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DOI: 10.1055/s-0040-100438
Morbus Adamantiades-Behçet: erfolgreiche Therapie mit ungewöhnlichen Komplikationen
Systemic Adamantiades-Behçet’s disease: Adverse effects of an otherwise successful therapy with interferon-α-2aZusammenfassung
Hintergrund | Der Morbus Adamantiades-Behçet ist eine schubweise verlaufende immunologisch vermittelte Vaskulitis mit der klassischen klinischen Trias von Mundschleimhautaphthen, Genitalulzera und peripherer Retinitis.
Anamnese | Bei einer 37-jährigen Patientin bestand seit 5 Jahren ein systemischer Morbus Adamantiades-Behçet mit rezidivierende Uveitiden, orale Aphthen, Genitalulzera, Arthralgien, Erythema nodosum sowie Follikulitis.
Verlauf unter Therapie | Unter einer Langzeittherapie mit Interferon-α-2a sistierten die Beschwerden bis auf gelegentlich auftretende orale Aphthen. Ein Jahr nach Therapiebeginn traten eine Mastodynie und eine persistierende Hyperprolaktinämie unklarer Genese auf.
Folgerung | Der Verlauf eines Morbus Adamantiades-Behçet kann auch bei ansonsten erfolrgreicher Therapie mit Interferon-α-2a durch Nebenwirkungen gekennzeichnet sein. Mastodynie und Hyperprolaktinämie als IFNα-Nebenwirkungen werden hier unseres Wissens erstmalig beschrieben.
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Abstract
Background | Adamantiades-Behçet's disease is an immune-mediated vasculitis with relapsing course. It is characterised by the classic clinical trias of oral aphthous ulcers, genital ulcers and uveitis.
History and findings | A 37-year-old woman suffered from systemic Adamantiades-Behçet disease with recurrent uveitis, oral ulcers, genital ulcers, arthralgia, erythema nodosum and folliculitis
Course and treatment | Longterm interferon-α-2a (IFNα-2a) led to reduction of the clinical manifestations except for occasional occurence of oral ulcers. One year after initiation of treatment however, the patient developed symptomatic hyperprolactinemia of unknown etiology.
Conclusion | Even in otherwise successful treatment with IFNα-2a possible side effects and complications of treatment can affect the course. Mastodynia and hyperprolactinemia have not yet been described as potential side effects of IFNα-2a.
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Orale Aphthen, Genitalulzera und Uveitis oder Iritis – das ist die klassische Trias des Morbus Adamantiades-Behçet. Die seltene chronische Krankheit verläuft schubförmig, und das klinische Bild ist sehr variabel. Nicht nur die Diagnose kann schwierig sein: Dieser Fall zeigt, dass auch Nebenwirkungen der Therapie den Verlauf prägen können.
Anamnese
Die 37-jährige Patientin türkischer Herkunft kam bereits unter dem Verdacht auf einen Morbus Adamantiades-Behçet in unsere Klinik. Eine orale Aphthose war seit dem 16. Lebensjahr bekannt, insbesondere an den Lippen und im Rachenbereich, mit monatlichen Schüben. Als Kind war sie an Asthma bronchiale und Meningitis erkrankt. Vor etwa 5 Jahren traten rezidivierend Erythemata nodosa auf, zunächst an beiden Sprunggelenken und anschließend an den Unterschenkeln, begleitet von Schmerzen der Hand- und Fußgelenke.
Vor 3 Monaten fanden sich erstmals Genitalulzera; zeitgleich trat eine Panuveitis auf. Die Patientin erhielt vomAugenarzt 20 mg / d Prednisolon oral, ohne dass sich die Befunde wesentlich besserten. Zur Therapieoptimierung wurde sie in unser spezialisiertes Zentrum überwiesen.
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Verlauf unter Therapie
Die Zusammenschau der Befunde (▶ [Tab. 1])bestätigte den Verdacht eines Morbus Adamantiades-Behçet. Zur Behandlung eines gleichzeitig zur stationären Aufnahme aufgetretenen zweiten Uveitis-Schubs mit Papillenödem, Vaskulitis, Vitritis sowie Netzhautblutung erhielt die Patientin zunächst über 3 Monate 400 mg / d Ciclosporin A oral.
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Darauf kam es zu einer ausgeprägten Hypertrichose.
Körperliche Untersuchung |
Gewicht 68 kg, Größe 155 cm |
Körpertemperatur: 36,5 °C |
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Druckdolentes rechtes Handgelenk, rechtes Knie und rechte Fußwurzel |
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2 Aphthen am Rachen |
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Genitalulzera |
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Laborbefunde |
Leukozyten 12,9 Gpt / l (Norm: 4,8–10,8) |
Segmentkernige Neutrophile 9,93 Gpt / l (Norm: 2,40–7,56) |
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C-reaktives Protein 10 mg / l (Norm: 0–5) |
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Pathergietest |
Negativ |
Bildgebung |
MRT des Schädels, Skelettszintigraphie, EEG: ohne pathologischen Befund |
Funduskopie |
Rechter Fundus: Blutung am oberen Gefäßbogen |
Wir stellten die Therapie auf 2 × 50 mg / d Azathioprin und 30 mg / d Prednisolon oral um.
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Trotzdem entwickelte sich 4 Monate später eine Thrombophlebitis im rechten Oberschenkel.
Aufgrund der persistierenden Aktivität der Erkrankung und der Augensymptomatik mit Erblindungsgefahr erhielt die Patientin Interferon-α-2a (IFNα-2a). Die Dosis wurde innerhalb von 6 Tagen von 1,5 auf 3 × 9 Mio IE pro Woche s.c. erhöht. Da Interferon in Kombination mit Azathioprin zu Myelosuppression führen kann, setzten wir Azathioprin ab. Unter IFNα-2a gingen die oralen und genitalen Ulzera zurück, und vor allem die okulären Befunde besserten sich deutlich.
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Innerhalb von 2 Wochen klagte die Patientin jedoch über Müdigkeit und Angstzustände – häufige Nebenwirkungen von IFNα-2a.
Wir klärten die Patientin über den Zusammenhang der IFNα-2a-Therapie mit Depressionen auf. Da sie die erstmalige deutliche Besserung des schweren Augenbefalls nicht gefährden wollte,
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behandelten wir die Depression mit Citalopram 20 mg / d, Lorazepam 4 × 0,5 mg / d und Promethazin 20 mg / d zur Nacht, jeweils oral
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und reduzierten die IFNα-2a-Dosis auf 3 × 6 Mio IE / Woche subkutan.
Als weitere Nebenwirkung der IFNα-2a-Therapie kam es nach 3 Monaten zu diffusem Haarausfall. Nach 14 Monaten traten eine Mastodynie und Hyperprolaktinämie auf (57,1 ng / ml; Normbereich 4,8–23,3). Die gynäkologische Untersuchung ergab keinen weiteren pathologischen Befund. Eine Kernspintomographie der Sella schloss ein Prolaktinom aus. Die Schilddrüsenwerte waren ebenfalls unauffällig.
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Die Patientin erhielt Bromocriptin 2,5 mg / d.
Zwei Monate nach Reduktion der IFNα-2a-Dosis wurde sie ungeplant schwanger (es handelte sich um ihre vierte Schwangerschaft)
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Außer IFNα-2a (3 × 6 Mio IE / Woche) wurden alle Medikamente pausiert.
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Wegen Panikattacken erhielt die Patientin das trizyklische Antidepressivum Doxepin, 50 mg / d zur Nacht.
Inzwischen, 2 Jahre nach der Entbindung eines gesunden Kindes, bestehen noch verstärkte Episoden mit Kopfschmerzen und Abgeschlagenheit. Prolaktin ist weiterhin erhöht, mit gleichzeitiger Galaktorrhoe links, trotz erneuter Gabe von Bromocriptin 2 × 2,5 mg / d. Wiederholte kernspintomographische Untersuchungen gaben nach wie vor keine Hinweise auf ein Prolaktinom. Der Morbus Adamantiades-Behçet ist unter IFNα-2a in Remission geblieben – bis auf das gelegentliche Auftreten einzelner oraler Aphthen.
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Diskussion
Der Morbus Adamantiades-Behçet ist weltweit verbreitet, tritt aber vor allem im östlichen Mittelmeerraum sowie im Mittleren und Fernen Osten endemisch auf [1], [16]. Sehr gut wirksam, insbesondere im Hinblick auf die okulären Manifestationen der Erkrankung, ist die Therapie mit IFNα-2a [3], [4], [6], [7], [8], [14], [15]. Sie hat jedoch vielfältige, gelegentlich schwere Nebenwirkungen, v.a.
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grippeähnliche Symptome, Müdigkeit, Kopfschmerzen, Gelenkschmerzen,
Auch Depressionen (bis zu Suizidalität) und reversibler diffuser Haarausfall kommen vor. Bei unserer Patientin trat kurz nach Therapiebeginn eine klinisch relevante Depression auf. Sie verschlimmerte sich nach 3 Jahren während einer Schwangerschaft und wird seitdem medikamentös behandelt.
Die Datenlage zum Morbus Adamantiades-Behçet bei Schwangeren ist uneinheitlich: Es finden sich
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sowohl vermehrt schwere Komplikationen
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als auch milde Krankheitsverläufe.
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Insbesondere ist das Thromboserisiko erhöht.
In Fallberichten aus der Türkei und Israel besserten sich die Symptome während der Schwangerschaft, es traten jedoch auch Komplikationen, insbesondere Gefäßmanifestationen und Thrombosen, bei Schwangeren mit Morbus Adamantiades-Behçet auf [12]. Zudem zeigte eine Auswertung von 27 Schwangerschaften aus Korea mehrheitlich eine Verschlechterung des Krankheitsverlaufes [2]. Eine spanische Studie ergab keine erhöhte Komplikationsrate [9].
Ausreichende Erfahrungen mit IFNα-2a bei Schwangeren liegen nicht vor. Tierversuche erbrachten keine Hinweise auf teratogene Wirkungen. Bei unserer Patientin war die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass es ohne IFNα-2a zu einem Rezidiv der im Vorfeld therapierefraktären Uveitis gekommen wäre. Daher erhielt sie das Medikament auf ihren Wunsch und nach Rücksprache mit dem betreuenden Gynäkologen weiterhin, allerdings in abgeschwächter Dosis. Während der Schwangerschaft wurde die Patientin besonders engmaschig kontrolliert.
Veröffentlichungen über eine Hyperprolaktinämie unter IFNα-2a gibt es unseres Wissens bisher nicht. Die Wirkung von Interferon auf die Prolaktinsekretion ist umstritten:
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Nach Hofland et al. [5] hemmt IFNα-2a die Prolaktinsekretion bei kultivierten humanen hypophysären Adenomen.
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Dagegen zeigten Yamaguchi et al. [13], dass die Interferon-Familie die Prolaktinsekretion in vitro stimuliert.
Diese Beobachtungen genügen jedoch nicht, um eine Korrelation zwischen einer symptomatischen Hyperprolaktinämie und der Behandlung mit IFNα-2a sicher auszuschließen.
Eine chronische Hyperprolaktinämie kann nicht nur durch ein Prolaktinom, sondern auch durch Hypothyreose, Niereninsuffizienz, Stress, Gravidität und Medikamente (▶ [Tab. 2])ausgelöst werden. Bei unserer Patientin zeigten wiederholte Kernspintomographien kein Prolaktinom. Auch die Schilddrüsenparameter waren wiederholt unauffällig. Die Hyperprolaktinämie kann auch der Gravidität nicht zugeschrieben werden, da sie bereits viele Monate vor Schwangerschaftsbeginn festgestellt wurde.
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Einerseits könnten Antidepressiva und Neuroleptika die Hyperprolaktinämie ausgelöst haben.
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Andererseits könnte auch die IFNα-2a-Therapie die Hyperprolaktinämie hervorgerufen haben.
Medikamente |
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Angiotensin II |
Antiarrhythmika: Verapamil |
Antidepressiva: MAO-Hemmer, SSRI, trizyklische Antidepressiva |
Antiemetika: Domperidon, Metoclopramid |
Antihistaminika |
Antihypertensiva |
Hormone |
Opioide, endogene Opiate |
indirekte Dopaminantagonisten: Naltrexon |
Neuroleptika: Phenothiazine |
So hatten Patienten mit multipler Sklerose unter IFN-β-Therapie eine Hyperprolaktinämie [10]. IFN-α und -β belegen den gleichen Rezeptor – sie weisen therapeutisch ähnliche, aber nicht identische Wirkungen und Nebenwirkungen auf [11], [14].
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IFNα-2a ist beim Morbus Adamantiades-Behçet sehr gut wirksam.
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Die Therapie ist jedoch mit langwierigen Nebenwirkungen verbunden.
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Mastodynie und Hyperprolaktinämie als mögliche Nebenwirkungen von IFNα-2a werden hier unseres Wissens zum ersten Mal beschrieben.
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Allerdings könnte bei unserer Patientin auch die Einnahme von Antidepressiva für diese Nebenwirkungen eine Rolle gespielt haben.
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Prof. Dr. med. Dr. h.c. Christos C. Zouboulis
leitet als Chefarzt die Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie / Immunologisches Zentrum am Städtischen Klinikum Dessau
christos.zouboulis@klinikum-dessau.de
Interessenkonflikte: Die Autoren erklären, dass keine Interessenkonflikte bestehen.
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Literaturverzeichnis
- 1 Altenburg A, Mahr A, Maldini C et al. Epidemiologie und Klinik des Morbus Adamantiades-Behçet in Deutschland. Ophthalmologe 2012; 109: 531-541
- 2 Bang D, Chun YS, Haam IB et al. The influence of pregnancy on Behçet‘s disease. Yonsei Med J 1997; 38: 437-443
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- 12 Uzun S, Alpsoy E, Durdu M, Akman A. The clinical course of Behçet’s disease in pregnancy: a retrospective analysis and review of the literature. J Dermatol 2003; 30: 499-502
- 13 Yamaguchi M, Koike K, Matsuzaki N et al. The interferon family stimulates the secretions of prolactin and interleukin-6 by the pituitary gland in vitro. J Endocrinol Invest 1991; 14: 457-461
- 14 Zouboulis CC, Orfanos CE. Treatment of Adamantiades-Behçet’s disease with systemic interferon alfa. Arch Dermatol 1998; 134: 1010-1016
- 15 Zouboulis CC, Treudler R, Orfanos CE. Morbus Adamantiades-Behçet: therapeutischer Einsatz von systemischem rekombinanten Interferon-alpha-2a. Hautarzt 1993; 44: 440-445
- 16 Zouboulis CC. Epidemiology of Adamantiades-Behçet’s Disease. In: Zierhut M, Ohno S, editors Immunology of Behçet’s Disease. Lisse: Swets & Zeitlinger; 2003: 1-16
- 17 Melmed S, Casanueva F, Hoffman A et al. Diagnosis and treatment of hyperprolactinemia: An Endocrine Society clinical practice guideline. J Clin Endocrinol Metab 2011; 96: 273-288
Korrespondenzadresse
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Literaturverzeichnis
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