Eine 59-jährige Patientin stellte sich zur weiteren Abklärung bei erhöhten Estradiol-
und Progesteronwerten bei uns vor, die im Rahmen einer allgemeinen Vorsorgeuntersuchung
aufgefallen waren. Die Patientin gab keinerlei Beschwerden an. Anamnestisch bestanden
keine Vorerkrankungen und es wurde keine Dauermedikation angegeben. Menopause vor
14 Jahren, seither keine vaginale Blutung.
Bei der klinischen und sonographischen Untersuchung ergab sich ein unauffälliger postmenopausaler
Befund mit einer Endometriumbreite von < 5 mm und beidseits kleinen Ovarien. Keine
Raumforderung im Becken abgrenzbar.
Mittels des Electrochemiluminescent Immunoassays (ECLIA) Elecsys® (Firma Roche) wurden folgende Laborwerte bestimmt:
17ß-Estradiol 595,4 pg/ml, Progesteron 25 ng/ml, FSH 45,2 IU/l, LH 27,7 IU/l.
Inhibin B < 10 ng/l (DSL – EIA).
Bei Inkongruenz der Parameter erfolgte eine erneute Bestimmung durch ein externes
Labor mittels des Chemiluminescent Magnetic Immunoassays (CLIA) Architect-i2000® (Firma Abbott). Hierbei ergaben sich unauffällige postmenopausale Hormonwerte:
17ß-Estradiol < 10 pg/ml, Progesteron < 1 ng/ml.
Auf Nachfrage gab die Patientin an, täglich ein Nahrungsergänzungspräparat für besseres
Haar- und Nagelwachstum einzunehmen. Dieses enthält unter anderem 150 µg Biotin. Beim
ECLIA Elecsys von Roche erfolgt die quantitative Bestimmung der Sexualhormonkonzentration
im Serum mithilfe von spezifischen biotinylierten Antikörpern. Dadurch kann es bei
erhöhter Biotinzufuhr zu Interaktionen mit dem Testsystem kommen, was zu falsch hohen
Messergebnissen führen kann. Das Architect-System arbeitet dagegen mit Akridium-Konjugat
und interagiert somit nicht mit Biotin.
Dieser Fall zeigt, dass Laborwerte nicht isoliert betrachtet, sondern im klinischen
Kontext bewertet und gegebenenfalls überprüft werden sollten.