Aktuelle Ernährungsmedizin 2020; 45(03): 238
DOI: 10.1055/s-0040-1710262
Abstracts
Onkologie, Geriatrie, Gastroenterologie, Pneumologie

Ablehnungsgründe für parenterale Ernährung aus Fachkräfte- und Patientenperspektive: Eine qualitative Inhaltsanalyse

D Hellmann
1   Hochschule Neubrandenburg, Fachbereich Agrarwirtschaft und Lebensmittelwissenschaften, Neubrandenburg, Germany
,
S Ramminger
1   Hochschule Neubrandenburg, Fachbereich Agrarwirtschaft und Lebensmittelwissenschaften, Neubrandenburg, Germany
,
A Schneider
2   Medizinische Hochschule Hannover, Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie, Hannover, Germany
,
L Valentini
1   Hochschule Neubrandenburg, Fachbereich Agrarwirtschaft und Lebensmittelwissenschaften, Neubrandenburg, Germany
› Institutsangaben
 
 

    Fragestellung Die Vorteile der parenteralen Ernährung (PE) sind bekannt, dennoch stößt diese Therapieform selbst bei fachgerechter Indikation öfters auf Ablehnung. Die Ablehnungsgründe der PE sind kaum untersucht. Daher war es Ziel dieser Arbeit, die subjektive Wahrnehmung der PE sowohl bei PatientInnen, wie auch bei ÄrztInnenund Diätassistenz durch qualitative Interviews zu erheben.

    Methodik Die Befragungen erfolgten zwischen Juni-Sep 2018 an der Medizinischen Hochschule Hannover durch 25-60 min leitfadengestützte Interviews bei Patienten mit Leberzirrhose und Indikation PE (Pat, n = 2, männl.), deren behandelnden AssistenzärztenInnen(n = 2, 1m/1w, Berufserfahrung 1,5 vs. 2,5 J) und betreuenden Diätassistentinnen (DA, n = 2, weibl, Berufserfahrung 24 vs. 40 J). Die Interviews wurden nach Mayring transkribiert und daraus ein Kategoriensystem gebildet.

    Ergebnis Ein Patient gab als Ablehnungsgründe die fehlende Einsicht der Notwendigkeit einer PE, die eigene Unwissenheit über die Therapieform und deren Konsequenzen sowie die befürchteten zusätzlichen Einschränkungen durch PE an. Der zweite Patient lehnte Kunststoff im Körper ab, erwähnte Infektionsrisiken und mögliche Katheterokklusionen sowie die Künstlichkeit der Infusionslösungen als Ablehnungsgründe.

    Ärzte und DA stimmten überein, dass Ablehnungsgründe bei Patienten multifaktoriell und individuell unterschiedlich sind. Häufige Gründe seien die fehlende Krankheitseinsicht bei Überschätzung des oralen Nahrungsvermögens, wie auch emotionale und soziale Faktoren, wie Angst, Scham, Unbehagen sowie Skepsis vor der PE und vor Reaktionen des sozialen Umfeldes. Fachkräfte neigten zur Ablehnung einer PE, wenn sozialen Strukturen fehlen (Zb. Obdachlosigkeit), schwere sprachliche Barrieren bestünden, sowie bei fehlender Überzeugung der Patienten („Patienten müssten hinter der Therapie stehen“). In Einzelfällen sei Zeitdruck bis zur Entlassung mit fehlender Vorbereitungszeit ein Ablehnungsgrund. Sowohl Ärzte als auch DA betonten, dass die Aufklärung zur PE so lange stattfindet bis die Patienten ausreichend Antworten erhielten. Aus Sicht der Patienten hatte in beiden Fällen keine ärztliche Aufklärung, sondern lediglich ein Informationsgespräch durch DA, stattgefunden.

    Schlussfolgerung Die erste Analyse bestätigt, das Ablehnungsgründe vielfältig und multifaktoriell sind, wobei aus Patientensicht potentiell modifizierbare Faktoren, wie Ängste, Unsicherheiten und soziale Faktoren eine entscheidende Rolle spielen.


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    Publikationsverlauf

    Artikel online veröffentlicht:
    16. Juni 2020

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