Subscribe to RSS
DOI: 10.1055/s-0041-107490
Hypospadie – Kosmetisches Ergebnis nach operativer Korrektur
Publication History
Publication Date:
22 February 2016 (online)
Bei männlichen Neugeborenen, die mit einer penilen Hypospadie zur Welt kommen, erfolgt meist innerhalb des ersten Lebensjahres eine chirurgische Korrektur der Fehlbildung. Trotz der aus ärztlicher Sicht meist zufriedenstellenden plastisch-operativen Ergebnisse sind viele dieser Patienten im Erwachsenenalter mit der Größe und der kosmetischen Erscheinung ihres Penis unzufrieden. Ruppen-Greeff und Kollegen von der Universität Zürich sind der Frage nachgegangen, wie potenzielle Sexualpartnerinnen die Penis-Morphologie dieser Patienten wahrnehmen und welche Variablen diese Beurteilung beeinflussen.
J Sex Med 2015; doi: 10.1111/jsm.12942
mit Kommentar
105 Frauen verschiedener Altersgruppen (16–20, 25–30 bzw. 40–45 Jahre) wurden gebeten, anhand von Fotografien die genitale Erscheinung von erwachsenen Männern mit chirurgisch korrigierter Hypospadie zu beurteilen. Als Kontrolle dienten Bilder von Männern mit Zustand nach Zirkumzision.
Alle Hypospadie-Patienten waren zwischen 1980 und 1984 in der Abteilung für Kinderurologie der Universität Zürich / Schweiz operativ behandelt worden. Jeder Probandin wurden 10 Foto-Sets von korrigierten Hypospadien sowie 10 Kontroll-Sets vorgelegt, die mithilfe eines standardisierten Fragebogens bezüglich der Penis-Morphologie („normal“ versus „anormal“) bewertet werden sollten.
Weiterhin wurde die Gewichtung folgender genitaler Charakteristika bei der Beurteilung der Penis-Ästhetik analysiert:
-
Penislänge
-
Penisumfang,
-
Lage und Form des Meatus urethrae,
-
Gestalt der Eichel und des Skrotums,
-
Haut- und Pubes-Beschaffenheit,
-
allgemeines Erscheinungsbild.
Zusätzlich wurden demografische Daten sowie Informationen zum Sexualleben der Frauen erfasst.
Penislänge und Position des Meatus weniger wichtig
Das durchschnittliche Alter der Frauen betrug 28,4 ± 9,7 Jahre und das der Hypospadie- bzw. Zirkumzision-Patienten 24,0 ± 2,5 bzw. 30,4 ± 7,3 Jahre. Die größte Relevanz für die ästhetische Beurteilung des Penis hatte in den Augen der Frauen das allgemeine genitale Erscheinungsbild, wobei die Penislänge sowie Position und Form des Meatus von untergeordneter Bedeutung waren.
Im Vergleich zu den zirkumzidierten Männern wurde die Penis-Morphologie der Hypospadie-Patienten generell als „weniger normal“ eingestuft. Das genitale Erscheinungsbild der Männer mit korrigierter distaler Hypospadie wurde hingegen von den Frauen als dem der zirkumzidierten Kontrollgruppe gleichwertig beurteilt. Das ungünstigste kosmetische Ergebnis hatten aus Sicht der Frauen Männer mit proximaler Hypospadie.
Ältere Frauen, Frauen mit stärkerem sexuellen Interesse sowie Frauen, die bei der Beurteilung der genitalen Ästhetik weniger Wert auf die Penislänge legten, nahmen die Penis-Morphologie nach Hypospadie-Korrektur bzw. Zirkumzision signifikant häufiger als „normal“ wahr.
Männer mit einer im Kindesalter operativ korrigierten distalen Hypospadie, welche die Mehrheit der Hypospadie-Fälle ausmachen, haben nach Ansicht der Frauen ein vergleichbar gutes kosmetisches Ergebnis wie zirkumzidierte Männer. Für die Einschätzung als „normales“ Genitale ist hierbei für die Frauen das Gesamt-Erscheinungsbild des Penis und nicht ein einzelner morphologischer Aspekt von Bedeutung. Dies, so Ruppen-Greeff et al., sollte bei der Beratung der Eltern betroffener Kinder berücksichtigt werden. Da insbesondere die Position und die Form des Meatus urethrae bezüglich der genitalen Kosmetik von den weiblichen Testpersonen als der am wenigsten relevante Faktor identifiziert wurde, kann bei Kindern mit einer milden Hypospadie ohne funktionelles Defizit möglicherweise auf eine rein kosmetische Meatus-Korrektur verzichtet werden.
#
Kosmetisches Ergebnis allein ist nicht entscheidend
Um die Aussage werten zu können, dass weiter proximal ausgebildete Hypospadien schlechter beurteilt werden, ist die Patientengruppe nach operativer Hypospadiekorrektur mit nur 10 Patienten sehr klein und sehr inhomogen (3 MAGPI, 3 Mathieu, 2 Island-flap-Technik, 1 Island- und Onlay-flap-Technik und 1 Denis-Browne-Technik). Von diesen 10 Patienten hatten 3 zusätzlich eine Reoperation. Wodurch diese notwendig wurden und ob es sich dabei um Komplikationen (was einer Komplikationsrate von 30 % entsprechen würde) handelt, bleibt unbeantwortet. Inwieweit die Nachoperation Einfluss auf den kosmetischen Aspekt (z. B. Narbenbildung) hat, wird nicht untersucht. Um bezüglich der Kosmetik eine höhere Aussagekraft zu bekommen, wäre es sinnvoll gewesen, eine Gruppe der operierten Hypospadien zu nehmen, die mit einer einheitlichen Operationstechnik versorgt wurden.
Als Einschränkungen dieser Untersuchung werden von den Autoren selbst 6 limitierende Faktoren angegeben. Auszugsweise werden nur einige Punkte hier angeführt. Es handelt sich um eine sehr geringe Anzahl von operierten Patienten, die sich für Fotoaufnahmen zur Verfügung stellten. Ob es sich dabei um eine Positiv- oder Negativauswahl handelt, kann somit nicht beantwortet werden. Als eine dritte Vergleichsgruppe hätten nicht operierte Männer dienen können, um alle kosmetischen Aspekte abzudecken. Die Beurteilung der genitalen Aspekte erfolgte nur durch die Befragung und die Meinung von Frauen. Interessant wäre es gewesen, die Ergebnisse mit den subjektiven Eindrücken der betroffenen Männer zu vergleichen. Dies ist nicht erfolgt.
Eingeteilt werden die befragten Frauen auch nach ihrem sozioökonomischen Status (SES). Welchen Einfluss dieser Status aber auf die Beurteilung nimmt, wird nicht ausgeführt.
Zutreffend ist sicher, dass bei Minimalformen von Hypospadien das Vorgehen mit den Eltern oder mit älteren Patienten selbst zu besprechen ist und ggf. eine operative Korrektur nicht notwendig ist. Diese Entscheidungsfindung kann jedoch durch diese Untersuchung allein nicht getroffen werden.
Was in der Arbeit öfters angesprochen wird, dass kosmetische Gründe wie „schlitzförmiger Meatus an der Glansspitze“ als optimales Opertionsziel angesehen werden aber es aufgrund der Untersuchung nicht sind, kann nicht unkommentiert bleiben. Ist doch neben dem kosmetischen Aspekt auch der funktionelle Aspekt einer problemlosen Blasenentleerung mit einem geraden und nicht gespreizten Urinstrahl ein wichtiger Punkt speziell für Patienten. Weiterhin kann im flaciden Zustand des Penis eine Beurteilung bezüglich der Verhältnisse bei Erektion (gerade, verkrümmt) nicht getroffen werden. Zu den morphologischen Aspekten der Hypospadie gehören aber ventrales Schafthautdefizit und Chordastränge. Somit ist eine Beurteilung, ob ein Penis gut aussieht, im flaciden Zustand nur ein Teilaspekt.
Die Ergebnisse dieser Untersuchung können sicher Eingang in die Betrachtungsweise bei der operativen Behandlung von Hypospadien finden. Operativ tätigen Experten auf diesem Gebiet können sie als zusätzliche Entscheidungshilfe dienen. Ob sie als allgemeiner Ratgeber zur Entscheidungshilfe für Kinderärzte oder Hausärzte dienen kann, ob eine Operation sinnvoll ist oder nicht, ist eher zweifelhaft. Weiterhin ist die Empfehlung, bei milden Formen eine Zirkumzision anstatt einer operativen Korrektur durchzuführen, kritisch zu betrachten, da Präputialhaut entfernt wird, die ggf. bei einer Penisverkrümmung durch ventrales Hautdefizit zu einer Rekonstruktion notwendig sein könnte.
Die Schlussfolgerungen und die Zusammenfassung dieser sehr genau und aufwändig durchgeführten Untersuchung, bei der es ja um die Frage ging „Was ist ein gut aussehender Penis“ korrelieren nicht mit den gezogenen Empfehlungen für den Einsatz in der klinischen Entscheidungshilfe. Zusammenfassend handelt es sich bei der Veröffentlichung entsprechend den Leitlinien der EAU um eine Studie mit einem Level of Evidence 3 und einem Grad der Empfehlung B.
PD Dr. Jörg Seibold, Stuttgart
#