Schlüsselwörter
Myokardrevaskularisation - reduzierte linksventrikuläre Funktion - Herzinsuffizienz - koronare Herzerkrankung - Bypass-Operation - perkutane Koronarintervention
Keywords
Myocardial revascularization - reduced left ventricular function - heart failure - coronary artery disease - CABG - PCI
Aktueller Stand
In den entwickelten Ländern der Welt leidet ca. 1–2 % der Bevölkerung an einer Herzschwäche [1]. Ursachen für dieses klinisch und echokardiografisch definierte Erscheinungsbild gibt es zahlreiche. Nicht alle Formen gehen mit einer Reduktion der linksventrikulären Ejektionsfraktion (LV-EF) einher. Bei der diastolischen Herzinsuffizienz ist die LV-EF normal [2]. Ungefähr die Hälfte der Patienten, die an einer klinischen Herzinsuffizienz leiden, zeigt auch eine echokardiografisch reduzierte LV-EF. Eine hochgradig reduzierte LV-EF ist echokardiografisch als ≤ 35 % definiert [2]. Bei ca. zwei Drittel der Fälle ist hier eine koronare Herzerkrankung – d. h. eine ischämische Kardiomyopathie – ursächlich nachweisbar. Die essenzielle Hauptsäule der Therapie ist bei allen Formen der Herzinsuffizienz die klassische Medikation:
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Renin / Angiotensin / Aldosteron (RAAS-) Blocker
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Betablocker
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Diuretikum
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und zukünftig womöglich LCZ696 (Valsartan plus Sacubitril, Neprilysin-Inhibition)
Im Falle der ischämischen Kardiomyopathie spielt die myokardiale Revaskularisation für die kardiovaskuläre Sterblichkeit eine relevante zusätzliche Rolle. So konnte insgesamt die Sterblichkeit, die in den 1990ern noch 60–70 % innerhalb von 5 Jahren betrug, signifikant reduziert werden. Die Anzahl der Krankenhausaufnahmen sank um 30–50 % [3].
Die ischämische Kardiomyopathie ist eine häufige Ursache einer reduzierten linsventrikulären Funktion. Eine Revaskularisation kann die kardiovaskuläre Sterblichkeit und Morbidität der Patienten verbessern.
Indikation zur Herzkatheterdiagnostik bei Herzinsuffizienz
Typische Symptome einer Herzinsuffizienz sind
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Dyspnoe (Kurzatmigkeit, Orthopnoe, nächtliche Dyspnoe),
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Knöchelödeme,
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reduzierte Belastbarkeit und
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häufig auch eine allgemeine Abgeschlagenheit.
Bei klinischem Verdacht auf das Vorliegen einer Herzinsuffizienz kommt neben der EKG-Diagnostik und BNP-Bestimmung der Bildgebung eine entscheidende Rolle zu. Im Falle von Hinweisen für eine ischämische Genese der Herzinsuffizienz, wie Angina pectoris oder einem überlebten Herzstillstand, ist eine Herzkatheteruntersuchung indiziert. Neben der Linksherzkatheteruntersuchung kann im gleichen Untersuchungsgang je nach Symptomen und Beteiligung des rechten Ventrikels sowie pulmonalen Komorbiditäten eine Rechtsherzkatheteruntersuchung hilfreich in der weiteren Therapieplanung sein. Ansonsten ergibt sich die Indikation aus den übrigen Untersuchungsstandards. Laborwerterhöhungen (BNP, Troponin) und EKG-Veränderungen stehen hier im Vordergrund. Neben der regionalen Kontraktionsstörung können auch ein Ischämienachweis im Stress-MRT, in der Myokardszintigrafie oder der Stressechokardiografie eine Herzkatheteruntersuchung begründen.
Die Revaskularisationsindikation außerhalb eines akuten Koronarsyndromes umfasst [4]:
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Hauptstammstenose (> 50 %)
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proximale LAD-Stenosen (> 50 %)
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2- oder 3-Gefäßerkrankung
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relevante Ischämie (> 10 % LV)
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letztes verbliebenes Gefäß
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jede therapierefraktär symptomatische Stenose (> 50 %)
Bei Vorliegen einer reduzierten linksventrikulären Funktion müssen Anamnese und Vortests wie EKG, Labor, Echokardiografie und ggf. Stresstests die Indikation zur Herzkatheterindikation belegen.
Revaskularisation bei Herzinsuffizienz (Bypass-Operation)
Grundsätzlich ist die Datenlage zur myokardialen Revaskularisation bei eingeschränkter Ventrikelfunktion schwierig. Studien zu Bypass-Operationen aus den 60er und 70er Jahren hatten einen echten Mortalitätsvorteil für die Operation belegt. Allerdings hat sich die moderne medikamentöse Herzinsuffizienztherapie erst deutlich später entwickelt.
Die erste große, nach modernen Qualitätsstandards durchgeführte Untersuchung dazu war die STICH-Studie (Surgical Treatment for Ischemic Heart Failure) [5]. Es ist die einzige Untersuchung, die prospektiv randomisiert die Rolle der Bypass-Operation bei einer schlechten LV-EF unter optimaler Herzinsuffizienzmedikation untersucht hat. Hier zeigte sich zwar kein Unterschied in der Gesamtsterblichkeit, jedoch in der kardiovaskulären Mortalität. Zusätzlich war im präspezifizierten kombinierten Endpunkt aus Gesamtsterblichkeit und Rehospitalisierung wegen Herzinsuffizienz das Ergebnis für die Bypasspatienten besser. Im Rahmen einer in der Bewertung methodologisch limitierten Unteranalyse wurden Patienten nach vorheriger Vitalitätsuntersuchung in zwei Gruppen (überwiegend vital, überwiegend nicht vital) eingeteilt. In einem Beobachtungszeitraum von 5,1 Jahren hatte die Gruppe mit dem vitalen Myokard zwar die geringere Sterblichkeit, der Effekt hielt aber einer Korrektur bezüglich anderer prognostischer Faktoren nicht stand. Wie erwartet profitierten aber die revaskularisierten Patienten bezüglich
Patienten mit Mehrgefäßerkrankung und erhaltener Belastbarkeit profitierten scheinbar am meisten von einer Bypass-Operation bezüglich ihres Langzeitüberlebens [6], [7].
Bei entsprechender Eignung des Patienten kann eine Bypass-Operation die kardiovaskuläre Prognose verbessern, vitales Myokard erhalten und die Lebensqualität verbessern.
Revaskularisation bei Herzinsuffizienz (PCI)
Neben der koronaren Revaskularisation des Patienten mittels Bypass-Operation gewinnt in der heutigen Zeit die interventionelle Therapie mit perkutaner koronarer Intervention (percutaneous coronary intervention, PCI) immer mehr an Bedeutung. Trotz der hervorragenden Evidenz, welche für viele klinische Szenarien innerhalb der Kardiologie geschaffen wurde, ist die interventionelle Therapie bei Patienten mit hochgradig eingeschränkter LV-EF nicht gut mit Studien unterstützt. Große prospektive randomisierte Studien mit harten klinischen Endpunkten existieren nicht bzw. sind erst in der Rekrutierungsphase. Kleinere Studien konnten aber zeigen, dass die Revaskularisation mittels PCI bei einer EF < 35 % sicher durchgeführt werden kann [8]. Zudem ist das Ergebnis von Patienten, die mit Bypass-Operation revaskularisiert wurden, vergleichbar mit denen, bei denen eine PCI erfolgte [9].
Aus Sicht der interventionellen Kardiologie sind die verfügbaren Studien, die Bypass-Operation und PCI vergleichen, auf die heutige interventionelle Kardiologie nicht übertragbar. Daten, die hier eine Überlegenheit der Bypass-Operation zeigen, sind aus einer Ära, in der entweder
Vergleichsdaten aus der Ära der vielfach weiterentwickelten Medikamenten-beschichteten Stents (Drug-Eluting-Stents, DES) liegen hier nicht vor. Auch die Übertragbarkeit der in diesem Zusammenhang häufig zitierten Register ist nicht gegeben. Die Leitlinien der europäischen Gesellschaft für Kardiologie erkennen dies in den im Vorjahr publizierten Leitlinien an.
Für Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz und hochgradig eingeschränkter LV-Funktion empfehlen sie zwar bei signifikantem Revaskularisationsbedarf (Hauptstammstenose, proximaler RIVA-Stenose oder Mehrgefäßerkrankung) die Bypass-Operation als Klasse-I-Indikation zur Reduzierung von Tod und Revaskularisation im weiteren Verlauf [4]. Letztendlich ist trotzdem die PCI für den Fall als Alternative vorgesehen, wenn es die Anatomie zulässt und vitales Myokard im entsprechenden Zielbereich vorhanden ist. Vor diesem Hintergrund erscheint es von zentraler Relevanz, dass die Entscheidung über die Revaskularisationsstrategie unter Berücksichtigung von klinischen und anatomischen Determinanten im Heart Team erfolgen sollte. Ein Vorschlag der wichtigsten Abwägungskriterien findet sich in ▸ [
Tab. 1
].
Tab 1. Kriterien zur Entscheidung über die Revaskularisationsstrategie.
Determinanten
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Perkutane Intervention
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Koronare Bypass-Operation
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Klinische Determinanten
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Stattgehabte Bypass-Operation
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+
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Hohes Lebensalter
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+
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Komorbiditäten
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+
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Möglichkeit der Mitralklappenrekonstruktion
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(+)
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Kontraindikation zur längerfristigen DAPT
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+
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Anatomische Determinanten
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Fokale Läsion(en)
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+
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Diffuse, komplexe Läsionen (Syntax-Score)
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+
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Gescheiterte PCI
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+
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Vor diesem Hintergrund ist es wichtig zu betonen, dass hier die beiden Revaskularisationsstrategien nicht miteinander konkurrieren, sondern sich ergänzen. Das Ziel für die Patienten mit ischämischer Kardiomyopathie ist die vollständige Revaskularisation aller vitalen Segmente. Somit sollte zum Zeitpunkt der Entscheidung über die weitere Therapie auf jeden Fall klar sein, welche Segmente Ziel des Revaskularisationseingriffes sind, um auf dieser Grundlage die Entscheidung zu treffen. In der letzten Dekade war die Möglichkeit zur Mitralklappenrekonstruktion bei relevanter Mitralklappeninsuffizienz ein Punkt, der die Entscheidung zur Bypass-Operation stützte. Dies gilt auch weiterhin. Letztendlich ist dennoch anzumerken, dass perkutane Verfahren der Mitralklappenrekonstruktion (beispielsweise MitraClip®) immer weiter Verbreitung finden und insbesondere bei Patienten mit Komorbiditäten sicher angewendet werden können [10], [11]. Somit ist es hier möglich perkutane Revaskularisation und perkutane Mitralklappen-Rekonstruktion in einem schrittweisen Vorgehen miteinander zu kombinieren.
Die interventionelle Kardiologie hat durch die Verbesserung von Methoden und Materialien insbesondere auch im Bereich der Versorgung von vollständigen Koronarverschlüssen (engl.: chronic total occlusions, CTOs) deutliche Fortschritte gemacht. Dadurch werden
Zur Unterstreichung der Indikation ist aber auch hier der Nachweis von Vitalität und Ischämie ein wichtiger Baustein in der Planung der Prozedur. Neben dem Ziel der Verbesserung der LV-Funktion im Bereich der verschlossenen Koronararterie kann ein weiteres Ziel die Verbesserung der klinischen Symptome sein, genauso wie eine Verbesserung der Prognose durch die Minderung des koronaren Risikos bei Progression der koronaren Herzerkrankung in den anderen offenen Arterien – insbesondere im Donorgefäß bei Kollateralfluss. Die Verbesserung der LV-Funktion konnte dabei in Bezug auf CTOs ebenfalls nicht in randomisierten Studien nachgewiesen werden. Mehrere Studien mit modernen Bildgebungsmodalitäten zeigten hier jedoch klar eine Verbesserung der Ejektionsfraktion. Wichtig für den Erfolg der Prozedur sind eine hohe Expertise des behandelnden Arztes sowie die Verfügbarkeit von dezidierten Materialen und Techniken (▸ [
Abb. 1
]).
Abb. 1 Ostialer Verschluss des Ramus circumflexus (RCX) bei einem 65-jährigen Patienten. Es liegen je ein Führungskatheter im Ostium der rechten (RCA) und linken Herzkranzarterie (LCA). (A) Nach Injektion von Kontrastmittel in die RCA stellt sich der Endast des RCX über Kollateralen dar (Pfeil). (B) Durch die simultane Kontrastmittelinjektion stellen sich jedoch weitere Anteile des RCX dar (Pfeile). Somit ist eine optimale Planung der Intervention möglich.
Galt eine CTO lange als klassische Indikation zur Bypass-Operation, ist dies heute nicht mehr so anzusehen. Letztendlich ist es im klinischen Szenario aber häufig so, dass die CTO die schwierigste Läsion des Patienten ist. An dieser Stelle ist es ratsam, diese Läsion zuerst interventionell zu versorgen. Scheitert dies, erscheint hier vor dem Hintergrund, dass eine vollständige Revaskularisation erreicht werden soll, eine Bypass-Operation häufig am sinnvollsten. Weitere technische Verfeinerungen werden hier Einzug in die klinische Praxis halten. Dies gilt für Katheter und Drähte, aber auch für Stents und Scaffolds. Letztere sind moderne, selbstauflösende Gefäßstützen. Sie sind in initialen, kleineren Studien bereits erfolgreich bei Patienten mit CTOs eingesetzt worden [13].
Die perkutane Katheterintervention hat sich in den letzten Jahren in vielen Fällen zur Leitlinien-gerechten Alternative zur Myokardrevaskularisation entwickelt. Zahlreiche technische Verfeinerungen haben neue minimal invasive Methoden zur kompletten Revaskularisation etabliert.