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DOI: 10.1055/s-0041-107249
Mix & Match im OP
- Die Ausgangslage
- Der Fall
- Entscheidung des Kammergerichts
- Entscheidung des OLG Koblenz
- Die Konsequenz
- Zum Weiterlesen und Vertiefen
Bei Prothesenlockerung ist oft nur einer der beiden Gelenkpartner betroffen. In dieser Situation ist abzuwägen, einen Komplettwechsel vorzunehmen oder nur einen der beiden Gelenkpartner auszutauschen. Dieser Beitrag beleuchtet die Problematik aus medizinrechtlicher Sicht.
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Abkürzungen
Die Ausgangslage
In der Praxis ist „Mix & Match“ gängiger Implantate verschiedener Hersteller weit verbreitet; sei es für die Hüft-, aber auch für Schulter- und Ellenbogenprothesen. Ausgangspunkt der ärztlichen Überlegung hinsichtlich der operativen Therapie ist dabei regelhaft, dem Patienten eine umfangreiche, aus ärztlicher Sicht unnötige Operation zu ersparen und stattdessen dem Patienten einen kleineren und weniger belastenden Eingriff zu ermöglichen.
Unter „Mix und Match“ versteht man die Kombination von zwei zueinander passenden und funktionierenden Implantaten, die aber nicht als funktionelle Implantateinheit zugelassen sind (und meist von unterschiedlichen Herstellern stammen). Dies kann u. a. notwendig werden, wenn man nur eine Komponente einer Endoprothese (z. B. Pfanne oder Schaft) austauscht, weil für den Wechsel beim Originalhersteller kein geeignetes Wechselimplantat vorliegt oder die herstellende Firma nicht mehr existiert.
Die medizinische Thematik stellt sich dabei wie folgt dar:
Es gibt in der Endoprothetik aller Gelenke Lockerungserscheinungen. Oft ist nur einer der beiden Implantatpartner („Schaft“ oder „Pfanne“) gelockert. In diesen Fällen steht ein Komplettwechsel der Prothese im Raum. Dieser bringt aber ein für die Patienten oft erhebliches Zusatzrisiko mit sich:
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Einerseits wird der Operationsumfang deutlich ausgedehnt mit längerer Operationszeit und ggf. der Notwendigkeit zu Bluttransfusionen, was z. B. in der Schulterendoprothetik sonst eher nicht notwendig ist.
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Andererseits gibt es gerade beim Schaftwechsel von Ellenbogenprothesen ein nicht unerhebliches Komplikationspotenzial mit Frakturen des Oberarmknochens.
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Zudem gesellt sich durch die Ausweitung des Eingriffs ein deutlich erhöhtes Infektionsrisiko hinzu.
Kommt es im Verlauf tatsächlich zu Komplikationen, steht schnell aus Sicht des Patienten der Vorwurf ärztlichen Fehlverhaltens im Raum.
Was ist also zu tun?
Das Kammergericht Berlin sprach aktuell einen Operateur in einem derartigen Fall von jeglichem fehlerhaften Verhalten frei.
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Der Fall
Zur Entscheidung lag ein Fall, bei dem es medizinisch im Interesse einer schonenden Behandlung angezeigt war, nicht die Hüft-TEP (Abb. [1]) vollständig zu revidieren, sondern lediglich einen Steckkopf mit einer größeren Halslänge aufzusetzen und den Hüftschaft im Körper zu belassen. Der Steckkopf stammte von einem anderen Hersteller als jenem des Hüftschafts; der Hersteller des Steckkopfs hatte sein Produkt explizit für verschiedene Hersteller freigegeben. Nachfolgend kam es zu wiederholten Luxationen (Verrenkung/Auskugelung), die durch entsprechende Eingriffe reponiert wurden. Schließlich erfolgte eine Revisionsoperation, hierbei wurden Teile der Hüftprothese ausgetauscht; und zwar wurde auf einen steckbaren Konus der Originalprothese ein Konusadapter einer anderen Firma mit einem entsprechend verlängerten Kopfstück wiederum einer anderen Firma gesetzt. Es kam zum Prothesenbruch (Bruch des Aufsteckkonus des Hüftstiels), so dass eine erneute Revisionsoperation erforderlich wurde. Dabei kombinierte man bei dem Austausch von Teilen der Prothese wiederum einen Konusadapter der einen mit einer Halsverlängerung einer anderen Firma. Der Patient klagte auf Schadensersatz und Schmerzensgeld und machte geltend, dass die Operation behandlungsfehlerhaft erfolgte und bei den Revisionsoperationen unzulässige Produktkombinationen verwendet worden seien, die Ursache für den Bruch gewesen seien.
Maßnahmen, die vor der Durchführung eines revisionsendoprothetischen Eingriffs durchgeführt werden sollten
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Sich Kenntnis verschaffen über:
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den verwendeten Konus
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den Kopfdurchmesser
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den verwendeten Schaft (spezieller Ausschläger erforderlich?)
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die verwendete Pfanne (Ausdrehinstrumentarium bei Schraubpfannen?)
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die Pfannengröße (v. a. bei geplantem Wechsel des Inlays)
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Endoprothesenpass einsehen; ist dieser nicht verfügbar und erlaubt das Röntgenbild keine eindeutige Zuordnung, kann die Nachfrage beim Hersteller die OP-Planung erleichtern.
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Entscheidung des Kammergerichts
Kritik
Diese Argumentation erscheint zunächst stringent. Auffallend ist aber bereits, dass das Kammergericht weitgehend übereinstimmt mit dem „Aspekt der allgemeinen Verkehrsanschauung“, einer ansonsten „bürokratischen“ Betrachtungsweise des Regelungszwecks des ProdHaftG und damit letztlich mit allgemeinen Gerechtigkeitserwägungen nach dem Motto:
„Was medizinisch geboten ist, kann medizinprodukterechtlich bzw. produkthaftungsrechtlich nicht verboten sein“ (Abb. [2]).
Das Urteil mag dabei im Ergebnis dem Billigkeitsgefühl des gerecht Denkenden entsprechen. Die Begründung trägt das Ergebnis aber nicht. Ganz im Gegenteil vermitteln die Urteilsgründe das ungute Gefühl, dass sich das Gericht mit der ihm (wohl) unbekannten Materie des Medizinprodukterechts nicht weiter auseinandersetzen wollte. Vielmehr bewegt es sich auf dem bekannten Terrain des Arzthaftungsrechts, wenn es sich bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit ärztlichen Handelns allein auf die Stellungnahme des Sachverständigen verlässt.
So führt es unter Berufung auf den medizinischen Sachverständigen wörtlich aus: „Aus medizinischer Sicht ist die Verwendung der Verlängerung aber nicht zu beanstanden.“
„Aus medizinischer Sicht ist die Verwendung der Verlängerung aber nicht zu beanstanden.“
Dabei handelt es sich aber nicht um die Begründung, sondern um das zu begründende Ergebnis.
Zudem wird das KG seiner rechtlichen Verpflichtung nicht gerecht, den Sachverständigen anzuleiten und letztlich zu überprüfen.
„Der verfahrensrechtliche Ausgangspunkt für die Beurteilung eines Sachverhalts liegt darin, dass der Tatrichter zu einem eigenen Urteil auch in schwierigen Fachfragen verpflichtet ist. Er hat die Entscheidung auch über diese Fragen selbst zu erarbeiten, ihre Begründung selbst zu durchdenken. Er darf sich dabei vom Sachverständigen nur helfen lassen. Je weniger sich der Richter auf die bloße Autorität des Sachverständigen verlässt, je mehr er den Sachverständigen nötigt, ihn – den Richter – über allgemeine Erfahrungen zu belehren und mit möglichst gemeinverständlichen Gründen zu überzeugen, desto vollkommener erfüllen beide ihre verfahrensrechtliche Aufgabe.“
(so schon BGHSt 3, 113, 118); s. a. Tab. [1].
Die letztlich vom KG angebotene Begründung überzeugt allerdings nicht. So soll nach Ansicht des Gerichts keine Herstellung im Sinne des ProdHaftG eines Medizinprodukts vorliegen, wenn zwei Medizinprodukte unterschiedlicher Hersteller miteinander kombiniert werden. Das ist schlicht falsch. Die sogenannte Eigenherstellung von Medizinprodukten nach § 12 Abs. 1 S. 3 iVm. § 3 Nr. 21 MPG hat der EuGH bereits als Herstellungsprozess im Sinne des ProdHaftG qualifiziert (Abb. [3]) (EuGH, Urteil v. 10. 5. 2001 – C203/99, MPJ 2005,146; vgl. dazu bei Weimer/Jäkel, Ratgeber Medizinprodukterecht, 2012, Rdn. 118).
Frage |
Richtige Antwort |
zu finden |
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Wie lautet die medizinische Thematik hinter Mix & Match in der Prothetik? |
Es gibt in der Endoprothetik aller Gelenke Lockerungserscheinungen. Oft ist nur einer der beiden Implantatpartner („Schaft“ oder „Pfanne“) gelockert. In diesen Fällen steht ein Komplettwechsel der Prothese im Raum. Dieser bringt aber ein für die Patienten oft erhebliches Zusatzrisiko mit sich. |
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Warum hält das Kammgericht Berlin Mix & Match für zulässig? |
Das KG Berlin argumentiert, der Arzt werde nicht zum Hersteller im Sinne des ProdHaftG. Es erfolgte lediglich eine Reparatur und keine Neuherstellung. Würde man es anders sehen, müsste der Arzt, will er sich nicht den Haftungsrisiken nach dem ProdHaftG aussetzen, gegen das Patientenwohl die Hüftprothese insgesamt austauschen. |
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Was ist die Aufgabe eines medizinischen Sachverständigen vor Gericht? |
Der Sachverständige (SV) ist bloßer Gehilfe des Gerichts. Der Richter darf sich dabei vom Sachverständigen nur helfen lassen. „Je weniger sich der Richter auf die bloße Autorität des Sachverständigen verlässt, je mehr er den Sachverständigen nötigt, ihn – den Richter – über allgemeine Erfahrungen zu belehren und mit möglichst gemeinverständlichen Gründen zu überzeugen, desto vollkommener erfüllen beide ihre verfahrensrechtliche Aufgabe.“ |
so schon BGHSt 3, 113, 118 |
Welche Anforderungen müssen bei einer Eigenherstellung eines Medizinprodukts beachtet werden? |
Im Vorfeld des planbaren Eingriffs muss ein sogenanntes vereinfachtes Konformitätsbewertungsverfahren gemäß § 7 Abs. 9 MPV durchgeführt werden. |
§ 7 Abs. 9 MPV |
Welche Anforderungen müssen bei einer Sonderanfertigung für einen Patienten erfüllt werden? |
Es müsste ein vereinfachtes Konformitätsbewertungsverfahren nach § 7 Abs. 5 MPV durchgeführt werden. |
§ 7 Abs. 5 MPV |
Wann wäre ein haftungsrechtlich relevanter Herstellungsprozess zu verneinen? |
Ein tatbestandlich relevantes Herstellungsgeschehen ließe sich allenfalls dann verneinen, wenn die zusammengefügten Teilstücke von ein und demselben Produzenten bezogen und dann nach dessen vorgezeichneter Anleitung miteinander kombiniert worden wären. |
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Welche Konsequenzen resultieren aus dem Umstand, dass es sich bei Mix & Match um einen Herstellungsprozess eines Medizinprodukts handelt? |
Selbstverständlich hat ein Operateur im Vorfeld einer geplanten und planbaren Operation die haftungsrechtliche sowie medizinprodukterechtliche Pflicht, zu überprüfen, welche Prothese im Patienten verbaut wurde und welche Kombinationsmöglichkeiten bestehen. |
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Ist der ärztliche Standard losgelöst vom Medizinprodukterecht bzw. geht die ärztliche Therapiefreiheit dem MPG vor? |
Es kann keinen ärztlichen Standard geben, der gegen das Medizinprodukterecht verstößt, ist doch der ordnungsgemäße Betrieb bzw. die fehlerfreie Anwendung eines Medizinprodukts aus dem Behandlungsvertrag resultierende Nebenpflicht und Bestandteil der deliktsrechtlichen Verkehrssicherungspflicht. |
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Eigenherstellung
Liegt aber eine Eigenherstellung vor, so muss der Hersteller bestimmte regulatorische Anforderungen beachten. Danach hätte der Operateur im Vorfeld des planbaren Eingriffs ein sogenanntes vereinfachtes Konformitätsbewertungsverfahren durchführen müssen. § 12 Abs. 1 S. 3 MPG stellt eine Privilegierung für die Herstellung von Medizinprodukten innerhalb einer Gesundheitseinrichtung dar. Wenn diese Produkte den Herrschaftsbereich des Betreibers niemals verlassen, also nicht in Verkehr gebracht werden, muss nur ein Teil der klassischen Herstellerpflichten übernommen werden.
Die zusammenfassende Beschreibung der Verfahren der Eigenherstellung findet sich seit der 4. MPG-Novelle für sonstige Medizinprodukte – wie hier – in § 7 Abs. 9 MPV. Danach zählen zu den Pflichten des Eigenherstellers die in der Checkliste zusammengefassten Aufgaben. Es muss eine Dokumentation beigelegt werden, aus der sich Fertigungsstätte, Auslegung, Herstellung und Leistungsdaten sowie qualitätssichernde Maßnahmen ergeben etc.
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Abgabe einer Erklärung mit den Angaben Name und Anschrift des Herstellers
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die zur Identifizierung des jeweiligen Produkts notwendigen Daten
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Versicherung, dass das Produkt die grundlegenden Anforderungen nach Anhang I der Richtlinie 93/42 erfüllt
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Dokumentation mit folgenden Angaben:
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Fertigungsstätte
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Auslegung
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Herstellung
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Leistungsdaten
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qualitätssichernde Maßnahmen etc.
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Aufbewahrung der Erklärung und der Dokumentation über 15 Jahre
Selbst wenn es sich im konkreten Einzelfall um eine Sonderanfertigung für einen konkreten Patienten und nicht um eine standardisierte Vorgehensweise gehandelt haben sollte, müsste der Arzt ein Konformitätsbewertungsverfahren nach § 7 Abs. 5 MPV (s. a. [Infobox „Hintergrundinformation“]) durchführen und die Erklärung nach Nummer 2.1. des Anhangs VII der Richtlinie 93/42/EWG ausstellen und dem Patienten eine Kopie mitgeben. Der Arzt hat weiter eine Dokumentation nach Nummer 3.1. des Anhangs VII zu erstellen und alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um die Übereinstimmung des hergestellten Medizinprodukts mit dieser Dokumentation zu gewährleisten. Diese Dokumentation samt Erklärung ist 15 Jahre aufzubewahren.
Letztlich muss der Arzt zusichern, die Erfahrungen mit Produkten in der der Herstellung nachgelagerten Phase auszuwerten und zu dokumentieren sowie angemessene Vorkehrungen zu treffen, um erforderliche Korrekturen durchzuführen (Abb. [4]).
Hersteller müssen für jedes ihrer Produkte die Produktsicherheit nachweisen und gewährleisten, dass es den gesetzlichen Anforderungen entspricht. Bei Medizinprodukten besteht aufgrund eines erhöhten Gefährdungspotenzials dieser Produkte die Besonderheit, dass zusätzlich auch die medizinisch-technische Leistungsfähigkeit nachgewiesen werden muss in der Art, wie sie vom Hersteller in der Produktkennzeichnung als medizinische Indikation dargestellt ist.
Bei der Durchführung eines solchen Konformitätsbewertungsverfahrens hilft die Verwendung einer harmonisierten Norm der Din EN 14 791 (Einzelheiten bei Weimer/Jäkel, Ratgeber Medizinprodukterecht, 2012, Rdn. 117).
Wird diese harmonisierte Norm eingehalten, wird zwar nicht zwingend der Entlastungsbeweis nach § 1 Abs. 2 ProdHaftG im Produkthaftungsprozess geführt worden sein (vgl. Weimer, „Passivlegitimation MP-Hersteller vs. Krankenhausträger“, in: Jorzig/Uphoff [Hrsg.] Arbeitsgemeinschaft Rechtsanwälte im Medizinrecht e. V., „Medizinprodukte in der Anwendung: Alle machen mit, keiner haftet“, 2013, S. 49 ff.; OLG Hamm, Urteil vom 26. 10. 2010 [Az: I-21 U 163/08]). Gleichwohl ist die Darlegung der regulatorischen Compliance notwendiger Bestandteil der Verteidigungsstrategie zur Abwehr von Schadensersatz- und Schmerzensgeldforderungen wie auch der Verteidigung im Strafprozess-, aber auch im Ordnungswidrigkeitenverfahren.
Gemäß § 42 Abs. 2 Nr. 6 MPG handelt nämlich ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder fahrlässig entgegen § 12 Abs. 1 MPG ein Medizinprodukt aus Eigenherstellung bzw. Sonderanfertigung in Betrieb nimmt. Auch strafrechtlich erwachsen Risiken, da der Hersteller verpflichtet ist, sich von der Gefahrlosigkeit seines Produkts zu überzeugen (vgl. § 4 Abs. 1 Nr. 1 MPG).
Ein Verstoß gegen § 12 Abs. 1 MPG kann nach § 41 Nr. 1 MPG mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe geahndet werden.
Aus einem Verstoß gegen Betreiber- und Anwenderpflichten resultieren u. U. Risiken hinsichtlich:
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Strafrecht:
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Geldstrafe
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Freiheitsstrafe
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Ordnungswidrigkeit:
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Geldbuße
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Zivilrecht:
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Schadensersatz
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Schmerzensgeld
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Entscheidung des OLG Koblenz
Überzeugender ist denn auch die Rechtsauffassung des OLG Koblenz. In dem Beschluss vom OLG Koblenz (v. 26. 03. 2013 – 5 U 1474/12, Rn. 21) wird feststellt:
„[…] Allerdings vermag die Erwägung des Landgerichts, die vom Krankenhaus (zu dessen Herstellerhaftung im Unterschied zur fehlenden Einstandspflicht des ausführenden Operateurs; vgl. Oechsler in Staudinger, BGB, 2009, § 4 ProdHaftG Rndr. 9 ff.) zu verantwortende Zusammenfügung des Prothesenschafts mit dem Gelenkkopf sei nicht die Herstellung eines Produkts im Sinne von § 4 Abs. 1 S. 1 ProdHaftG, nicht zu greifen.
Der Gelenkkopf wurde am 28. 05. 2003 intraoperativ auf den Konus des Prothesenschafts aufgesteckt. Dieser Vorgang, bei dem aus zwei Einzelteilen ein funktionstaugliches Ersatzstück geschaffen wurde, unterfiel § 4 Abs. 1 S. 1 ProdHaftG (Oechsler a. a. O. § 4 ProdHaftG Rndr. 21 f.; Sprau in Palandt, BGB, 72. Aufl., § 4 ProdHaftG Rndr. 3; Wagner in Münchner Kommentar, BGB, 5. Aufl., § 4 ProdHaftG Rndr. 8). Dass es sich bei dem neu entstandenen Produkt um ein Körperimplantat handelte, ändert daran nichts (Oechsler a. a. O. § 2 ProdHaftG Rndr. 39; Wagner a. a. O. § 2 ProdHaftG Rndr. 17; Graf von Westphalen in Foerste/Graf von Westphalen, Produkthaftungshandbuch, 3. Aufl., § 49 Rndr. 20).
Ein tatbestandlich relevantes Herstellungsgeschehen ließe sich allenfalls dann verneinen, wenn die zusammengefügten Teilstücke von ein und demselben Produzenten bezogen und dann nach dessen vorgezeichneter Anleitung miteinander kombiniert worden wären (so Wagner a. a. O. § 4 ProdHaftG Rndr. 8; a. A. jedoch Oechsler a. a. O., § 4 ProdHaftG Rndr. 27; Graf von Westphalen a. a. O. § 49 Rndr. 19 f.).
Davon kann indessen keine Rede sein. Die von einer solchen Sondersituation verschiedenen Gegebenheiten des vorliegenden Falls wurden im Termin vom 31. 05. 2012 erörtert (Anhörung Prof. Dr. F., Protokoll Seite 5 = Blatt 211 GA). Mit diesen Erwägungen ist jedoch am Ende nichts gewonnen. Denn es steht nicht fest, dass die implantierte Prothese von ihrem Material oder ihrer Zusammenfügung her mit einem Fehler (§ 3 ProdHaftG) behaftet war; dafür trägt der Kläger die Beweislast (§ 1 Abs. 4 S. 1 ProdHaftG).
Aus dem bloßen Umstand, dass der Gelenkkopf zerbrach, lässt sich insoweit nichts ableiten, weil damit statistisch gerechnet werden musste.“
Das Urteil des KG Berlin erschöpft sich demgegenüber in allgemeinen Gerechtigkeitsausführungen, ohne aber unter eine konkrete Norm zu subsumieren. Die Begründung im Urteil (Rdn. 105) (s. folgende [Infobox]) kann zwar unter dem Gesichtspunkt eines rechtfertigenden Notstands diskutiert werden. Eine solche Situation des rechtfertigenden Notstands wird im Urteil aber nicht beschrieben.
„[…] ein Verstoß gegen das Medizinproduktegesetz und die Medizinprodukte-Betreiberverordnung ist in Anbetracht des Umstandes, dass das streitgegenständliche Vorgehen medizinisch sachgerecht und im Vergleich zur Auswechselung der gesamten Prothese einschließlich Schaft das erheblich schonendere Vorgehen darstellte, unter Abwägung einer Nutzen-Risiko-Abwägung, zu verneinen.“
Der häufigste Grund für revisionsendoprothetische Eingriffe ist die aseptische Prothesenlockerung. Aber auch Infektionen, Dislokationen, periprothetische Frakturen und Implantatbrüche kommen vor (s. [Übersicht]).
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Lockerung
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aseptische
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septische
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Infektion
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periprothetische Frakturen
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Abrieb
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Allergie
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Materialdefekt
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Implantatbruch
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Fehlpositionierung des Implantats
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Luxation
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Die Konsequenz
Selbstverständlich hat ein Operateur im Vorfeld einer geplanten und planbaren Operation die haftungsrechtliche sowie medizinprodukterechtliche Pflicht, zu überprüfen, welche Prothese im Patienten verbaut wurde und welche Kombinationsmöglichkeiten bestehen (Abb. [5]).
Wenn nach Prüfung keine weitere Kombinationsmöglichkeit im Sinne einer der beteiligten Hersteller beigelegten Positivliste existiert, entsteht eine sehr interessante Abwägungsfrage, ob ein Krankenhausträger/Operateur verpflichtet sein bzw. werden kann, ein Medizinprodukt eigenherzustellen bzw. sonderanzufertigen, um einen größeren Eingriff für den Patienten zu vermeiden (Stichwort: Pflicht zur Durchführung eines vereinfachten Konformitätsbewertungsverfahrens nach DIN EN 14 791). Das ist im Ergebnis aber wohl kaum vor dem Hintergrund eines aus der Eigenherstellung entstehenden Haftungsrisikos aus dem ProdHaftG bzw. § 823 Abs. 2 BGB iV mit §§ 12 Abs. 1 S. 3, S. 1; 4 Abs. 1 Nr. 1 MPG anzunehmen.
Vorliegend lassen sich aber den Urteilsgründen des KG durchaus Anhaltspunkte entnehmen, die auf ein zulässiges Kombinationsprodukt zumindest schließen lassen. Im Urteil heißt es nämlich:
„Aus medizinischer Sicht ist die Verwendung der […] Verlängerung aber nicht zu beanstanden, vielmehr wurde dieser [Steckkopf] sogar explizit für die sekundäre Stabilisierung von instabilen Hüftendoprothesen verschiedener Hersteller entwickelt.“
Wenn die Verlängerung aber für die sekundäre Stabilisierung hergestellt wurde, ist die Kombination beider Teilprodukte wohl vom Hersteller der Verlängerung als zulässig beschrieben worden. Diesem Gesichtspunkt hätte das KG Berlin nachgehen müssen, indem es in die zwingenden Gebrauchs- und Herstellerinformationen Einblick hätte nehmen müssen (Abb. [6]).
Es mag bei Lektüre des Urteils der Eindruck entstehen, dass der ärztliche Facharztstandard im Arzthaftungsrecht quasi in Konkurrenz zum Medizinprodukterecht stehen könne und die ggf. auftretende Widersprüchlichkeit im Wege einer praktischen Konkordanz aufgelöst werden müsse. Das ist nicht richtig.
Jede ärztliche Maßnahme greift in innere Lebensvorgänge ein oder verletzt die körperliche Integrität des Patienten.
Der Arzt schuldet eine fachgerechte Behandlung des Patienten, nicht jedoch einen konkreten Erfolg. Neben dieser Hauptleistungspflicht bestehen diverse vertragliche Nebenpflichten, insbesondere die Pflicht zur ordnungsgemäßen Aufklärung oder zur Dokumentation.
Ein zentrales Element der Arzthaftung ist das System von beweisrechtlichen Regelungen, mit welchem Grad an Wahrscheinlichkeit eine Behauptung bewiesen sein muss, um Grundlage einer gerichtlichen Entscheidung werden zu können, und welche Partei für welche Behauptungen den Beweis antreten muss.
Es kann keinen ärztlichen Standard geben, der gegen das Medizinprodukterecht verstößt, ist doch der ordnungsgemäße Betrieb bzw. die fehlerfreie Anwendung eines Medizinprodukts aus dem Behandlungsvertrag resultierende Nebenpflicht und Bestandteil der deliktsrechtlichen Verkehrssicherungspflicht.
Das Arzthaftungsrecht steht damit nicht im Konkurrenzverhältnis zum Medizinprodukterecht, sondern das Medizinprodukterecht ist dessen notwendiger und natürlicher Bestandteil. Der Operateur hat sich damit im Vorfeld der planbaren Operation über die verbauten Implantate und deren Kompatibilität mit möglichen Ersatzteilen zu informieren, will er sich vor Gericht wie auf hoher See nicht allein und in Gottes Hand wieder finden.
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Interessenkonflikt: Die Autoren bestätigen, dass kein Interessenkonflikt vorliegt.
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Zum Weiterlesen und Vertiefen
- 1 Claes L, Kirschner P, Perka C et al. AE-Manual der Endoprothetik. Hüfte und Hüftrevision. Heidelberg: Springer; 2012
- 2 Gärtner V. Revisionsendoprothetik am Kniegelenk. Orthop Unfallchir Up2date 2008; 3: 233-246
- 3 Krenn V, Kölbel B, Huber M et al. Revisionsendoprothetik. Infektionsdiagnostik und Histopathologie. Orthopäde 2015; 44: 349-356
- 4 Schiltenwolf M, Schwarz M. Begutachtung in der Medizin. Heidelberg: Springer; 2013
- 5 Trieb K, Heller KD, Wirtz DC (Hrsg) Modulare Revisionsendoprothetik des Kniegelenks. Berlin: Springer; 2011
Korrespondenzadresse
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Zum Weiterlesen und Vertiefen
- 1 Claes L, Kirschner P, Perka C et al. AE-Manual der Endoprothetik. Hüfte und Hüftrevision. Heidelberg: Springer; 2012
- 2 Gärtner V. Revisionsendoprothetik am Kniegelenk. Orthop Unfallchir Up2date 2008; 3: 233-246
- 3 Krenn V, Kölbel B, Huber M et al. Revisionsendoprothetik. Infektionsdiagnostik und Histopathologie. Orthopäde 2015; 44: 349-356
- 4 Schiltenwolf M, Schwarz M. Begutachtung in der Medizin. Heidelberg: Springer; 2013
- 5 Trieb K, Heller KD, Wirtz DC (Hrsg) Modulare Revisionsendoprothetik des Kniegelenks. Berlin: Springer; 2011