Dtsch Med Wochenschr 2015; 140(02): 104-109
DOI: 10.1055/s-0040-100585
Dossier
Akuter Thoraxschmerz
Georg Thieme Verlag Stuttgart

Akutes Aortensyndrom

Acute aortic syndrome
Thomas Wurster
1   Medizinische Klinik III (Kardiologie), Universitätsklinikum Tübingen, Eberhard-Karls Universität Tübingen
,
Reimer Riessen
2   Internistische Intensivstation, Universitätsklinikum Tübingen, Eberhard-Karls Universität Tübingen
,
Michael Haap
2   Internistische Intensivstation, Universitätsklinikum Tübingen, Eberhard-Karls Universität Tübingen
› Author Affiliations
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Korrespondenzadresse

PD Dr. M. Haap
Internistische Intensivstation, Universitätsklinikum Tübingen, Eberhard-Karls Universität Tübingen
Otfried-Müller-Str. 10
72076 Tübingen
Phone: 07071/29 82 762   
Fax: 07071/295338   

Publication History

Publication Date:
22 January 2015 (online)

 

Zusammenfassung

Das akute Aortensyndrom (AAS) ist eine vergleichsweise seltene aber oft lebensbedrohliche Ursache von akuten Thoraxschmerzen. Unter dem Begriff „AAS“ werden im engeren Sinne die akute Aortendissektion (AD), das intramurale Hämatom (IMH) und das penetrierende atherosklerotische Ulcus (PAU) zusammengefasst. Am häufigsten ist mit ca. 80 % die akute AD. Wichtigstes Merkmal der akuten AD ist ein plötzlich einsetzender Vernichtungsschmerz, der sich je nach Lokalisation in das Abdomen, den vorderen Thoraxbereich oder den Rücken projiziert, allerdings sind auch schmerzlose Verläufe möglich. Entscheidend für die Prognose sind eine rasche Diagnostik und Therapie. Zur definitiven Diagnose eignet sich die Kontrastmittel-angehobene CT-Untersuchung der Aorta, bei instabilen Patienten und in Anwesenheit erfahrener Untersucher ist auch die transösophageale Echokardiographie ein geeignetes Diagnoseverfahren. Typ A Dissektionen werden bevorzugt einer raschen chirurgischen Therapie zugeführt, bei komplizierten Typ B Dissektionen bietet sich eine endovaskuläre Behandlung („TEVAR – Thoracic EndoVascular Aortic Repair“) an. Unkomplizierte Typ B Dissektionen werden unter engmaschiger Beobachtung meist konservativ mit strikter Blutdruckeinstellung behandelt.


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Abstract

Acute aortic syndrome (AAS) is a rather rare but often life-threatening cause of thoraco-abdominal pain. AAS includes acute aortic dissection (AD), intramural hematoma (IMH) and penetrating atherosclerotic ulcer (PAU), in which the latter may progress to AD. Suddenly emerging severe pain localized in the chest, back or the abdomen is rather characteristic for acute AD, but painless courses of the disease are also possible. Rapid diagnosis and treatment are crucial for prognosis and survival. Aortic contrast-enhanced computed tomography is the method of choice due to its broad availability, distinguished accuracy and rapid feasibility. In instable patients, transoesophagel echocardiography by an experienced examiner is also applicable. Patients suffering from Type A AD need urgent surgery in most cases, patients.


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Das akute Aortensyndrom (AAS) ist zwar seltener, aber nicht weniger bedrohlich als die beiden anderen wichtigen Ursachen des akuten Thoraxschmerzes. Bei vier von fünf Patienten mit AAS liegt eine klassische Aortendissektion zugrunde; transmurale Hämatome oder penetrierende atheromatöse Ulzera kommen ebenfalls vor. Auch in diesen Fällen gilt es, rasch die Symptome und Befunde richtig einzuordnen und die – meist operative – Therapie zu initiieren.

Definition

Lebensbedrohliche Erkrankungen | Unter dem AAS versteht man lebensbedrohliche Erkrankungen der Aorta mit ähnlicher Pathophysiologie. Sie sind anhand der klinischen Symptome meist nicht zu unterscheiden. Dazu zählen u. a.:

  • klassische Aortendissektion (AD)

  • intramurales Hämatom (IMH)

  • penetrierendes atheromatöses Ulkus (PAU)

  • auch: traumatische (bzw. iatrogene) Verletzungen der Aorta [10], [44].

Einteilungen der AD | Entsprechend der anatomischen Lokalisation sind Einteilungen nach Stanford und DeBakey üblich, wobei die nach Stanford klinisch häufiger ist.

  • Stanford Typ A: Alle Dissektionen und Läsionen der A. ascendens – unabhängig vom Ursprung der Aufspaltung der Gefäßwand.

  • Stanford Typ B: Alle AD, die nicht die A. ascendens betreffen [59].

Die Task Force der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) hat die Leitlinien zur Diagnostik und Therapie von Erkrankungen der Aorta zuletzt im August 2014 aktualisiert [10].


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Pathophysiologie

Aortendissektion | Die klassische AD macht etwa 80 % des AAS aus. Eine akute AD liegt vor, wenn das initiale Schmerzereignis innerhalb von 2 Wochen vor Diagnosestellung auftrat [50]. In etwa 60 % ist die A. ascendens betroffen [14].

  • Die klassische AD beginnt mit einem Intima-Einriss und einer Einblutung ins mittlere Drittel der Tunica media. Weiteres Blut dringt in die übrige Aortenwand.

  • Es kommt zu Inflammation und Auftrennung der Aortenschichten mit Bildung eines wahren und eines falschen Lumens, das sich sowohl ante- als auch retrograd ausbreiten kann.

Schließlich kann ein erneuter Intimariss dazu führen, dass das falsche an das wahre Lumen Anschluss findet – auch eine Kompression des wahren Lumens ist möglich. Wenn dann noch die Adventitia reißt, liegt eine Ruptur vor (▶ [Abb. 1]) [10], [44].

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Abb. 1 Pathophysiologie der Aortendissektion.
a Aortendissektion mit Intima- einriss und falschem Lumen.
b Aortendissektion mit Intimaeinriss und Außenwandruptur.
c Aortendissektion mit Intima- einriss und Re-Entry.
Quelle: Schünke M, Schulte E, Schumacher E. Prometheus. LernAtlas der Anatomie. Innere Organe. Illustration von K. Wesker, 2. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2009.

Intramurales Hämatom | Das IMH macht etwa 10–20 % des AAS aus. Pathomorphologisch liegt ein Hämatom in der Tunica media vor, verursacht durch eine Ruptur der Vasa vasorum [10].

  • In der dadurch geschädigten Gefäßwand bildet sich in 28–47 % der Fälle eine AD aus, bei 20–45 % kommt es zur Aortenruptur. In etwa 10 % bildet sich das IMH zurück [18].

Das IMH ist bildmorphologisch eine halbmondförmige, gelegentlich zirkumferentielle verdickte Aortenwand – im Gegensatz zur AD ohne direkte Verbindung zum Lumen der Aorta.

Das IMH scheint zudem häufiger mit Perikard-Erguss und periaortalem Hämatom einherzugehen [24]. Die A. descendens ist in etwa 60 % der Fälle betroffen, bei Lokalisation des IMH im Bereich der A. ascendens ist wie bei der Typ-A-AD die Mortalität erhöht [14].

Penetrierendes atheromatöses Ulkus | Das PAU ist Folge einer atheromatösen Plaqueruptur mit Penetration durch die Lamina elastica interna in die Tunica media – in etwa 2–7 % der Fälle ist es Ursache des AAS. Das PAU tritt vor allem bei Patienten mit ausgeprägten atherosklerotischen Läsionen und hohem Lebensalter auf. Betroffen sind vorwiegend die mittleren und distalen Anteile der deszendierenden thorakalen Aorta. In bis zu 40 % der Fälle entwickelt sich im Verlauf eine IMH, AD oder Aortenruptur [9].

Iatrogene und traumatische Aortendissektion | Eine iatrogene AD nach einem kardiovaskulären Eingriff ist eine eher seltene Komplikation. In einer Analyse aus dem IRAD-Register von 2002 waren 5 % der AD iatrogen bedingt. Hier war

  • bei kardiochirurgischen Eingriffen die Stanford-A-Dissektion häufiger und

  • nach Kathetereingriffen die Stanford-B-Dissektion häufiger [31].

Neuere Daten berichten von einer Inzidenz von 0,06 % nach Herzoperationen und 0,01 % nach kardialen Kathetereingriffen [34]. Dezelerationstraumen im Rahmen von Verkehrsunfällen führen häufig zu Läsionen im Bereich des Aortenisthmus und gehen mit einer sehr hohen Letalität einher [41]. Bei einer Autopsiestudie von Unfalltoten im Straßenverkehr konnte in annähernd 20 % eine Aortenruptur nachgewiesen werden [38].

Ursache eines akuten Aortensyndroms ist in etwa 80 % eine klassische Aortendissektion, in 10–20 % ein intramurales Hämatom und in 2–7 % ein penetrierendes atheromatöses Ulkus.

Epidemiologie und Inzidenz | Beim akuten Thoraxschmerz ist das AAS eher selten; das ACS ist etwa 200-mal häufiger, die Lungenembolie etwa 3-mal häufiger [1]. Eine große britische Studie beziffert die Inzidenz der AD mit jährlich etwa 6 pro 100 000 Einwohner [28]. Eine große schwedische Studie sieht die jährliche Inzidenz von AD und thorakalen Aortenaneurysmen bei 16 Fällen (Männer) bzw. 9 Fällen (Frauen) pro 100 000 Einwohner [46]. Zumal bei den meisten AAS-Fällen eine AD vorliegt, liegt der Fokus im Folgenden auf dieser am besten untersuchten Subgruppe.


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Risikofaktoren für die AD

Hypertonie und Atherosklerose | Eine AD entwickelt sich mehrheitlich nicht aus einem vorbestehenden Aneurysma [50].

  • Meist liegt eine Degeneration der Tunica media vor, begleitet von einer Apoptose der glatten Muskulatur, einer Elastinfragmentation und einer Inflammation [51].

  • Hauptrisikofaktor ist die arterielle Hypertonie (72 %), gefolgt von Atherosklerose (31 %), vorangegangenen Herzoperationen (18 %) und dem Marfan-Syndrom (5 %) [23].

Seltenere Risikofaktoren sind intensive Belastungen (z. B. Gewichtheben) [25] oder Kokain-Konsum [29] (▶ [Tab. 1]). Eine bikuspide Aortenklappe (betrifft 1–2 % der Bevölkerung [60]) geht mit erhöhtem AD-Risiko einher [30]. Frauen sind seltener betroffen (32 %) und bei AD etwa 7 Jahre älter. Die peripartale AD ist eine Rarität [43].

Tab. 1 Risikofaktoren für die Entstehung einer Aortendissektion (in Anlehnung an [44])

kardiovaskulär

  • arterielle Hypertonie

  • Atherosklerose

  • Hyperlipidämie

  • Nikotinabusus

Bindegewebserkrankungen

  • Marfan-Syndrom

  • Loyes-Dietz-Syndrom

  • Ehlers-Danlos-Syndrom

  • Turner-Syndrom

erblich vaskulär

  • bikuspide Aortenklappe

  • Aortenisthmusstenose

entzündlich / autoimmun

  • Riesenzellarteriitis

  • Takayasu-Arteriitis

  • Morbus Behçet

  • Morbus Ormond

infektiös

  • Syphilis

  • Tuberkulose

Dezelerationstrauma

  • Verkehrsunfall

  • Sturz aus großer Höhe

iatrogen

  • (Herz-)Katheteruntersuchungen

  • Herz- / Gefäß-Operationen

Drogenkonsum

  • Kokain

  • Amphetamine

Entzündliche und Autoimmun-Erkrankungen | Vaskulitiden wie die Riesenzell-Arteriitis, die Takayasu-Arteriitis und weitere Erkrankungen des rheumatologischen Formenkreises können ebenfalls eine Ursache sein [22]. Infektionserkrankungen wie etwa kardiovaskuläre Komplikationen bei tertiärer Syphilis sind heute eher selten und zu vernachlässigen [49].

Genetische Ursachen | Thorakale Aortenaneurysmata und AD sind häufig bei autosomal-dominant vererbten genetischen Syndromen, die die Bildung von Proteinen des Binde- und Stützgewebes betreffen [51].

  • Beim Marfan-Syndrom ist die Bildung des extrazellulären Matrixproteins Fibrillin-1 gestört. Durch progrediente Aortendilatation bis hin zur Ruptur werden Marfan-Patienten unbehandelt im Mittel etwa 40 Jahre alt [3].

  • Ebenfalls mit erhöhtem AD-Risiko gehen die vaskuläre Form des Ehlers-Danlos-Syndroms (gestörte Synthese des Typ-III -Prokollagenpeptids) [52] und das Loeys-Dietz-Syndrom (Mutationen der TGF-beta Rezeptoren 1/2) [10] einher.

  • Frauen mit Turner-Syndrom (Karyotyp 45, X0) haben relativ zur Normalbevölkerung eine etwa 100-fach erhöhte AD-Inzidenz [36].

Auch weitere seltene Syndrome und nicht-syndromale Gendefekte können eine AD verursachen [10].

Hauptrisikofaktoren für eine AD sind arterielle Hypertonie und Atherosklerose. Daher sind die Behandlung und Reduktion kardiovaskulärer Risikofaktoren besonders wichtig für die Prävention.


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Symptome

Starker Schmerz | Typisch sind plötzliche, „reißende“ oder stechend-scharfe Schmerzen (▶ [Tab. 2]). Sie projizieren sich häufig

  • bei betroffener A. ascendens in den vorderen Thorax und

  • bei Dissektionen distal der linken A. subclavia in den Bereich des hinteren Thorax.

  • Dissektionen der A. descendens gehen auch häufiger mit Rücken- oder Bauchschmerzen einher.

Die Schmerzen können migrieren oder in verschiedene Richtungen ausstrahlen [23]. Auch schmerzlose Verläufe werden beschrieben [47].

Tab. 2 Symptome und Komplikationen des AAS (nach [10]).

Allgemein

Nervensystem

Thorax

Abdomen

Schmerz

  • Vernichtungsschmerz, „reißend / stechend-scharf“

  • Projektion in den vorderen /  hinteren Thorax, Abdomen

  • Ggf. migrierend

  • Schmerzloser Verlauf möglich

Zentral

  • Zerebrale Ischämie

  • Vigilanzstörung

  • Koma

  • Synkope

  • Krampfanfall

Peripher

  • Spinale Ischämie

  • Nervenkompressionssyndrome

Lunge

  • Kompression der Pulmonalarterien

  • Aortopulmonale Fisteln

  • Lungenödem

  • Ruptur in die Lunge (massive Hämoptysen)

Pleura

  • Hämatothorax

  • Pleuraerguss

Gastrointestinaltrakt

  • Mesenterial-Ischämie

  • Blutungen

  • Aortoösophageale Fistel

  • Ruptur des falschen Lumens (Dünndarm)

Kreislauf, Blutdruck

  • Hypertension

  • Normotension

  • Hypotension / Schock

  • Tachykardie

Extremitäten

  • Sensibilitätstörungen

  • Motorikstörungen

  • Ischämie

  • Pulsdifferenz

Herz

  • Kardiogener Schock

  • Perikardtamponade

  • Aortenklappeninsuffizienz

  • Myokardischämie

Niere

  • Niereninsuffizienz

  • Niereninfarkt

Puls und RR | Die Patienten können hypertensive Blutdruckwerte haben (> 150 mmHg systolisch; häufiger Stanford B; IMH). Möglich sind aber auch Normotension (100–149 mmHg systolisch; häufiger Stanford A) oder seltener Hypotension bzw. Schock (durch Perikardtamponade oder Aortenruptur; häufiger Stanford A) [23].

Es kann eine Pulsdifferenz im Bereich der Hals- und Extremitätenarterien auftreten [7]. Je nach Ausprägung der AD sind verschiedene Symptome und Organbeteiligungen möglich.

Kardiovaskuläre und thorakale Manifestationen |Bei der Typ-A-AD liegt häufig eine Aortenklappeninsuffizienz (bis zu 75 %) vor [39], die mit einem kardiogenen Schock einhergehen kann. Etwa 10–15 % der Patienten entwickeln eine Myokardischämie [10]. Sie kann Folge einer retrograden Dissektion mit Verlegung der Koronarostien oder eine Fortsetzung der Dissektion in die Koronarien sein. Die rechte Herzkranzarterie ist gehäuft betroffen [40].

  • Eine Herzbeuteltamponade ist bei knapp 19 % der Patienten mit Typ-A-AD initial vorzufinden, die Mortalität ist deutlich erhöht [20]. Bei Ausdehnung der Dissektion über die Adventitia kann es zum Hämatothorax kommen [19].

  • Größere Pleuraergüsse sind durch die hohe Mortalität sehr selten zu finden,

  • kleinere Ergüsse haben 15–20 % der Betroffenen.

Pulmonale Komplikationen (z. B. Kompression der Pulmonalarterien, aortopulmonale Fisteln, Lungenödem, Ruptur in die Lunge, massive Hämoptysen) sind sehr selten zu diagnostizieren [10].

Neurologische Symptome | 15–40 % der Patienten haben neurologische Symptome, die zunächst das klinische Bild bestimmen können und in etwa der Hälfte der Fälle transient auftreten [10]. Das Spektrum umfasst Synkopen, Vigilanzstörungen bis hin zum Koma, Krampfanfälle sowie zerebrale und spinale Ischämien. Eine Ischämie kann die Motorik und Sensibilität der Extremitäten beeinträchtigen [7].

Gastrointestinaltrakt und Nieren | Die Mesenterial-Ischämie ist eine eher seltenere Komplikation der AD (etwa 4 % Typ A [7] vs. 5 % Typ B [57]). Betroffene berichten häufiger über migrierende abdominelle Beschwerden und weisen häufiger ein Koma, Nierenversagen oder eine Extremitäten- bzw. Rückenmarksischämie auf, zudem ist die Mortalität deutlich erhöht (63 %) [7]. Gastrointestinale Blutungen durch einen Mesenterial-Infarkt, eine aortoösophageale Fistel oder eine Ruptur des falschen Lumens in den Dünndarm sind sehr selten zu finden [10].

  • Ein akutes Nierenversagen kommt im Verlauf bei bis zu 17 % der Patienten mit Typ-A-AD [7] und bis zu 13 % der Patienten mit Typ-B-AD [57] vor. Ursache kann eine generalisierte Hypotension oder einer Hypoperfusion durch direkten Befall der A. renalis sein [10].

Die Symptome einer Aortendissektion können vielfältig sein. Meist ist die Anamnese mit typischer Schmerz-Symptomatik richtungsweisend!


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Diagnostik

Anamnese | Die Anamnese ist bei initialem Verdacht auf eine akute AD besonders bedeutend. Je nach Klinik, entsprechenden Risikofaktoren und körperlicher Untersuchung müssen rasch die Weichen für Diagnostik und Therapie gestellt werden. Bildgebende Verfahren sollten – je nach Verfügbarkeit und Stabilität der Patienten – rasch zum Einsatz kommen. Dabei sollte man die bildgebende Diagnostik ggf. auch kurzfristig wiederholen, z. B.

  • diagnostisch unklaren Fällen oder

  • zur Verlaufskontrolle bei primär konservativ behandelten Patienten.

Labor | D-Dimere sind bevorzugte Ausschlussmarker,

  • als Cutoff-Wert gilt (ähnlich wie bei der Lungenembolie) ein Wert von 500 ng / mL. Bei Werten darunter ist eine AD unwahrscheinlich [56].

  • Jedoch können D-Dimere beim IMH auch unauffällig sein [45].

  • Bei verminderter Perfusion der Koronarien können die Herzenzyme erhöht sein [40]. Bis zu ein Viertel der Patienten mit Typ-A-AD hat ein erhöhtes Troponin [4].

Sonstige spezifische Marker zum Ausschluss einer AD sind bisher nicht bekannt.

EKG | Das EKG kann differenzialdiagnostisch bei der Abgrenzung vom Myokardinfarkt helfen [27]. Da bei der AD allerdings auch die Koronarien betroffen sein können, schließt ein Ischämienachweis im EKG eine AD nicht aus. In einer IRAD-Analyse zeigten sich in bis zu 42 % unspezifische ST-Strecken oder T-Wellen-Veränderungen, in 15 % ischämietypische Veränderungen, in 31 % war der EKG-Befund unauffällig [23].

Röntgen-Thorax | Eine AD kann sich im Röntgenbild in Form einer Mediastinalverbreiterung, einer atypischen Aorten- oder Herzkontur, einer Aortenverlagerung oder durch Pleuraergüsse manifestieren.

Röntgenologische Auffälligkeiten können aber auch gänzlich fehlen (Typ A: 11 %; Typ B 16 %) [23]. Daher sollte man primär ein anderes Verfahren, z. B. eine CT-Untersuchung wählen [61].

Echokardiographie | Mit einer transthorakalen Echokardiographie (TTE) lässt sich die proximale Aorta beurteilen, auch eine schnelle Begutachtung der Aortenklappe oder der Nachweis eines Perikardergusses ist möglich [13] (▶ [Abb. 2]). Für Untersuchungen der gesamten thorakalen Aorta ist die transösophageale Echokardiographie (TEE) besser geeignet [16].

  • Eine AD wird durch den Nachweis zweier Lumen und eines „intima flap“ bestätigt. Oft gelingt so auch die Identifikation eines IMH oder eines PAU [42].

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Abb. 2 Echokardiogramm parasternale lange Achse: Dilatation der Aorta ascendens (*). Der Pfeil markiert die Dissektionsmembran bei Typ-A-Aortendissektion. Der Farbdoppler zeigt eine Aorteninsuffizienz.

Die TTE erreicht bei der AD-Diagnose eine Sensitivität von 77–80 % und eine Spezifität von 93–96 %. Eine distale thorakale AD ist nur zu 70 % zu detektieren. Die TEE aber erreicht eine Sensitivität von 99 % mit einer Spezifität von 89 % [10], [42]. Mit Ultraschallkontrastmittel kann die TEE-Diagnostik deutlich verbessert werden [12]. Bei der AD im Bereich der A. abdominalis ist die Duplexsonographie meist gut einsetzbar [10].

CT | Die CT-Angiographie ist bei den meisten Patienten mit Verdacht auf eine AD das bevorzugte initiale diagnostische Verfahren (gepoolte Sensitivität bis zu 100 %, Spezifität 98 %) (▶ [Abb. 3]). Neben der AD lassen sich auch traumatische Verletzungen der Aorta, PAU, IMH und Rupturen zumeist zuverlässig detektieren [10].

  • Das „Triple-rule-out“-Protokoll (TRO-CT), durch Einsatz EKG-synchronisierter 64-MDCT- oder DSCT-Angiogaphie kann zugleich Koronarien, Pulmonalarterien und die thorakale Aorta untersuchen [17].

  • Das TRO-CT ist v. a. bei Patienten mit niedrigembis mittlerem ACS-Risiko zu erwägen, bei denen differenzialdiagnostisch auch eine Lungenembolie oder eine AD infrage kommt [2].

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Abb. 3 CT-Angiographie einer Aortendissektion Typ A im axialen (a) und sagittalen (b) Schnitt. Die Dissektion beginnt im Bereich der Aorta ascendens und endet im Bereich der Aorta descendens. Der Stern markiert das „wahre“ Lumen, der Pfeil das falsche Lumen.

MRT | Prinzipiell ist die Magnetresonanzthomographie (MRT) gut zur Diagnostik der AD geeignet, zudem wird keine ionisierende Strahlung oder iodhaltiges Kontrastmittel benötigt. Spin-Echo-T1-gewichtete Bilder ermöglichen eine sehr gute Darstellung von IMH, „intimaflap“ und Atheromen, in der T2-Wichtung lässt sich die Aortenwand bzw. das Blutkompartiment charakterisieren. Zudem braucht man nur eine geringe Menge an Gadolinium-haltigem Kontrastmittel für die MR-Angiographie. Darüber hinaus ist eine MR-Angiographie auch ohne Kontrastmittel möglich [42].

  • Sensitivität und Spezifität der MRT wird für die AD-Diagnostik mit bis zu 98 % angegeben,

  • ihr Einsatz ist aber v. a. bei instabilen Patienten wegen des größeren Zeitaufwands und dem erschwerten Monitoring deutlich limitiert [10].

Aortographie | Die Aortographie ist eine invasive, kathetergestützte Methode, die man v. a. im Rahmen endovaskulärer Interventionen anwendet. Zur Primärdiagnostik der AD wird die Aortographie allerdings nicht empfohlen [42].

Eine CT-Angiographie der Aorta oder ein TEE durch einen erfahrenen Untersucher sind die bevorzugten diagnostischen Verfahren.


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Therapie

Allgemeine Maßnahmen | Insbesondere die Typ-A-AD mit Beteiligung der A. ascendens ist ein lebensbedrohlicher Notfall. Sie bedarf zwingend einer intensivmedizinischen Überwachung, zu der eine invasive Blutdruckmessung gehören sollte.

  • Hierzu sollte die A. radialis rechts gewählt werden, da hierüber die Perfussion des Truncus brachiocephalicus kontrolliert werden kann.

  • Bei Verdacht auf Einbeziehung des Truncus brachiocephalicus in die Dissektion sollte eine zweite invasive Blutdruckmessung über die Arteria radialis links erfolgen [11].

Medikamentöse Therapie | Um eine ggf. ausgeprägte Volumengabe vorzubereiten, legt man mehrere großlumige Zugänge, einen großlumigen zentralen Venenkatheter und / oder eine Schleuse.

  • Um Blutdruckanstiege zu vermeiden, ist auf eine ausreichende Schmerztherapie und ggf. eine zusätzliche Sedierung zu achten.

  • Beta-Rezeptorblocker können die aortale Pulsation abschwächen (Anti-Impuls-Therapie) und die geschwächte Aortenwand entlasten [21], [37].

Ziel sind ein systolischer RR-Wert zwischen 100–120 mmHg und eine Reduktion der Herzfrequenz [35], [48]. Auf der Intensivstation kann die Therapie mit Beta-Rezeptorblockern intravenös begonnen werden [53].

Bei einer Aortenklappeninsuffizienz gilt

  • eine strenge Indikation für Beta-Rezeptorblocker, da sie die kompensatorische Tachykardie unterdrücken und das Regurgitationsvolumen entsprechend erhöhen können.

  • Eine Alternative sind Kalziumantagonisten [6].

Zusätzliche Vasodilatatoren können den Blutdruck weiter senken.

Therapie von Typ-A-AD und IMH | Laut ESC-Leitlinien sollte die Typ-A-AD möglichst schnell chirurgisch therapiert werden, wenngleich die Prognose durch Koma, Schock, Tamponade, Malperfusion, Schlaganfall zusätzlich eingeschränkt sein kann.

  • Unbehandelt geht die akute Typ-A-AD mit einer Mortalität von ca. 50 % in den ersten 48 Stunden einher [10],

  • die perioperative Letalität ist hoch (ca. 25 %) [58].

Der von der Dissektion betroffene Anteil der Aorta wird möglichst komplett reseziert und durch ein Interponat ersetzt [1]. Meist liegt bei Aortenklappeninsuffizienz eine funktionale Aortenklappe vor, sodass erfahrene Zentren in diesen Fällen auch klappenerhaltend operieren [55].

Eine mesenteriale Malperfusion tritt bei 30 % der Patienten mit akuter AD auf. Eine Kompression des wahren Lumens oder eine Dissektions-Ausdehnung in periphere Arterien können in Extremitäten und viszeralen Organen zur Ischämie führen.

  • In diesen Fällen kann man ein gemischt chirurgisch-interventionelles Vorgehen diskutieren.

  • Für eine alleinige endovaskuläre Therapie bei der Typ-A-AD gibt es bisher keine generelle Empfehlung [10].

Intramurales Hämatom | Beim komplizierten Typ-A-IMH mit Perikarderguss, periaortalem Hämatom und großen Aneurysmen ist eine Notfall-OP indiziert – ansonsten eine dringliche OP innerhalb von 24 Stunden [10]. Bei älteren oder multimorbiden Patienten, ohne Vorliegen einer Aortendilatation über 50 mm und einer IMH-Dicke kleiner als 11 mm, kann man zunächst auch zuwartend, medikamentös-supportiv therapieren [32], [54].

Komplizierte Typ-B-AD und IMH | Bei komplizierter Typ-B-Dissektion, die sich auszeichnet durch

  • nicht kontrollierbaren Schmerz, Hypertension, Organmalperfusion und Progression der Dissektion,

  • sowie bei Anzeichen für eine drohende Ruptur

sollte man eine kathetergestützte endovaskuläre Therapie mit Stentgraftimplantation („thoracic endovascular aortic repair“ – TEVAR) wählen (▶ [Abb. 4]). Ein offener chirurgischer Eingriff sollte Ausnahmefällen vorbehalten bleiben [10], [26].

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Abb. 4 Sektionspräparat einer Aorta descendens. Ein Stentgraft ist im „wahren“ Lumen (Pfeil) und ein großer Thrombus im „falschen“ Lumen (*) zu sehen. Sektionspräparat freundlicherweise überlassen von Frau Dr. Haen, Pathologisches Institut der Universität Tübingen.

Bei akuter IMH – unter nicht ansprechender medikamentöser Therapie – sind

  • eine Hämatomausbreitung und ein Einreißen der Intimaschicht

Indikationen für eine TEVAR, die in diesem Fall einer chirurgischen Therapie vorzuziehen ist [10].

Unkomplizierte Typ-B-AD  und IMH | Die ESC-Leitlinien empfehlen bei unkomplizierten Typ-B-Dissektionen, d. h. ohne Anzeichen einer Malperfusion, die Patienten zunächst

  • unter medikamentös-supportiver Therapie

  • engmaschig zu überwachen.

  • Dieses Vorgehen wird auch für unkomplizierte Typ-B-IMHs empfohlen [10].

Bei unkomplizierter Typ-B-Dissektion deutete sich in einer neueren Studie jedoch eine bessere Langzeitprognose durch TEVAR in Verbindung mit einer optimalen medikamentösen Therapie an [15].

Penetrierendes atheromatöses Ulkus | Beim PAU steht die Prävention des Progresses zur AD oder Ruptur im Vordergrund. Die Therapie orientiert sich hier an Komorbiditäten, Klinik und Anatomie.

  • Indikationen für eine Intervention sind therapierefraktärer Schmerz, drohende Ruptur

  • sowie eine schnell progrediente Ulzeration, die mit einem periaortalen Hämatom oder einem Pleuraerguss einhergeht [10].

Meist haben die Patienten aufgrund ihrer Komorbiditäten ein hohes OP-Risiko, sodass die endovaskuläre Versorgung mittels TEVAR häufig die Methode der Wahl darstellt [5], [8].

Typ-A-AD und -IMH sollten rasch chirurgisch versorgt werden. Die komplizierte Typ-B-AD und -IMH sollten endovaskulärer therapiert werden (TEVAR).

Konsequenz für Klinik und Praxis
  • Die akute Aortendissektion ist – verglichen mit anderen Thoraxschmerz verursachenden Erkrankungen (z. B. akutes Koronarsyndrom, Lungenembolie) – ein eher seltenes, jedoch sehr bedrohliches Krankheitsbild.

  • Je nach Ausprägung und Lokalisation der AD sind verschiedene thorakale, abdominelle und neurologische Symptome möglich.

  • Bei klinischem Verdacht sollte sofort eine bildgebende Diagnostik erfolgen – im Akutfall eignen sich besonders CT-Angiographie und transösophageale Echokardiographie.

  • Typ-A-Dissektionen sollten unverzüglich einer chirurgischen Therapie zugeführt werden.

  • Patienten mit komplizierten Typ-B-Dissektionen sollten mit endovaskulärer Stentgraftimplantation (TEVAR) behandelt werden.

  • Bei unkomplizierter Typ-B-Dissektion ist zunächst eine supportiv-medikamentöse Therapie unter engmaschiger Überwachung möglich.


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Der Beitrag wurde geändert am 10.02.2015 gemäß folgendem Erratum:

Der korrekte englische Titel für den Beitrag „Akutes Aortensyndrom“ (Dtsch med Wochenschr 2015; 140: 104–109) lautet: Acute aortic syndrome 


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Dr. Thomas Wurster


ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Medizinischen Klinik III, Kardiologie am Universitätsklinikum Tübingen.

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Prof. Dr. Reimer Riessen


ist leitender Oberarzt der Internistischen Intensivstation des Universitätsklinikums Tübingen


reimer.riessen@med.uni-tuebingen.de

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PD Dr. M. Haap


ist Oberarzt auf der Internistischen Intensivstation des Universitätsklinikums Tübingen


michael.haap@med.uni-tuebingen.de

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Interessenkonflikt: Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

  • Literaturverzeichnis

  • 1 Aboukoura MNT, Akin I, Rehders TC et al. Management beim akuten Aortensyndrom. Der Kardiologe 2014; 8: 399-406
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Korrespondenzadresse

PD Dr. M. Haap
Internistische Intensivstation, Universitätsklinikum Tübingen, Eberhard-Karls Universität Tübingen
Otfried-Müller-Str. 10
72076 Tübingen
Phone: 07071/29 82 762   
Fax: 07071/295338   

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Abb. 1 Pathophysiologie der Aortendissektion.
a Aortendissektion mit Intima- einriss und falschem Lumen.
b Aortendissektion mit Intimaeinriss und Außenwandruptur.
c Aortendissektion mit Intima- einriss und Re-Entry.
Quelle: Schünke M, Schulte E, Schumacher E. Prometheus. LernAtlas der Anatomie. Innere Organe. Illustration von K. Wesker, 2. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2009.
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Abb. 2 Echokardiogramm parasternale lange Achse: Dilatation der Aorta ascendens (*). Der Pfeil markiert die Dissektionsmembran bei Typ-A-Aortendissektion. Der Farbdoppler zeigt eine Aorteninsuffizienz.
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Abb. 3 CT-Angiographie einer Aortendissektion Typ A im axialen (a) und sagittalen (b) Schnitt. Die Dissektion beginnt im Bereich der Aorta ascendens und endet im Bereich der Aorta descendens. Der Stern markiert das „wahre“ Lumen, der Pfeil das falsche Lumen.
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Abb. 4 Sektionspräparat einer Aorta descendens. Ein Stentgraft ist im „wahren“ Lumen (Pfeil) und ein großer Thrombus im „falschen“ Lumen (*) zu sehen. Sektionspräparat freundlicherweise überlassen von Frau Dr. Haen, Pathologisches Institut der Universität Tübingen.