In etwa 90 Prozent aller deutschen Krankenhäuser werden Heil- und Pflegemaßnahmen
noch auf Papier dokumentiert: Hoher Aufwand, Fehleranfälligkeit und unerwünschte Doppeldokumentation
sind die Folge, oft kommt es am Ende auch zu Abrechnungsproblemen mit den Krankenkassen.
Das Ziel im Sinne der Patienten: eine lückenlose, fehlerfreie Dokumentation, die gleichzeitig
als Basis für rechtssichere Abrechnungen gegenüber den Krankenkassen dient.
Bereits im Rahmen des Studiums kam der heutige Pflegedirektor der Kliniken Nordoberpfalz,
Thomas Baldauf, mit verschiedenen Lösungen zur elektronischen Pflegedokumentation
in Berührung. Im Jahr 2007 reifte der Entschluss, eine EDV-gestützte Pflegeplanung
und -dokumentation einzuführen. Da mit Siemens Medico (heute Cerner) bereits ein Krankenhausinformationssystem
(KIS) im Einsatz war, wurde analysiert, inwieweit sich die hohen Anforderungen erfüllen
lassen bzw. ob es mit der Implementierung einer weiteren EDV-Lösung zu unerwünschten
Redundanzen käme.
Die Entscheidung für die digitale Patientenakte (ePA) RECOM-GRIPS fiel aus zwei Gründen:
Die Lösung basiert auf ENP als Pflegesprache und Praxisleitlinie, zudem überzeugt
der Funktionsumfang. RECOM bindet die Anwender bei der Handhabung eng mit ein, liefert
umfassende pflegewissenschaftliche Inhalte und ermöglicht eine sehr differenzierte
Beschreibung des Patientenfalles. „Den Ausschlag hat schlussendlich die hohe pflegewissenschaftliche
Expertise der Firma RECOM mit eigenem Team aus Pflegewissenschaftlern gegeben“, erinnert
sich Michaela Sauer, die das Projekt von an Anfang an begleitete. Die Krankenschwester
arbeitete auf der Pilotstation, bevor sie mit der Leitung des ePA-Projektes beauftragt
wurde. Ebenso wichtig war die nahtlose Interoperabilität mit Cerner Medico. „Die Best-of-Breed-Strategie
geht nur auf, wenn die einzelnen Systeme perfekt harmonieren“, erklärt Robert Dworschak.
„Da Cerner die entsprechende Medico-Schnittstelle bereitstellte, klappte die Co-Existenz
der beiden Systeme einwandfrei“, ergänzt der Leiter der Zentralen EDV-Abteilung am
Standort Weiden.
Pilotstation und Rollout ohne große Stolpersteine
Pilotstation und Rollout ohne große Stolpersteine
Bereits Ende des ersten Quartals 2008 wurde eine unfallchirurgische-orthopädische
Pilotstation eingerichtet. Bevor GRIPS in den Live-Betrieb ging, wurde das 17-köpfige
Pflegepersonal intensiv geschult. „Die parallele Nutzung der bisher handschriftlichen
Dokumentation und der neuen digitalen Lösung wäre einfach zu arbeitsintensiv und zu
fehleranfällig gewesen“, erinnert sich Dworschak. „Wir haben von Anfang an mit einem
klaren Schnitt geplant“, so der EDV-Leiter. „Die Kolleginnen und Kollegen auf der
Pilotstation wurden auch nach der Umstellung auf GRIPS intensiv betreut und angeleitet“,
berichtet Sauer, heute ePA-Beauftragte bei den Kliniken Nordoberpfalz. Hierfür waren
keine externen Trainierstunden erforderlich. Der Schulungsaufwand lässt sich mit den
inhouse vorhandenen Ressourcen stemmen, ohne zusätzliche Kosten zu verursachen. Bereits
beim Piloten kam ein mobiler Computerwagen mit autarker Stromversorgung zum Einsatz.
Voraussetzung hierfür war der Ausbau der WLAN-Infrastruktur, die heute im gesamten
Haus flächendeckend sichergestellt ist. Nach dem erfolgreichen Pilotprojekt erfolgte
zeitnah der Rollout am Stammhaus in Weiden.
Kliniken Nordoberpfalz: Stark in der Region
Mit über 100 000 Patienten pro Jahr und rund 3 000 Angestellten ist die Kliniken Nordoberpfalz
AG leistungsfähiger Gesundheitsdienstleister und gleichzeitig größter Arbeitgeber
der Region. Zu dem Gesundheits-Unternehmen zählen sechs Akut-Krankenhäuser, zwei Rehabilitationseinrichtungen,
ein Aus-, Fort- und Weiterbildungszentrum, eine Pflegeeinrichtung und drei medizinische
Versorgungszentren.
Neben RECOM-GRIPS setzen das Klinikum Weiden sowie alle angeschlossenen Häuser seit
vielen Jahren auch die Patientenaufklärungssoftware E-ConsentPro Classic von Thieme
Compliance ein.
Abgebildete Person: Michaela Sauer (Teamleitung ePa, Kliniken Nordoberpfalz AG, Klinikum
Weiden).(Foto: RECOM GmbH)
Aus dem Pflegealltag nicht mehr wegzudenken
Aus dem Pflegealltag nicht mehr wegzudenken
Die technische Betreuung und Schulung der Mitarbeiter rund um die Themen ePA und PKMS
(Pflegekomplexmaßnahmen-Score) übernimmt heute ein fünfköpfiges Team unter Leitung
von Sauer. Aus der anfänglichen Hersteller-Kunden-Beziehung zwischen RECOM und dem
Klinikum ist über die Jahre eine Partnerschaft auf Augenhöhe erwachsen. „Auch bei
der Weiterentwicklung der Lösung arbeitet RECOM eng mit uns zusammen und berücksichtigt
unsere Wünsche“, erklärt Sauer. „Wir werden zudem regelmäßig mit neuen Inhalten und
Funktionen versorgt.“ So kann der Klinikverbund darauf vertrauen, auf dem aktuellen
Stand pflegewissenschaftlicher und berufspolitischer Anforderungen zu sein.
Entscheidend für das Krankenhaus war auch, dass nicht nur die Software regelmäßig
aktualisiert wird, sondern auch pflegerische Inhalte (European Nursing care Pathways,
ENP) auf wissenschaftlichem Niveau und stets auf aktuellstem Stand sind. So lassen
sich vorhandene Ressourcen ganz auf die Pflege ausrichten.
Die digitale Patientenakte ist zu einem selbstverständlichen, akzeptierten und unverzichtbaren
Instrument im Klinikalltag geworden. Kommen neue Mitarbeiter hinzu, profitieren sie
vom hohen Standardisierungsgrad und der pflegewissenschaftlichen Sprache. Übertragungsfehler
lassen sich weitgehend ausschließen, was gerade bei der Medikation einen enormen Sicherheitszuwachs
bedeutet. Insgesamt hat sich die Dokumentationsqualität deutlich verbessert. Derzeit
ist die Software im Klinikum Weiden auf den Akutstationen im Einsatz, ebenso im Krankenhaus
Kemnath. Weitere sind in Planung.
Reizthema PKMS wird stark entschärft
Reizthema PKMS wird stark entschärft
Wichtige Verbesserungen bringt GRIPS auch für die PKMS-Beauftragten im Klinikverbund.
Aufgrund der einheitlichen, strukturierten und stets lesbaren Dokumentation fällt
die Betreuung der Stationen erheblich leichter. Die vorhandene Dokumentation lässt
sich im Vorfeld einer Prüfung jederzeit berufsgruppenübergreifend einsehen. Die Rechtssicherheit
der Dokumentation ist dank automatischer Hinterlegung von Datum, Uhrzeit und dokumentierender
Person deutlich höher als bei handschriftlicher Vorgehensweise. Während in vielen
Einrichtungen die PKMS-Dokumentation parallel zur Regeldokumentation erfolgt, verhindert
GRIPS zuverlässig diesen Mehraufwand. PKMS-Gründe und PKMS-Score werden automatisch
aus der Regeldokumentation ausgeleitet. Dank der nachvollziehbaren Score-Ermittlung
verlaufen MDK-Prüfungen inzwischen wesentlich schneller und einfacher als vor Einführung
der elektronischen Patientenakte. Die Quote der positiv begutachteten PKMS-Fälle ist
bei den Kliniken Nordoberpfalz auf über 90 Prozent angestiegen. Michaela Sauer hat
noch einen entscheidenden Tipp: „Binden Sie von Anfang an alle beteiligten Berufsgruppen
in das Projekt mit ein. Denn im Nachhinein fällt es deutlich schwerer, einzelne Personen
von den Vorteilen der Patientenakte zu überzeugen.“