Abkürzungen
CC:
Calcaneocuboid
D:
Digitus
DIP:
distales Interphalangealgelenk
HV:
Hallux valgus
HZ:
Hammerzehe
IM-Winkel:
Intermetatarsalwinkel zwischen den Metatarsalia
IP:
Interphalangealgelenk
MT:
Metatarsale
MTP:
Metatarsophalangealgelenk
NC:
Naviculocuneiform
OSG:
oberes Sprunggelenk (Tibiotalargelenk)
PIP:
proximale Interphalangealgelenk
TC:
Subtalargelenk (Talokalkaneargelenk)
TMT:
tarsometatarsal
TN:
talonavikular
USG:
unteres Sprunggelenk (TC, TN, CC)
Begriffsbestimmung
Die bei der Untersuchung des Fußes relevanten Begriffe sind in Tab. [1] definiert.
Tabelle 1 Begriffsbestimmung.
Begriff
|
Definition
|
Spreizfuß
|
|
Verbreiterung des Vorfußes durch fächerförmige Aufspreizung des 1. und 2. Mittelfußknochens
mit Vergrößerung des Intermetatarsalwinkels I zu II von > 12°
|
Hallux valgus
|
HV
|
Fehlstellung der in sich geraden Großzehe im Großzehengrundgelenk durch lateralisierenden
Zug der Extensor- und Flexorsehnen bei Spreizfuß
|
Hallux valgus interphalangeus
|
|
Fehlstellung der Großzehe im Großzehengrundglied bzw. dem Interphalangealgelenk mit
lateraler Achsenabweichung
|
Hallux rigidus
|
HR
|
Einsteifung des Großzehengrundgelenks bei fortgeschrittener Arthrose
|
Hallux limitus
|
HL
|
Bewegungseinschränkung des Großzehengrundgelenks bei beginnender oder mittelgradiger
Arthrose und/oder Elevation des Metatarsale I
|
Hammerzehe
|
HZ
|
flexible oder rigide Flexion im PIP bei Überstreckung im DIP
|
Klauenzehe
|
|
flexible oder rigide Flexion im PIP bei Überstreckung im DIP mit (Sub-)Luxation im
MTP
|
Krallenzehe
|
|
flexible oder rigide Flexion im PIP und DIP mit (Sub)Luxation im MTP, fehlender Bodenkontakt
der Zehenkuppe
|
Mallet-Zehe
|
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flexible oder rigide Flexion im DIP
|
Curly Toe
|
|
nach medial eingerollte, meist noch flexible Zehe im DIP (häufig D IV, V)
|
Schneiderballen
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Bunionette
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spiegelbildliches Gegenstück des Hallux valgus mit vergrößertem Intermetatarsalwinkel
IV zu V in Kombination mit einem Digitus quintus varus
|
Knick-Senk-Fuß
|
Pes planovalgus
|
Abflachung des Längsgewölbes
Rückfußvalgus
medioplantare Ausrichtung des Talus
|
Hohlfuß
|
Pes cavus/Pes excavatus
|
Überhöhung des Längsgewölbes
Rückfußvarus
|
Pes metatarsus adductus
|
|
Adduktionsstellung der Metatarsalia (meist MT I, II, III, IV, selten auch MT V)
|
Sichelfuß
|
Pes adductus
|
Pes metatarsus adductus mit Rückfußvarus
|
Chopart-Gelenk
|
|
tarsotalare Gelenke (talonavikular und kalkaneokuboid)
|
Lisfranc-Gelenk
|
|
Tarsometatarsalgelenke I–V
|
Anamnese
Am häufigsten führt die Patienten der Schmerz zur Vorstellung beim Arzt. Allerdings
sind auch nicht schmerzhafte angeborene oder erworbene Fehlstellungen mit einer kontinuierlichen
oder plötzlichen Veränderung der Fußform Anlass, die Expertise eines Spezialisten
einzuholen.
Checkliste
Anamnese bei Schmerzen
Oft hat man nach der Anamneseerhebung schon eine Verdachtsdiagnose bzw. es stellt
sich die grobe Richtung der Problematik dar.
Checkliste
Eigenanamnese des Patienten
-
Fehlstellung angeboren/erworben
-
Trauma einmalig/rezidivierend
-
Trauma direkt/indirekt
-
Unfallhergang akut/länger zurückliegend
-
Vorbehandlung konservativ (welche? wann?)
-
Voroperationen (welche? wann?)
-
Sozialanamnese
-
Beruf
-
Sport (Sportart, Trainingsumfang)
-
Begleiterkrankungen (Diabetes mellitus, Rheuma, Gicht, neurologische Erkrankungen
etc.)
-
Medikamente
-
Schuhe/Schuhzurichtungen
-
Einlagen
-
Gehhilfe
-
Bandagen, Schienen
Prinzipien
Verdachtsdiagnose
Es ist sinnvoll, die Verdachtsdiagnose dem Patienten jedoch noch nicht mitzuteilen,
damit man sich selber alle Möglichkeiten offenhalten kann, den ersten Eindruck durch
die folgende Inspektion und körperliche Untersuchung zu erhärten oder zugunsten einer
Differenzialdiagnose zu verwerfen.
Inspektion
Die seitenvergleichende Inspektion des Fußes beginnt mit der Beobachtung des Patienten
beim Eintreten. Es schließt sich die Untersuchung unter Belastung am stehenden Patienten,
danach im Liegen (Sitzen) an. Dazu sollten immer beide Füße und Beine bis mindestens
bis zum Knie sichtbar sein (Hose hochkrempeln). In einigen Fällen ist das Freimachen
des gesamten Beins wichtig, d. h. Hose, Strumpfhose, Stützstrümpfe ausziehen, alle
Verbände und Pflaster entfernen.
Zeitmangel sollte kein Grund sein, auf die Inspektion und Untersuchung beider Füße
im Seitenvergleich zu verzichten.
Die Inhalte der Inspektion des Fußes sind in der [Infobox „Zielgerichtete Diagnostik“] zusammengefasst.
Abb. 1 Digital- und Metatarsalindex nach Viladot [1].
Zielgerichtete Diagnostik
Inhalte der Inspektion des Fußes
Abb. 2 „Too-many-Toes-Zeichen“. Bei Knick-Senk-Fuß mit Rückfußvalgus sind von hinten die
lateralen Zehen sichtbar.
Wichtig ist auch die Inspektion der Schuhe. Am Trittspurabdruck an Sohle, Innensohle
und Einlage sind viele Informationen zu gewinnen (Abb. [3]). Wenn Einlagen getragen werden, sollten diese unbedingt mitbeurteilt werden. Dass
ein Patient Einlagen trägt, heißt noch nicht, dass es die richtigen sind und sie dem
Patienten gut tun. Die Einlagenbeurteilung gehört zur Arbeit des Arztes und sollte
nicht nur den Orthopädieschuhmachern überlassen werden.
Abb. 3 Der linke Schuh zeigt sich im Mittelfußbereich gleichmäßig abgelaufen. Am links
abgebildeten Schuh ist am Metatarsale-I-Ballen keine Abnutzung zu sehen. Es liegt
eine fortgeschrittene Großzehengrundgelenkarthrose vor, bei welcher der Patient keine
Last mehr über das MTP I ausübt.
Palpation
Mit etwas Übung ist es ohne Weiteres möglich, am schlanken Fuß alle Knochen und Gelenke
des Fußes bis zum Sprunggelenk zu ertasten. Wichtig ist dabei ein schematischer Untersuchungsablauf,
der bei jeder Untersuchung gleich und an beiden Füßen stattfinden sollte.
Es ist einfach, beim liegenden Patienten beide Füße gleichzeitig und synchron zu untersuchen.
Stellen, die der Patient zuvor als besonders schmerzhaft angegeben hat, sollten bis
zum Ende der Untersuchung aufgespart werden.
Der Patient wünscht sich zwar, sofort sein Leid zu demonstrieren, aber für uns als
Untersucher ist es auch wichtig zu wissen, was nicht schmerzt.
Nach dem Auslösen eines heftigen Schmerzes ist diese Differenzierung in naher Umgebung
oft nicht mehr möglich.
Die Inhalte der Palpation des Fußes sind in der [Infobox „Zielgerichtete Diagnostik“] zusammengefasst.
Abb. 4 Intermetatarsaler Drucktest bei Verdacht auf Morton-Neurom (nach [2]).
Zielgerichtete Diagnostik
Inhalte der Palpation des Fußes
-
Lokalisation der Schmerzpunkte (vom Patienten zeigen lassen; u. U. Markierung mit
Stift)
-
Länge und Lage der Zehen und der Mittelfußknochen (Abb. [1])
-
Beschaffenheit der Fußsohle
-
Metatarsalgie bei Druck auf die Metatarsalköpfe
-
Palpation der Region zwischen den distalen Metatarsalia
-
Palpation der Gelenke
-
Schwellung?
-
Erguss?
-
Überwärmung?
-
Instabilität?
-
Pseudoexostose am medialen Metatarsale I
-
Bursitis
-
gut tastbare Sehnen- und Faszienansätze und Verläufe:
-
Metatarsale-V-Basis: M.-peronaeus-brevis-Sehne, im Verlauf M.-peronaeus-longus-Sehne
-
medioplantares TMT I: M.-tibialis-anterior-Sehne
-
Tuberositas ossis navicularis: M.-tibialis-posterior-Sehne
-
Tuber calcanei: Achillessehne
-
Processus medialis tuber calcanei: Plantarfaszie
-
Sesambeine
-
Sinus Tarsi
-
Tarsaltunnel
-
Hauttemperatur
-
Hautfeuchtigkeit
Gefäßstatus
Untersucht werden
-
A. dorsalis pedis,
-
A. tibialis posterior,
-
A. fibularis (peronaea).
Funktionsuntersuchungen
Zur Funktionsuntersuchung gehört die Feststellung des Bewegungsumfangs in den Gelenken
des Rück- und Vorfußes. Die Funktion der großen Fuß- und Sprunggelenksmuskulatur ist
in Tab. [2] dargestellt.
Tabelle 2 Funktion der großen Fuß- und Spunggelenkmuskulatur.
Funktion
|
beteiligte Muskeln
|
Dorsalextension
|
M. tibialis anterior
M extensor hallucis longus
M. extensor digitorum longus
|
Plantarflexion
|
M. triceps surae
– M. gastrocnemius pars medialis und lateralis
– M. soleus
M. peronaeus longus und brevis
M. flexor hallucis longus
M. flexor hallucis brevis
M. tibialis posterior
|
Pronation (Eversion)
|
M. peronaeus longus und brevis
M. extensor digitorum longus
|
Inversion (Supination)
|
M. triceps surae
M. tibialis posterior
M. flexor hallucis longus
M. flexor digitorum longus
M. tibialis anterior
|
Außer im OSG reicht es, an den anderen Gelenken des Fußes die Angaben in Bruchteilen
der normalen Beweglichkeit anzugeben. Trotzdem sind gelegentlich auch Angaben zur
Beweglichkeit des USG und des Großzehengrundgelenks zu finden (Abb. [5]; Tab. [3]).
Abb. 5 Bewegungsumfang im oberen und unteren Sprunggelenk.
a Bewegungsumfang als Kombinationsbewegung USG: Inversion/Eversion (Supination/Pronation).
b Bewegungsumfang als Kombinationsbewegung USG: Inversion/Eversion (Supination/Pronation).
c Bewegungsumfang OSG: Dorsalextension/Plantarflexion.
Tabelle 3 Aktive und passive Beweglichkeit in den Fuß- und Sprunggelenken.
Gelenk
|
Beweglichkeit
|
oberes Sprunggelenk (tibiotalar)
|
Dorsalextension/Plantarflexion
|
20–0–40°
|
untere Sprunggelenke (talokalkanear, talonavikular, kalkaneokuboid)
|
gesamte Beweglichkeit Eversion/Inversion, Pronation/Supination
|
in Bruchteilen der normalen Beweglichkeit
|
Großzehengrundgelenk
|
Dorsalextension/Plantarflexion
|
70–0–40°
|
Großzehenendgelenk und kleine Zehen
|
|
in Bruchteilen der normalen Beweglichkeit
|
Die Beweglichkeit im Bereich der Fußwurzel – also zwischen Chopart- und Lisfranc-Gelenk – zu beurteilen, ist nicht möglich,
da straffe Kapsel-Band-Verbindungen hier ein stabiles Gerüst herstellen und die Gelenke
zu rigiden Amphiarthrosen werden lassen. Ausnahme ist die Stabilitätsprüfung des 1. Tarsometatarsalgelenks
(TMT). Die Stabilität oder Mobilität dieses Gelenks ist mitursächlich für die Entstehung
des Spreizfußes.
Das Ergebnis dieser Untersuchung fließt auch in die Entscheidung für die Wahl eines
eventuell notwendigen Operationsverfahrens ein. Richtungsweisend ist hier das Ausmaß
der Beweglichkeit in dorsoplantarer Richtung. Hierzu umfasst und stabilisiert der Untersucher das Metatarsale II mit einer Hand,
während er das I. Metatarsale in dorsoplantarer Richtung verschiebt (Abb. [6]).
Abb. 6 Mobilitätsprüfung des I. Strahls in der Sagittalebene. Eine Hand fixiert das Metatarsale II, die andere Hand bewegt das Metatarsale I nach
oben und unten. Im Normalfall sollte die dorsale und plantare Mobilität im TMT I gleich
sein und < 10 mm betragen.
a Schematische Darstellung (der Pfeil markiert das TMT-I-Gelenk).
b Durchführung.
Da es kein exaktes Maß für diese Untersuchung gibt und nur die grobe Angabe, dass
ein Ausschlag von mehr als 10 mm pathologisch ist, erfordert die Beurteilung sehr
viel Erfahrung. Mit entsprechender Übung kann man auch einen harten Anschlag mit festem
Endgefühl bei erhaltenem Kapsel-Band-Apparat von einer weichen Bewegung bei Hyperlaxität
oder nach Kapsel-Band-Rupturen unterscheiden.
Bei Vorliegen von arthrotischen Veränderungen können bei der Bewegungsüberprüfung
oft Krepitationen ertastet werden. Schon die Extensions- und Flexionsprüfung, aber
vor allem der Grind-Test (Abb. [7]) geben Aufschluss über den Zustand des Knorpels. Am Großzehengrundgelenk übt man
mit der Hand axialen Druck auf das Grundglied aus und führt kreiselnde Bewegungen
auf dem Mittelfußknochenkopf durch. Provoziert man hierdurch Schmerzen und Crepitatio,
ist von einem Knorpelschaden auszugehen.
Abb. 7 Grind-Test: Druck auf das MTP I ausgeübt und Kreisbewegung.
Der Push-up-Test (Abb. [8]) simuliert den Fuß unter Belastung. Drückt man mit einem oder beiden Daumen hinter
die mittleren Mittelfußknochenköpfe, sollten sich die Grundgelenke im Normalfall orthrograd
ausrichten. Passiert das nicht, muss man von einer (Sub-)Luxation ausgehen. In den
meisten Fällen liegt dann eine akute oder schon länger bestehende Ruptur der plantaren
Kapselstrukturen vor, die durch die plantare Platte, welche ein Ausläufer der Plantarfaszie
ist, verstärkt werden.
Abb. 8 Push-up-Test.
a Hyperextension im MTP-Gelenk und Hyperflexion im PIP-Gelenk. b Ausgleich der MTP- und PIP-Gelenkfehlstellung durch Druck auf hinter die MT-Köpfe.
c Praktische Durchführung.
Da die Grundgelenke der Kleinzehen nicht – wie an der Hand – deutlich sichtbar sind,
sind sie nicht im Bewusstsein der Patienten, sodass Schmerzen in den Kleinzehengrundgelenken
oft schwer zuordenbar sind.
Hat man nach dem Push-up-Test den Verdacht einer Instabilität in den Grundgelenken,
wird ein dorsoplantarer Schubladentest durchgeführt. Das kann für den Patienten schmerzhaft, aber auch sehr beeindruckend
sein, da man die Luxation und die anschließende Reposition im Gelenk gut spürt.
Zur Demonstration für den Patienten und zur eigenen Übung sollte man alle Grundgelenke
prüfen, um ein Gefühl für das natürliche Gelenkspiel im Vergleich zu einer Instabilität
zu entwickeln.
Manchmal liegt schon lange eine Luxation in einem oder mehreren Grundgelenken vor.
Dann sind die betroffenen Zehen unter Umständen nicht mehr reponierbar.
Zur Überprüfung einer Verkürzung der Achillessehne und/oder der Wadenmuskulatur dient
der Silfverskjöld-Test (Abb. [9]). Dabei wird die Dorsalextension im oberen Sprunggelenk sowohl in Kniestreckung
(M. gastrocnemius) als auch in Kniebeugung (M. soleus) überprüft. Eine normale Dorsalextension
des Fußes im oberen Sprunggelenk bei gebeugtem Kniegelenk und eine Spitzfußstellung
bei gestrecktem Knie weisen auf eine Verkürzung des M. gastrocnemius hin. Bei Knick-Senk-Füßen
ist regelmäßig eine Verkürzung festzustellen.
Abb. 9 Silfverskjöld-Test. Praktische Durchführung: Der Patient wird in Rückenlage mit 90°-Flexion im Hüft-
und Kniegelenk gelagert. Die Gegenseite ist gestreckt. a Zuerst Prüfung der Dorsalflexion im OSG bei gebeugtem Knie. b Dann Kniestreckung und nochmalige Messung der Dorsalflexion im OSG.
Fehlstellungen
Bei Knick-Senk-Füßen ist zudem zwischen rigiden (nicht aktiv oder passiv aufrichtbaren)
oder flexiblen (passiv und aktiv oder nur passiv aufrichtbaren) sowie angeborenen
oder durch eine Tibialis-posterior-Insuffizienz erworbenen Fehlstellungen zu unterscheiden.
Ist der Patient in der Lage, das Längsgewölbe im einseitigen Zehenspitzenstand Single-Heel-Rise-Test (Abb. [10]) aufzurichten und der Fersenvalgus gleicht sich aus, ist der Knick-Senk-Fuß flexibel
und die M.-tibialis-posterior-Sehne intakt.
Abb. 10 Single-Heel-Rise-Test.
a Ausgangsstellung. b Bei flexiblem Knick-Senk-Fuß erfolgt die Aufrichtung des Längsgewölbes und die Geradestellung
der Ferse aus dem Rückfußvalgus in Rektusposition.
Fehlt die aktive Kraft zum Aufrichten bei passiver Ausgleichbarkeit im Liegen und
treten gleichzeitig Schmerzen im Verlauf der M.-tibialis-posterior-Sehne auf, liegt
eine Insuffizienz II. Grades nach Johnson u. Storm vor (Tab. [4]; s. a. Tab. [5]). Bei fehlender Aufrichtung im Zehenspitzenstand und im Liegen ist der Fuß rigide,
dies ist bei einer Tibialis-posterior-Insuffizienz III. und IV. Grades der Fall. Häufig
sind ältere Patienten betroffen. Bei jüngeren Patienten sollte dem Verdacht einer
Coalitio im Rückfuß nachgegangen werden. Am häufigsten finden sich talokalkaneare
und talonavikulare Coalitiones.
Tabelle 4 Klinische Stadieneinteilung der M.-tibialis-posterior-Dysfunktion
[3], [4]
.
Insuffizienz
|
Johnson u. Strom
Grad I
|
Johnson u. Strom
Grad II
|
Johnson u. Strom
Grad III
|
Myerson
Grad IV
|
M.-tibialis-posterior-Sehne
|
Tenosynovitis oder beginnende Degeneration
keine Elongation
|
Elongation und Degeneration
oft chronische Teil- bis Totalruptur
|
Elongation und Degeneration
oft chronische Teil- bis Totalruptur
|
Elongation und Degeneration
oft chronische Totalruptur
|
Knochendeformität
|
keine
|
flexibel passiv reponierbare Pes-planovalgus-Fehlstellung
|
rigide nicht reponierbare Pes-planovalgus-Fehlstellung
|
rigide nicht reponierbare Pes-planovalgus-Fehlstellung
Arthrose
|
Tabelle 5 Kraftgrad nach Janda
[1]
.
Kraftgrad
|
Prozent
|
Kennzeichen: aktive Bewegung gegen Widerstand
|
0/5
|
0 %
|
keine Aktivität
|
1/5
|
10 %
|
Muskelkontraktion ohne erkennbare Bewegung
|
2/5
|
25 %
|
Bewegung unter Ausschalten der Schwerkraft
|
3/5
|
50 %
|
Bewegen gegen die Schwerkraft
|
4/5
|
75 %
|
Bewegen gegen leichten äußeren Widerstand
|
5/5
|
100 %
|
Bewegen gegen starken äußeren Widerstand
|
Der Windlass-Mechanismus bewirkt, dass sich beim Heben des großen Zehs aufgrund der passiven Anspannung der
Plantarfaszie und der Ligamente das Längsgewölbe ebenfalls aufrichtet (Abb. [11]).
Abb. 11 Windlass-Mechanismus: Test der ligamentären Verspannung der Fußsohle für die Aufrichtung des Längsgewölbes.
Bei Dorsalextension der Zehe kommt es zur passiven Anspannung der Plantarfaszie und
damit zum ligamentär vermittelten Windlass-Mechanismus.
Der Hohlfuß hingegen zeigt ein überhöhtes Längsgewölbe und einen Rückfußvarus, oft
eine angespannte Plantarfaszie und, je nachdem, ob ein Ballen- oder ein Hackenhohlfuß
vorliegt, auch eine zusätzliche Spitzfußstellung. Auch die Kombination mit einem stark
plantarisierten I. Strahl ist häufig.
Mit dem Coleman-Block-Test (Abb. [12]) kann man durch Unterlagerung der Fußaußenkante feststellen, ob der Rückfußvarus
ausgleichbar oder rigide ist und wie stark der Spitzfuß oder die Plantarisierung des
I. Strahls ist.
Abb. 12 Coleman-Block-Test. Durch eine laterale diagonal gelegene Außenranderhöhung kann
die Varusstellung der Ferse beim flexiblen Hohlfuß korrigiert werden. Hierdurch kommt
es zur Lateralisierung der Kraftlinie und dem orthograden Einleiten der Last auf den
Rückfuß.
Die Inhalte der Funktionsuntersuchung des Fußes sind in der [Infobox „Zielgerichtete Diagnostik“] zusammengefasst.
Zielgerichtete Diagnostik
Inhalte der Funktionsuntersuchungen des Fußes
-
Stabilität/Hypermobilität TMT I
-
Zehenspitzenstand beidseits und einseitig (Single-Heel-Rise-Test)
-
Hackenstand
-
Zehenspitzengang/Hackengang
-
Beweglichkeit aktiv und passiv
-
schmerzhaft/schmerzfrei
-
Krepitation
-
Kraftgrad OSG
-
Grind-Test
-
Zehenstellung (flexibel, kontrakt)
-
Grundgelenk (MTP)
-
Mittelgelenk (PIP)
-
Endgelenk (DIP)
-
Push-up-Test
-
Translationstest Grundgelenke Schublade
-
Silfverskjöld-Test zum Feststellen einer Spitzfußstellung bei Verkürzung des M. gastrocnemius
-
Windlass-Mechanismus bei Knick-Senk-Fuß zur Differenzierung einer flexiblen oder rigiden
Fehlstellung
-
Coleman-Block-Test zur Neutralisierung des Rückfußvarus bei flexiblem Hohlfuß
-
Bandstabilität OSG
-
laterale Aufklappbarkeit
-
Talusvorschub
Neurologischer Status
Auch ohne in den Bereich der Neuroorthopädie oder Neurologie einzusteigen, ist es
wichtig, Kenntnisse über eine grobe neurologische Untersuchung zu haben. Es ist nicht
selten, dass Patienten mit einem primär unauffälligen Fuß die Sprechstunde aufsuchen,
da sie stark unter den für sie unerklärlichen Symptomen einer Polyneuropathie leiden.
Außer bei Diabetikern gibt es zahlreiche andere Gründe zur Entwicklung einer Polyneuropathie,
allen voran das fortschreitende Lebensalter. Auch nach Chemotherapie, als Nebenwirkung
von Medikamenten, aufgrund von Vitamin-B-Mangel, Nieren- und Schilddrüsenerkrankungen,
Alkoholabusus, Infektionen, Autoimmunreaktionen etc. können neuropathische Symptome
bzw. neuropathische Schmerzen auftreten.
Leider gibt es – für den verzweifelten Patienten schlecht nachvollziehbar – viele
idiopathische Fälle von Neuropathie.
Die Beschwerden sind typischerweise ein Brennen, Stechen und/oder Kribbeln an der
Fußsohle oder den Zehen – auch nachts und ohne Belastung. Das Gefühl, auf Watte zu
gehen, den Schuh als zu weit zu empfinden, und Gangunsicherheiten auf unebenen Boden
gehören zu den Symptomen.
Davon abzugrenzen sind Beschwerden, die durch Irritation einer Nervenwurzel oder eines
peripheren Nervs ausgelöst werden. Hier kann ebenfalls die Tiefen- oder Oberflächensensibilität
gestört sein, gelegentlich auch die Motorik. Allerdings kann man in diesen Fällen
die Zuordnung zu einem Dermatom bzw. dem Versorgungsgebiet des peripheren Nervs vornehmen.
Zu der Anamnese gehört dann die Frage nach Rückenschmerzen, Operationen und Traumata
auch oberhalb des OSG.
Mit den in der [Infobox „Zielgerichtete Diagnostik“] zusammengefassten Untersuchungsmethoden kann man viele Informationen gewinnen, bevor
man die Überweisung an den neurologischen Fachkollegen ausstellt.
Zielgerichtete Diagnostik
Inhalte der neurologischen Untersuchung des Fußes
Podoskop
Mit einem Podoskop kann man die Fußuntersuchung gut und ohne großen technischen Aufwand
ergänzen. Die Fußbelastungszonen werden für den Untersucher und auch für den Patienten
schnell und nachvollziehbar dargestellt. Fehlstellungen wie bei Knick-Senk-Fuß oder
Hohlfuß können einfach über die Trittspur visualisiert werden (Abb. [13]).
Abb. 13 Podoskop.
a Praktische Durchführung. b Trittspur von links nach rechts: normaler Fuß, Senkfuß („Plattfuß“), Hohlfuß, Knick-Senk-Fuß.
Hilfreich ist es zudem, den Patienten auf einfache Weise zeigen zu können, wann sie
einen Bereich des Fußes nicht belasten, beispielsweise das Großzehengrundgelenk bei
Arthrose. Die Patienten verlagern ihr Gewicht auf den Fußaußenrand und stützen sich
mit dem Großzehenendglied ab. Daher kommt es, dass viele Patienten ihr arthrotisches
Großzehengrundgelenk nicht schmerzhaft wahrnehmen und mit Schmerzen am V. Strahl in
die Sprechstunde kommen.
Man kann auch eine dynamische Untersuchung durchführen, indem man den Patienten bittet,
das Körpergewicht zu verlagern oder sich auf die Zehenspitzen zu stellen.
Möchte man eine genauere Untersuchung der Druckverteilung statisch oder dynamisch
durchführen, sollten ergänzend Fußdruckmessungen oder Ganganalysen durchgeführt werden.
Weiterführende apparative Diagnostik
Weiterführende apparative Diagnostik
Röntgen
Im Anschluss an die Untersuchung des Fußes schließt sich je nach Befund meist die
Röntgendiagnostik an. Die Standardanforderungen sind
Beide Aufnahmen werden im Stehen bei voll belastetem Fuß durchgeführt.
Ergänzende Aufnahmen wären
-
die Schrägaufnahme,
-
der Saltzmann-View zur Darstellung der Rückfußachse,
-
die Sprinteraufnahme zur Darstellung der Sesambeine und der Ausrichtung der Metetarsaleköpfe
oder
-
seltenere Spezialaufnahmen.
Zusätzliche bildgebende Verfahren
Bedarfsweise sind zusätzlich CT, MRT, Szintigrafie, Sonografie oder andere Untersuchungen
notwendig.