Einleitung
Die Katze verdrängt in vielen Ländern den Hund als Nummer 1 auf der Beliebtheitsskala der Haustiere. In
Deutschland ist ihr dies bereits vor vielen Jahren nachhaltig gelungen. Die Zahl der als Haustier gehaltenen
Katzen hat sich in den letzten 15 Jahren nahezu verdoppelt, während die Zahl der gehaltenen Hunde nur
vergleichsweise wenig variiert. Im Jahre 2014 standen 6,8 Millionen Hunde 11,8 Millionen Katzen gegenüber
[[9]].
Dieser „Katzen-demografische“ Wandel hat vielfältige Gründe, die nicht zuletzt auf die veränderten
Lebensumstände unserer eigenen Spezies zurückzuführen sind. Die Katze scheint auf den ersten Blick das
ideale Haustier für unsere gegenwärtige Gesellschaft zu sein. Das kann sie in vielen Fällen sicher auch
sein, wenn wir uns hin und wieder vergegenwärtigen, dass die Familie der Felidae zu den alleinlebenden
Raubtieren gehört und mit Ausnahme der Löwen nicht in sozial strukturierten Gruppen lebt [[6]]. Flexibilität hat aber auch bei Katzen ihre Grenzen.
Auch in der Tiermedizin nimmt die Katze einen deutlich größeren Raum ein als in den vergangenen Jahrzehnten.
Hierfür gibt es zahlreiche Gründe: Neben der zahlenmäßigen Zunahme der „Haustiger“ und dem damit gestiegenen
Interesse der Pharma- und Futtermittelforschung sowie -industrie, darf auch der Modellcharakter der Katze
für die humane AIDS- und Lymphomforschung nicht außer Acht gelassen werden.
Die Lebenserwartung der Katze hat sich in diesen Jahrzehnten annähernd verdoppelt. Es sitzen täglich
viele Katzensenioren im Wartezimmer. Auch hier ist eine Angleichung des Patienten „Katze“ an den Patienten
„Mensch“ zu beobachten. Die Katze wird immer älter und die typischen Altersgebrechen nehmen zu. Einzeln
diagnostiziert mögen diese Erkrankungen ein klares Therapieschema nach sich ziehen. Was ist aber, wenn
mehrere Krankheiten gleichzeitig festgestellt werden, die sich im Verlauf beeinflussen und den
Katzen, den Besitzern und nicht zuletzt den Tierärzten das Leben erschweren? Diese Übersicht konzentriert
sich auf die fast täglich vorkommenden Krankheitskombinationen. Sie erhebt in keinster Weise einen Anspruch
auf Vollständigkeit.
Hyperthyreose und chronische Nierenerkrankung
Diese Kombination ist sicher die häufigs
te Kombination geriatrischer Erkrankungen in der
Katzensprechstunde (▶
Tab.
[
1
]). Die chronische
Nierenerkrankung der Katze (CNE) kann nicht nur die Diagnose der Hyperthyreose erschweren, sie beeinflusst
auch deren Therapie und Prognose.
Tab. 1
Ergebnisse der Blutuntersuchung einer multimorbiden älteren Katze mit Hyperthyreose, chronischer
Nierenerkrankung, chronischer Pankreatitis und derzeit in Remission befindlichem Diabetes mellitus. Der
Diabetes mellitus wurde iatrogen durch Kortikoide zur Behandlung eines eosinophilen Granuloms ausgelöst.
Die Katze konnte seit 6 Jahren erfolgreich gemanaged werden.
Parameter
|
Einheit
|
Ergebnis
|
Referenzwert
|
Blutbild
|
|
|
|
Leukozyten
|
G/l
|
6,5
|
6–11
|
Erythrozyten
|
T/l
|
10,2
|
5–10
|
Hämoglobin
|
g/dl
|
14,5
|
9–15
|
Hämatokrit
|
%
|
47
|
28–45
|
MCV
|
fl
|
46
|
40–55
|
MCH
|
pg
|
14
|
13–17
|
MCHC
|
g/dl
|
31
|
31–35
|
Thrombozyten
|
G/l
|
233
|
150–550
|
Retikulozyten (relativ)
|
%
|
0,25
|
–
|
Retikulozyten (absolut)
|
/μl
|
26000
|
< 50000
|
Differenzialblutbild
|
|
|
|
basophile Granulozyten
|
%
|
0
|
0–1
|
eosinophile Granulozyten
|
%
|
2
|
0–6
|
Segmentkernige
|
%
|
79
|
50–75
|
Lymphozyten
|
%
|
16
|
15–50
|
Monozyten
|
%
|
3
|
0–4
|
basophile Granulozyten (absolut)
|
/μl
|
0
|
≤ 200
|
eosinophile Granulozyten (absolut)
|
/μl
|
104
|
0–600
|
Segmentkernige (absolut)
|
/μl
|
5137
|
3000–11000
|
Lymphozyten (absolut)
|
/μl
|
1022
|
1000–6000
|
Monozyten (absolut)
|
/μl
|
201
|
0–500
|
LUC*
|
%
|
0
|
–
|
Niere
|
|
|
|
Harnstoff-N
|
mg/dl
|
39
|
16–38
|
Kreatinin
|
mg/dl
|
1,9
|
< 1,9
|
Natrium
|
mmol/l
|
151
|
147–159
|
Chlorid
|
mmol/l
|
115
|
109–129
|
Kalium
|
mmol/l
|
2,8
|
3,3–5,8
|
anorganisches Phosphat
|
mmol/l
|
1,1
|
0,8–2,2
|
Leber
|
|
|
|
Bilirubin
|
mg/dl
|
0,2
|
< 0,4
|
ALT (GPT)
|
U/l
|
68
|
< 175
|
alkalische Phosphatase
|
U/l
|
39
|
< 73
|
γ-GT
|
U/l
|
< 1
|
< 5
|
AST (GOT)
|
U/l
|
33
|
< 71
|
GLDH
|
U/l
|
2
|
< 11
|
Gesamteiweiß
|
g/dl
|
7,9
|
5,9–8,7
|
Albumin im Serum
|
g/dl
|
3,2
|
2,7–4,4
|
Globulin
|
g/dl
|
4,7
|
2,9–5,4
|
Albumin-Globulin-Quotient
|
–
|
0,69
|
> 0,57
|
Pankreas
|
|
|
|
Glukose
|
mg/dl
|
283
|
63–140
|
Cholesterin
|
mg/dl
|
254
|
< 329
|
Fruktosamin
|
μmol/l
|
228
|
190–365
|
Muskel
|
|
|
|
CK
|
U/l
|
144
|
< 542
|
LDH
|
U/l
|
144
|
< 182
|
Kalzium
|
mmol/l
|
2,5
|
2,2–2,9
|
Magnesium
|
mmol/l
|
0,9
|
0,6–1,1
|
Triglyceride gesamt
|
mg/dl
|
73
|
21–432
|
Schilddrüsenprofil
|
|
|
|
T4 (Gesamtthyroxin)
|
μg/dl
|
4,4
|
0,87–4,7
|
freies Thyroxin
|
ng/dl
|
3,7
|
0,7–2,6
|
feline spezifische Pankreaslipase
|
|
|
|
Ergänzungstest
|
μg/l
|
18
|
≤ 3,5
|
* LUC (large unstained cells): große, Peroxidase-negative Zellen.
|
Über 10 % der hyperthyreoten Katzen leiden zum Zeitpunkt der Diagnose ihrer Schilddrüsenerkrankung bereits
unter einer chronischen Nierenerkrankung. Ob es einen kausalen Zusammenhang zwischen den beiden
Erkrankungen gibt, kann bisher nicht mit Sicherheit entschieden werden. In jedem Fall ist die Interaktion
der beiden Krankheiten komplex.
Es werden verschiedene Möglichkeiten diskutiert, durch welche Mechanismen eine Hyperthyreose das Entstehen
einer chronischen Nierenerkrankung verursachen oder dazu beitragen kann. Diskutiert wird ein
tubulointerstitieller Schaden, der in der Folge zu Fibrose und chronischer interstitieller Nephritis führt
und durch einen Anstieg von Angiotensin II verursacht wird. Weiterhin werden Mikroinfarkte mit
resultierender Fibrose als Folge einer Hypertension, die bei einem Teil der hyperthyreoten Katzen
diagnostiziert werden kann, diskutiert [[7]].
Eine Hyperthyreose kann durch eine Erhöhung der glomerulären Filtrationsrate (GFR) für einen gewissen
Zeitraum eine bereits existierende chronische Nierenerkrankung „maskieren“. Die Nierenwerte scheinen besser
als sie in Wirklichkeit sind.
Diagnose
Katzen, die an beiden Erkrankungen leiden, können zur diagnostischen Herausforderung werden.
Euthyroid-Sick-Syndrom
Eine feline chronische Nierenerkrankung geht nicht selten mit einem Euthyroid-Sick-Syndrome (ESS) einher,
also einer Veränderung der Schilddrüsenhormone durch eine Nicht-Schilddrüsenerkrankung.
Spricht die Symptomatik deutlich für eine Hyperthyreose, sollte die Verdachtsdiagnose auch bei einem
normalen Gesamt-T4 (TT4) hinterfragt werden.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, um den Verdacht zu sichern oder auszuräumen: Da der Thyroxinspiegel
variiert, reicht es in einem Teil der Fälle, den Test nach 3–4 Wochen zu wiederholen. Zudem besteht die
Möglichkeit, im Labor den freien-T4-Wert (fT4) bestimmen zu lassen. Die Ergebnisse der TT4- und fT4-Tests
sollten gemeinsam interpretiert werden: Ein TT4 in der oberen Hälfte des Referenzbereichs in Zusammenhang
mit einem erhöhten fT4 macht das Vorliegen einer Schilddrüsenüberfunktion sehr wahrscheinlich. Ein
erhöhter fT4 mit einem niedrigen TT4 in der unteren Hälfte des Referenzbereichs macht eine Hyperthyreose
hingegen recht unwahrscheinlich. Bei der Durchführung des Tests ist eine Gleichgewichtsdialyse aufgrund
der größeren Genauigkeit vorzuziehen, wenngleich die Untersuchung mit einem erhöhten Kostenaufwand
verbunden ist.
Die weiteren diagnostischen Möglichkeiten werden selten benötigt:
-
Bestimmung des Thyroidea stimulierenden Hormons (TSH)
-
Triiodthyronin-Suppressionstest (T3-Suppressionstest)
-
Thyreotropin-Releasing-Hormone-Stimulationstest (TRH-Stimulationstest)
-
Szintigrafie der Schilddrüse
Während der T3-Suppressions- und der TRH-Stimulationstest in ihrer Durchführung aufwendig sind, steht die
Szintigrafie der Schilddrüse nur in spezialisierten Einrichtungen zur Verfügung.
Hyperthyreose
Vergleichsweise einfach hingegen ist die Interpretation eines Blutbefunds mit einem Kreatinin und
einem TT4, die beide im oberen Referenzbereich angesiedelt sind. Es ist zu vermuten, dass die
Katze an einer Hyperthyreose und einer chronischen Nierenerkrankung leidet.
Durch die Hyperthyreose sind die Kreatininwerte häufig „falsch“ erniedrigt bzw. maskiert. Kreatinin ist
ein Endprodukt des Muskelstoffwechsels. Dies erklärt, warum die typischerweise dünne, wenig muskulöse
hyperthyreote Katze einen eher niedrigen Kreatininspiegel hat.
In der Regel wird in der Nierendiagnostik neben dem Kreatinin- auch auf den Harnstoffwert
zurückgegriffen. Dieser kann sowohl bei chronischer Nierenerkrankung als auch bei der Hyperthyreose
erhöht sein, da durch den gesteigerten Appetit vermehrt Protein aus der Nahrung aufgenommen wird. Eine
Harnstofferhöhung bei einer (nüchternen) älteren Katze reicht alleine also nicht, um den Verdacht auf
eine chronische Nierenerkrankung zu untermauern. Bei beiden Werten kann eine erhöhte glomeruläre
Filtrationsrate im Rahmen einer Hyperthyreose zu reduzierten Blutspiegeln führen.
Es bleibt abzuwarten, inwieweit sich der Symmetric-Dimethylarginine-Test (SDMA-Test) als hilfreich
bei der chronischen Nierenerkrankung und der Kombination chronische Nierenerkrankung und Hyperthyreose
erweisen wird. Der Test, der in absehbarer Zeit in Deutschland eingeführt werden soll, soll eine
nachlassende Nierenfunktion deutlich früher im Routinelabor sichtbar machen als dies bisher möglich war
[[5]].
Auch bei der unabdingbaren Urinuntersuchung gibt es 3 wesentliche Auffälligkeiten, die bei beiden
Krankheiten zu finden sind:
-
Erniedrigung des spezifischen Gewichts
-
unterschiedlich ausgeprägte Proteinurie
-
häufigere Inzidenz von Harnwegsinfekten (▶
Abb.
[
1
])
Abb. 1 Urinuntersuchungen inkl. bakteriologischer Kultur von steril gewonnenem Punktionsurin
gehören zur Basisdiagnostik der meisten geriatrischen Katzenkrankheiten. (© J. Kremendahl)
Therapie
Für die meisten Katzen, bei denen eine Therapie gegen die Hyperthyreose eingeleitet wird, hat die
Behandlung keine Nierenprobleme zur Folge. Die Tiere können die deutliche Reduktion des renalen
Blutflusses und damit der glomerulären Filtrationsrate kompensieren. Bei einem Teil der Katzen kommt es
unter der Therapie jedoch zur Dekompensation. Der reduzierte renale Blutfluss „demaskiert“ in der
Folge eine bis dahin latente chronische Nierenerkrankung. Die Prozentangaben hierzu schwanken in der
Literatur erheblich und reichen bis zu ⅓ der betroffenen Katzen. Bisher ist es mithilfe der oben
geschilderten diagnostischen Tests nicht möglich, die Katzen, die dieses Problem entwickeln, vorab zu
identifizieren. Die Bestimmung der glomerulären Filtrationsrate könnte hierfür hilfreich sein. Sie wird
aber vermutlich – ebenso wie einige andere Nierenmarker – wegen des aufwendigen Testprotokolls keine
Praxisrelevanz erlangen.
Es ist davon auszugehen, dass sich die glomeruläre Filtrationsrate ca. 4 Wochen nach Einstellung der
Schilddrüse eingependelt hat.
Eine Hyperthyreose sollte zunächst medikamentös therapiert werden, bevor dauerhafte (und nicht
reversible) Therapieoptionen wie eine Thyreoidektomie oder eine Radioiodtherapie erwogen werden.
Es scheint empfehlenswert, zur Sicherheit einige Monate länger zu warten, insbesondere wenn das orale
Thyreostatikum (Thiamazol, Carbimazol) problemlos vertragen wird.
Bei Katzen, die unter oraler Therapie nicht tolerable Nebenwirkungen entwickeln, kann eine
transdermale Applikation von Thiamazolsalbe versucht werden. Voraussetzung hierfür ist die
Umwidmung in einem Therapienotstand gemäß § 56a, Abs. 2 (4) des Arzneimittelgesetzes (AMG). Der Vorteil
der transdermalen Applikation liegt im sanften, verzögerten Wirkungseintritt. Die Salbe eignet sich
besonders bei hyperthyreoten Katzen, bei denen man schon zu Therapiebeginn eine chronische
Nierenerkrankung vermutet. Erfreulicherweise stehen inzwischen auch unterschiedlich hoch dosierte orale
Thiamazolpräparate zur Verfügung. Der Tierarzt muss somit keine unnötig hohen Anfangsdosen verordnen, die
in der Lage wären, eine Dekompensation der Nieren zu forcieren.
Wenn beide Erkrankungen gleichzeitig vorliegen, ist das optimale Therapieergebnis für den individuellen
Patienten oft nur durch häufige Dosisanpassung des Thyreostatikums zu erreichen. Die pragmatische
Überlegung des Therapeuten lautet: Was braucht mein Patient derzeit mehr? Hat die Katze einen akzeptablen
TT4, aber recht hohe Nierenwerte, die mit einer Inappetenz einhergehen, reduziert der Autor die Dosis des
Thyreostatikums und beobachtet, ob sich die Nierenwerte verbessern und der Appetit zunimmt. Oder macht
die Schilddrüse mehr Probleme? Nimmt die Katze sehr gut Futter auf und verliert trotzdem Gewicht, sodass
die Niere Nahrungs- und Muskeleiweiß verstoffwechseln muss, korrigiert der Autor die Dosis des
Thyreostatikums nach oben.
Natürlich müssen für ein optimales Therapieergebnis auch die CNE-Richtlinien der International Renal
Interest Society (IRIS) in die Behandlung integriert werden [[2]].
Häufig ist bei den Patienten eine engmaschige Überwachung der relevanten Blutwerte nötig, bis die
Tiere einen relativ stabilen Zustand erreichen. Trotz der prinzipiell ungünstigen Kombination der
Erkrankungen kann bei umsichtiger Therapie in den meisten Fällen ein gutes Gleichgewicht erzielt werden,
sodass den Katzen über lange Zeit eine gute Lebensqualität erhalten bleiben kann.
Osteoarthritis und chronische Nierenerkrankung
Die Osteoarthritis ist eine chronisch-progressive Erkrankung, bei der der Gelenkknorpel langsam zerstört
wird und der betroffene Knochenabschnitt mit Umbauprozessen und Osteophytenzubildung reagiert. Die
Erkrankung, die bei der Katze meist ab einem Alter von 10 Jahren auftritt, ist am häufigsten an
Schulter-, Ellbogen- und Hüftgelenk lokalisiert.
Hauptsymptome sind:
Diagnose
Es ist wichtig, den klinischen Verdacht einer Osteoarthritis röntgenologisch abzusichern, da sich
die Symptome zum Teil durchaus mit denen einer kognitiven Dysfunktion oder Senilität überschneiden, deren
Inzidenz ebenfalls mit zunehmendem Alter steigt. Beispielhaft seien hier Aggressivität und Unsauberkeit
angeführt.
Bei Osteoarthritis sollte eine Therapieentscheidung immer auf Klinik und Bildgebung beruhen.
Eine ausgeprägte, röntgenologisch diagnostizierte Spondylose kann klinisch irrelevant sein und sollte –
insbesondere bei chronischer Nierenerkrankung – nicht automatisch zu einer antientzündlichen Therapie
führen.
Therapie
Die folgenden Therapieansätze sind zur Behandlung einer Osteoarthritis und einer gleichzeitig
vorliegenden chronischen Nierenerkrankung geeignet:
NSAIDs
Anders verhält es sich beim Einsatz von nicht steroidalen Antiphlogistika (NSAIDs). Hier gilt es – nicht
zuletzt auch wegen der zunehmenden Sensibilisierung der Katzenhalter – sorgfältig abzuwägen, ob die
Anwendung eines NSAID sinnvoll ist. Aufgrund einer Warnung der Food and Drug Administration (FDA) in den
USA aus dem Jahre 2010 wird regelmäßig auf die Verschreibung von Meloxicam Bezug genommen [[8]]. Diese Warnung wird häufig in einschlägigen Foren diskutiert. Konkret ging
es dabei darum, dass Meloxicam nicht wiederholt als Injektionspräparat bei der Katze und dass die orale
Hundesuspension nicht bei Katzen angewendet werden darf. Dies ist darauf zurückzuführen, dass Fälle von
akutem Nierenversagen bei Katzen in den USA vorgekommen seien. Wiederholte Injektionen sind noch immer
nicht zugelassen. Seit eine orale Suspension in verminderter Konzentration für Katzen mit passender
Dosierhilfe erhältlich ist, ist das Risiko von Dosierungsfehlern deutlich gesunken.
NSAIDs haben insbesondere über die Hemmung der Cyclooxygenase 1 (COX-1) Einfluss auf die
Prostaglandinsynthese. Prostaglandine haben einen gastroprotektiven Effekt und spielen eine wichtige
Rolle bei der Aufrechterhaltung des renalen Blutflusses, insbesondere bei Hypotension und Dehydratation.
Die Reduktion des Prostaglandinspiegels erklärt somit häufige Nebenwirkungen bei COX-1-Hemmern.
Meloxicam ist COX-1-sparend, die Halbwertzeit ähnelt der beim Hund. Es bietet sich daher als
Langzeitpräparat an. Das Präparat ist zudem in flüssiger Form mit hoher Akzeptanz verfügbar, was eine
genaue Dosierung und die Bestimmung der niedrigsten effektiven Dosis erleichtert. Eine Studie von Gowan
et al. (2011) zeigte, dass Meloxicam in einer oralen, täglichen Dosis von 0,02 mg/kg älteren Katzen mit
Osteoarthritis dauerhaft gegeben werden kann, auch wenn diese an chronischer Nierenerkrankung leiden
[[4]]. Bei einigen Katzen der Studie, die an chronischer Nierenerkrankung
litten, schien die Langzeitgabe von Meloxicam sogar die Progression der chronischen Nierenerkrankung zu
verlangsamen. Natürlich sollte eine unter chronischer Nierenerkrankung leidende Katze nur nach
abgesicherter Osteoarthritis-Diagnose, bei entsprechendem Leidensdruck und nach gescheiterten
Therapieversuchen mit den oben genannten anderen Optionen eine Meloxicam-Therapie beginnen (▶
Abb.
[
2
]). Nach Ansicht des Verfassers muss im Zweifelsfall
die Lebensqualität der Katze an erster Stelle stehen.
Abb. 2 Röntgenbild eines 17-jährigen, männlich-kastrierten EKH-Katers. Aufgrund hochgradiger
Veränderungen am rechten Knie und an der rechten Hüfte braucht dieser Patient trotz seiner chronischen
Nierenerkrankung eine konsequente Schmerztherapie. (© J. Kremendahl)
Ein Behandlungsversuch mit einem NSAID wie Meloxicam ist bei entsprechender Klinik – anfänglich unter
engmaschiger Laborkontrolle – gerechtfertigt.
Ein Nierenprofil (Kreatinin, Harnstoff, Phosphat) sollte dabei nach etwa 4 Wochen durchgeführt
werden. Je nach Ausgangswert und Entwicklung der Werte unter der Therapie können die Kontrollen auf ein
3-monatiges Intervall ausgedehnt werden.
Robenacoxib ist ein selektiver COX-2-Hemmer, der ein ähnlich günstiges Profil wie Meloxicam
aufweist. Der Wirkstoff ist bisher nur zur kurzfristigen Anwendung bis zu 6 Tagen zugelassen. Über die
Halbwertzeit der NSAIDs Carprofen, Ketoprofen und Tolfenaminsäure ist wenig bekannt.
Sie sind in Deutschland nur für eine Kurzzeitbehandlung der Katze zugelassen.
Kortikoide und Opioide
Sollte sich eine Verschlechterung der Nierenwerte zeigen, die auf das NSAID zurückzuführen ist, stehen
Kortikoide wie Prednisolon und Opioide wie Buprenorphin als weitere Behandlungsoptionen zu Verfügung.
Prednisolon ist zwar entzündungshemmend, aber auch potenziell knorpelschädigend und heilungsverzögernd,
sodass es nur nach Ausschöpfung der anderen Therapieoptionen zur Anwendung kommen sollte.
Antikonvulsivum
Gabapentin, eigentlich ein Antikonvulsivum, könnte in Zukunft eine größere Rolle bei der
Schmerztherapie, v. a. auch bei Neuropathien der Katze spielen. Bisher gibt es allerdings nur eine
bislang unveröffentlichte Studie zur Wirkung von Gabapentin bei der Osteoarthritis der Katze, die
allerdings positive Effekte feststellen konnte [[3]].
Weitere Ko-Morbiditäten
Es gibt eine Reihe weiterer Erkrankungen bei der geriatrischen Katze, die sich in der Diagnostik oder der
Therapie beeinflussen, aber in der täglichen Praxis nicht so häufig vorkommen. Als Beispiele hierfür seien
exemplarisch noch 2 weitere Kombinationen aufgeführt: Bei einem Diabetes mellitus und einer
Hyperthyreose überschneiden sich die Symptome wie Polyphagie, Gewichtsverlust, Polydipsie und
Polyurie weitgehend. Beide Erkrankungen treten aber selten simultan auf und sind – zumindest auf Laborebene
– leicht zu differenzieren.
Bei chronischer Nierenerkrankung und gleichzeitiger chronischer Pankreatitis kann es schwierig
werden, eine optimale Diätempfehlung zu geben. Bezieht eine Nierendiät ihre Energie durch die
Proteinreduktion im hohen Maße aus Fett, ist eine Reduktion des Fettanteils bei der chronischen Pankreatitis
vorteilhaft.
Vorsicht ist ebenfalls geboten, wenn eine Operation oder Narkose bei einer geriatrischen Katze
erforderlich wird. Dies ist zum Beispiel bei einer relevanten, schmerzhaften Zahnerkrankung der Fall.
Veränderter Stoffwechsel, nachlassendes Immunsystem sowie kardiale Vorerkrankungen müssen zu einem
individuellen Narkoseprotokoll führen.
Das Alter stellt keine Kontraindikation für einen operativen Eingriff dar. Nach entsprechender Aufklärung
zeigen sich die meisten Patientenbesitzer einsichtig und stimmen dem Eingriff zu.
Fazit
Die Geriatrie wird bei Katze und Hund in Zukunft einen immer größeren Platz in der täglichen
Kleintiersprechstunde einnehmen. Die in dieser Übersicht genannten Beispiele belegen, dass die geriatrische
Katzenmedizin eine durchaus anspruchsvolle Disziplin sein kann. In vielen Fällen kann die Lebenszeit bei
zufriedenstellender Lebensqualität – also sinnvoll – verlängert werden. Dies ist ein guter Grund, sich auch
auf diesem Gebiet über neue Erkenntnisse zu informieren.