Schlüsselwörter Register - Querschnittstudie - Antikoagulation - Vitamin K Antagonisten - Neue Orale Antikoagulanzien - Einstellung - INR
Keywords Registry - Anticoagulation - Vitamin K antagonist - NOAC - INR control
Hintergrund
Vorhofflimmern (VHF) ist die häufigste Rhythmusstörung in der klinischen Praxis. Die
Prävalenz des VHF steigt aufgrund der zunehmenden Alterung der Bevölkerung, Zunahme
der Risikofaktoren (insbesondere arterielle Hypertonie) und stetigen Fortschritten
in der Behandlung kardialer Erkrankungen kontinuierlich an [20 ]. Patienten mit VHF haben ein stark erhöhtes Risiko für das Auftreten
eines ischämischen oder hämorrhagischen Schlaganfalls, sowie für einen frühzeitigen
Tod [1 ]
[10 ] Die meisten
Patienten mit VHF müssen aufgrund von Risikofaktoren dauerhaft mit Antikoagulanzien
behandelt werden, sofern dem keine absoluten Kontraindikationen gegenüberstehen.
In den letzten Jahren hat sich das klinische Management von Patienten mit VHF stetig
verbessert, besonders hinsichtlich der Antikoagulation. Die
nicht-Vitamin-K-abhängigen oralen Antikoagulanzien (NOAK) Dabigatran, Rivaroxaban,
Apixaban und Edoxaban zeigten in den großen Zulassungsstudien gegenüber den
Vitamin-K-Antagonisten (VKA) eine mindestens gleich gute – teilweise sogar
überlegene Wirksamkeit bei der Prophylaxe von Schlaganfällen. Darüberhinaus
demonstrierten die NOAK ein reduziertes Risiko für Blutungen, vor allem für
Hirnblutungen [5 ]
[9 ]
[23 ]
[24 ]. Die VHF-Leitlinien
der European Society for Cardiology (ESC) führten 2010 bzw. 2012 einige Neuerungen
ein, wie z. B. den CHA2 DS2 -VASc zur Abschätzung des
Schlaganfallrisikos [4 ]. Des Weiteren gaben sie bei
Patienten mit einem erhöhten Schlaganfallrisiko
(CHA2 DS2 -VASc-Score ≥ 2) eine klare Empfehlung für eine
Antikoagulation beispielsweise mit einem VKA, rieten jedoch bei Patienten ohne
thromboembolisches Risiko (CHA2 DS2 -VASc-Score = 0) zum
Verzicht auf eine solche Therapie [3 ]
[4 ]
[26 ].
Die PREFER-in-AF-Studie wurde durchgeführt, um das Management von Patienten in
diversen europäischen Ländern zu untersuchen [15 ]. Die
Studie wurde kurz nach der Publikation der aktuellen VHF-Leitlinien der ESC
initiiert und dokumentiert gleichzeitig die Einführungsphase der NOAK. Um die
aktuelle Versorgungslage von Patienten mit VHF in Deutschland, Österreich und der
Schweiz (D-A-CH) zu beschreiben, wird im vorliegenden Beitrag über eine vorab
spezifizierte Subgruppen-Analyse berichtet.
Methoden
PREFER-in-AF | „PREvention oF thromboembolic events – European Registry in
Atrial Fibrillation“ ist eine internationale, prospektive Registerstudie, die von
Januar 2012 bis Januar 2013 den Krankheitsverlauf und die Behandlung von Patienten
mit VHF unter Bedingungen der täglichen Praxis dokumentierte [15 ].
Ethik | Der Beobachtungsplan sowie die Patienten-Einverständniserklärung
wurden von der Ethikkommission in Berlin als federführende Institution und von
weiteren Ethikkommissionen begutachtet und befürwortet. Alle Patienten erklärten ihr
schriftliches Einverständnis vor Studieneinschluss. Das Register wurde entsprechend
den Vorgaben der Deklaration von Helsinki durchgeführt. PREFER-in-AF ist im
Deutschen Register Klinischer Studien unter der Nummer DRKS00003343 registriert. In
der Schweiz wurde die Studie durch die kantonale Ethikkommission bewilligt, in
Österreich durch die Ethikkommission der medizinischen Universität Wien positiv
votiert.
Auswahl von Ärzten und Patienten | Krankenhausärzte und niedergelassene Ärzte
konnten an der Studie teilnehmen, wenn sie in der Behandlung von Patienten mit VHF
erfahren waren. Patienten waren für die Teilnahme geeignet, wenn sie eine bestätigte
VHF-Diagnose entsprechend der ACC / AHA / ESC-Leitlinien aus dem Jahr 2010 hatten
[4 ], die mittels EKG, Herzschrittmacher oder
implantiertem Defibrillator innerhalb der letzten 12 Monate bestätigt worden war.
Unbestätigte Verdachtsfälle konnten nicht eingeschlossen werden. Um Verzerrungen
durch Selektion der Patienten zu vermeiden, wurden keine expliziten
Ausschlusskriterien vorgegeben. Die Patienten sollten in den Zentren konsekutiv
eingeschlossen werden.
Datenerfassung und Parameter | Die Patientendaten wurden an zwei Terminen, zu
Studienbeginn und nach einem Jahr, dokumentiert. Neben den Basis-Charakteristika der
Patienten wurden auch Begleiterkrankungen und Medikamente zur Behandlung des VHF
dokumentiert. Der Schwerpunkt der Datenerfassung lag auf der Antikoagulation zur
Prävention von Schlaganfall und anderen vaskulären Ereignissen und der Dokumentation
von Ereignissen während der Beobachtungszeit.
Datenerfassung und statistische Analyse | Die Daten wurden in ein
elektronisches Erfassungsformular eingegeben und über eine sichere
Internetverbindung in die Datenbank übertragen. Als qualitätssichernde Maßnahmen
wurden
automatische Plausibilitätsprüfungen bei der Dateneingabe,
Rückfragen (Queries) basierend auf einem Validierungsplan und
Monitoring mit Vergleich der Registerdaten mit den Patientenakten
in 5 % der Fälle vorgenommen. Das Studienmanagement wurde durch SSS International
Clinical Research GmbH, Germering durchgeführt. Das Register wird durch ein
wissenschaftliches Leitungsgremium begleitet.
Die vorliegende Publikation berichtet die Ergebnisse der Eingangsuntersuchung zu
Studienbeginn. Für die hier berichteten Analysen wurden die Daten der Patienten aus
Deutschland, Österreich und der Schweiz verwendet. Die Daten der
Eingangsuntersuchung wurden deskriptiv für die Gesamtkohorte bzw. für Subgruppen
ausgewertet. Die Subgruppen wurden eingeteilt nach
Kontinuierliche Variablen werden als Mittelwert mit Standardabweichung bzw. Median
(Spannweite) dargestellt, kategorische Variablen als prozentualer Anteil der
Patienten mit verfügbaren Werten.
Bei den Analysen zum Erreichen des INR-Zielwertes wurden nur Patienten mit
vollständigen Angaben zur INR in den letzten 12 Monaten vor Einschluss (mindestens 3
Werte) ausgewertet. Die statistische Analyse wurde mit SAS Version 9.2.
durchgeführt.
Ergebnisse
Zum Zeitpunkt der Zwischenauswertung vom 11.2.2013 wurden 1771 Patienten aus
Deutschland, Österreich und der Schweiz in das Register eingeschlossen.
Demografische Angaben und Vor- / Begleiterkrankungen bei Einschluss sind in
Tab.
[
1
] dargestellt. Das mittlere
Alter der Patienten lag bei 71,9 ± 9,2 Jahren. Die häufigsten Komorbiditäten der
Patienten waren:
Tab. 1
Demografische Angaben und Vor- / Begleiterkrankungen bei
Einschluss.
Typ des VHF
CHA2 DS2 -VASc-Score
Gesamt
paroxysmal
(n = 543)
persistierend (n = 195)
langanhaltend persistierend (n = 83)
permanent
(n = 944)
0 (n = 49)
1 (n = 117)
≥ 2 (n = 1487)
(N = 1771)
Alter, Jahre
68,9 ± 9,8
71,4 ± 9,6
72,3 ± 7,8
73,6 ± 8,3
54,3 ± 7,6
60,4 ± 7,5
73,4 ± 7,9
71,9 ± 9,2
Bereich, Jahre
32–93
26–89
52–87
37–95
26–64
42–74
32–95
26–95
> 65 Jahre, %
68,9
78,5
80,7
84,6
0
23,1
86,2
78,9
Männer, %
60,2
63,6
65,9
64,3
100
86,3
60,0
63,0
Body-Mass-Index (Mittelwert ± SD, kg / m2 )
28,2 ± 4,6
28,2 ± 4,9
29,2 ± 4,9
28,5 ± 4,9
26,8 ± 3,2
29,1 ± 4,9
28,4 ± 4,8
28,4 ± 4,8
Arterielle Hypertonie, %
74,8
80,6
92,3
84,9
0
51,3
86,8
81,9
Diabetes mellitus, %
22,8
23,1
33,7
37,5
0
1,7
35,0
31,2
Adipositas (BMI > 30 kg/m2 ), %
30,0
31,8
35,9
31,4
10,2
39,3
31,2
30,8
Herzklappenfehler, %
[* ]
29,9
44,3
39,0
48,0
14,3
29,9
43,9
41,2
Koronare Herzerkrankung, %
23,9
29,2
35,9
32,2
0
6,8
33,3
29,6
Myokardinfarkt, %
9,0
12,8
12,0
10,7
0
0
12,2
10,5
Schlaganfall, %
8,6
8,3
9,0
13,2
0
0
12,2
10,7
TIA, %
4,0
3,1
5,1
9,4
0
0
8,5
7,4
Herzinsuffizienz, %
15,8
30,2
34,6
35,4
0
4,3
31,4
28,4
Chronische Niereninsuffizienz %
17,3
25,0
14,5
14,5
4,1
4,3
16,4
14,9
Chronisch obstruktive Lungenerkrankung %
7,1
9,4
7,8
11,8
4,1
2,6
10,8
9,8
CHA2 DS2 -VASc-Score, Mittelwert
3,2 ± 1,6
3,5 ± 1,8
3,8 ± 1,6
4,1 ± 1,8
1,0 ± 0,0
4,1 ± 1,5
3,7 ± 1,8
HAS-BLED-Score, Mittelwert
1,9 ± 1,1
2,1 ± 1,1
2,4 ± 1,0
2,2 ± 1,0
0,4 ± 0,6
0,9 ± 0,8
2,2 ± 1,0
2,1 ± 1,1
EHRA-Score, %
I
7,9
10,3
13,3
8,2
8,2
15,4
8,1
8,6
II
45,7
35,9
33,7
47,5
44,9
43,6
44,9
45,0
III
31,7
30,8
38,6
31,7
24,5
30,8
31,9
31,8
IV
10,1
15,4
13,3
9,4
14,3
6,8
11,0
10,4
Blutungen in Vorgeschichte oder Prädisposition, %
4,4
3,6
6,4
5,9
0
1,7
5,8
5,1
NSAID oder TAH, %
25,2
23,1
27,7
18
14,3
17,1
23,2
22,2
Alkoholabusus, %
1,3
1,6
2,6
2,7
2,0
3,4
2,1
2,0
NSAID: nicht-steroidale
Antirheumatika TAH: Thrombozytenaggregationshemmer. Für 118
Patienten konnte kein CHA2 DS2 -VASc-Score berechnet
werden.
* Stenose oder Insuffizienz
arterielle Hypertonie (81,9 %)
Diabetes mellitus (31,2 %)
Adipositas (30,8 %)
chronische Niereninsuffizienz (14,9 %)
Z. n. Schlaganfall (10,7 %)
Z. n. Myokardinfarkt (10,5 %)
chronische obstruktive Lungenerkrankung (9,8 %)
Zu Beobachtungsbeginn betrug die mittlere Zeit seit der VHF-Diagnose 4,8 ± 5,3
Jahre.
543 (30,7 %) der Patienten hatten paroxysmales,
195 (11,0 %) persistierendes,
83 (4,7 %) langanhaltend persistierendes und
944 (53,3 %) permanentes VHF (für 6 Patienten keine Angaben).
Die Mehrzahl der Patienten wies eine beträchtliche Belastung durch VHF-assoziierte
Symptome auf (EHRA-Score III: 31,8 %; EHRA-Score IV: 10,4 %).
Der mittlere CHA2 DS2 -VASc-Score lag bei 3,7 ± 1,8 Punkten (0
Punkte bei 3,0 % der Patienten, 1 Punkt bei 7,1 %, 2 + Punkte bei 89,9 %). Die
überwiegende Mehrheit der Patienten wies hohe Score-Werte als einen Indikator für
ein sehr hohes Schlaganfallrisiko auf. Knapp ein Drittel der Patienten (n = 543;
32,7 %) hatte einen Score von 5 oder mehr.
25,1 % aller Patienten hatten bei Einschluss einen Sinusrhythmus. Die Einstellung der
Herzfrequenz bei Einschluss und VHF-assoziierte Interventionen in letzten 12 Monaten
sind in Tab.
[
2
] beschrieben. In der
Gesamtgruppe hatten 12,8 % der Patienten eine medikamentöse Kardioversion, 19,1 %
eine elektrische Kardioversion, 5,8 % eine Ablation, sowie 9,6 % eine Versorgung mit
Herzschrittmacher oder Defibrillator erhalten.
Tab. 2
Einstellung der Herzfrequenz bei Einschluss und VHF-assoziierte
Interventionen in den letzten 12 Monaten vor Einschluss in die
Studie.
Typ des VHF
CHA2 DS2 -VASc-Score
Gesamt
paroxysmal
(n = 543)
persistierend (n = 195)
langanhaltend persistierend (n = 83)
permanent
(n = 944)
0 (n = 49)
1 (n = 117)
≥ 2 (1487)
(N = 1771)
Einstellung der Patienten bei Einschluss
Sinusrhythmus, %
68,9
22,8
6,1
1,9
63,3
42,7
22,6
25,1
Frequenzregulierung, %
gut (HF 60–100)
72,6
73,8
80,7
84,0
65,3
61,5
81,0
79,1
akzeptabel (HF 50–59 oder 101–110)
15,8
12,3
9,6
9,7
16,3
18,8
11,0
11,9
schlecht (HF < 50 oder > 110)
11,6
13,8
9,6
6,3
18,4
19,7
7,9
8,9
VHF-assoziierte Interventionen in letzten 12 Monaten vor
Einschluss
Medikamentöse Kardioversion, %
23,4
17,4
12,0
5,9
24,5
16,4
12,3
12,8
Elektrische Kardioversion, %
23,1
39,0
24,1
12,2
30,6
34,5
17,5
19,1
Ablation %
11,3
7,7
9,6
1,8
26,5
14,7
4,2
5,8
Herzschrittmacher oder Defibrillator, %
9,9
5,1
6,0
10,5
6,1
2,6
9,9
9,6
HF: Herzfrequenz.
Zur Prophylaxe thromboembolischer Ereignisse erhielten in den 12 Monaten vor
Einschluss bzw. zum Zeitpunkt des Einschlusses (Tab.
[
3
]) die Patienten folgende Medikamente:
Tab. 3
Antikoagulation und antithrombotische Therapie.
Typ des VHF
paroxysmal
(n = 543)
persistierend (n = 195)
langanhaltend persistierend (n = 83)
permanent
(n = 944)
Gesamt (N = 1771)
TAH Monotherapie
67 (12,3 %)
18 (9,2 %)
3 (3,6 %)
45 (4,8 %)
7,6 %
VKA Monotherapie
279 (51,4 %)
123 (63,1 %)
50 (60,2 %)
752 (79,7 %)
68,1 %
VKA + TAH
55 (10,1 %)
17 (8,7 %)
9 (10,8 %)
55 (5,8 %)
7,7 %
NOAK Monotherapie
92 (16,9 %)
29 (14,9 %)
14 (16,9 %)
70 (7,4 %)
11,6 %
Rivaroxaban
50
17
4
31
102
Dabigatran
39
11
10
32
92
Apixaban
2
0
0
1
3
Keine der genannten Gruppen
50 (9,2 %)
8 (4,1 %)
7 (8,4 %)
22 (2,3 %)
5,0 %
NOAK: neue nicht-VKA orale Antikoagulanzien. TAH:
Thrombozytenaggregationshemmer VKA: Vitamin-K-Antagonisten.
1206 (68,1 %) Patienten VKA als Monotherapie (überwiegend Phenprocoumon),
136 ( 7,7 %) VKA in Kombination mit TAH
205 (11,6 %) NOAK
5,8 % mit Rivaroxaban
5,5 % mit Dabigatran
135 (7,6 %) TAH als Monotherapie
Keines der genannten Medikamente zur Thromboembolie-Prophylaxe erhielten 89 (5,0 %)
Patienten.
Tab.
[
3
] zeigt die Verteilung der
Antikoagulations- und der antithrombotischen Therapie nach VHF-Typ,
Abb.
[
1
] nach
CHA2 DS2 -VASc-Score. Mit zunehmender Punktzahl nahm der
Anteil Patienten ohne Antikoagulanzien ab. Auf der anderen Seite erhielten 61,3 %
der Patienten mit einem CHA2 DS2 -VASc-Score von 0 entweder
einen VKA oder NOAK.
Abb. 1 Antikoagulanzien und Thrombozytenaggregationshemmer bei Einschluss,
nach Risikoprofil (CHA2 DS2 -VASc-Score)Die Abbildung basiert auf Patienten, bei denen die Angaben für die Berechnung des
Scores ausreichten. Für 118 Patienten konnte kein
CHA2 DS2 -VASc-Score berechnet werden.NOAK: Nicht-Vitamin-K orale Antikoagulanzien; TAH:
Thrombozytenaggregationshemmer; VKA: Vitamin-K-Antagonisten.
Ein temporäres Absetzen von VKA vor therapeutischen oder diagnostischen
Interventionen wurde häufig berichtet (29,7 % in den vergangenen 12 Monaten).
Anders herum verhielt es sich mit der Antikoagulation hinsichtlich des
HAS-BLED-Scores: Je höher der HAS-BLED-Score, desto weniger Patienten erhielten
orale Antikoagulanzien (Abb.
[
2
]).
Abb. 2 Antikoagulanzien und Thrombozytenaggregationshemmer bei Einschluss,
nach Risikoprofil (HAS-BLED-Score)Die Abbildung basiert auf Patienten, von denen die Angaben für die Berechnung des
Scores ausreichten.NOAK: Nicht-Vitamin-K orale Antikoagulanzien; TAH:
Thrombozytenaggregationshemmer; VKA: Vitamin-K-Antagonisten.
Von den 1342 Patienten unter VKA-Therapie war für 1146 (85,4 %) der
CHA2 DS2 -VASc-Score bekannt und es lagen INR-Werte
innerhalb der 12 Monate vor Einschluss vor. Daten dieser Patienten wurden in einer
Subgruppen-Analyse ausgewertet. Von den 1146 Patienten hatten
innerhalb des Zielbereichs (INR 2,0–3,0). Die Qualität der INR-Einstellung
unterschied sich nicht wesentlich, wenn Patienten nach den einzelnen
CHA2 DS2 -VASc-Kategorien differenziert wurden
(Abb.
[
3
]).
Abb. 3 Qualität der INR-Einstellung nach VHF-Typ und Risikoprofil
(CHA2 DS2 -VASc-Score)Die INR-Einstellung bei Patienten unter VKA wurde als adäquat definiert, wenn von
den letzten 3 verfügbaren INR-Werten (in den letzten 12 Monaten vor
Dokumentationsbeginn) mindestens 2 im Zielbereich 2,0–3,0 lagen. Patienten mit
fehlenden Daten zur INR bzw. ohne ausreichende Angaben zur Berechnung des Scores
wurden von der Analyse ausgeschlossen.
Eine Blutungsneigung bzw. Blutungen in der Anamnese wurden bei 5,1 % der Patienten
berichtet, wobei Hospitalisierungen aufgrund größerer Blutungen in den letzten 12
Monaten bei 1,9 % angegeben wurden. Mögliche Risikofaktoren für eine Blutung
bestanden bei 76,7 % der Patienten (zumeist unzureichend eingestellte Hypertonie,
chronische Niereninsuffizienz oder nicht näher bezeichnete Faktoren). Der mittlere
HAS-BLED-Score betrug 2,1 ± 1,1 Punkte. Mit zunehmendem Blutungsrisiko nahm der
Anteil der mit VKA behandelten Patienten ab, dafür nahm die Gabe von TAH zu.
Diskussion
In der vorliegenden Analyse der PREFER-in-AF-Studie in Deutschland, Österreich und
der Schweiz wurde eine orale Antikoagulation bei einer großen Anzahl Patienten
eingesetzt. VKA waren zum Zeitpunkt der Studie mit 68,1 % die am häufigsten
verschriebenen Antikoagulanzien. Bei den meisten Patienten wird die Frequenz
ausreichend reguliert und rhythmuserhaltende Maßnahmen werden häufig eingesetzt.
Dennoch bleiben viele Patienten symptomatisch, was den Bedarf am Einsatz weiterer
Therapieoptionen aufzeigt.
Um die Charakteristika der Patienten in unserem Register in einen Kontext
vergleichbarer Register zu stellen, eignet sich vor allem das Register des AFNET
(5333 Patienten aus Expertenzentren des Kompetenznetzes Vorhofflimmern mit
Patienteneinschluss zwischen 2004 bis 2007 [21 ]) bzw.
die ATRIUM-Studie (3667 ambulante Patienten im niedergelassenen Bereich mit
Einschluss im Jahr 2009 [19 ]). Beide Studien berichteten
die Ergebnisse unterteilt nach VHF-Gruppen wie die vorliegende Studie. Im Vergleich
zu der hier untersuchten D-A-CH-Kohorte der PREFER-in-AF-Studie waren die Patienten
im AFNET im Mittel um 4–5 Jahre jünger (64–71 Jahre), hatten seltener einen Diabetes
mellitus (18 %), Herzinsuffizienz (34 %), arterielle Hypertonie (62–66 %), jedoch
häufiger eine KHK (29–36 %). In der ATRIUM-Studie betrug das mittlere Alter der
Patienten 72 Jahre. Sie hatten einen Diabetes mellitus in 35 %, Herzinsuffizienz in
43 %, und KHK in 34 % der Fälle [19 ]. Der
CHA2 DS2 -VASc-Score, der die Informationen zu Alter und
Komorbiditäten in einer Kennziffer aggregiert, lag in ATRIUM bei 4,0 ± 1,7 und war
somit höher als in unserer Studie. Im Vergleich zum PREFER-in-AF-Gesamtkollektiv
(mittleres Alter 71,5 Jahre, 60,1 % Männer, CHA2 DS2 -VASc-Score
3,4 sowie HAS-BLED-Score 2,0) war die Alters- und Geschlechtsverteilung der
Patienten in D-A-CH ähnlich, die beiden Scores lagen jedoch in D-A-CH etwas höher
[17 ].
Der Schwerpunkt unserer Studie lag auf der Erfassung der medikamentösen Maßnahmen zur
Schlaganfallprävention. Orale Antikoagulanzien sind hierbei sehr effektiv: Hart et
al. [11 ] berichteten auf der Grundlage einer
Meta-Analyse von 29 Studien mit 28 044 Patienten mit vorangegangenem Schlaganfall,
dass dosisadaptiertes Warfarin das Schlaganfallrisiko um etwa 60 % vermindert. In
früheren Studien, z. B. im Euro Heart Survey 2003–2004 [22 ] und dem Register des AFNET [21 ] wurde
eine orale Antikoagulation (OAK) bei etwa 70 % der Patienten mit entsprechender
Indikation eingesetzt. In der Folgezeit wurden in Deutschland etwa im
ATRIUM-Register (83,3 % adäquate Antikoagulation) im hausärztlichen Bereich etwas
höhere Raten berichtet [2 ]
[19 ] – im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern (RECORD-AF [16 ], GARFIELD [13 ]
[14 ]). In PREFER-in-AF lag die Rate der mit VKA oder NOAK
behandelten Patienten bei 79,7 % bzw. 11,6 % und somit etwa in der Größenordnung von
ATRIUM.
Die Qualität der INR-Einstellung wurde in PREFER-in-AF durch die Bewertung der
letzten 3 INR-Werte vor dem Einschluss beurteilt, wobei eine adäquate INR-Kontrolle
bei 2 oder 3 von 3 der letzten verfügbaren Werten innerhalb des Zielbereichs von
2,0–3,0 dokumentiert wurde. Diese Bedingung erfüllten 75,1 % der Patienten, bei
denen die entsprechenden Werte vorlagen. Insgesamt entspricht der Anteil von adäquat
eingestellten VKA-Patienten in unserer Studie den vorliegenden Erfahrungswerten
[17 ]: Wallentin et al. [31 ] berichteten in einer Analyse der RE-LY-Studie, dass die adäquate
INR-Kontrolle (time in therapeutic range, TTR) in den 44 ausgewerteten Ländern
zwischen 44 % und 77 % lag (Werte für D-A-CH 66–68 %) [31 ]. Die Methoden zur Bestimmung der TTR war jedoch eine andere
(Rosendaal-Methode [25 ]), ebenso wie das Studiendesign
(randomisierte Studie vs. Beobachtungsstudie), so dass diese Werte nicht direkt
verglichen werden können. Darüber hinaus lagen in unserer Subgruppenanalyse der
PREFER-in-AF bei einer Vielzahl der Patienten keine Werte vor, so dass die
Ergebnisse insgesamt mit Vorsicht zu interpretieren sind.
Eine genaue Risiko-Stratifizierung der Patienten bzgl. der zu verwendenden
Antikoagulation wurde auf den ersten Blick nur unzureichend vorgenommen: Über 60 %
der Patienten mit einem CHA2 DS2 -VASc-Score von 0 bzw. von 1
(und somit keiner oder nur einer relativen Indikation für eine OAK), erhielten VKA
oder NOAK. Auf der anderen Seite war der Anteil der Patienten beträchtlich (9,4 %),
die ein substantielles Risiko (CHA2 DS2 -VASc-Score ≥ 4) aber
keine adäquate Antikoagulation hatten. Insgesamt nahm aber der Anteil der Patienten
ohne OAK-Behandlung mit höheren Score-Werten ab.
Die Gründe für diese Diskrepanzen sind nicht abschließend geklärt. So ist nicht
bekannt, inwieweit die Ärzte Risikoscores für ihre Patienten in der Praxis
(außerhalb von klinischen Studien) tatsächlich anwenden, oder ob sie das Risiko
subjektiv und orientierend abschätzen. Für die übermäßige Verschreibung einer
OAK-Therapie bei niedrigen CHA2 DS2 -VASc-Scores könnten
passagere Gründe für eine Antikoagulation vorliegen, etwa eine geplante oder
kürzlich durchgeführte Kardioversion oder Katheterablation, die in PREFER-in-AF
nicht in allen Fällen erfasst wurden.
Zwischen den Ergebnissen verschiedener Scores und der ärztlichen Beurteilung können
die Unterschiede gravierend sein, wie vor kurzem für Patienten mit koronarer
Herzkrankheit gezeigt wurde [29 ]. So ist beispielsweise
anzunehmen, dass behandelnde Ärzte bei diesen Niedrigrisikopatienten die Gefahr
einer Blutung deutlich geringer einschätzten, als das Risiko eines Schlaganfalls.
Zweitens ist es denkbar, dass Ärzte gerade bei den Patienten im hohen Alter auf eine
Antikoagulation verzichten, um schwere und insbesondere intrakranielle Blutungen zu
vermeiden [30 ]. Dies ist insbesondere der Fall, wenn das
Sturzrisiko der Patienten als wesentlich angesehen wird [8 ]
[27 ]. Hylek et al. [12 ] berichteten, dass Patienten im Alter von 70–79 Jahren in 59 % und
Patienten ab 90 Jahren nur in 24 % der Fälle eine Antikoagulation verordnet wurde.
Auch im AFNET wurde nur 45 % der Patienten zwischen 80 und 90 Jahren und 15 % der
Patienten über 90 Jahre eine Antikoagulation verschrieben [21 ]. Dies steht im Gegensatz zu den Daten aus klinischen Studien, wonach
der „Nettonutzen“ einer Therapie mit OAK gerade bei Patienten im höheren Alter die
Risiken überwiegt [11 ]
[18 ].
Entsprechend wird auch in den aktuellen Leitlinien klar formuliert, dass ein hohes
Blutungsrisiko (wie beispielsweise im HAS-BLED-Score berechnet) nicht dazu führen
sollte, Patienten mit Indikation für eine blutgerinnungshemmende Therapie diese a
priori zu verweigern.
Obwohl die Kombination von Plättchenhemmern und Antikoagulanzien zu einer erhöhten
Blutungsneigung führt, wird eine solche Kombinationstherapie auch bei Patienten mit
mutmaßlich stabiler vaskulärer Erkrankung häufig angewandt. Im AFNET-Register
erhielten in Abhängigkeit vom VHF-Typ 16–26 % und in ATRIUM 28 % der Patienten TAH.
In PREFER-in-AF wurden 22 % der Patienten ausschließlich mit TAH behandelt und
weitere 10 % erhielten sie in Kombination zu anderen OAK. Die (alleinige) Behandlung
mit Acetylsalicylsäure und anderen TAH reduziert das Schlaganfallrisiko nur um etwa
20 % [11 ]. Auch die BAFTA-Studie [18 ] und die aktuelle AVERROES-Studie belegen, dass TAH einer oralen
Antikoagulation unterlegen sind (bei häufig unterschätztem Risiko für schwere
Blutungen) und daher für den ganz überwiegenden Teil der Patienten keine
Therapiealternative zur OAK darstellen [7 ]. Bei Anwendung
der TAH in der Kombinationstherapie zusätzlich zu OAK ist insbesondere beim
Vorliegen von Risikofaktoren wie weiblichem Geschlecht, Diabetes mellitus, höherem
Alter, Alkoholmissbrauch oder Anämie das Risiko für Blutungen erhöht [28 ].
Limitationen | Bei der Planung und Initiierung des Registers wurde darauf
geachtet, dass die teilnehmenden Zentren für die Situation in den teilnehmenden
Ländern repräsentativ waren. Bei den Patienten sollte durch den Verzicht auf
Ausschlusskriterien eine Selektion (wie in klinischen Studien üblich) vermieden
werden. Dennoch kann ein Bias durch Selektion nicht ausgeschlossen werden: Es ist
naheliegend, dass wenig erfahrene oder mit den Leitlinien unzureichend vertraute
Praxen nicht an Studien teilnehmen. Auch nehmen bestimmte Patienten nicht an Studien
teil, beispielsweise bei kognitiver Einschränkung, Sprachproblemen oder bei
schlechtem Allgemeinzustand [6 ]. Allerdings zeigte unsere
Studie hinsichtlich der Patientencharakteristika und der Anwendung von VKA ähnliche
Ergebnisse wie andere etwa im selben Zeitraum durchgeführte Studien aus Deutschland
im niedergelassenen Bereich (MOVE bei Kardiologen [2 ] und
ATRIUM bei Allgemeinärzten [19 ]). In PREFER-in-AF nahmen
vorrangig Kardiologen teil, die im Vergleich zu anderen Fachrichtungen öfter
Antikoagulanzien verordnen [6 ].
Konsequenz für Klinik und Praxis
Die Zahl der Patienten mit Vorhofflimmern, die mit oralen
Antikoagulanzien (VKA oder NOAK) behandelt wurden, war in der
PREFER-in-AF-Studie sehr hoch.
Allerdings entsprach die Therapie nicht immer dem in den Leitlinien
empfohlenem Behandlungsprinzip. Es muss also davon ausgegangen werden,
dass die Risiko-Stratifizierung der Patienten in Bezug auf die
Antikoagulation nur unzureichend vorgenommen wurde.
12 % der Patienten wurden im Beobachtungszeitraum (Januar 2012 – Januar
2013) mit einem NOAK behandelt.
Danksagung
Josef Schmitt von Daiichi Sankyo Europe beriet die Studiengruppe bezüglich der
statistischen Auswertung und der Programmierung. Die Autoren danken den
teilnehmenden Studienärzten und den Praxis- / Klinikmitarbeitern für ihre
Unterstützung der Studie. Die Autoren danken darüber hinaus David Pittrow (3P
Consulting, Seefeld) für die Unterstützung bei der Verfassung des Manuskripts.
Finanzierung
Die PREFER-in-AF-Studie wurde von Daiichi Sankyo Europe GmbH finanziert. Die
Mitglieder des Steering Board erhielten Honorare für Beratungsleistungen im Rahmen
der Studie.