Schlüsselwörter
Magenkarzinom - multimodale Therapie - Chemotherapie
Keywords
gastric cancer - multimodal treatment - chemotherapy
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Therapie der frühen Stadien: Frühkarzinome (pT1a) können endoskopisch reseziert werden. Standard ab dem Stadium pT1b ist eine Gastrektomie mit D2-Lymphadenektomie.
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Lokal fortgeschrittene Stadien: Aktuell wird eine Taxan-haltige Dreifachkombination zur neoadjuvanten Therapie untersucht. Erste Ergebnisse sind vielversprechend. Eine neoadjuvante Trastuzumab-Chemotherapie-Kombination führte in klinischen Studien zu einer hohen Rate an Komplettremissionen. Die Therapie sollte jedoch nur in klinischen Studien durchgeführt werden.
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Palliative Systemtherapie und zielgerichtete Therapieansätze: Bei fortgeschrittenem Magenkarzinom verlängert eine Chemotherapie das Überleben im Vergleich zu einer rein supportiven Therapie. Bei Her2-positiven Tumoren verbessert die Hinzunahme des anti-Her-2-Antikörpers Trastuzumab zu einer Chemotherapie das Überleben weiter.
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Zweitlinientherapie und antiangiogene Therapieansätze: Eine Zweit- und Drittliniechemotherapie verbessert bei ausgewählten Patienten die Lebensqualität und Symptomkontrolle. Der antiangiogene Antiköper Ramucirumab ist in der zweiten Therapielinie wirksam.
Stand der Dinge
In den entwickelten Ländern (Europa, USA) werden Magenkarzinome des mittleren und unteren Drittels seltener, während proximale Magenkarzinome eine zunehmende Inzidenz aufweisen.
Die Adenokarzinome des gastroösophagealen Übergangs, die ebenfalls eine steigende Inzidenz aufweisen, werden nach der 7. Ausgabe der TNM-Klassifikation von 2010 zu den Ösophaguskarzinomen gezählt. Die Behandlung stellt hohe Anforderungen an die interdisziplinäre Zusammenarbeit.
Therapie der frühen Stadien
Therapie der frühen Stadien
Magenfrühkarzinome (pT1a) können endoskopisch reseziert werden. Die endoskopische Therapie ist sicher und führt zu guten Langzeit-Behandlungsergebnissen, solange keine Tumorinfiltration jenseits der Lamina mucosae vorliegt. Bei größerer Eindringtiefe ( ≥ pT1b) ist eine Gastrektomie Standard. Eine D2-Lymphadenektomie verbessert im Vergleich zur D1-Lymphadenektomie das Magenkarzinom-spezifische Überleben [1]. Laparoskopische Resektionen führen an erfahrenen Zentren, vor allem in Ostasien [2], zu vergleichbaren Ergebnissen wie offene Operationen.
Wenn der Tumor nicht Wandschichten jenseits der Lamina mucosae infiltriert, ist eine endoskopische Resektion von Magenfrühkarzinomen in einer Vielzahl der Fälle sicher und führt auch langfristig zu guten Ergebnissen.
Lokal fortgeschrittene Stadien
Lokal fortgeschrittene Stadien
Der europäische Behandlungsstandard basiert auf zwei randomisierten kontrollierten Studien zur perioperativen Chemotherapie [3, 4], die einen absoluten Überlebensvorteil von 13 bzw. 14 % gezeigt haben. So verbesserte sich die 5-Jahres-Überlebensrate in der britischen MAGIC-Studie mit je 3 × Epirubicin / Cisplatin / 5-FU (ECF) prä- und postoperativ im Vergleich zur alleinigen Operation von 23 auf 36 % [4]. Aktuell wird bei klinisch T3-klassifizierten Magenkarzinomen eine perioperative Chemotherapie empfohlen, während bei T2-Magenkarzinomen die primäre Resektion ein akzeptierter Behandlungsweg ist [5].
Der Einsatz von Taxan-haltigen Dreifachkombinationen in der neoadjuvanten Situation ist vielversprechend und wird aktuell in Studien validiert (z. B. AIO-FLOT4-Studie). Der Einsatz von zielgerichteten Substanzen wie Trastuzumab oder anderen anti-HER2-gerichteten Therapien in der Neoadjuvanz bei HER2-Positivität ist aktuell ebenfalls Gegenstand klinischer Studien (HerFLOT / AIO, INNOVATION / EORTC). Erste Daten zeigen hohe Raten an pathologischen Komplettremissionen nach neoadjuvanter Trastuzumab-Chemotherapie-Kombination. Eine Therapie außerhalb von klinischen Studien sollte aber nicht erfolgen.
Bei den distalen Ösophaguskarzinomen (AEG-Typ 1 nach Siewert) wurde durch die CROSS-Studie eine simultane neoadjuvante Radiochemotherapie als Behandlungsoption etabliert [6]. Bei den klassischen Kardiakarzinomen und den Subkardialen Karzinomen (AEG-Typ 2 und 3) ist diese Behandlungsvariante eine mögliche Alternative zur perioperativen Chemotherapie und wird im Rahmen von Studien untersucht (TopGear-Studie / EORTC).
Meta-Analysen zeigen einen sehr geringen Überlebensvorteil für die adjuvante Chemotherapie bei Patienten mit lokal fortgeschrittenem Magenkarzinom (2–5 % absolut) [7]. Patienten mit nodal-positiven Tumoren profitieren stärker. Daten aus Asien zeigen in Kombination mit sehr guten chirurgischen Ergebnissen eine signifikante Prognoseverbesserung durch adjuvante Chemotherapie (Fluoropyrimidine mit oder ohne Oxaliplatin) [8]. Diese können jedoch nur mit Einschränkung auf die Situation in Deutschland übertragen werden. Die Therapientscheidung ist somit individuell zu treffen.
Bei klinisch T3-klassifizierten Magenkarzinomen wird aktuell eine perioperative Chemotherapie durchgeführt. T1 / 2-Magenkarzinome werden in der Regel primär reseziert.
Palliative Systemtherapie und zielgerichtete Therapieansätze
Palliative Systemtherapie und zielgerichtete Therapieansätze
Randomisierte Studien zeigen, dass bei geeigneten Patienten mit fortgeschrittenem Magenkarzinom eine Chemotherapie im Vergleich zur rein supportiven Therapie die Überlebenszeit verlängert und trotz Nebenwirkungen die Lebensqualität und Symptomkontrolle verbessern kann.
Kombinationstherapien bestehend aus einem Platin-Derivat (Cisplatin, Oxaliplatin) mit einem Fluoropyrimidin (5-FU, Capecitabine oder S-1) sind Standard [9]. Bei gutem Allgemeinzustand kann eine Dreierkombination, die Docetaxel enthält, zu einer nachhaltigeren Prognoseverbesserung führen. Aufgrund von Einschränkungen des Allgemein- und Ernährungszustands oder des Alters ist bei vielen Patienten aber eine Zweierkombination zu bevorzugen. In Einzelfällen kann auch eine Monotherapie mit Fluoropyrimidin, Irinotecan oder Taxan sinnvoll sein.
Bei jedem fünften Magenkarzinom kann eine Amplifikation des HER2-Gens und / oder eine Überexpression des HER2-Membranproteins mittels immunhistochemischer Untersuchung (IHC) nachgewiesen werden. Patienten mit HER2-positiven Magenkarzinomen profitieren von einer Therapie mit Trastuzumab in Kombination mit Chemotherapie. Es kommt sowohl zu einem besseren Tumoransprechen, als auch zu einer Verlängerung der Zeit bis zur Tumorprogression und einem signifikant verbesserten Gesamtüberleben [10]. Darauf basierend ergibt sich ein Diagnostik- und Therapiealgorithmus für Patienten mit fortgeschrittenen Magenkarzinomen (Abb.
[
1
]).
Abb. 1 Test- und Behandlungsalgorithmus des fortgeschrittenen Magenkarzinoms.
IHC: Immunhistochemie, ISH: In-situ-Hybridisierung (mit freundlicher Genehmigung aus [16]).
Die Ergebnisse der Erstlinien-Chemotherapie konnten bislang durch Gabe anderer molekular zielgerichteter Medikamente nicht weiter verbessert werden: Die EGFR-Antikörper Cetuximab und Panitumumab zeigten keine ausreichende Wirksamkeit [11], [12]. Für den anti-VEGF-Antikörper Bevacizumab ergab sich in Kombination mit einer Chemotherapie (Fluoropyrimidin / Cisplatin) eine Verbesserung des progressionsfreien Überlebens, nicht jedoch des primären Endpunkts Gesamtüberleben [13]. Obwohl klinische Studien der Phase I und II vielversprechende Ergebnisse für die Hemmung des Hepatocyte Growth Factor (HGF) / cMET-Signalweges gezeigt hatten, wurden aktuell mehrere Phase-III-Studienprogramme wegen fehlender Effizienz oder schwerwiegender Nebenwirkungen eingestellt.
Beim fortgeschrittenen Magenkarzinom sind Kombinationen aus einem Platin-Derivat (Cisplatin, Oxaliplatin) mit einem Fluoropyrimidin (5-FU, Capecitabine oder S-1) Standard. Bei gutem Allgemeinzustand kann die Hinzunahme von Docetaxel die Prognose verbessern. Häufig lässt der Zustand der Patienten eine solche Dreierkombination allerdings nicht zu.
Zweitlinientherapie und antiangiogene Therapieansätze
Zweitlinientherapie und antiangiogene Therapieansätze
Eine Zweit- und Drittlinienchemotherapie ist mittlerweile bei ausgewählten Patienten mit Magenkarzinom im Hinblick auf eine Verlängerung des Überlebens und eine Verbesserung der Lebensqualität und Symptomkontrolle gut etabliert. Es wurden vor allem Monotherapien auf der Basis von Docetaxel, Paclitaxel oder Irinotecan untersucht (Tab.
[
1
]).
Tab. 1
Daten zur Zweitlinientherapie.
Studie
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Protokoll
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Überleben
|
Symptombesserung
|
Thuss-Patience et al.
[17]
(n = 40)
|
Irinotecan vs. BSC
|
4,0 Mon vs 2,4 Mon
(p = 0,012)
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44 % Verbesserung vs.
5 % Verbesserung
|
Kang et al.
[18]
(n = 202)
|
Irinotecan oder Docetaxel
vs. BSC
|
5,3 Mon vs. 3,8 Mon
(p = 0,007)
|
nicht berichtet
|
Hironaka et al.
[19]
(n = 219)
|
Paclitaxel
vs. Irinotecan
|
9,5 Mon vs. 8,4 Mon
(p = 0,38)
|
nicht berichtet
|
Ford et al.
[20}
(n = 168) COUGAR-02
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Docetaxel vs. BSC
|
5,2 Mon vs. 3,6 Mon
(p = 0,001)
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Globale QoL unverändert, aber bessere Symptomkontrolle
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Fuchs et al.
[14]
(n=355) REGARD
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Ramucirumab
vs. Placebo
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5,2 Mon vs. 3,8 Mon
(p=0,044)
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Verbesserte Symptomkontrolle, längere Stabilisierung der Lebensqualität
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Wilke et al.
[15]
(n = 665) RAINBOW
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Ramucirumab + Paclitaxel vs.
Placebo + Paclitaxel
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9,6 vs. 7,4 Mon
(p = 0,017)
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noch nicht voll publiziert
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BSC: best supportive care, Mon: Monate, QoL: Lebensqualität, vs: versus
Mit dem gegen den vaskulären endothelialen Wachstumsfaktor Rezeptor 2 (VEGFR2) gerichteten monoklonalen humanen IgG1-Antikörper Ramucirumab steht eine neue Behandlungsoption zur Verfügung. In der multizentrischen randomisierten und kontrollierten Phase-3-Studie (REGARD) wurden 335 Patienten eingeschlossen, die nach einer Erstlinienbehandlung mit Cisplatin und einem Fluoropyrimidin progredient gewesen waren. Die Gabe von Ramucirumab verbesserte das Gesamtüberleben im Vergleich zu Placebo von 3,8 auf 5,2 Monate (HR = 0,776; p = 0,047). Die Toxizität des Antikörpers war gering. Wie bei dieser Substanzklasse erwartet, trat eine arteriellen Hypertonie signifikant häufiger auf als in der Placebo-Gruppe. Außerdem verbesserte sich die Lebensqualität im Vergleich zu Placebo [14].
Auch Daten zur Behandlung mit Ramucirumab in Kombination mit einer Chemotherapie (Paclitaxel) in der zweiten Linie liegen vor [15]. In der Phase-3-Rainbow-Studie wurde bei 28 % der Patienten ein objektives Tumoransprechen erreicht. Das mediane Überleben wurde von 7,4 Monaten mit Paclitaxel alleine auf 9,6 Monate mit Ramucirumab plus Paclitaxel verlängert (HR = 0,807; p = 0,0169). Die Steigerung der Nebenwirkungsrate im Vergleich zu Paclitaxel mono war moderat.
Für die Zweit- und Drittlinientherapie stehen verschiedenen Therapieschemata zur Verfügung. Ramucirumab verbesserte nach einer Erstlinientherapie mit Cisplatin und einem Fluoropyrimidin das Gesamtüberleben – als Monotherapie oder in Kombination mit einer Chemotherapie.
Der Beitrag wurde gemäß folgendem Erratum korrigiert:
Im Beitrag
„Aktuelle Standards in der Therapie des Magenkarzinoms“
Im Beitrag „Aktuelle Standards in der T herapie des Magenkarzinoms“ (Dtsch
Med Wochenschr 2015; 140: 1202–1205) muss es in Tabelle 1 korrekt lauten:
Fuchs et al.
[14]
(n=355) REGARD
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Ramucirumab
vs. Placebo
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5,2 Mon vs. 3,8 Mon
(p=0,044)
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Verbesserte Symptomkontrolle, längere Stabilisierung der Lebensqualität
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