Schlüsselwörter
Konflikt - Konfliktlösung - Wertschätzung - Zeitdruck
Key Words
conflict - conflict resolution - appreciation - time pressure
Abb. 1 Besonders zwischen den verschiedenen Berufsgruppen kommt es im Krankenhaus schnell
zu Konflikten.
Welche Konflikt vorkommen
Welche Konflikt vorkommen
Definition | Über den Stationsflur hallende Schimpfwörter, knallende Türen und Tränen – auch ohne
solch dramatische Szenen kann gerade ein Konflikt im Team brodeln. Allerdings gehört
es zum Arbeitsalltag dazu, dass Kollegen mal verschiedener Meinung sind oder sich
sogar im Ton vergreifen. Wann also liegt ein Konflikt vor? Das Wort „confligere“ stammt
aus dem Lateinischen und bedeutet „zusammenstoßen“. Man kann sagen: Ein Konflikt besteht
dann, wenn zwei Personen oder Parteien zusammenstoßen und sich dabei so verhalten,
dass die jeweils andere in ihren Handlungen gestört wird. Eine im schlimmsten Fall
lähmende Situation – besonders in einem Krankenhaus, wo Abläufe zugunsten der Patienten
reibunglos funktionieren sollten. Im Gegensatz zu einer Meinungsverschiedenheit beeinträchtigt
ein Konflikt das Verhalten beider Parteien – es geht nicht nur ums Rechthaben, sondern
ums Gewinnen [1]. Weshalb und wie es zu einem solchen Zusammenstoß kommt, ist sehr
unterschiedlich.
Konfliktarten | Ein Blick auf die zentralen Konfliktarten [1] hilft zu verstehen, aus welchen Gründen sie sich entwickeln:
-
Zielkonflikte: Zwei Parteien verfolgen unterschiedliche Ziele. Ein Kollege hat z. B. vorrangig seine
wissenschaftliche Karriere im Blick: Er verschwindet deshalb abends ins Labor und
lässt Arbeit liegen, die der Spätdienst für ihn erledigen muss.
-
Methodenkonflikte: Zwei Parteien nutzen unterschiedliche Methoden, um zu einem gemeinsamen Ziel zu gelangen.
Beispielsweise hat ein Patient Abdominalbeschwerden. Ein Arzt plädiert für eine CT,
der andere möchte bis zum nächsten Tag abwarten.
-
Wertekonflikte: Die Tätigkeit, die man ausführen soll, steht im Konflikt mit den eigenen Werten.
Ein Assistenzarzt soll etwa eine erneute Chemotherapie bei einer betagten Patientin
anordnen, obwohl er sie lieber palliativ versorgen würde.
-
Rollenkonflikte: Eine Person arbeitet in einem Feld unterschiedlicher Rollenerwartungen. Die Pflegekräfte
erwarten z. B. einen möglichst kooperativen Arzt, der Chef einen möglichst durchsetzungsfähigen
Mitarbeiter.
-
Verteilungskonflikte: Eine Führungs- oder Sonderrolle oder ein Aufgabenbereich werden verteilt. So erhält
der Kollege die Oberarztstelle, man selbst geht leer aus.
Positive Folgen | All diese Situationen können im Krankenhausalltag vorkommen. Dennoch ist es wichtig,
nicht jede Auseinandersetzung als Bedrohung wahrzunehmen: „Natürliche Interessenkonflikte
im Team sind kaum zu vermeiden, und das ist auch in Ordnung“, sagt Dr. Andrea Wittich,
Psychologin und bis Oktober 2014 Leiterin des Supervisionsdiensts der Uniklinik Freiburg.
So können verschiedene Positionen z. B. die Diagnosefindung bereichern statt zu einem
Problem zu werden [2].
Negative Folgen | Allerdings: Bleiben Konflikte bestehen, macht die Arbeit nicht nur weniger Spaß. Wachsende
Unzufriedenheit und Stress schaden auf lange Sicht auch der körperlichen und seelischen
Gesundheit [3].
Ein anhaltender Konflikt kann der Professionalität im Weg stehen, weil Abläufe im
Team gestört werden. Im schlimmsten Fall kommt es zur Eskalation.
Konfliktquellen im Krankenhaus
Konfliktquellen im Krankenhaus
Die Arbeit in einem Krankenhaus bietet viel Nährboden für Konflikte. Dabei sind häufig
nicht nur die Patienten der Anlass, sondern auch die Zusammenarbeit mit den Kollegen
anderer oder der eigenen Berufsgruppe.
Mangelnde Wertschätzung | Besonders zwischen den verschiedenen Berufsgruppen kann es schnell zu Reibungen kommen
[5]. Etwa dann, wenn sich Pflegekräfte als „Mädchen für alles“ ausgenutzt fühlen: Sie
müssen Medikamente austeilen, Befunde abheften und spontan die Arbeit unterbrechen,
sobald ein Arzt Hilfe braucht. Maike Klein, die seit drei Jahren als diplomierte Pflegerin
arbeitet, kennt dieses Problem: „Man fühlt sich und seine Arbeit nicht wertgeschätzt“,
sagt sie.Gefördert wird dieses Gefühl auch durch das hierarchische Gefälle zwischen
Pflege und Ärzteschaft, das in Deutschland immer noch sehr hoch ist. In der Schweiz
etwa sieht das anders aus: „Dort arbeiten Pfleger und Ärzte viel deutlicher auf Augenhöhe
miteinander“, sagt Wittich.
Hoher Zeitdruck | Grund für die scheinbar mangelhafte Wertschätzung muss jedoch nicht sein, dass Ärzte
auf Pfleger herabblicken. Oft sind schlicht die hohe Arbeitsbelastung und der Zeitdruck
auf den unterbesetzten Stationen Schuld. Dr. Moritz Vogt, Arzt im 2. Weiterbildungsjahr
zum Unfallchirurg, weiß wie schwierig es ist, allen im Team gerecht zu werden: In
seiner 1. Woche als Assistenzarzt sagte ihm eine Krankenpflegerin, er solle um 8 Uhr
morgens an der Pflegevisite teilnehmen. „Ich habe natürlich versucht, den Termin einzuhalten.
Aber irgendwann merkt man, dass das mit einem vollen OP-Plan einfach nicht immer funktioniert!“
Aufnahmen und Entlassungen | Der Internist Dr. Roman Steinert* sieht ein weiteres Potenzial für Konflikte im Aufnahme-
und Entlassungsmanagement von Patienten. Ein typischer Fall: Trotz der begrenzten
Bettenkapazität wurden nachts zwei neue Patienten eingeliefert. „Dann beginnt man
abzuwägen: Wo sind noch Zimmer frei, wer kann vielleicht schon nach Hause?“, erklärt
Steinert. Von den Pflegekräften wird schnelles Handeln gefordert – den einen entlassen,
für den nächsten ein Zimmer vorbereiten. „Sie müssen dann alles stehen und liegen
lassen und werden in ihren eigenen Abläufen gestört“, sagt Steinert.
Zusammenarbeit der Funktionseinheiten | Auch zwischen Ärzten sorgen Einweisungen und Verlegungen von Patienten für Probleme.
So z. B. an der Schnittstelle der Funktionseinheiten Notaufnahme und Bettenstation:
Die Notaufnahme ist voll, Patienten sollen möglichst schnell stationär aufgenommen
werden. Dort aber sind zu wenig Betten frei. In dieser Situation können schnell Konflikte
entstehen: „Der Stationsarzt möchte vielleicht erreichen, dass weitere Untersuchungen
in der Notaufnahme gemacht werden“, sagt Steinert. „Das wiederum erhöht die Belastung
des Kollegen, auf den noch weitere 10 Notfallpatienten warten.“
Konflikte lösen und vermeiden
Konflikte lösen und vermeiden
In Konflikten liegt auch eine Chance für Verbesserung. Wichtig ist, einzugreifen,
bevor die Spannungen zur psychischen Belastung werden oder sogar die Patientenversorgung
darunter leidet.
Bei der Konfliktbewältigung sollte die hohe Qualität der Patientenversorgung immer
als gemeinsames Ziel im Vordergrund stehen [6].
Werkzeuge zur Konfliktlösung | Rolf Schulz listet in seinem Buch „Toolbox zur Konfliktlösung“ einige Werkzeuge auf
[1], mit denen man Konflikte angehen kann:
-
Inhalts- und Beziehungsebene trennen: Wird Inhaltliches mit Emotionen vermischt?
-
Die richtige Haltung einnehmen: Wie ist meine Einstellung – sehe ich mein Gegenüber als Gegner? Kommuniziere ich
fördernd oder hemmend?
-
Brücke bauen: Signalisiere ich Offenheit für ein Gespräch über unterschiedliche Sichtweisen?
-
Vergangenheit und Zukunft trennen: Konzentriere ich mich auf eine Lösung in der Zukunft? Oder beharre ich auf meinem
Recht?
-
Ziel fokussieren: Gebe ich dem Gespräch eine Struktur und ein Ziel?
Das Gespräch suchen | All diese Techniken setzen am gleichen Hebel an: der Kommunikation. Auch Maike Klein
sieht das Hauptproblem in mangelhafter Kommunikation: „Ärzte und Schwestern tauschen
sich zu wenig aus. Gerade weil beide nach eigenen Abläufe arbeiten, müssten sie viel
besser miteinander kooperieren.“
Aktiv kommunizieren | Um Missverständnisse zu vermeiden, sollten junge Ärzte von Anfang an eine Kultur der
Dialogbereitschaft pflegen, rät Wittich. „Wer neu auf Station ist, sollte auf die
Pflegeleitung zugehen und die Art der Zusammenarbeit klären“, sagt sie. Dabei könne
man z. B. fragen,
-
ob die Pflegekräfte an der Visite beteiligt sein möchten,
-
wann für sie die beste Zeit für Übergaben ist und
-
ob es interne Abmachungen gibt, die man kennen sollte.
Damit signalisiere man einerseits die Bereitschaft zur guten Zusammenarbeit – andererseits
entschärfe man potenzielle Konfliktherde, indem man die internen Spielregeln kennenlernt.
Probleme ansprechen | Auch für den Umgang mit Kollegen gilt: Sprechen Sie Probleme frühzeitig an! Etwa bei
der Einteilung der Assistenzärzte in den OP: „Man akzeptiert, dass fortgeschritte
Assistenzärzte Vorrang haben, wenn es darum geht, wer in den OP darf“, sagt Vogt.
Doch wenn man bemerkt, dass manche Anfänger öfter im OP stehen als andere, müsse man
den Missstand ansprechen: „Manchmal hilft es schon zu sagen ‚Hey, das gefällt mir
nicht, lass uns das doch bitte fair regeln!‘“ Damit erreichte Vogt sein Ziel, bevor
sich Missmut und Spannungen aufbauen konnten.
Verständnis zeigen | Beim Kommunizieren mit Ärzten anderer Funktionseinheiten wie der Notaufnahme ist die
richtige Haltung entscheidend: Sehe ich den Kollegen als Gegner oder Verbündeten?
„Oft hilft ein kurzer Perspektivenwechsel: Wer selbst in der Notaufnahme gearbeitet
hat, hat Verständnis für deren Arbeitsabläufe“, sagt Steinert. So könne man empathischer
vermitteln, dass gerade auf Station noch kein Platz für eine Neuaufnahme ist.
Gegenseitige Wertschätzung
Gegenseitige Wertschätzung
Pünktliche Übergaben | Egal, ob das Gefühl mancher Pflegekräfte auf Missverständnissen beruht: Wenn sich
jemand im Team nicht wertgeschätzt fühlt, ist er unzufrieden und demotiviert [3]. Mit anderen Worten: Die Arbeit läuft nicht mehr rund. Doch auch trotz Zeitdruck
und hoher Arbeitsbelastung kann man sich mit kleinen Schritten entgegenkommen. So
z. B. Moritz Vogt: Wie viele Chirurgen kann er wegen des vollen OP-Plans die Visitenzeiten
zwar nicht immer einhalten. Er zeigt den Pflegekräften trotzdem seinen Willen zur
guten Zusammenarbeit, indem er jeden Morgen eine halbe Stunde vor Dienstbeginn pünktlich
zur Übergabe erscheint: „Wenn man sich so aufeinander verlassen kann, entsteht ein
Vertrauensverhältnis“, resümiert Vogt.
Morgendliche Besprechung |Auch der Internist Steinert hat einen Weg gefunden, Wertschätzung zu zeigen: Er kann
zwar nicht exakt planen, wann Patienten aufgenommen werden. Deswegen nimmt er sich
jedoch morgens 5 Minuten Zeit und bespricht mit den Pflegekräften die Bettenplanung
– soweit sie eben absehbar ist. „Das erleichtert die Zusammenarbeit sehr“, sagt er.
Hilfe aus der Personalabteilung
Hilfe aus der Personalabteilung
Handlungskonzept | Für den Ernstfall gibt es an der Universitätsklinik Freiburg das „Handlungskonzept
zur Problemlösung bei anhaltenden Konflikten und bei Mobbing am Arbeitsplatz“ [3]. Dieses Konzept löst Konflikte in mehreren Schritten: „Erst versuchen die Konfliktparteien,
das Problem selbst zu lösen“, erklärt Wittich. „Dann vermittelt der Supervisionsdienst,
und erst bei weiterem Misserfolg wird der Konfliktrat eingeschaltet.“ Nach Anhörung
beider Parteien bietet das Gremium des Konfliktrats z. B.
-
Mediation,
-
Coaching für Vorgesetzte,
-
Kommunikationstrainings oder
-
Vorschläge für Verbesserungen von Arbeitsabläufen an.
Konsequenzen | Sollte auch dies den Konflikt nicht lösen, trifft die Dienststelle arbeitsrechtliche
Entscheidungen wie etwa Versetzungen. Mitarbeiter erhalten so Hilfe von außenstehenden
Experten, wenn sie selbst keinen Ausweg aus einem Konflikt mehr sehen.
-
Bei einem Konflikt stoßen zwei Parteien oder Personen zusammen: Sie stören sich in
ihren Handlungen und nehmen auch eigenen Schaden in Kauf, um zu gewinnen.
-
Das Gefühl der mangelnden Wertschätzung und hohe Arbeitsbelastung sorgen für Konflikte
zwischen den Berufsgruppen.
-
Unter ärztlichen Kollegen führen z. B. unterschiedliche Abläufe der verschiedenen
Funktionseinheiten zu Problemen.
-
Eskalationen können vermieden werden, indem man
-
aktiv und wertschätzend kommuniziert,
-
Probleme rechtzeitig anspricht,
-
auf Balance zwischen Nähe und Distanz zu Kollegen achtet
-
und im Ernstfall Hilfe z. B. beim Supervisionsdienst einholt.
* Name geändert