Bei der felinen Pankreatitis können hinsichtlich des Zeitcharakters akute, subakute und chronische
Formen unterschieden werden. Letztere weisen nicht selten einen wellenartigen rezidivierenden Charakter
auf [[4], [5], [19]]. Für die Zuordnung dieser Formen werden die beteiligten Entzündungszellen, aber auch das
Vorliegen von Atrophie und Fibrose berücksichtigt. Es werden akute, nekrotisierende und suppurative Formen
von chronischen, nicht-suppurativen Formen differenziert.
Ungeachtet der Weiterentwicklung diagnostischer Möglichkeiten ist der konkrete Nachweis einer Pankreatitis
auch aufgrund der sehr variablen klinischen Symptomatik nicht immer einfach. Neben leichteren
Verlaufsformen können Katzen auch schwerwiegende, fulminante Formen mit Multiorganversagen entwickeln, die
sich innerhalb kurzer Zeitintervalle aufbauen können. An dem Schweregrad solcher klinischer Verlaufsformen
orientiert sich auch der therapeutische Aufwand bei den Patienten [[8]].
Ätiologie und Risikofaktoren
Ätiologie und Risikofaktoren
Die Ursachen für die Entstehung einer Pankreatitis bei der Katze sind größtenteils noch unbekannt.
Verschiedene potenzielle Ursachen werden diskutiert, u. a.:
-
stumpfe Traumata mit Ausbildung von Ischämien
-
lokale Durchblutungsstörungen nach Narkosen
-
Infektionen, z. B. Virusinfektionen (FCoV, FIV, Caliciviren), Toxoplasmose
-
Intoxikationen mit Organophosphaten
-
Darmentzündungen
-
Gallengangserkrankungen
-
Obstruktionen des Pankreasausführungsgangs
-
Hyperkalzämien
-
Arzneimittelreaktionen
Bis zu 2/3 der Katzen haben zeitgleich andere Erkrankungen wie Lipidose, Cholangitis, IBD-Syndrom,
Diabetes mellitus, interstitielle Nephritis und Pleuralergüsse [[8], [19], [23]]. Sehr viele Katzen mit Diabetes mellitus
weisen erhöhte pankreasspezifische Lipasekonzentrationen im Serum auf, wobei unklar ist, ob der Diabetes
eine Pankreatitis auslöst oder umgekehrt [[3]]. Beide Kausalverbindungen sind
denkbar und sollten bei diabetischen Katzen berücksichtigt werden.
Entgegen früherer Vermutungen scheinen bakterielle Infektionen bei Pankreatitiden eine kausale Rolle
zu spielen: Mithilfe moderner Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierungstechniken (FISH) konnten Bakterien im
Pankreasgewebe bei 35 % der Katzen mit Pankreatitis identifiziert werden [[8],
[22]].
Katzen jeden Alters können an einer Pankreatitis erkranken, jedoch werden häufiger mittelalte oder ältere
Tiere in der Literatur beschrieben. Eine signifikante Rassedisposition besteht nicht [[8]].
Klinische Symptomatik
Katzen mit Pankreatitis weisen ein sehr variables und häufig unspezifisches klinisches Bild
auf [[1], [5], [12], [14], [15]].
Die häufigsten Symptome sind:
-
Anorexie (95–97 %)
-
Lethargie (88–100 %)
Gastrointestinale Symptome wie Erbrechen (35–55 %), Durchfall (11–38 %) oder Gewichtsverlust (47 %) werden
seltener beobachtet.
Mögliche Befunde bei der klinischen Untersuchung sind Dehydratation (92 %), Hypothermie (68 %),
Ikterus (37 %), palpable abdominale Massen (23 %), Abdominalschmerz (11–44 %) und selten Fieber (7 %) [[8]]. Abdominalschmerz wird bei Katzen mit Pankreatitiden vermutlich häufig nicht
adäquat detektiert [[8], [23]]. Hypothermien,
die sich bei intensiv therapierten und infundierten Katzen im Krankheitsverlauf entwickeln, sind in vielen
Fällen Anzeichen eines systemischen inflammatorischen Response-Syndroms (SIRS) und prognostisch als
ungünstig einzuordnen [[20]].
Laboruntersuchungen
Allgemeine hämatologische sowie klinisch chemische Untersuchungen sind nicht ausreichend spezifisch für den
Nachweis einer Pankreatitis. Trotzdem sollten diese Untersuchungen mitberücksichtigt werden, weil sie
hilfreich für den Ausschluss anderer Erkrankungen sind und wichtige Informationen über den
allgemeinen Gesundheitsstatus des Patienten liefern bzw. auf Organkomplikationen hindeuten.
Hämatologie
Im Unterschied zu Hunden weisen Katzen mit Pankreatitis häufig völlig normale Hämatologieprofile auf.
Bei einem Teil der Patienten zeigen sich [[8]]:
Eine stärkere Leukopenie im Krankheitsverlauf könnte ein ungünstiger prognostischer Hinweis auf ein SIRS
oder eine Septikämie sein [[20]]. Geringgradige bis mittelgradige Anämien
können im Verlauf der Erkrankung entstehen, wobei kausal eine inflammatorische Hämolyse, Immunhämolyse
oder Blutung zugrunde liegt [[20], [21]].
Thrombozytopenien treten isoliert oder in Verbindung mit verlängerten Globaltests (PT, aPTT) auf.
Letzteres kann ein Hinweis auf eine disseminierte intravasale Gerinnung sein [[25]].
Klinische Chemie
Die klinische Chemie kann folgende Befunde ergeben [[8]]:
Hyperglykämien treten bei mehr als 50 % der Patienten mit dekompensierter Pankreatitis auf und sind in
den meisten Fällen stressbedingt mit normaler Konzentration des Serum-Fruktosamins [[21]]. Weitere mögliche Laborveränderungen sind Hypoglykämien, Hypokalzämien
[[8], [23]] sowie Hypo- und Hyperkaliämien
[[21]].
Spezifische Pankreatitis-Diagnostik
Die Diagnostik der Pankreatitis bei der Katze sollte sich nie nur auf einzelne Diagnoseparameter
beziehen, sondern eine Kombination von Befunden berücksichtigen. Hierzu zählen klinische Symptome,
klinische Untersuchungsbefunde, Laborveränderungen inkl. der felinen pankreasspezifischen Lipase (fPLI),
Ultraschallveränderungen und auch gelegentlich Befunde der Pankreaszytologie und -histologie.
Histologische Untersuchungen des Pankreas könnten vor allem bei rezidivierenden Pankreatitiden den Befund
einer lymphoplasmazellulären Entzündung bestätigen [[25]].
In den letzten Jahrzehnten wurden diverse Pankreasparameter für dessen Tauglichkeit bei der Katze
untersucht. Es zeigte sich, dass Serumamylase, Serumlipase und fTLI (Trypsin-like Immunoreactivity) nur
eine begrenzte Aussagekraft für die Diagnostik der Pankreatitis bei der Katze aufweisen. Die Bestimmung
der allgemeinen Serumamylase und -lipase ist für die Pankreasdiagnostik der Katze vor allem aufgrund zu
geringer Spezifität nicht geeignet; fTLI steigt im Verlauf einer Pankreatitis nur kurzfristig an und
liegt dann bei vielen erkrankten Tieren innerhalb des Referenzbereichs [[19]]. Die Bestimmung von fTLI ist der Test der Wahl für den Nachweis einer exokrinen
Pankreasinsuffizienz [[19], [25]].
Die Pankreasdiagnostik wurde wesentlich durch die Etablierung des Parameters fPLI (feline
Pankreas-Lipase-Immunreaktivität) verbessert [[18]]. Die originär
entwickelten Immunoassays sind nun durch breiter verfügbare Tests in Form des Spec fPL (feline
pankreasspezifische Lipase) ersetzt worden und weisen eine ähnliche diagnostische Sicherheit auf [[25]]. Im Unterschied zur allgemeinen Serumlipaseaktivität wird bei der fPLI
tatsächlich nur die Lipaseaktivität des Pankreas gemessen, und es besteht keine Beeinflussung der
Serumkonzentration durch die glomeruläre Filtrationsrate.
Sowohl experimentelle als auch klinische Studien konnten zeigen, dass der aktuelle Assay der fPLI, der
die Lipase mit einem monoklonalen Antikörper in einem ELISA-Test nachweist, eine ausreichende
Sensitivität (79 %) und Spezifität (82 %) hat.
Eine höhere Sensitivität und Spezifität sind erzielbar, wenn man klinische Symptome,
Untersuchungsbefunde, allgemeine Blutuntersuchungen und Ultraschalluntersuchungen neben der
fPLI-Diagnostik mitberücksichtigt [[7], [8]].
Für den Tierarzt steht auch ein fPLI-Snaptest zur Verfügung. Dieser Test scheint eine 82–92 %ige
Übereinstimmung mit dem Spec-fPL-Test zu haben und somit geeignet für die klinische Diagnostik zu sein
[[25]]. Allerdings führen schon Erhöhungen im Übergangsbereich zu einem
positiven Testergebnis. Dieses sollte daher unbedingt in Verbindung mit anderen Diagnosekriterien
interpretiert werden, und es sollte bei positiven Resultaten eine quantitative fPLI-Bestimmung erfolgen
[[25]].
Bildgebende Verfahren
Ultraschalluntersuchung
Die abdominale Sonografie (▶
Abb.
[
1
]) ist eine
wichtige ergänzende Untersuchung für den Nachweis einer Pankreatitis, allerdings sehr stark von der
Erfahrung des Untersuchers und der technischen Ausstattung des Ultraschallgeräts abhängig. Unter
optimalen diagnostischen Bedingungen wird eine relativ hohe Spezifität von bis zu 85 % erzielt bei einer
Sensitivität von 60–84 % [[6], [16], [19], [24]]. Es zeigte sich jedoch, dass auch
schwer erkrankte Katzen, die einer stationären Intensivtherapie unterzogen wurden, nur in 66 % der Fälle
sonografische Veränderungen des Pankreas aufwiesen [[21]].
Abb. 1 Ultraschalluntersuchung des Pankreas: Hypo- und hyperechogene sonografische
Veränderungen von Pankreas und umliegendem Mesenterium. (© C. Stockhaus)
Selbst bei schweren Krankheitsverläufen zeigen je nach Studie mehr als 30 von 100 Patienten gar keine
erkennbaren Ultraschallveränderungen.
Wichtige diagnostische Kriterien einer Pankreatitis sind [[6], [10], [16], [19]]:
-
Pankreatomegalie
-
hypoechogene Veränderungen des Pankreasparenchyms
-
hyperechogene peripankreatische Fettveränderungen
-
hyperechogene Veränderungen des peripankreatischen Mesenteriums
-
dilatierter Pankreas- oder Gallengang
-
korrugierte, verdickte Dünndarmwand in Pankreasnähe
-
peripankreatische Flüssigkeitsansammlungen
Aktuell scheint eine bessere Objektivierung und Standardisierung sonografischer Pankreasuntersuchungen
notwendig, um in der Zukunft ggf. mithilfe sonografischer Pankreasveränderungen auch prognostische
Aussagen stellen zu können.
Bisherige Untersuchungen konnten keine Korrelation zwischen Schweregrad sonografischer Veränderungen
und Prognose belegen [[21]].
Es erscheint auch problematisch, die Remission einer akuten Pankreatitis mittels Ultraschall zu erkennen,
da sonografische Veränderungen häufig dem klinischen Verlauf etwas „hinterherhinken“.
CT und MRT
Wenngleich die Computertomografie eine sehr große Bedeutung für die humanmedizinische Diagnostik der
Pankreatitis besitzt, scheinen tiermedizinische Untersuchungen bisher keinen zusätzlichen diagnostischen
Nutzen für die Pankreatitisdiagnostik der Katze anzuzeigen [[8], [10]]. Auch kernspintomografische Untersuchungen des Pankreas können in
Einzelfällen aussagekräftige Informationen liefern. Es fehlen aber noch objektivere Studiendaten, die
diese Schichtbilduntersuchungen für den breiten Einsatz bei der Katze bei dieser Indikation praktikabel
machen. Darüber hinaus bleibt bei diesen Patienten die Notwendigkeit einer Allgemeinanästhesie für
Schichtbilduntersuchungen ein Problem [[25]].
Zytologische und histologische Untersuchung
Zytologische und histologische Untersuchung
Feinnadelbiopsien des Pankreas sowie laparoskopische Biopsien könnten die Pankreatitisdiagnostik weiter
verbessern [[25]]. Aus Sicht des Autors empfehlen sich diese Untersuchungen
vor allem bei rezidivierenden Pankreatitiden, wobei die Histologie vermutlich eine höhere
diagnostische Aussagekraft erbringen wird als die zytologische Untersuchung von Feinnadelbiopsien.
Therapie
Katzen mit nachgewiesener Pankreatitis sollten abhängig vom klinischen Zustand unterschiedlich intensiv
behandelt werden. Bei milden Formen ist es im Gegensatz zu schwereren Verlaufsformen häufig nicht notwendig,
eine stationäre Intensivtherapie einzuleiten [[8], [23]].
Milde Pankreatitis
Bei einer milden Pankreatitis gilt es zunächst, mögliche Kausalfaktoren oder begleitende Erkrankungen (s.
o.) zu erkennen und zu behandeln.
Infusionstherapie
Bei milden Dehydratationen kann mit einer subkutanen oder intravenösen Infusionstherapie mit
kristalloiden Vollelektrolytlösungen das Flüssigkeitsdefizit ausgeglichen werden.
Antiemetika
Bei erbrechenden Katzen sollte antiemetisch behandelt werden, wobei hier Maropitant das Mittel der
ersten Wahl ist. Ergänzend können magensäurehemmende Medikamente wie Omeprazol oder Famotidin Anwendung
finden. Die Bedeutung von Metoclopramid bei Katzen mit Pankreatitis wird etwas kontrovers betrachtet. Vor
allem aus humanmedizinischen Untersuchungen wird eine negative Wirkung auf die Pankreasperfusion durch
Metoclopramid vermutet. Allerdings existieren hierzu keine Studien für die Katze [[19]]. Bei Katzen wird von einigen Autoren allerdings die Wirkung von
Metoclopramid aufgrund der fraglichen Dichte zentraler Dopaminrezeptoren hinsichtlich seiner Effektivität
infrage gestellt, sodass es nicht das Antiemetikum erster Wahl ist [[8]].
Ernährung
Nur bei profus erbrechenden Katzen sollte Futter entzogen werden. Ansonsten ist frühzeitig ein
hochverdauliches Futter in kleinen Portionen anzubieten, wobei eine drastische Fettreduktion bei
Katzen im Gegensatz zum Hund nicht notwendig erscheint [[8]]. Wichtig ist
bei inappetenten Katzen die Gewährleistung einer adäquaten Futteraufnahme, notfalls auch mit
Ernährungssonden, um die Entstehung einer hepatischen Lipidose zu vermeiden. Daneben können
Appetitstimulanzien wie Mirtazapin oder Cyproheptadin eingesetzt werden. Mirtazapin scheint
aufgrund seiner Serotoninrezeptorwirkung auch eine antiemetische Wirkung aufzuweisen.
Analgetika
Eine analgetische Therapie erscheint bei Katzen mit Pankreatitis immer sinnvoll, auch wenn
Abdominalschmerz klinisch nicht leicht detektiert werden kann [[8]]. Hierzu
eignen sich bei leichterem Abdominalschmerz Buprenorphin und Butorphanol. Bei schwereren refraktären
Schmerzzuständen wären ein Fentanyldauertropf und ggf. Dauertropfinfusionen mit Lidocain und Ketamin
sinnvoll.
Sonstige Therapien
Ein weiterer therapeutischer Ansatz ist die Substitution von Vitamin E als Antioxidans, wobei
nicht gesichert ist, ob damit die autooxydativen Verseifungsprozesse im Pankreas- und Fettgewebe wirklich
beeinflusst werden können [[19], [20]].
Schwere Pankreatitis
Infolge der Freisetzung proinflammatorischer Zytokine und anderer Mediatoren kann es im Verlauf einer
Pankreatitis zu verschiedenen Schädigungen in Sekundärorganen, einem distributiven Schockgeschehen und
auch einem Multiorganversagen kommen. Diese möglichen Komplikationen sollten antizipiert und durch eine
intensivere Stabilisierung des Patienten verhindert werden [[8], [19], [23]]. Katzen mit schwereren
Pankreatitis-Verlaufsformen sollten unter stationären Bedingungen intensiv für einen ausreichend
langen Zeitraum behandelt werden. Die durchschnittliche stationäre Behandlungszeit beträgt 5–6 Tage
[[20]].
Trotz intensiver Maßnahmen ist die Erkrankung bei schweren Verläufen mit einer Letalität von etwa 30 %
verbunden [[20], [21]].
Diese Patienten weisen häufig schwerere Dehydratationen und ggf. Anzeichen eines hypovolämischen oder
distributiven Schocks auf. In vielen Fällen sind Hypothermien auffällig, die bei Katzen unbedingt an
erster Stelle intensiv korrigiert werden sollten. Neben der oben schon beschriebenen symptomatischen,
antiemetischen sowie analgetischen Therapie ist daher eine intensive Infusionstherapie notwendig.
Infusionstherapie
Es sollte über intravenöse Venenzugänge eine adäquate Volumensubstitution erfolgen, wobei zumeist bei
kritischeren Patienten von einer 8–12 %igen Dehydratationskorrektur ausgegangen werden muss [[8], [23]]. Ein Teil des substituierten Volumens
sollte hier mit Plasmaexpandern erfolgen, wobei die Obergrenzen des infundierbaren Volumens bei
Katzen einzuhalten sind. Bei hypothermen Katzen sollte berücksichtigt werden, dass diese initial keine
ausreichende Volumentoleranz aufweisen: Zu hohe Infusionsgeschwindigkeiten können zur Entstehung eines
akuten Lungenödems führen. Der therapeutische Nutzen von Plasmatransfusionen vor allem bezüglich
der Verfügbarkeit protektiver Proteinase-Inhibitoren bei der felinen Pankreatitis wird kontrovers
eingeschätzt [[8]]. Ein kolloidosmotischer Effekt bzw. Einfluss auf die
Albuminkonzentration ist nur schwach ausgeprägt. Aus diesen Gründen wird von vielen Autoren der Einsatz
von Plasmapräparaten nicht mehr hervorgehoben.
Antibiotika
Entgegen früherer Empfehlungen wird in der aktuelleren Literatur bei schwereren Pankreatitisformen der
Einsatz von Antibiotika empfohlen [[8]]. Bei felinen Pankreatitiden
scheinen Infektionen mit gramnegativen Bakterien wie E. coli sowie anaeroben Bakterien zu
bestehen. Auch wenn bisher größere Studiendaten über Bakterienbefunde und Antibiotikasensitivität bei der
felinen Pankreatitis fehlen, scheint der initiale Einsatz von Amoxicillin-Clavulansäure, Clindamycin oder
Gyrasehemmern sinnvoll zu sein [[8], [22]].
Mögliche Komplikationen
Vor allem bei schweren Pankreatitiden sollten diverse Komplikationsmöglichkeiten möglichst frühzeitig
erkannt und korrigiert werden. Hierzu zählen [[8], [20], [21]]:
-
SIRS (Systemic Inflammatory Response Syndrome)
-
schwerere Elektrolytveränderungen
-
DIC (disseminierte intravasale Gerinnung)
-
Darmparalysen
-
Anämien
-
Leberkomplikationen
-
akutes Nierenversagen
-
respiratorische Komplikationen
-
Entwicklung von Herdnekrosen
-
Abszesse
Schock/SIRS
Bis zu 1/3 der Katzen mit schwereren nekrotisierenden Verlaufsformen zeigen im Krankheitsverlauf selbst
unter intensiver Therapie nach einigen Tagen Behandlung Anzeichen eines schockartigen Verlaufs mit
Hypothermie oder Fieber, Tachykardie, Tachypnoe, Hypotension und verlängerten Kapillarfüllungszeiten
[[20]]. Hierbei scheint ein SIRS oder eine Endotoxämie kausal
verantwortlich zu sein.
In diesen Fällen sollte die Entwicklung des Blutdrucks kritisch überwacht und auf eine adäquate
Flüssigkeitszufuhr geachtet werden. Dabei sollten neben kristallinen Infusionen auch
Plasmaexpander bolusartig eingesetzt werden [[8]]. Hypotherme Tiere sollten
unbedingt eine intensive Wärmezufuhr erhalten. Sollte trotz Infusionstherapie kein adäquater
Blutdruck erzielt werden, würde innerhalb von einigen Stunden auch der Einsatz von Vasopressoren
wie Dopamin, Noradrenalin oder Vasopressin sinnvoll werden. Unklar ist bisher, ob bei diesen Katzen auch
eine relative Insuffizienz der Glukokortikoidachse (critical illness-related corticosteroid
insufficiency) auftritt, die den Einsatz von Glukokortikoiden in dieser Phase rechtfertigen würde.
Bei Nichtansprechen auf adäquate Infusion und Vasopressoren ist aus diesem Grund ein schnellwirkendes
Glukokortikoid indiziert, um die Responsivität für Vasopressoren zu erhöhen [[8]].
Elektrolytveränderungen
Im Verlauf einer nekrotisierenden Pankreatitis können sich auch schwere Elektrolytveränderungen
einstellen. Hierzu zählen Hypo- oder Hyperkaliämie, Hypokalzämien sowie Hypophosphatämien und seltener
Veränderungen der Serumnatriumkonzentration [[23]]. Diese sollten intensiv
korrigiert werden. In eigenen Studien erwiesen sich schwere Hyperkaliämien als prognostisch besonders
ungünstige Laborabweichungen [[21]].
DIC
Eine DIC ist eine weitere Systemkomplikation, die sich einstellen kann. Unklar ist, ob eine niedrig oder
intermediär dosierte Heparinisierung bei diesen Patienten wirklich einen therapeutischen Nutzen bringen
kann [[8]].
Darmparalyse
Nicht selten wird bei schweren Pankreatitiden eine Hypomotilität des Duodenums und ggf. auch Jejunums
beobachtet. Dieser Zustand könnte eine Malabsorption und auch eine Translokation von Bakterien in die
Blutbahn und das Pankreas begünstigen. Häufig zeigen diese Tiere auch Vomitus von Futter- und
Wasserbestandteilen, teilweise auch viele Stunden nach der Aufnahme. Dadurch verstärkt sich wiederum die
Inappetenz. Therapeutisch können hier Medikamente mit
promotiler Wirkung auf Magen und
Dünndarm wie Metoclopramid und Ranitidin eingesetzt werden.
Anämie
Im Verlauf schwererer Pankreatitiden werden bei vielen Katzen Anämien beobachtet [[20], [23]]. Hierbei können unterschiedliche
Mechanismen zugrunde liegen wie Blutungen, inflammatorische Hämolysen, Immunhämolysen,
hypophosphatämische Hämolysen oder auch Heinz-Körper-Hämolysen im Zusammenhang mit einer oxydativen
Denaturierung des Hämoglobins. Im Verlauf der Intensivtherapie sollten Katzen somit auch regelmäßig
hämatologisch kontrolliert und je nach klinischem Kompensationsgrad bei Anämien mit einem Hämatokrit
deutlich unter 20 % ggf. auch eine Bluttransfusion in Erwägung gezogen werden.
Leberkomplikationen
Ein häufig primär oder sekundär involviertes Organ bei der felinen Pankreatitis ist die Leber. Es können
sich verschiedene Grunderkrankungen in der Leber entwickeln, die grundsätzlich eine differenzierte
Therapie erfordern [[20], [25]].
Bei steigenden Leberenzymwerten und Hyperbilirubinämien im Verlauf der Therapie einer Pankreatitis ist
eine Feinnadelbiopsie der Leber oder eine Leberbiopsie sinnvoll.
Differenzialdiagnostisch müssen bei stärkeren Leberwerterhöhungen eine vakuoläre Leberzelldegeneration,
anorexiebedingte Leberzellverfettung (▶
Abb.
[
2
]),
reaktive portale Entzündung, Gallengangsobstruktion mit Cholestase (▶
Abb.
[
3
]) und eine Cholangitis differenziert werden. Cholangitisformen, und
hierbei insbesondere die chronische neutrophile Cholangitis, treten häufig auch parallel zu
Pankreatitiden und chronischen Enteropathien auf und können nur durch eine histologische Leberbiopsie
nachgewiesen werden. Bei vielen Katzen müssen diese mit mehrmonatigen Therapien korrigiert werden [[22]].
Abb. 2 Zytologisches Präparat der Leber mit hochgradiger hepatischer Lipidose (Diff-Quick, 1000
X). (© C. Stockhaus)
Abb. 3 Zytologisches Präparat der Leber mit sehr ausgeprägten Hinweisen auf eine Cholestase
(Diff-Quick, 1000 X). (© C. Stockhaus)
Nierenversagen
Im Verlauf einer Pankreatitis kann auch ein akutes Nierenversagen entstehen. Hierbei ist unbedingt der
Verlauf der
Serumkreatinin-Konzentration und nicht nur der absolute Kreatinin-Wert zu
berücksichtigen. Zum Beispiel kann ein Anstieg des Kreatinins von mehr als 50 % des Basalwerts innerhalb
des Referenzbereichs schon eine signifikante akute Nierenläsion andeuten [[13]]. Bei diesen Patienten sollte kritisch die Infusionsmenge überprüft und die Urinproduktion
beobachtet werden, um die Entwicklung einer Oligurie frühzeitig antagonisieren zu können. Bei einem Teil
der Patienten liegt eine temporäre prärenale Azotämie vor, die unter adäquater Infusionstherapie wieder
beseitigt werden kann [[20]].
Respiratorische Komplikationen
Tachypnoe und Dyspnoe sind sehr ernstzunehmende Komplikationen mit häufig auch letalem Ausgang [[8], [20], [21]].
Da es in der Regel zu fatalen progressiven Lungenveränderungen kommt, ist ein schnelles Reagieren beim
Auftreten von respiratorischen Symptomen notwendig. Die Symptome werden häufig sehr plötzlich bei
Patienten beobachtet, die zunächst unter der Therapie in einem stabilen Zustand waren.
Röntgenologische Untersuchungen ergeben bei diesen Katzen teilweise Pleuralergüsse und
interstitielle bis partiell alveoläre oder alveoläre Lungeninfiltrate in unterschiedlichen
Lokalisationen. Bei einem Teil der Katzen sind trotz schwerer Atemprobleme gar keine Röntgenveränderungen
erkennbar [[20]].
Bei den Lungenveränderungen handelt es sich in vielen Fällen vermutlich um ein nichtkardiales Lungenödem
im Sinne eines ARDS (Acute Respiratory Distress Syndrom). Kausal ist für diese auch in der
Humanmedizin im Verlauf einer Pankreatitis bekannte Komplikation vermutlich eine Imbalance von
Zytokinen verantwortlich. Beim Menschen wird eine erhöhte Konzentration von Tumor-Nekrose-Faktor-α
(TNF-α), Interleukin 6 (IL-6), Interleukin 8 (IL-8), C-reaktivem Protein (CRP) und
Plättchen-aktivierendem Faktor beschrieben. Daneben liegt ein relativer Mangel an anti-inflammatorischen
Zytokinen vor [[2]].
Differenzialdiagnostisch müssen vom ARDS ein kongestives Herzversagen und ein pulmonaler
Thromboembolismus [[17]] abgegrenzt werden. Es empfiehlt sich daher neben
Röntgenuntersuchungen des Thorax auch eine Echokardiografie durchzuführen, um auszuschließen, dass bei
den betroffenen Patienten eine linksventrikuläre und -atriale Volumenbelastung besteht.
Eine kausale Therapie ist bei Patienten mit ARDS leider nicht möglich. Neben Sauerstoffgaben bis
hin zu Beatmungstechniken werden Bronchodilatatoren wie zum Beispiel Aminophyllin oder Terbutalin
und Furosemid eingesetzt. Beim Verdacht auf eine pulmonale Thromboembolie kann therapeutisch eine
Heparin-Dauertropfinfusion versucht werden. Einige Autoren empfehlen beim ARDS auch den Einsatz schnell
wirkender Glukokortikoide. Viele dieser Patienten zeigen trotz intensiver Therapiemaßnahmen leider einen
letalen Verlauf [[20]].
Weitere Komplikationen
Nur in Einzelfällen entwickeln sich bei der felinen Pankreatitis herdförmige Nekrosen oder
Abszesse, bei der die Durchführung einer partiellen Pankreatektomie sinnvoll und gerechtfertigt
ist [[8]]. Für die Erkennung solcher Verlaufsformen empfehlen sich
sonografische Kontrollen während der Intensivtherapie.
Chronische Pankreatitiden
Chronische Pankreatitiden
Chronisch-rezidivierende Entzündungen führen immer wieder zu Symptomrezidiven einer Pankreatitis und
wiederholten, teils sehr ausgeprägten Erhöhungen der fPLI-Konzentration. In solchen Fällen könnten
laparoskopische Pankreasbiopsien den Befund einer lymphoplasmazellulären Entzündung ergeben, die ggf.
sinnvoll auf eine längerfristige Glukokortikoidgabe ansprechen würde [[25]].
Die Prävalenz dieser Entzündungsformen und deren klinische Relevanz ist aktuell noch nicht durch
systematische klinische Studien überprüft worden [[8]].
Prognostische Faktoren
Die Prognose bei einzelnen Patienten lässt sich vielfach nicht gut einschätzen. So können Katzen mit initial
eher milder Symptomatik einen fulminanten klinischen Verlauf entwickeln. Auch bei initial relativ intensiv
behandelten Patienten können sich innerhalb von 5–7 Tagen sehr aggressive klinische Veränderungen
einstellen, die am Anfang nicht erkennbar waren [[20]].
Sonografie
Verschiedene Parameter wurden für den Schweregrad eines Krankheitsverlaufs als Indikatoren eingesetzt. In
eigenen Studien zeigte sich, das der Schweregrad sonografischer Veränderungen des Pankreas nicht
statistisch signifikant mit der Prognose eines Patienten korreliert [[21]].
Laborveränderungen
Die prognostische Aussagekraft von Laborveränderungen wird in den Studien unterschiedlich eingeschätzt.
Das Auftreten von Hypokalzämien sehen einige Autoren als prognostisch ungünstig an [[5], [14], [23]],
während diese Laborveränderungen in anderen Patientenpopulationen [[20], [21]] nicht mit einer ungünstigen Prognose assoziiert waren.
Hypoglykämien schätzen einzelne Autoren als prognostisch ungünstige Parameter ein [[8], [23]], konnten bei eigenen Patienten aber
nicht als signifikanter Prognoseparameter identifiziert werden [[21]].
Schwere evtl. nicht adäquat korrigierbare Hypo- oder Hyperkaliämien scheinen mit einer ungünstigen
Prognose verbunden zu sein [[21]].
Schwere fPLI-Erhöhungen über 20 µg/L bei Katzen mit akuten Pankreatitiden zum Zeitpunkt der
Diagnosestellung sind prognostisch als ungünstig einzuordnen. Der Verlauf der fPLI-Konzentration vom 1.
zum 5. Krankheitstag scheint ebenfalls prognostische Informationen zu liefern. So ist eine Senkung des
fPLI um weniger als 30 % des Ausgangswerts in diesem Zeitintervall mit einer deutlich ungünstigeren
Prognose für den Patienten verbunden [[21]]. Im späteren Verlauf einer
Pankreatitis scheint die fPLI-Konzentration weniger mit der Intensität des Krankheitsverlaufs zu
korrelieren. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass chronische kompensierte Verlaufsformen teilweise
mit abnorm hohen fPLI-Konzentrationen verbunden sein können, die keine Aussage zum klinischen Verlauf bei
dem einzelnen Patienten liefern müssen.
Symptomatik
Auch klinische Symptome können prognostische Information liefern. So können im Krankheitsverlauf
entstehende schwere Hypothermien [[20]] sowie
Dyspnoe-Symptome [[21]] als Indikatoren für einen sehr kritischen,
prognostisch ungünstigen klinischen Verlauf herangezogen werden.
Fazit
Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Pankreatitis bei der Katze ein sehr variables klinisches Bild
aufweist und teilweise mit sehr schweren Systemkomplikationen einhergehen kann. Da bisher nur wenige
prognostische Informationen für den klinischen Krankheitsverlauf vorliegen, bleibt es essenziell, dass
potenzielle Komplikationen bei der Pankreatitis vom behandelnden Tierarzt antizipiert und möglichst
frühzeitig intensiv korrigiert werden.