Psychother Psychosom Med Psychol 2018; 68(08): e32
DOI: 10.1055/s-0038-1667957
SYMPOSIEN
Unerwünschte Effekte psychotherapeutischer Behandlungen
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Grenzverletzungen und Grenzüberschreitungen als Ursache unerwünschter Effekte in der Psychotherapie

D Schwartze
1   Universitätsklinikum Jena, Institut für Psychosoziale Medizin und Psychotherapie, Jena, Deutschland
,
A Schleu
2   Verein für Ethik in der Psychotherapie e.V., Essen, Deutschland
,
B Strauß
1   Universitätsklinikum Jena, Institut für Psychosoziale Medizin und Psychotherapie, Jena, Deutschland
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
06. August 2018 (online)

 
 

    Bei der Betrachtung möglicher negativer Effekte von Psychotherapie muss grundlegend zwischen den Folgen einer korrekt durchgeführten Therapie und denen einer inkorrekt durchgeführten Therapie unterschieden werden. Nur im ersten Fall kann wirklich von Nebenwirkungen gesprochen werden. Negative Therapiefolgen, die sich aus einer inkorrekt durchgeführten Therapie ergeben, sind weniger auf die Therapie als auf das Verhalten des Therapeuten zurückzuführen (sogenannte Kunstfehler: Indikationsfehler, Technikfehler oder unethisches Verhalten).

    Untersuchungen zu möglichen Kunstfehlerfolgen beschränken sich in der Regel auf Fälle von sexuellem Missbrauch in der Therapie, die meist mit schwerwiegenden Folgen für die betroffenen Patienten einhergehen. Dabei treten weniger „extreme“ Phänomene, wie beispielsweise ein Mangel an Empathie, wesentlich häufiger in der alltäglichen Praxis auf, können aber ebenso mit negativen Veränderungen wie bspw. Vertrauensverlust, Verschlechterung der Symptomatik oder zusätzliche Symptome aufseiten der Patienten einhergehen. Zudem lassen sich in vielen Fällen von sexuellem Missbrauch bereits im Vorfeld weniger schwerwiegende Grenzüberschreitungen und/oder -verletzungen beobachten, die den Missbrauch gewissermaßen „vorbereiten“.

    Die Verbreitung von Kunstfehlern und deren Folgen sind bis auf die Fälle von sexuellem Missbrauch bisher wenig systematisch untersucht, nicht zuletzt da keine geeigneten Erhebungsinstrumente existieren. Um diese Forschungslücke zu schließen, wurde basierend auf den Beschwerdedaten von Psychotherapiepatient(inn)en ein Fragebogen entwickelt. Die anonym erhobenen Angaben zu verschiedenen grenzüberschreitenden Szenarien sollen eine Einschätzung ermöglichen, wie häufig solche Ereignisse in der psychotherapeutischen Praxis auftreten und inwiefern sich die Patienten dadurch beeinträchtigt fühlen. Darüber hinaus können die Ergebnisse im Hinblick auf die konzeptuelle Abgrenzung von Nebenwirkungen und Kunstfehlerfolgen diskutiert werden.


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