Geschlechtsspezifische Unterschiede finden bislang in der Hörrehabilitation keine
Beachtung. Ziel der Arbeit war es, die Auswirkung einer Schwerhörigkeit auf den Betroffenen
und dessen nächsten Angehörigen unter Gendergesichtspunkten zu untersuchen.
41 Männer und 61 Frauen mit bds. hochgradiger Schwerhörigkeit (Alter: 65,8J) wurden
hinsichtlich ihrer krankheitsspezifischen Lebensqualität (QOL) mit dem Nijmegen Cochlear
Implant Questionnaire und einem Fragebogen zur Krankheitsbewältigung (Brief-Cope)
befragt. 35 nahestehende Angehörige (MW 66,1J) äußerten sich bezüglich der QOL der
Schwerhörigen, der Alltagsbelastung (SOS-Hear) und des Stressempfindens (PSQ) vor
und 6 Monate nach Cochlea-Implantation.
Obwohl Patientinnen ihre prä- und postoperative Lebensqualität insgesamt geringer
bewerteten, profitieren sie signifikant mehr als Männer von einer Cochlea-Implantation.
Männer begegneten den Folgen des Hörverlusts vermehrt mit Humor (w 3,3 vs. m 4,2),
wohingegen Frauen häufiger die emotionale Unterstützung Dritter suchten (w 5,2 vs.
m 4,6, Brief-COPE).
Männliche Angehörige stuften die prä-/postoperative QOL der Betroffenen höher ein
als weibliche (prä w 38,4 vs. m 46,8; post w 62,4 vs. m 69,7).
Weibliche Angehörige berichten sowohl über eine höhere Alltagsbelastung (w 1,4 vs.
m 1,1) als auch Stresslevel (w 33,3 vs. m 25,0). Eine Hörrehabilitation des Partners
führte bei weiblichen Angehörigen zu einer stärkeren Entlastung als bei Männlichen.
Frauen, sowohl solche, die unmittelbar selbst oder als Partnerin betroffen sind, empfinden
durch eine Schwerhörigkeit einen höheren Leidensdruck als Männer. Die Kenntnis dieser
genderspezifischen Einschätzungen kann für eine erfolgreiche Hörrehabilitation von
Bedeutung sein und sollte daher stärker als bisher berücksichtigt werden.