Einleitung Studien deuten darauf hin, dass Personen mit Internetbezogenen Störungen kognitive
Verzerrungen hinsichtlich der subjektiven Bedeutsamkeit von virtuellen gegenüber realen
Freunde aufweisen. Bislang ist unklar, inwiefern dies mit der wahrgenommenen sozialen
Unterstützung im realen Leben und psychischer Komorbidität zusammenhängt.
Methode In der PINTA-DIARI Studie erfolgte auf Basis einer populationsbasierten Stichprobe
(n = 15 023) ein vertiefendes Interview mit 196 Proband/innen, die in der Compulsive
Internet Use Scale (CIUS) einen Summenscore ≥ 21 aufwiesen. Zur Erfassung von Internetbezogenen
Störungen wurde ein am Composite International Diagnostic Interview (CIDI) orientiertes,
DSM-5 basiertes strukturiertes Interview eingesetzt. Die subjektive Bedeutsamkeit
virtueller Freunde wurde mithilfe eines eigenständig entwickelten Fragebogens erfasst,
soziale Unterstützung mit den Berlin Social Support Scales (BSSS) und Achse 1-Störungen
mit dem CIDI. Mithilfe von Mann-Whitney-uTests und logistischen Regressionsmodellen
wurden Zusammenhänge der subjektiven Bedeutsamkeit virtueller Freunde, sozialer Unterstützung,
Achse 1-Störungen, der Haupttätigkeit im Internet sowie Soziodemografie mit Internetbezogenen
Störungen untersucht.
Ergebnisse Es erfüllten 82 Proband/innen (40 Frauen; Alter M = 29.04, SD=11.81) die Kriterien
einer Internetbezogenen Störung. Davon nutzten 36.6% hauptsächlich Online-Spiele,
36.6% Soziale Netzwerke und 26.8% sonstige Anwendungen. In univariaten Analysen wiesen
Personen mit Internetbezogenen Störungen häufiger Essstörungen (p = .030), substanzbezogene
Störungen (ohne Tabakabhängigkeit; p = .010) und depressive Störungen (p = .010) sowie
eine höhere subjektive Bedeutsamkeit virtueller Freunde (p = .019) gegenüber Personen
ohne Internetbezogene Störungen auf. In der multivariaten Analyse war der Zusammenhang
der subjektiven Bedeutsamkeit virtueller Freunde und Internetbezogenen Störungen weiterhin
statistisch bedeutsam (odds ratio OR 1.79, 95% Konfidenzintervall KI 1.07 – 3.00,p = .025),
zusätzlich wurden die soziale Unterstützung (OR 0.79, 95% KI 0.69 – 0.91,p = .001)
und das Vorliegen einer Achse 1-Störung (OR 3.96, 95% KI 1.55 – 10.10,p = .004) signifikant.
Diskussion Die Ergebnisse zeigen Hinweise darauf, dass Personen mit Internetbezogenen Störungen
virtuellen Freunden eine größere subjektive Bedeutung zuschreiben. Dieser Zusammenhang
blieb bei Kontrolle der sozialen Unterstützung im realen Leben und psychischer Komorbidität
statistisch bedeutsam. Dies sollte in der Präventions- und Therapieplanung berücksichtigt
werden.