Z Gastroenterol 2018; 56(05): e2-e3
DOI: 10.1055/s-0038-1648560
Kategorie: Der Interessante Fall als freier Vortrag
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Erstdiagnose eines Typ-1 Diabetes bei einem 67-jährigen Patienten unter PD-1-Inhibitor Therapie (Nivolumab)

B Aulinger
1   Medizinische Klinik und Poliklinik II, Klinikum der Universität München – Campus Großhadern, LMU München
,
S Munker
1   Medizinische Klinik und Poliklinik II, Klinikum der Universität München – Campus Großhadern, LMU München
,
A Philipp
1   Medizinische Klinik und Poliklinik II, Klinikum der Universität München – Campus Großhadern, LMU München
,
C Steib
1   Medizinische Klinik und Poliklinik II, Klinikum der Universität München – Campus Großhadern, LMU München
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
03. Mai 2018 (online)

 
 

    Wir berichten den Fall eines 67-jährigen männlichen Patienten, der sich mit einer hyperglykämischen Entgleisung in unserer internistischen Notaufnahme vorstellte. Aufgrund eines pulmonal und hepatisch metastasierten Nierenzellkarzinoms (NCC) erhielt der Pat. am Tag der Aufnahme die 3. Infusion von Nivolumab (Therapiezyklus alle 2 Wochen), einem sog. Checkpoint-Inhibitor. Im Routinelabor fiel eine Hyperglykämie von > 810 mg/dl auf. Auf Nachfrage berichtete der Patient über vermehrten Durst und eine Polyurie in den letzten ca. 10 Tagen vor Aufnahme. Es erfolgte die stationäre Aufnahme zur Einleitung einer Insulintherapie bei Erstdiagnose eines Diabetes. Eine Ketoazidose bestand nicht.

    Trotz der ausgeprägten Hyperglykämie war der HbA1c mit 8,5% nur moderat erhöht. Zudem bestand eine kurze Anamnese für die typischen Symptome. Bei Therapieeinleitung mit Nivolumab 6 Wochen zuvor war der Blutzucker normwertig gewesen. Die Familienanamnese für einen Typ 1-Diabetes war positiv (Sohn mit T1D). Das initial noch nachweisbare C-Peptid, war 10 Wochen nach Diagnosestellung nicht mehr messbar und damit der T1D gesichert. GAD- und Inselzell-Ak waren negativ. Die HLA-Typisierung ergab den Nachweis von HLA-DRB1*03 und DQB1*02:01 und damit ein deutlich erhöhtes genetisches Risiko für einen T1D.

    Die Therapie mit Checkpoint-Inhibitoren wie Nivolumab, Ipilimumab und Pembrolizumab, sowie zahlreichen weiteren Substanzen in der Entwicklung, ist bereits fester Bestandteil der Behandlung des malignen Melanoms, des NCC, des nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinoms und des Hodgkin Lymphoms. V.a. aus den Studien beim malignen Melanom sind die mannigfaltigen, teilweise komplexen und auto-immun vermittelten Nebenwirkungen dieser Substanzklasse bekannt. Ein T1D ist aber auch in der bestehenden Literatur eine äußerst seltene Nebenwirkung (< 1%). Hier scheint v.a. die genetische Prädisposition relevant zu sein.

    Zulassungsstudien zur Behandlung des hepatozellulären Karzinoms (HCC) mit Nivolumab laufen aktuell. Vorläufige Phase-2-Daten zur Wirksamkeit dieser Substanz beim HCC sind vielversprechend und scheinen eine überlegene Wirksamkeit als die bisherige Standardtherapie mit Sorafenib zu haben. Daher ist zu erwarten, dass in naher Zukunft auch Gastroenterologen Patienten mit dem PD-1 Inhibitor Nivolumab behandeln werden.

    Darüber hinaus stellen neben dem o.g. seltenen Fall des Autoimmun-Diabetes, v.a. Nebenwirkungen am Gastrointestinaltrakt und dem hepatobiliärem System, eine häufige Komplikation der Therapie mit Checkpoint-Inhibitoren dar. Eine autoimmunvermittelte Hepatitis tritt in 5 – 10% der Fälle einer Monotherapie mit Anti-PD-1 (Nivolumab, Pembrolizumab) oder -CTLA4 (Ipilimumab) auf, wobei 1 – 2% schwer verlaufen können. Unter einer Kombination mit Ipilimumab und Nivolumab steigt die Rate einer Hepatitis auf 25 – 30% mit bis zu 15% schweren Verläufen an. Schwere Colitiden gehören zu den führenden Nebenwirkungen einer anti-CTLA4-Therapie und sind auch die häufigste Ursache eines Therapieabbruchs. Bei Melanompatienten liegt die Rate an Kolonperforationen bei 1 – 1,5% und bei NCC Patienten bis 6,6% mit 1,1% Todesfällen. Therapeutisch werden hier neben dem Absetzen des Checkpoint-Inhibitors v.a. Steroide und immunmodulatorische Substanzen wie MMF und Anti-TNF-α-Ak eingesetzt. Das z.B. in einer Praxis-Leitlinie der ESMO 2017 vorgeschlagene therapeutische Prozedere basiert jedoch in erster Linie auf Fallberichten und Fallserien, unterscheidet sich aber deutlich von dem standardisierten Vorgehen bei der klassischen Autoimmunhepatitis und chronisch entzündlichen Darmerkrankungen.

    Aufgrund der Häufigkeit gastroenterologischer Nebenwirkungen und der zunehmenden Verbreitung dieser Substanzklasse, ist zu erwarten, dass das Management dieser neuen, medikamentös-induzierten, autoimmun-vermittelten Erkrankungen, einen wichtigen Stellenwert in der gastroenterologischen Praxis haben wird.


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