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DOI: 10.1055/s-0041-108731
Internationale Studienergebnisse
Verantwortlicher Herausgeber dieser Rubrik:
Publikationsverlauf
Publikationsdatum:
13. November 2015 (online)
- Sexualität mit Rückenmarksschädigung – Ergotherapeutische Unterstützung ist gefragt
- Chronische Rückenschmerzen – Multidisziplinäre Rehabilitation wirksam
- Obdachlosigkeit –Partizipation ganzheitlich fördern
Sexualität mit Rückenmarksschädigung – Ergotherapeutische Unterstützung ist gefragt
Frauen mit erworbener Rückenmarksschädigung haben ebenso wie gesunde Frauen sexuelle Bedürfnisse und Anliegen, die Ergotherapeuten berücksichtigen sollten. Zu diesem Schluss kam ein Forschungsteam um die Ergotherapeutin Dr. Cathy Lysack an der Wayne State University in Detroit, USA.
Die Forscher interviewten 20 Frauen mit Rückenmarksschädigung, die zwischen 27 und 66 Jahre alt waren. Das Durchschnittsalter betrug 46 Jahre. Über die Hälfte von ihnen hatte eine Paraplegie, der Rest eine Tetraplegie. Als häufigste Ursache für die Erkrankung nannten sie Autounfälle (60 %), gefolgt von Schussverletzungen (20 %). Den Ergebnissen zufolge betrachten die Frauen ihre Sexualität als wichtigen Bestandteil des Lebens. Ihr Verständnis von sexueller Intimität variiert dabei stark. Sie assoziieren Sex zum Beispiel mit Stressabbau, konkreten Verhaltensweisen oder einem globalen Zustand von Wohlbefinden. Unabhängig von ihrer Definition wünschen sich die meisten Teilnehmerinnen (75 %), sexuell aktiver zu sein. Das gilt gleichermaßen für verheiratete und unverheiratete Frauen. Die Zufriedenheit mit ihrem Sexualleben hängt stark von der Qualität ihrer Beziehung ab. Gleichzeitig beeinflussen ihre körperlichen Beeinträchtigungen, wie sie ihre Sexualität ausleben können. Hinderlich sind vor allem Schmerzen, Kraftlosigkeit, Erschöpfung, Sensibilitätsverluste oder eingeschränkte Blasen- und Darmkontrolle. Zudem haben die Frauen den Eindruck, aufgrund ihrer Erkrankung schneller zu altern. Nach ihrer Schädigung hätten sie sich mehr Unterstützung gewünscht, um besser mit der eigenen Sexualität umgehen zu können. Dabei fiel es ihnen vor allem schwer, geeignete sexuelle Positionen zu finden und an ihre Funktionsverluste anzupassen. Aus ihrer Sicht sollten solche Schulungen allerdings erst dann stattfinden, wenn die Betroffenen gelernt haben, ihre Beeinträchtigungen zu akzeptieren.
Die Forscher schlussfolgern, dass Sexualität auch nach einer Rückenmarksschädigung zum Leben gehört. Ergotherapeuten sollten die sexuellen Anliegen betroffener Frauen daher berücksichtigen. Sie können ihnen entsprechende Schulungen anbieten und mit ihnen gemeinsam Strategien entwickeln, um das Vertrauen in die eigene Sexualität zurückgewinnen und intime Beziehungen zu erhalten oder aufzubauen.
fk
AJOT 2015; doi: 10.5014/ajot.2015.015040
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Chronische Rückenschmerzen – Multidisziplinäre Rehabilitation wirksam
Menschen mit chronischen Rückenschmerzen profitieren stärker von multidisziplinären Interventionen als von einer herkömmlichen Behandlung oder rein körperbezogenen Behandlung wie Aerobic, Manuelle Therapie, Dehnungs- und Kräftigungsübungen oder Rückenschule. Zu diesem Schluss kam ein Cochrane-Forschungsteam um den Physiotherapeuten Prof. Dr. Raymond Ostelo von der VU University Amsterdam in den Niederlanden.
In ihrer systematischen Übersichtsarbeit werteten die Forscher 41 randomisierte kontrollierte Studien (RCT) mit insgesamt 6.858 Teilnehmern aus. Dabei verglichen sie die Effekte einer multidisziplinären Intervention mit einer herkömmlichen und einer rein körperbezogenen Behandlung. Was eine multidisziplinäre Rehabilitation ausmacht, legten sie vorab in ihren Einschlusskriterien fest. Demnach besteht diese kombinierte Therapie wenigstens aus einer körperbezogenen sowie einer psychologischen, sozialen und/oder arbeitsbezogenen Interventionsform. Außerdem müssen sich mindestens zwei verschiedene Berufsgruppen aus dem Gesundheitssektor an ihrer Umsetzung beteiligen.
Laut Ergebnissen weisen 16 RCT-Studien mit moderater Evidenzqualität nach, dass multidisziplinäre Interventionen Schmerz und Funktionseinschränkungen signifikant stärker verringern als eine herkömmliche Behandlung. Ebenso belegen 19 RCT-Studien mit geringer Evidenzqualität, dass die multidisziplinären Interventionen bessere Effekte erzielen als eine rein körperbezogene Behandlung. Auch hier führt die kombinierte Therapie zu einer signifikant stärkeren Reduktion von Schmerzen und Funktionseinschränkungen. Die größten Effekte treten dabei kurz- und mittelfristig auf. Was die Rückkehr ins Arbeitsleben betrifft, so scheinen die multidisziplinären Interventionen der körperbezogenen Behandlung überlegen zu sein, nicht aber der herkömmlichen Behandlung.
Die Forscher schlussfolgern, dass sich multidisziplinäre Interventionen besser eignen als herkömmliche oder rein körperbezogene Ansätze, um Schmerzen und Einschränkungen von Menschen mit chronischen Rückenschmerzen zu reduzieren.
fk
BMJ 2015; doi:10.1136/bmj.h444
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Obdachlosigkeit –Partizipation ganzheitlich fördern
Damit Menschen, die schon einmal obdachlos waren, wieder umfassend am gesellschaftlichen Leben teilhaben können, benötigen sie Unterstützung auf den Ebenen der Person, Aktivität und Umwelt. Zu diesem Schluss kommt ein Forschungsteam um die Ergotherapeutin Wendy Coster von der Boston University in den USA.
Die Forscher bezogen 120 Menschen mit Obdachlosigkeitserfahrungen in ihre Studie ein. Die Teilnehmer waren durchschnittlich 49 Jahre alt. Sie hatten im Schnitt 5 Jahre lang auf der Straße gelebt, der Zeitraum variierte zwischen 7 Tagen und 31 Jahren. 40 Teilnehmer waren auch zu Studienbeginn noch obdachlos. Die Forscher nutzten die Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF), um Faktoren für die Partizipation von Menschen mit Obdachlosigkeitserfahrungen zu bestimmen. Sie ermittelten Informationen über Partizipation, Symptome, Funktionen und Kontextfaktoren der Teilnehmer. Dazu setzten sie zum Beispiel die „Community Participation Scale“ (CPS), die „CASIGSymptom Scale“ und den Fragebogen „Survey of Income and Program Participation“ (SIPP) ein. Anschließend werteten sie die Daten mithilfe von multiplen Regressionsanalysen aus.
Laut Ergebnissen beeinflussen verschiedene Faktoren, in welchem Ausmaß Menschen mit Obdachlosigkeitserfahrung am gesellschaftlichen Leben und den Bereichen Produktivität, Sozialleben und Freizeit teilhaben können. Hierzu gehören motorische und kognitive Einschränkungen auf Ebene der Aktivität. Gleichzeitig wirken sich persönliche und umweltbezogene Faktoren auf die Teilhabe aus, darunter Geschlecht, Alter, Dauer der Obdachlosigkeit, Beziehungs- und Wohnstatus. Zum Beispiel erreichen Singles mit Aktivitätseinschränkungen, die an „Housing- Programmen“ teilnehmen, vergleichsweise niedrigere Partizipationswerte. Die Studie findet keine signifikanten Belege dafür, dass psychiatrische und physische Symptome die Teilhabe von Menschen mit Obdachlosigkeits- Erfahrung beeinflussen.
Die Forscher empfehlen, den Fokus von Rehabilitationsprogrammen nicht auf die Symptome, sondern auf das Aktivitätsvermögen der Betroffenen zu legen. Gleichzeitig gilt es, Umweltbedingungen einzubeziehen. Dabei stellt ein stabiler Wohnort alleine noch keinen Indikator für eine erfolgreiche Wiedereingliederung dar. Stattdessen sollten Rehabilitationsprogramme berücksichtigen, inwieweit Menschen mit Obdachlosigkeitserfahrung weiterhin Unterstützung und Angebote benötigen, um ihre Selbstständigkeit und Partizipation zu verbessern.
fk
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