jetzt ein proaktives anstelle eines reaktiven Managements des medizintechnischen Geräteparks. Die Beschaffungen können für einen längeren Zeitraum geplant und koordiniert werden. Wir sind weg von jährlichen Single-Beschaffungen. Wir haben ein Monitoring-Tool für die Laufzeit der Geräte unter Berücksichtigung der Wirtschaftlichkeit, der medizinischen Leistung und Sicherheit. Böse Überraschungen, wie Geräte-Defekte und teure Reparaturen werden minimiert. Es gibt eine Planbarkeit und Sicherheit für den gesamten Medizintechnik-Gerätepark. Und: nur noch 2 Töpfe im Rahmen der Investitionsplanung: einen für die gesamten Ersatz- und einen für die Neubeschaffungen. Im Komitee aus Chefärzten, Geschäftsführung und Bereichsleitern wird dann der Investitionsplan für das nächste Jahr jeweils freigegeben. Das hat jetzt für 2019 nur noch eine Stunde gedauert.

    Können Sie anderen Managern noch einen wertvollen Tipp dazu geben?

    Ja. Die Bildung von Technologiepartnerschaften benötigt Aufwand und Zeit, die nicht zu unterschätzen ist. Es ist mit Sicherheit auch ein Kulturwandel in einem Krankenhaus, weg von singulären Beschaffungen zu einer Technologiepartnerschaft über einen Zeitraum von meist 10 Jahren. Basis für solche Projekte sind eine enge Zusammenarbeit zwischen den Abteilungen Einkauf, Medizintechnik und den Anwendern. Eine wichtige Erkenntnis ist die neue Sensibilisierung, die durch solch ein Projekt entsteht. Bei uns und sicherlich auch in jedem Haus ist ein Abspecken durch Gerätereduktion erforderlich. Wichtig ist ein stringentes Vorgehen beim Geräteersatz: Kommt ein neues Gerät rein, muss das alte raus! Sonst wird der Gerätepark ständig erweitert und die finanzielle Situation sowie die Kluft zwischen erforderlichem und vorhandenem Budget verschärft sich. Denn jedes neue Gerät hat auch Folgekosten wie Zubehör, Instandhaltung, Ersatzbeschaffung.

    Das Interview führte Kathrin Reisinger
    Freie Journalistin


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    (Foto: Alb-Fils-Kliniken / Tobias Fröhner)