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DOI: 10.1055/s-0041-107124
Die Klinik für Dermatologie und Allergologie am Klinikum Augsburg im Wandel der Zeit
The Department of Dermatology of the General Hospital Augsburg through the AgesZusammenfassung
Eine Hautklinik existiert in Augsburg erst seit den Nachkriegsjahren des Zweiten Weltkrieges. Zunächst lag der Schwerpunkt auf der stationären Therapie von Geschlechtskrankheiten. Mit der Zusammenführung aller Fachabteilungen in das Zentralklinikum in den 80er-Jahren hielt die moderne Dermatologie Einzug. Vorreiter war die Augsburger Hautklinik Anfang der 90er-Jahre mit der Etablierung und Standardisierung der Sentinel-Lymphonodektomie. Heute besteht dieser operative Schwerpunkt weiter, dazu wurde ein Hauttumorzentrum und ein interdisziplinäres Allergiezentrum gegründet. Die Zukunft wird für die Klinik für Dermatologie und Allergologie in Augsburg sehr spannend, da eine Umwandlung des städtischen Hauses in ein Universitätsklinikum mit einer medizinischen Vollfakultät in konkreter Planung ist.
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Abstract
The Department of Dermatology was founded in Augsburg after the Second World War. Most of the patients suffered from sexually transmitted diseases. After the integration of all disciplines into the central clinic in the eighties, the time of modern dermatology started. In the nineties, the Department of Dermatology acted as a pioneer in the field of establishing and standardizing the procedure of sentinel lymph node biopsy. Today, the clinic is still focusing on skin cancer surgery. A skin cancer center as well as an interdisciplinary allergy center was established. The future will have much to offer as the public hospital of Augsburg is on its way to become a university clinic with a full faculty for medicine.
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Rückblick
Der Beginn einer dermatologischen Diagnostik und Therapie in Augsburg ist Anfang der 20er-Jahre des 20. Jahrhunderts zu sehen. Dr. med. Wilhelm Kiendl betrieb in der Philippine-Welser-Straße, später in der Kaiserstraße (heute Konrad-Adenauer-Allee), eine hautärztliche Praxis, von der aus stationäre Patienten in das Hauptkrankenhaus ([Abb. 1]) in der Jakobervorstadt eingeliefert wurden, wo sie unter der verwaltungsmäßigen Leitung der Inneren Klinik (Leitung Prof. Stötter) konsiliarisch behandelt wurden. Bereits kurz nach dem Zweiten Weltkrieg wurde in Augsburg eine eigene Hautklinik gegründet, wobei die Frauenabteilung im nördlichen 2. Stockwerk des Servatiusstifts in der Lindauer Straße 32 untergebracht wurde und die Männerstation im Haupthaus Platz fand. Dort wurden die Patienten mit chronisch entzündlichen Hauterkrankungen oder Geschlechtskrankheiten im Parterre in großen Krankensälen mit insgesamt über 100 Betten untergebracht. Die Dermatologie war zu dieser Zeit die größte Fachabteilung.
Aufgrund der Überfüllung des Servatiusstiftes mit Flüchtlingen der UNRRA (Nothilfe- und Wiederaufbauverwaltung der UN) wurde die Frauenstation später zuerst in das Evangelische Waisenhaus am Unteren Graben (ursprünglich ein Schlösschen in Fuggerschem Besitz) und dann in die Fleischer-Fachschule verlegt. Täglich erfolgten Masseneinweisungen von „nachtsüber eingefangenen“ Mädchen durch die US-Armee zur Untersuchung auf Geschlechtskrankheiten. Dr. Kiendl übernahm auch die Arbeit des LANBEG (Landesausschuss zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten) für zahlreiche Außenstellen in Schwaben. Sein Assistenzarzt Dr. Erwin Kauer, dessen persönliche Erinnerungen hier dargestellt sind, übernahm mit einem Regierungsauto jeden Monat an drei Tagen die Verteilung von Millionenwerten amerikanischen Penicillins an Geschlechtskranke. Um auch nicht venerisch Erkrankten Penicillin zukommen zu lassen, wurde an der Hautklinik der Urin von mit einer Hochdosis behandelten Patienten gesammelt und Abholern der Firma Grünenthal zur Aufbereitung und Wiederverwertung übergeben.
Mitte 1947 wurden beide Abteilungen in das Gebäude Nr. 8 des neu eröffneten Westkrankenhauses an der Langemarckstraße verlegt, das ursprünglich eine Kaserne und dann ein Kriegslazarett war. Dr. Wilhelm Kiendl war dort vom 1. 8. 1947 bis zum 2. 1. 1952 Chefarzt. Vom 1. 12. 1952 bis zum 31. 10. 1961 übernahm Prof. Dr. Wilhelm Schneider die Leitung der Hautklinik. Unter seinem Nachfolger, Prof. Dr. Wolfgang Nikolowski, der vom 1. 11. 1961 bis zum 31. 8. 1982 über 20 Jahre die Geschicke der Klinik bestimmte, zog die Hautklinik zuletzt im April 1982 als erste Abteilung in das neu errichtete Zentralklinikum um, welches bald alle Fachdisziplinen unter einem Dach beherbergte. Prof. Dr. Prof. h. c. Bernd-Rüdiger Balda war vom 1. 9. 1982 bis zum 31. 10. 2004 Chefarzt der Klinik für Dermatologie und Allergologie. 84 Betten der Stationen 8.5 und 8.7 gehörten ebenso wie eine große Institutsambulanz zur Hautklinik. Im August 2004 wurde im Zuge einer Liegezeitverringerung die Bettenzahl auf 42 reduziert. Frau Prof. Dr. Julia Welzel übernahm am 1. 12. 2004 als erste Chefärztin des Klinikums Augsburg die Leitung der Hautklinik ([Abb. 2]).
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Gegenwart
Prof. Welzel übernahm 2004 eine gemischte 42-Betten-Station. Die Liegezeiten wurden sukzessive von 9 auf derzeit 4,6 Tage halbiert. Dadurch konnte trotz der Bettenreduktion über die Jahre eine Fallzahlsteigerung von 2000 auf ca. 2500 stationäre Patienten pro Jahr erreicht werden.
Die Ambulanz wurde in eine Ermächtigungsambulanz umgewandelt, in der die Oberärzte durch eine KV-Ermächtigung ambulante Patienten auf Zuweisung von Dermatologen „bei diagnostisch und therapeutisch schwierigen Fällen“ behandeln dürfen. Sie ist mit ca. 16 000 Patienten jährlich eine der größten Ambulanzen am Klinikum Augsburg. Es werden neben den allgemeinen konservativen und operativen Sprechstunden verschiedene Spezialsprechstunden (Onkologie, Tumornachsorge, Neurodermitis, Laser, Phlebologie, Ästhetik) angeboten.
An der Hautklinik in Augsburg wurden 1994 erstmals Sentinel-Lymphonodektomien beim Melanom durchgeführt. Das diagnostische, operative und histologische Vorgehen wurde in Augsburg maßgeblich mitentwickelt. Die operative Therapie von Hauttumoren war und ist ein wesentlicher Schwerpunkt der Klinik. Jährlich werden ca. 120 Sentinel-Lymphonodektomien durchgeführt, sodass inzwischen Verlaufsdaten von einigen Tausend Patienten vorliegen. 2005 wurden standardisierte Behandlungspfade für OP-Patienten eingeführt. Diese beinhalten die ambulante, stationäre, operative und nachstationäre Versorgung der Patienten durch ein Team aus Oberarzt und Assistenzärzten, wodurch Schnittstellen minimiert werden und Patienten ihren Operateur bereits in der Ambulanz kennenlernen – und natürlich auch der Operateur seine Patienten präoperativ sieht. Die Klinik ist seit 2011 nach DIN/ISO und als Hauttumorzentrum nach Onkozert zertifiziert.
Die Histologie ist ein zweiter langjähriger Schwerpunkt der Hautklinik Augsburg. Ein eigenes Histologielabor mit 6 MTAs bearbeitet ca. 13 000 Präparate aus dem Haus und von Einsendern pro Jahr inklusive Immunhistologie und Immunfluoreszenz. Mit dem Institut für Pathologie besteht eine intensive, kollegiale Zusammenarbeit. Gemeinsam wird ein PCR-Labor betrieben, in dem an Paraffinmaterial insbesondere Mutationsanalysen und Erregerdiagnostik durchgeführt werden.
2006 wurde auf Initiative von Prof. Welzel ein interdisziplinäres Allergiezentrum gegründet, welches sie seitdem leitet. Neben der Klinik für Dermatologie und Allergologie sind die Pädiatrie, HNO-Klinik, Pulmologie, Labormedizin und Umweltmedizin vertreten. Ziele und Aufgaben des Allergiezentrums sind die interdiszipliäre Patientenversorgung sowie die Fort- und Weiterbildung im Bereich der Allergologie. Allergologische Patienten werden an der Hautklinik ebenfalls in Behandlungspfaden versorgt, wobei ein Oberarzt und ein Assistenzarzt in Rotation für die Allergologie verantwortlich sind. Im Rahmen einer engen Kooperation mit der interdisziplinären Notaufnahme werden Anaphylaxien an der Hautklinik behandelt und zügig in weitere diagnostische (Provokationstestungen) und therapeutische (Hyposensibilisierungen) Pfade überführt.
Die konservative Dermatologie wird auf der Station von einem Oberarzt und drei Assistenzärzten vertreten. Ein besonderer Fokus liegt neben der Behandlung von infektiösen Hauterkrankungen bei schweren Autoimmunerkrankungen. Als besondere Therapieoption wird die extrakorporale Elektrophorese angeboten, aber auch die Immunabsorption in Zusammenarbeit mit der Nephrologie.
Am 1. 9. 2006 wurde die Klinik in das zur Betriebsstätte des Zentralklinikums umgewandelte Krankenhaus Haunstetten, jetzt Klinikum Süd, verlegt ([Abb. 3]). Die Bettenzahl wurde auf 44 aufgestockt. Zeitgleich wurde eine Tagesklinik aufgebaut, die mit 10 Behandlungsplätzen durchschnittlich 13 Patienten täglich mit chronischen Hauterkrankungen versorgt. Auch Wundbehandlungen, Lichttherapien und topische sowie Systemtherapien bei Psoriasis sind Schwerpunkte der Tagesklinik. Der Tagesklinik angegliedert ist die Infusionsambulanz für Chemo- und Immuntherapien sowie die photodynamische Therapie.
An der Klinik für Dermatologie und Allergologie wird großen Wert auf eine umfassende Weiterbildung der Mitarbeiter gelegt. Prof. Welzel besitzt die volle Weiterbildungsberechtigung für Dermatologie und für die Zusatzbezeichnungen Allergologie und Dermatohistopathologie. Die Facharztweiterbildung findet nach einem festgelegten Rotationsplan statt. Regelmäßige Mitarbeitergespräche, interne und externe Fortbildungen runden die Ausbildung und Mitarbeiterführung ab. Derzeit sind 4,5 Oberarztstellen und 10 Assistenzarztstellen besetzt ([Abb. 4]).
Forschung und Lehre sind kein Schwerpunkt eines kommunalen Hauses. Dennoch ist die Hautklinik im Bereich der Forschung sehr aktiv. Für die Teilnahme an klinischen Studien wurde ein Studienzentrum ([Abb. 5]) aufgebaut. Forschungsfelder sind die nichinvasive Diagnostik in der Dermatologie sowie das metastasierte Melanom. Es konnten in den letzten Jahren erhebliche Drittmittel für Forschungsprojekte eingeworben werden, die die Beschaffung von Geräten und Finanzierung von Drittmittelstellen ermöglichen. Im Bereich der Lehre wurden intensive Repetitorien für PJ-Studenten erarbeitet, in denen sich die Dermatologie aktiv einbringt und die zu einem Top-Ranking als akademisches Lehrkrankenhaus geführt haben.
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Zukunft
Seit dem denkwürdigen Eintrag in das Goldene Buch der Stadt Augsburg „Die Uni-Klinik kommt!!!“ durch den Ministerpräsidenten Dr. Horst Seehofer im Jahre 2009 befindet sich das Klinikum Augsburg auf dem Weg zur Umwandlung in eine Universitätsklinik. Vorbehaltlich der Zustimmung durch die verantwortlichen Gremien (u. a. Wissenschaftsrat, Wissenschaftsministerium) ist die Einrichtung einer medizinischen Vollfakultät an der Universität Augsburg geplant. Im Rahmen eines Modellstudienganges sollen 2018 die ersten Studenten ihr Medizinstudium in Augsburg aufnehmen können. Geplante Forschungsschwerpunkte sollen die Umweltmedizin und Medizininformatik sein. Um das Zentralklinikum herum wird ein großer Campus mit Lehr- und Forschungsgebäuden geplant.
Die Dermatologie ist bei diesem gewaltigen Umgestaltungsprozess sehr aktiv in verschiedenen Gremien beteiligt. Insbesondere im Bereich der Umweltmedizin gibt es große Schnittmengen – hier wird bereits an ersten gemeinsamen Forschungsprojekten gearbeitet. Die Klinik für Dermatologie und Allergologie am Klinikum Augsburg nimmt sich dieser großen Herausforderung an und freut sich auf eine Zukunft mit intensiver Forschungstätigkeit und Studentenunterricht als Universitätshautklinik!
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Interessenkonflikt
Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.