Schlüsselwörter
Hypertonie - Blutdruck - Demenz - Kognitive Funktion - vaskuläre Demenz
Keywords
hypertonia - blood pressure - dementia - cognitive function - vascular dementia
Glossar
ABDM
:
Ambulantes Blutdruck-Monitoring
DemTect
:
Demenz-Detektion (Screeningverfahren)
DGN
:
Deutsche Gesellschaft für Neurologie
DGPPN
:
Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und
Nervenheilkunde
MMST
:
Mini-Mental-Status-Test
TFDD
:
Test zur Früherkennung von Demenzen mit Depressionsabgrenzung
Dementielle Erkrankungen sind eine zunehmende Belastung für das Gesundheitssystem.
Da
es bislang keine effektive Therapie gibt, ist die Primärpravention von
herausragender Bedeutung. Zu den gesicherten Risikofaktoren für vaskuläre Demenzen,
und vermutlich auch für Alzheimer, gehört die arterielle Hypertonie. Eine
rechtzeitige medikamentöse antihypertensive Therapie kann kognitive
Funktionseinbußen zumindest verlangsamen und eine Demenz hinauszögern.
Definitionen
Leichte kognitive Störungen (ICD-10 F06.7)
[1]
| Bei Weitem nicht alle kognitiven Einschränkungen sind mit
einer Demenz gleichzusetzen [2]. Im Gegensatz zur Demenz
beeinträchtigen leichte kognitive Störungen den Alltag der Patienten nicht oder nur
in geringem Maß. Sie können allerdings ein Vorstadium einer Demenzerkrankung
sein.
Demenz (ICD-10 F00-F03)
[1]
| Laut ICD-10-GM
Version 2015 ist eine Demenz „ein Syndrom als Folge einer meist chronischen oder
fortschreitenden Krankheit des Gehirns“ [1]. Bei einer
Demenz sind viele höhere kortikale Funktionen gestört, das Bewusstsein ist jedoch
nicht getrübt. Begleitet werden die kognitiven Beeinträchtigungen gewöhnlich von
Veränderungen der emotionalen Kontrolle, des Sozialverhaltens oder der Motivation.
Diese Symptome können auch früher eintreten.
Der Begriff Demenz beschreibt eine heterogene Gruppe von Erkrankungen
unterschiedlicher pathophysiologischer Mechanismen mit dem Leitsymptom
„kognitive Störung“ [3].
Vaskuläre Demenz (VD) | Zur Diagnose einer VD ist es erforderlich, vaskuläre
Hirnveränderungen im CT oder MRT nachzuweisen [4]. Bei
Patienten mit VD sind höhere kortikale Funktionen wie Schreiben, Lesen und Rechnen
länger erhalten als bei Patienten mit Alzheimer-Demenz (AD). Bei VD finden sich 3
größere Gruppen:
-
Defektsyndrom nach größeren, einzelnen oder multiplen, ischämischen oder
hämorrhagischen Insulten (Symptomatik sehr variabel).
-
hypertensive zerebrale Mikroangiopathie (multiple Lakunen der tiefen Kerne,
diffuse Marklagerschädigung).
-
andere Formen bei Stenose oder Verschluss großer Gefäße und kleiner Gefäße
(z. B. Grenzzoneninfarkte).
Bei mindestens 30 % aller Patienten finden sich „Mischdemenzen“, bei denen sich
vaskuläre und degenerative Schädigungen überlagern [5].
Diagnostik
Sorgfaltspflicht | Für den betroffenen Menschen, sein familiäres, soziales
oder berufliches Umfeld kann die Diagnose „Demenz“ weitreichende Folgen haben. Neben
Angst vor Stigmatisierung oder dauerhafter Abhängigkeit sind auch depressive
Veränderungen bis hin zu Suiziden bekannt. Im klinischen Alltag wird die Diagnose
jedoch teilweise unkritisch benutzt, ohne dass empfohlene Kriterien der Diagnostik
und Verlaufsbeobachtung eingehalten werden.
Pseudodemenz abgrenzen | Auch in Kliniken werden Patienten mitunter vorschnell
als „dement“ klassifiziert – nicht nur, weil sich hieraus ggf. eine bessere
Darstellung im DRG-System ergibt. Dabei wird vernachlässigt, dass eine Vielzahl von
Akuterkrankungen oder Dekompensationen die kognitiven Funktionen z. T. drastisch
verschlechtern können, ohne dass die Kriterien der Demenz erfüllt sind.
Pathologische Ergebnisse in Tests, die zur Objektivierung beitragen sollen, sind
daher häufig zu finden. Auf eine ambulante Kontrolle nach vollständiger
Rekompensation wird oft verzichtet, so daß die Diagnose „Demenz“ bestehen bleibt,
auch wenn es sich nur um eine Pseudodemenz bei Exsikkose, Stoffwechselentgleisungen,
Infektionskrankheiten, unter bestimmten Medikamenten oder um ein Delir gehandelt
hat.
Wichtig ist darüber hinaus, eine Depression oder Parkinson-Symptomatik
abzugrenzen, die beide gerade bei älteren Patienten auftreten können [6]
[7].
Umfassende Diagnostik | Aufgrund der Vielfalt an zugrundeliegenden Störungen
ist eine sorgfältige Diagnostik entscheidend. Eine alleinige Diagnose durch
„Biomarker“ ist bis heute nicht möglich [8]
[9]. Die Diagnostik sollte sich z. B. an den S3-Leitlinien
der DGPPN / DGN orientieren [10]:
-
Quantifizierung der kognitiven Leistungseinbußen: z. B. MMST, DemTect, TFDD
und Uhrentest [11–14]
-
Anamnese: kardio- und zerebrovaskuläre Erkrankungen, metabolische
Risikofaktoren, Medikamente, körperliche Aktivität, früheres kognitives
Leistungsniveau (Fremdanamnese)
-
kardiovaskulärer und neurologischer Status
-
EKG: zum Ausschluss von Vorhofflimmern
-
laborchemische Basisdiagnostik
-
Blutdruckmessung: Selbstmessung und 24 h-Blutdruckmessung (ABDM) obligat
[15–17]
-
ggf. Liquoruntersuchung
-
ggf. CT oder MRT des Schädels zur Differenzialdiagnostik bei bestehendem
Demenzsyndrom
Prävention
Demenzrisiko | Risikofaktoren für einen Schlaganfall sind auch Risikofaktoren
für die Entwicklung einer VD [18]. Kausale Assoziationen
für arterielle Hypertonie im mittleren Lebensalter, Diabetes mellitus zu jeglichem
Zeitpunkt und geringem Bildungsniveau im frühen Lebensalter sind gut belegt [1]. Je mehr Risikofaktoren vorliegen, desto größer ist
auch die Wahrscheinlichkeit für kognitive Funktionsstörungen [19]. Mit dem Demenzrisiko assoziiert sind auch
-
Vorhofflimmern,
-
Herzinsuffizienz,
-
koronare Herzkrankheit,
-
Makroangiopathie,
-
Alter und
-
männliches Geschlecht.
Möglicherweise mindern vaskuläre Schäden die Reservekapazität des Gehirns und senken
somit auch die Schwelle für die Manifestierung einer AD.
Das Demenz-Risiko kann reduziert werden durch eine
-
bessere Kontrolle des Blutdrucks und weiterer kardiovaskulärer
Risikofaktoren,
-
optimale Einstellung eines Diabetes,
-
Reduktion des Nikotinkonsums.
Sport | Vermehrte körperliche Aktivität ist vermutlich ein wesentlicher
Schlüssel, um diese Ziele zu erreichen [20]. Auch bei
bestehenden kognitiven Einschränkungen zeigen sich positive Effekte. Dies geht aus
einer Analyse von 14 Studien mit 1056 Patienten mit kognitiven Einschränkungen oder
AD hervor. Die Trainingsprogramme (2–4 × pro Woche, jeweils 30–60 Minuten)
enthielten
-
Laufen,
-
unterschiedlich intensives aerobes Training,
-
Flexibilitäts- und Balance-Training,
-
Krafttraining oder
-
Tai Chi.
Die Patienten der Kontrollgruppen waren körperlich weitgehend inaktiv. Sie betrieben
teils Kartenspiele, Handarbeiten und Dehnübungen. Körperliche Aktivität war mit
einer signifikanten Verbesserung des MMSE assoziiert und ist eine effektive
therapeutische Intervention für Patienten mit kognitiven Defiziten oder Demenz [21].
Auch das Aufrechterhalten sozialer Kontakte trägt nachweislich dazu bei, das
Demenz-Risiko zu senken.
Geistige Aktivität | Die klinischen Auswirkungen einer beginnenden Demenz
lassen sich z. T. durch kognitives Training oder Ausbildung vermindern [22]. Ein hohes Bildungsniveau bietet jedoch keineswegs
einen zuverlässigen Schutz vor Demenz, wie sich an tragischen Einzelkasuistiken
teils prominenter Personen erkennen lässt (z. B. Walter Jens, Ernst Albrecht,
Margaret Thatcher).
Stellenwert der Hypertonie
Stellenwert der Hypertonie
Risiko zerebrale Ischämie | Die arterielle Hypertonie ist der wichtigste
Risikofaktor für zerebrale Ischämien. Patienten mit Schlaganfällen haben wiederum
ein stark erhöhtes Risiko für dementielle Erkrankungen. Die Häufigkeit wird mit 7 %
im ersten Jahr bis zu 48 % nach 25 Jahren berichtet [23–25]. Gegenüber klinisch manifesten Ischämien ist die Prävalenz von
zunächst klinisch stummen Ischämien etwa 5-fach höher. Sie beträgt je nach
Untersuchungsverfahren (cCT, MRT) 5–53 %.
-
Schon bei bis zu 10 % der unter 50-jährigen Hypertonikern sind entsprechende
Veränderungen zu finden.
-
In einer Studie konnten bei 40,9 % der Patienten im Alter zwischen 50 und 60
Jahren Ischämien nachgewiesen werden, ohne dass bislang klinische Korrelate
beobachtet worden waren [26].
Auch für stumme zerebrale Ischämien ist die unerkannte oder nicht ausreichend
behandelte arterielle Hypertonie der wichtigste Risikofaktor. Der nächtliche
Blutdruck scheint für das Auftreten von stummen Ischämien von besonderer Bedeutung
zu sein [27].
Gute Evidenz | Eine arterielle Hypertonie im mittleren Lebensalter hängt mit
dem Auftreten einer Demenz jeglicher Art zusammen. Dafür ist die Evidenz inzwischen
sehr gut. Mehrere Kohorten aus verschiedenen Ländern (Schweden, Japan, Hawaii)
zeigen konsistent eine statistisch signifikante Assoziation [18]
[28]
[29]
[30]. Im Verlauf von 10–20 Jahren erhöht sich das
Demenzrisiko auf das 4–5-Fache [31]
[32]
[33]. Bereits bei
„hoch-normalem“ Blutdruck konnten ungünstige Veränderungen der kognitiven Funktion
in diesem Zeitraum festgestellt werden [34].
Klinisch stumme Ischämien verdoppeln das Risiko für eine Demenz über eine
Beobachtungszeit von 3,5 Jahren und erhöhen das Schlaganfallrisiko [35]
[36].
Veränderung der Blut-Hirnschranke | Die arterielle Hypertonie schädigt das
Gehirn nicht nur indirekt durch zerebrale Ischämien, sondern auch direkt. Sie
vermindert die vaskuläre Stabilität der Blut-Hirn-Schranke, was einen
Protein-Übertritt in das Hirngewebe erleichtert [37].
Hierdurch können die Zellen geschädigt werden und es kann sich Beta-Amyloid
anreichern, das in der Alzheimer-Pathologie eine wesentliche Rolle spielt. In fast
allen Studien sind höhere Blutdruckwerten signifikant mit einer Reduktion des
Hirnvolumens assoziiert. Besonders betroffen ist der Hippocampus [38].
Risikofaktor Hypotonie? | Bei Patienten mit manifester Demenz, oder kurz
davor, finden sich dagegen überwiegend niedrige Blutdruckwerte [39]. Diese Beobachtung wurde auch in der
Honolulu-Asia-Aging-Study (HAAS) bestätigt [40]. Ob dies
auf die Gehirnerkrankung oder einen veränderten Lebensrhythmus, Gewichtsverlust oder
andere metabolische Veränderungen zurückzuführen ist, ist nicht sicher geklärt.
Hypertonie und vaskuläre Demenz
Hypertonie und vaskuläre Demenz
Zusammenhang belegt | Trotz methodischer Einschränkungen (Hypertoniedauer und
Blutdruckhöhe nur anamnestisch erfasst oder gemessen) ist die Evidenz für einen
Zusammenhang von VD und arteriellen Hypertonie sehr gut. Bei 70-jährigen Patienten,
deren Blutdruckwerte über 20 Jahre dokumentiert wurden, korrelierten erhöhte Werte
im Alter von 50 Jahren mit einer kognitiven Verschlechterung im Alter von 70 Jahren
[41]. Bestätigt wird dies durch weitere Studien:
-
Eine Meta-Analyse hat gezeigt, dass die Inzidenz der VD bei Hypertonie mit
einer Odds ratio von 1,59 erhöht ist [42].
-
In drei aussagekräftigen Studien an asiatischen Personen war ein
Bluthochdruck im mittleren Lebensalter prospektiv mit der Inzidenz einer
vaskulären Hypertonie assoziiert und erhöhte das Risiko auf das 2–3-Fache
[43]
[44]
[45].
-
ln einem erweiterten Follow-up der Hisayama-Studie war auch eine Hypertonie
im höheren Lebensalter mit der vaskulären Demenz-Inzidenz assoziiert (OR
1,53).
Hypertonie und Alzheimer-Demenz
Hypertonie und Alzheimer-Demenz
Assoziation nicht geklärt | Der Zusammenhang zwischen Hypertonie im mittleren
Alter und dem Auftreten einer Alzheimer-Demenz (AD) ist hingegen nicht eindeutig
belegt [46]
[47]
[48]. Im “World Alzheimer Report 2014” wird auf
Schwierigkeiten bei der Beurteilung von Studien hingewiesen [46]
[49]
[50].
-
Hierzu gehören die teils groben Blutdruckkategorien ohne Zwischenbereiche,
z. B. > 160 vs. ≤ 140 mmHg und > 140 vs. < 120 mmHg [31]
[51].
-
An einer chinesische Studie (n = 16 448) wurde das Alter der Patienten
kritisiert: Zu Beginn der Studie waren bereits 75 % der Patienten über 60
Jahre alt. Somit konnte keine Aussage zum Blutdruck im „mittleren
Lebensalter“ getroffen werden. Zudem wurden auch gemischte Demenzformen in
die Auswertung aufgenommen [52]
[53]. Die Studie hatte eine Risikoerhöhung für
eine Alzheimer-Demenz von 1,97 ergeben.
Problem Mischformen | Die AlzRisk-Meta-Analyse von 2011 kommt zwar zu dem
Schluss, dass keine sichere Assoziation zwischen Hypertonie und der Inzidenz der
Alzheimer-Erkrankung besteht – doch es gibt sehr viele Patienten mit Mischformen.
Aus diesem Grund wird der Anteil kognitiver Verschlechterung durch vaskuläre
Ursachen bei dieser Betrachtung vermutlich unterschätzt [47].
Wenn eine Hypertonie erst im höheren Lebensalter auftritt, scheint dies die
Inzidenz von AD nicht zu erhöhen [54].
Weitere sorgfältige systematische Studien, in denen auch der Einfluss einer
antihypertensiven Therapie im mittleren Lebensalter untersucht wird, sind zweifellos
erforderlich.
Andere Normwerte bei Hochbetagten ? | Möglicherweise gelten für sehr alte
Menschen andere Normwerte. Vermutlich ist die gestörte Autoregulation des Gehirns
hierfür verantwortlich. Neuere Erkenntnisse aus einer Studie an über 90-jährigen
Patienten (90 + -Study) haben gezeigt, dass Personen, die in der 8. Lebensdekade
eine arterielle Hypertonie entwickelten, ein signifikant niedrigeres Risiko für
Demenz aufwiesen (-41 %). Bei einer Manifestation ab dem 90. Lebensjahr war das
Demenz-Risiko um 55 % niedriger [55].
Antihypertensive Therapie
Antihypertensive Therapie
Kein Placebo | Die Therapieeffekte zu beurteilen, bietet eine Reihe von
Schwierigkeiten. Aus ethischen Gründen gibt es keine wirklich Placebo-kontrollierten
Studien. So kommen in den Studien auch in den Placeboarmen unterschiedliche
Antihypertensiva zum Einsatz. Hierdurch werden Blutdruckunterschiede zwischen den
Gruppen deutlich gemindert.
Ein Cochrane Review von „Placebo-kontrollierten“ Studien mit 15 936 Patienten
ohne vorherigen Schlaganfall konnte den Einfluss einer antihypertensiven
Therapie auf die Demenzrate nicht eindeutig belegen.
Allerdings war das mittlere Alter der Patienten mit 75,4 Jahren relativ hoch, sodass
keine Effekte einer früh initiierten Therapie erfasst wurden [56].
Studienlage | Seit mehr als 30 Jahren werden in Studien zur antihypertensiven
Therapie auch Einflüsse auf die kognitive Funktion bzw. das Demenzrisiko
untersucht.
-
Vorteile zugunsten der antihypertensiven Therapie fanden sich in der
Syst-Eur-Studie unter Kalziumantagonisten-Therapie (oft in Kombination mit
einem ACE-Hemmer). Bei Patienten mit isoliert systolischer Hypertonie sank
die Demenzrate unter der Therapie um 50 % [57]
[58].
-
In der PROGRESS-Studie reduzierte eine antihypertensive Therapie mit
Perindopril und Indapamid bei Patienten nach zerebralem Insult zwar nicht
die Demenzrate. Jedoch sank das Risiko einer kognitiven Verschlechterung bei
durchschnittlicher Blutdrucksenkung von 9 / 4 mmHg um 19 %, da
Rezidiv-Schlaganfälle verhindert wurden [59].
-
In der Rotterdam-Studie (> 6000 Patienten) war die Einnahme von
Antihypertensiva mit einer 8 %-igen Risikoreduktion für Demenz pro
Therapiejahr für Personen ≤ 75 Jahre assoziiert [60].
-
In einer Studie mit 32-jähriger Beobachtungsdauer stieg der systolische
Blutdruck bei Patienten, die im Verlauf eine Demenz entwickelten, stärker
an. Dies ließ sich durch eine antihypertensive Therapie modifizieren [61].
-
In der HAAS-Studie (12 Jahre Beobachtungszeit) wurde das Demenzrisiko von
Patienten mit gut eingestelltem Bluthochdruck im Vergleich zu schlecht
behandelten Hypertonikern um 60 % abgesenkt [62].
Risikofaktor zerebrale Ischämie | Bedeutsam ist auch, stumme zerebrale
Ischämien durch eine antihypertensive Therapie zu verhindern. Dies konnte von
Sugiyama et al. an einer kleinen Patientenzahl mit unterschiedlicher
antihypertensiver Medikation gezeigt werden [63].
Die Zielwerte der antihypertensiven Therapie nach einem Schlaganfall – auch im
Hinblick auf die Kognition – werden in der derzeit noch laufenden
ESH-SHOT-Studie untersucht [64].
Risikofaktor Blutdruckvariabilität | Analysen der ONTARGET-Studie zeigen, dass
auch die systolische Blutdruckvariabilität die kognitiven Funktionen zu beeinflussen
scheint. Antihypertensiva, die die Variabilität reduzieren, könnten somit
vorteilhaft sein [65].
Kognitionsverbesserung möglich? | Ob eine Verbesserung des kognitiven Niveaus
unter antihypertensiver Therapie möglich ist, ist nur in kleineren Studien
untersucht worden.
-
Lehrl et al. konnten in einer Studie mit 31 Patienten mit Hypertonie und
leichten Hirnleistungsstörung nachweisen, dass Calcium-Antagonisten die
kognitive Funktion signifikant stärker verbessern als Diuretika [66].
-
Tedesco et al. haben bei 69 Patienten mit initial bestehenden
Hirnleistungsstörung gezeigt, dass sich die kognitive Funktion über 2 Jahre
durch Losartan verbessert. Hydrochlorothiazid erbrachte hingegen keine
Veränderung [67].
Eine antihypertensive Therapie kann auch dazu beitragen, die kognitiven Situation
bei AD positiv zu beeinflussen. Vermutlich wird dabei die Progredienz der
vaskulären Komponente verlangsamt [68].
Antihypertensive Therapie bei Älteren
Antihypertensive Therapie bei Älteren
Behandlung vorteilhaft | Auch bei älteren Patienten ist eine antihypertensive
Therapie tendenziell mit einem geringeren Demenzrisiko assoziiert [69]. Zumindest lässt sich auch bei ihnen keine
Verschlechterung kognitiver Funktionen durch antihypertensive Therapie erkennen,
wenn noch keine Demenz vorliegt.
Die Evidenz für den Nutzen einer antihypertensiven Therapie ist auch bei älteren
Patienten sehr gut, da generell das Risiko für kardiovaskuläre Morbidität und
Mortalität reduziert wird.
Profit auch bei Einschränkungen? | Die Frage, ob auch Patienten mit
bestehenden kognitiven Einschränkungen oder einer Demenz von einer antihypertensiven
Therapie profitieren, ist nicht sicher geklärt [70].
Studien kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen, jedoch ist die Aussagekraft wegen
kleiner Patientenzahlen und methodischer Schwierigkeiten eingeschränkt [71]. Interessante Daten liefert eine italienische Studie
mit 172 älteren Patienten (im Mittel 79 Jahre) mit Demenz (68 %) oder leichter
kognitiver Einschränkung (32 %) und einer Beobachtungsdauer von 9 Monaten [17]:
-
Bei Patienten im niedrigsten Terzil des systolischen ABDM-Tagesblutdrucks
(≤ 128 mmHg) fiel der MMST-Score stärker ab als bei Patienten im mittleren
(129–144 mmHg) und höchsten Terzil (≥ 145 mmHg). Der Zusammenhang bestand
nur im Rahmen einer antihypertensiven Therapie. Eine zu strenge
Blutdruckeinstellung wäre demnach von Nachteil.
-
Zudem war die ABDM zuverlässiger als die Praxisblutdruckmessung. Daher sollte
die ABDM die Basis einer Therapieentscheidung sein.
Eine weitere Studie hat gezeigt, dass sich die kognitive Funktion bei
Alzheimer-Patienten möglicherweise verbessert, wenn sie mit ACE-Hemmern behandelt
werden, die die Blut-Hirn-Schranke passieren können [72]. Hierfür bedarf es jedoch weiterer klinischer Studien.
Einige Autoren kommen zu dem Schluss, dass nach gegenwärtiger Datenlage bevorzugt
Calcium-Antagonisten oder ACE-Hemmer bei älteren Patienten mit Demenz eingesetzt
werden sollten [73].
Welche Antihypertensiva sind besonders geeignet?
Welche Antihypertensiva sind besonders geeignet?
Große Langzeitstudien entscheidend | Um substanzklassenspezifische Effekte zu
beurteilen, sind große Patientenzahlen und lange Beobachtungsdauern
erforderlich.
Die Frage, ob nur bestimmte antihypertensive Substanzen in der Lage sind,
kognitive Funktionsstörungen und Demenz zu verhindern, lässt sich derzeit nicht
abschließend beantworten.
Tierexperimentelle Studien | Untersuchungen an Mäusen haben gezeigt, dass eine
kontinuierliche Aktivierung des Renin-Angiotensin-Systems die kognitiven Funktionen
beeinträchtigt.
-
Dies kann durch eine Therapie mit einem AT1-Rezeptorblocker (ARB) verhindert
werden. Hydralazin hingegen war dazu nicht in der Lage – trotz gleicher
Blutdrucksenkung [74].
-
Weitere Untersuchungen beschäftigen sich mit der Rolle des AT4-Rezeptors
[75]. Es wurde belegt, dass sich die
kognitive Funktion durch Angiotensin-(1–7) bei chronischer zerebraler
Minderperfusion verbessert [76]. Ob dies auch
bei Menschen gilt, ist derzeit offen.
ACE-Hemmer | In der Cardiovascular-Health-Study (Cognition-Substudy)
verringerten ACE-Hemmer, die die Blut-Hirnschranke passieren können, in einem
Zeitraum von 6 Jahren den Punktwertabfall in einem modifizierten MMSE um 65 %.
Patienten, die keine zentral aktiven ACE-Hemmer erhielten, hatten hingegen ein
höheres Demenzrisiko [77].
AT1-Rezeptorblocker | In einer bevölkerungsbasierten Kohortenstudie
(Taiwan-National-Health-Insurance-Research-Database) wurden 24 531 passende Paare
(1:1) mit bzw. ohne ARB-Behandlung gebildet. Die Beobachtungsphase betrug 12
Jahre.
-
Bei 1322 Patienten (5.4 %) der ARB-Gruppe wurde eine Demenz festgestellt. In
der Vergleichsgruppe ohne ARB war dies bei 2181 Patienten (8.9 %) der
Fall.
-
Das Risiko für eine Demenz unter ARB betrug für AD 0,53 und für VD 0,63.
-
Patienten mit höheren kumulativen ARB-Dosen (> 1460 definierte Tagesdosen)
hatten ein geringeres Risiko als Patienten mit niedrigen Dosen (Hazard ratio
0,37 vs. 0,61; p < 0.05) [78].
Auch andere Autoren kommen zu dem Schluss, daß ARB derzeit als besonders effektiv
angesehen werden können [79–81].
Betablocker | Andererseits wird in einer Auswertung der HAAS-Studie bei 2197
älteren Männern mit Hypertonie (Durchschnittsalter 77 Jahre bei Beobachtungsbeginn)
ein Vorteil von Betablockern gegenüber anderen Antihypertensiva berichtet. Während
der medianen Nachbeobachtungszeit von 5,8 Jahren entwickelten 854 Männer eine
kognitive Einschränkung. Die Einnahme von Betablockern als einzige antihypertensive
Therapie zu Studienbeginn war mit einem niedrigen Risiko für kognitive
Einschränkungen assoziiert [82].
Konsequenz für Klinik und Praxis
-
Es besteht eine sehr gute Evidenz, dass eine arterielle Hypertonie im
mittleren Lebensalter mit dem höheren Demenzrisiko im späteren Leben
assoziiert ist – vornehmlich bedingt durch die VD.
-
Eine sorgfältige Diagnostik und konsequente antihypertensive Therapie im
mittleren Lebensalter sind daher von entscheidender Bedeutung, um das
Demenzrisiko zu reduzieren.
-
Die Einstellung von normotonen Blutdruckwerten ist ausschlaggebend, um
kognitive Funktionsstörungen und Hirninfarkte (stumm oder manifest) zu
verhindern.
-
Das ambulante Blutdruck-Monitoring ist unerlässlich in der
Blutdruckdiagnostik und Therapiekontrolle.
-
Bislang gibt es keine medikamentöse Therapie, um eine manifeste VD
zurückzubilden. Werden alle Risikofaktoren konsequent behandelt, kann
eine gewisse Verbesserung der kognitiven Fähigkeiten erreicht
werden.
-
Eine gesunde Lebensführung mit regelmäßiger körperlicher und geistiger
Aktivität, Pflege sozialer Kontakte sowie mäßiger und ausgewogener
Ernährung sind die Basis der Demenzprävention.