Gesundheitswesen 2018; 80(04): 409
DOI: 10.1055/s-0038-1639274
POSTERPRÄSENTATION
Umweltmedizin
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Untersuchungen einer räumlich-zeitlichen Häufung von hämatologischen Krebserkrankungen bei Männern in einer Region im Landkreis Rotenburg, Teil 2: Epidemiologische Analyse & abgeleitete Empfehlungen

M Hoopmann
1   Niedersächsisches Landesgesundheitsamt Umweltmedizin, Umweltepidemiologie und Umwelthygiene, Hannover, Germany
,
B Deitermann
2   Niedersächsisches Landesgesundheitsamt Abtlg. 4, Vertrauensstelle des EKN, Hannover, Germany
,
M Jabs
3   Landkreis Rotenburg (Wümme), Gesundheitsamt,Rotenburg (Wümme), Germany
,
F Stümpel
3   Landkreis Rotenburg (Wümme), Gesundheitsamt,Rotenburg (Wümme), Germany
› Institutsangaben
Weitere Informationen

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
11. April 2018 (online)

 
 

    Zu dem Aufgabenspektrum des NLGA gehört auch die epidemiologische Beratung der kommunalen Gesundheitsbehörden bei umweltmedizinischen Fragestellungen. Im Rahmen einer Krebsclusteruntersuchung in der Samtgemeinde Bothel (Landkreis Rotenburg/Wümme), einem ländlichen Gemeindeverbund mit einer hohen Dichte an Erdgasförderanlagen, hat das NLGA neben der Beratung zu den einzelnen Untersuchungsschritten auch den umfänglichen Datensatz der Einwohnerbefragung zu hämatologischen Krebserkrankungen und etwaigen Risikofaktoren statistisch ausgewertet. Im Einklang mit Richtlinien zu Krebsclusteruntersuchungen erfolgte die Auswertung dabei vor allem „explorativ“: Es wurde nach einer Hypothese für diese ungewöhnliche Häufung gesucht, nicht jedoch eine vorher festgelegte Hypothese zu einem Verursacher statistisch induktiv überprüft.

    Die ermittelten inzidenten Fälle wurden bezüglich Auffälligkeiten in den Arbeitsstätten- und Wohnorthistorien untersucht. Dabei wurden Arbeitsstätten bzw. Wohnorte von bis zu 30 Jahren vor Erstdiagnose betrachtet. Insbesondere war die Fragestellung zu beantworten, ob sich die Häufung innerhalb der Samtgemeinde regional einschränken ließe. Neben diesem ökologischen Auswerteansatz wurden räumlich feiner aufgelöste Fall-Kontroll-Analysen („1 : 4 Matching“) durchgeführt: Dabei wurden Wohnabstände von Fällen wie von den zugeordneten Kontrollen zu potentiellen Expositionsquellen (Erdgasförderanlagen, Bohrschlammgrube [BSG], holz- sowie metallverarbeitende Betriebe, Benzolemittenten, Pestizidausbringer) mittels bedingter logistischer Regression analysiert.

    Der Fragebogenrücklauf betrug 65,6%. Es wurden 37 inzidente hämatologische Krebserkrankungen bei Männern identifiziert, davon 9 in 2013 und 2014. Die arbeitsplatzbezogenen Analysen zeigten einen Hinweis auf vermehrte Fälle bei Beschäftigten der holzverarbeitenden Industrie, was aber allein das Krebscluster nicht erklären kann. Die Fall-Kontroll-Betrachtungen lieferten einen konsistenten Hinweis auf eine Assoziation zwischen dem Wohnabstand zu BSG und der Häufigkeit der Krebsfälle. So lieferte die logistische Regressionsmodellierung über alle inzidenten Fällen mit dem inversen minimalen Wohnabstand zu BSG als erklärender Variable einen p-Wert von 0,027. Nur schwache Hinweise ergab die Nähe zu Erdgasförderstellen (entsprechender p-Wert: 0,048), alle übrigen potentiellen Expositionsquellen waren unauffällig.

    Obgleich bei der gewählten explorativen Analysestrategie die gefundenen Assoziationen als eher schwach ausgeprägt angesehen werden müssen, wurde aufgrund der Public Health Relevanz seitens des NLGA eine niedersachsenweite Fall-Kontroll-Studie zu hämatologischen Krebserkrankungen und Kohlenwasserstoffförderung empfohlen. Damit würde die aus den vorgestellten explorativen Analysen abgeleitete Hypothese anhand eines weitaus größeren Datensatzes epidemiologisch überprüft werden können.


    #