Subscribe to RSS
DOI: 10.1055/s-0041-103888
23-jährige Patientin mit Durchfällen
Publication History
Publication Date:
31 July 2015 (online)
Zu Ihnen kommt eine 23-jährige Patientin. Sie berichtet über Durchfälle, die seit etwa 8 Wochen bestehen, immer wieder habe sie auch Blut- und Schleimabgänge beobachtet. Die Frequenz liegt bei 5–8 Stühlen / d. Die Konsistenz ist weich bis wässrig. Woran denken Sie und welches ist die wichtigste Untersuchung, die Sie durchführen?
Antwort Chronisch entzündliche Darmerkrankung. Es sollte eine hohe Koloskopie mit Inspektion des terminalen Ileums erfolgen.
Kommentar Anamnestische Besonderheiten bei Morbus Crohn (MC) und Colitis ulcerosa (CU):
Durchfall:
-
MC: meistens ohne Blut,
-
CU: meistens mit Blut und Schleim,
Schmerzen:
-
MC: rechter Unterbauch wie Appendizitis,
-
CU: oft geringer, diffus,
Nikotin:
-
MC: gehäuft Raucher,
-
CU: Raucher erkranken seltener,
familiäre Häufung:
-
MC: häufiger,
-
CU: seltener.
Sie führen eine Koloskopie durch und sehen folgende Veränderungen.
Die Veränderungen finden sich bevorzugt im Rektum und Sigma, ab der linken Flexur bis zum Zäkum zeigt sich unauffällige Kolonschleimhaut. Worum handelt es sich auf der Basis des makroskopischen Befundes?
Antwort Colitis ulcerosa.
Kommentar Endoskopische Veränderungen bei Colitis ulcerosa:
Akutphase:
-
Rötung,
-
Schwellung,
-
aufgehobene Gefäßzeichnung,
-
erhöhte Vulnerabilität,
-
flache Fibrinbeläge,
-
Ulzerationen,
chronische Phase:
-
entzündliche Pseudopolypen,
-
Rarifizierung des Gefäßbildes,
-
Rarifizierung der Haustrierung (Fahrradschlauchphänomen),
Verteilungsmuster:
-
immer im Rektum beginnend,
-
kontinuierlich,
-
Pankolitis in ca. 25 %.
Wie unterscheiden Sie anhand des makroskopischen Befundes den Morbus Crohn von einer Colitis ulcerosa?
Antwort Das Rektum ist beim Morbus Crohn meist ausgespart, der Verlauf ist diskontinuierlich, segmental, die Einzelveränderungen finden sich oft in unauffälliger umgebender Schleimhaut.
Kommentar Makroskopische Veränderungen bei Morbus Crohn:
Akutphase:
-
Rötung,
-
aphthoide Läsionen in sonst unauffälliger Schleimhaut,
-
Fissuren,
-
Stenosen,
-
Ulzerationen,
-
pflastersteinartiges Relief,
chronische Phase:
-
entzündliche Pseudopolypen,
-
Strikturen,
-
Fistelbildungen,
Verteilungsmuster:
-
segmental,
-
diskontinuierlich,
-
Aussparung des Rektums.
Welche Basislaboruntersuchungen führen Sie bei der o. g. Patientin durch?
Antwort Ziel der Laboruntersuchungen ist es, das Maß der entzündlichen Aktivität einzuschätzen, Komplikationen zu erfassen und die Krankheit differenzialdiagnostisch gegenüber anderen Durchfallursachen abzugrenzen.
Kommentar Stufenschema der Labordiagnostik chronisch entzündlicher Darmerkrankungen:
Basisdiagnostik:
-
Blutbild und Differenzialblutbild,
-
BKS, CRP, Eiweißelektrophorese,
erweiterte Diagnostik:
-
alkalische Phosphatase, γ-GT,
-
p-ANCA, Ferritin,
-
Elektrolyte,
-
fettlösliche Vitamine, Folsäure, Vitamin B12,
weitergehende Untersuchungen je nach sVpezieller Fragestellung:
-
Autoantikörperdiagnostik,
-
rheumatologische Diagnostik,
-
Gerinnungsdiagnostik u. a.
Wir haben jetzt über die endoskopischen Untersuchungen gesprochen sowie über die Blutuntersuchungen. Reichen diese Untersuchungen aus bei der Erstdiagnostik?
Antwort Nein. Außerdem sollten bakteriologische Untersuchungen in der Initialdiagnostik und beim fulminaten Schub durchgeführt werden.
Kommentar Stuhluntersuchungen in der Erstdiagnostik und beim fulminaten Schub:
-
Stuhlkulturen auf pathogene Keime (Yersinia enterocolica, Salmonellen, Shigellen, Campylobacter, E. coli),
-
Clostridium difficile Toxin A,
-
CMV-Infektion (Immunhistologie aus PE, Antigennachweis im Blut, PCR im Blut oder Stuhl).
Kennen Sie die typischen histologischen Charakteristika von Colitis ulcerosa und Morbus Crohn?
Antwort Histologie bei Colitis ulcerosa und Morbus Crohn:
Colitis ulcerosa:
-
entzündliches Infiltrat,
-
Hyperämie,
-
Kryptenabszesse,
-
die Veränderungen betreffen Mukosa und Submukosa,
Morbus Crohn:
-
entzündliches Infiltrat,
-
überwiegend Lymphozyten, Plasmazellen und eosinophile Granulozyten, weniger neutrophile Granulozyten,
-
epitheloidzellige Granulome,
-
die Veränderungen können die gesamte Darmwand betreffen.
Kommentar Differenzialdiagnose epitheloidzelliger Granulome:
-
Morbus Crohn,
-
infektiöse Enterokolitiden: Yersinien, Campylobacter jejuni, Chlamydien.
Die histologischen Veränderungen bei Colitis ulcerosa und bei Morbus Crohn sind nicht pathognomonisch und dürfen nur im Zusammenhang mit den übrigen Befunden interpretiert werden.
Welche extraintestinalen Symptome treten bei der Colitis ulcerosa auf?
Antwort Häufig sind Erkrankungen der Haut, der Augen, der Gelenke.
Kommentar Extraintestinale Manifestationen der Colitis ulcerosa:
Haut:
-
Erythema nodosum,
-
Pyoderma gangraenosum,
-
Sweet-Syndrom (akute febrile neutrophile Dermatose),
Augen:
-
Episkleritis,
-
anteriore Uveitis,
-
Konjunktivitis,
Mund:
-
aphthöse Stomatitis,
Gelenke:
-
Monarthritis,
-
Polyarthritis,
-
Sakroileitis,
-
selten Bild der ankylosierenden Spondylitis,
Gallenwege:
-
primär sklerosierende Cholangitis.
Durch welche Komplikationen im Langzeitverlauf sind die Patienten mit Colitis ulcerosa besonders gefährdet?
Antwort Kolorektales Karzinom, sklerosierende Cholangitis, cholangiozelluläres Karzinom.
Kommentar Kolorektales Karzinom bei Colitis ulcerosa:
-
kumulatives Risiko: 18 % nach 30 Jahren Kolitisdauer,
-
Risikoindikatoren: Dauer der Kolitis (länger 8 Jahre), Ausdehnung der Kolitis (bevorzugt bei Pankolitis), Lebensalter (Krankheitsbeginn im frühen Lebensalter), Begleitkomplikationen (Assoziation mit primär sklerosierender Cholangitis),
-
Früherkennung: nach 8-jähriger Krankheitsdauer (Pankolitis) bzw. 15-jähriger Krankheitsdauer (linksseitige Kolitis) hohe Koloskopien alle 2 Jahre mit mindestens 40 Stufenbiopsien, weitere Kontrollen nach histologischem Befund,
-
bei hochgradigen Dysplasien: Indikation zur elektiven Kolektomie prüfen.
Primär sklerosierende Cholangitis (PSC):
-
Auftreten bei 3 % der Patienten mit Colitis ulcerosa,
-
häufig Assoziation mit HLA-DR3 und -B8,
-
80 % der Patienten mit PSC haben gleichzeitig eine Colitis ulcerosa,
-
Laborwerte: Gamma-GT, AP, p-ANCA,
-
Diagnose: in der ERC oder MRC perlschnurartige Gangunregelmäßigkeiten, Leberbiopsie: periduktale Fibrose, entzündliche Infiltrate und Gallengangproliferationen.
Regel Langzeit-Komplikationen der Colitis ulcerosa: Karzinom, sklerosierende Cholangitis, cholangiozelluläres Karzinom.
Welche Medikamente stehen Ihnen für die Behandlung der Colitis ulcerosa zur Verfügung?
Antwort Salicylate, Kortikosteroide, Azathioprin, Cyclosporin A.
Kommentar Medikamente bei Colitis ulcerosa:
1. Salicylate:
-
Sulfasalazin (Azulfidine):
-
Prinzip: Sulfasalazin wird im oberen GI-Trakt kaum resorbiert, im Kolon wird die Substanz gespalten, der Salicylanteil (Mesalazin) verbleibt im Dickdarm. Das Sulfapyridin wird resorbiert, in der Leber metabolisiert und im Urin ausgeschieden. Bei geringer und mäßig aktiver Colitis ulcerosa kann Sulfasalazin eine Remission induzieren.
Nachteil: durch den Sulfatanteil hohe Nebenwirkungsrate.
-
Mesalazin (Retardpräparat der 5-Aminosalicylsäure = 5-ASA): 5-ASA-Präparate sind deutlich nebenwirkungsärmer, durch unterschiedliche Galenik wird versucht, möglichst viel Wirkstoff an den Entzündungsprozess zu bringen. Es bestehen 3 verschiedene Möglichkeiten, das Präparat an den Ort des Geschehens zu bringen:
-
pH-abhängige Verkapselung, Freisetzung im terminalen Ileum oder Kolon (Salofalk, Claversal),
-
pH-unabhängige Freisetzung durch Umhüllung mit Ethylzellulose: kontinuierliche Freisetzung im Gastrointestinaltrakt,
-
Kopplung der 5-ASA an ein Trägermolekül (Dipentum, ein 5-ASA-Dimer), Freisetzung im Zäkum. Applikationsmodus: 5-ASA-Präparate können p. o., als Klysma oder als Zäpfchen verabreicht werden.
-
2. Kortikosteroide:
-
Prednisolon: im akuten Schub der Colitis ulcerosa sehr gut wirksam, Nachteil: systemische Nebenwirkungen, ungeeignet zur Langzeittherapie.
-
Budesonid: Vorteil: gute Wirksamkeit, weniger systemische Nebenwirkungen infolge eines hohes First-pass-Effektes in der Leber. Applikationsmodus: per os, Klysmen.
3. Immunsuppressiva:
-
Azathioprin: in aller Regel gut verträglich, Wirksamkeit erst nach ca. 8 Wochen beurteilbar, indiziert bei Steroidabhängigkeit oder Steroidresistenz. Applikationsmodus: p. o.
-
Cyclosporin A: insgesamt schlechte Datenlage, Applikation bei hochakutem Schub einer Kolitis. Applikationsmodus i. v. oder p. o.
Nachdruck aus:
Berthold Block, Facharztprüfung Innere Medizin, 3000 kommentierte Prüfungsfragen
4. Aufl., kompl. überarb. akt. 2011, 576 S., 106 Abb., kart. ISBN: 9783131359544