Der Klinikarzt 2015; 44(12): 584-585
DOI: 10.1055/s-0041-109286
Medizin & Management
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Neuregelungen zum Entlassmanagement der Krankenhäuser – Ausweitung der Regelungen durch das Versorgungsstärkungsgesetz

Isabel Häser
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Dr. iur. Isabel Häser
Rechtsanwältin ETL Lüdemann Wildfeuer & Partner
Sonnenstr. 9
80331 München

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Publication Date:
19 January 2016 (online)

 

Der Gesetzgeber möchte durch die Neuregelung Lücken in der Versorgung schließen. In der Praxis wird die Umsetzung der Regelung aber wohl noch einige Hürden zu überwinden haben.


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Durch das Versorgungsstärkungsgesetz (GKV-VSG) wurden u. a. die gesetzlichen Regelungen zum Entlassmanagement der Krankenhäuser klarer gefasst und auch deutlich erweitert. Die sehr umfangreichen Regelungen finden sich in § 39 Abs. 1 a SGB V. Danach umfasst die Krankenhausbehandlung ein Entlassmanagement zur Unterstützung einer sektorübergreifenden Versorgung der Versicherten beim Übergang in die Versorgung nach Krankenhausbehandlung. Hintergrund für die Ausweitung der Regelungen ist, dass das Entlassmanagement nach Krankenhausbehandlung bisher nicht so umgesetzt worden sei, dass Leistungslücken in jedem Fall wirkungsvoll geschlossen werden konnten.

Die Inhalte der Regelung

Soweit es für die Versorgung des Versicherten unmittelbar nach der Entlassung erforderlich ist, können Krankenhäuser folgende Leistungen verordnen:

  • Arzneimittel

  • Verbandmittel

  • Heil- und Hilfsmittel

  • Krankenhausbehandlung

  • Häusliche Krankenpflege und Soziotherapie.

Diese Leistungen dürfen nach der gesetzlichen Regelung in einem Zeitraum von bis zu 7 Tagen verordnet werden.

Bei der Verordnung von Arzneimitteln ist zu beachten, dass Krankenhäuser nur Packungen mit den kleinsten Packungsgrößenkennzeichen verordnen dürfen. Diese Verordnungsmöglichkeit erfolgt zur Sicherstellung einer durchgehenden Versorgung mit Arzneimitteln.

Von besonderer Bedeutung wird dabei zukünftig sicher die geforderte unmittelbare Erforderlichkeit der Verordnung nach der Entlassung sein. „Bequemlichkeits“-Verordnungen sollten daher vermieden werden, da ansonsten ggf. Regresse drohen könnten (s. u.). Interessant ist auch, dass offensichtlich keine Verpflichtung für die Krankenhäuser bestehen soll, da es sich um eine „Kann“-Regelung handelt.


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Arbeitsunfähigkeit

Darüber hinaus können Krankenhäuser Arbeitsunfähigkeit feststellen. Auch hier gilt die Voraussetzung, dass diese unmittelbar nach der Entlassung erforderlich ist.

Für alle vorgenannten Punkte gelten die Bestimmungen über die vertragsärztliche Versorgung. Das bedeutet, dass sich die Krankenhäuser mit den vertragsärztlichen Bestimmungen im Zusammenhang dieser Verordnungen vertraut machen müssen.

Nach Ablauf der vorgenannten Fristen fällt die Verordnung wieder in den Verantwortungsbereich der niedergelassenen Vertragsärzte.


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Datenschutz

Das Entlassmanagement selbst und eine dazu erforderliche Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten dürfen nur mit Einwilligung und nach vorheriger Information des Versicherten erfolgen. Die Einwilligung kann jederzeit widerrufen werden. Information, Einwilligung und Widerruf bedürfen der Schriftform, so sieht es die gesetzliche Regelung vor.

Hieraus wird zum einen deutlich, dass letztlich der Patient darüber entscheidet, ob er ein Entlassmanagement wünscht und nicht das Krankenhaus. Inwieweit die Patienten davon Gebrauch machen werden, wird wohl im Wesentlichen davon abhängen, inwieweit hier ausreichende Informationen vonseiten der Krankenkassen erfolgen.


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Pflege

§ 39 SGB V verweist ausdrücklich auf § 11 Abs. 4 S. 4 SGB V, wonach in das Versorgungsmanagement die Pflegeeinrichtungen einzubeziehen sind.


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Delegation des Entlassmanagements

Einer der meist diskutierten Punkte ist die Delegationsmöglichkeit des Entlassmagements. Das Krankenhaus kann mit den Leistungserbringern nach § 95 Abs. 1 S. 1, d. h.

  • zugelassenen Vertragsärzten,

  • zugelassenen MVZs,

  • ermächtigten Ärzten oder

  • ermächtigten Einrichtungen

vereinbaren, dass diese Aufgaben des Entlassmanagements wahrnehmen. Ggf. ist bei derartigen Vereinbarungen jedoch Vorsicht geboten. In Anbetracht des im Laufe des Jahres 2016 zu erwartenden Antikorruptionsparagraphen § 299 a StGB wird bereits jetzt in Fachkreisen darüber diskutiert, ob derartige Konstellationen ggf. „Kick-back“-anfällig sein könnten. Dies könnte z. B. der Fall sein, wenn dem krankenhauszuweisenden Vertragsarzt ein entsprechendes Entlassmanagement für das Krankenhaus zu unangemessen hohen Konditionen angeboten wird, um ihn als Zuweiser an das Haus zu binden.


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Apothekengesetz gilt

Im Rahmen der gesetzlichen Regelung wird ausdrücklich festgelegt, dass § 11 des Apothekengesetzes unberührt bleibt. Dort ist u. a. geregelt, dass zwischen Apothekern und Ärzten keine Rechtsgeschäfte vorgenommen oder Absprachen getroffen werden dürfen, die eine bevorzugte Lieferung bestimmter Arzneimittel, die Zuführung von Patienten, die Zuweisung von Verschreibungen oder die Fertigung von Arzneimitteln ohne volle Angabe der Zusammensetzung zum Gegenstand haben. Ausnahmen ergeben sich im Wesentlichen für die Lieferung von Zytostatikazubereitungen, die unmittelbar an den anwendenden Arzt abgegeben werden dürfen.

Im Übrigen gilt auch § 14 Abs. 7 ApoG weiterhin. Danach kann die Sicherstellung der Versorgung mit Arzneimitteln auch durch die Mitgabe der für die Versorgung erforderlichen Arzneimittel erfolgen, wenn auf die Entlassung des Patienten ein Wochenende oder Feiertag folgt. Unter Umständen muss vom Krankenhaus aus Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten sogar auf diese Regelung zurückgegriffen werden (so auch bereits vorgesehen im Entwurf der zu ändernden Arzneimittelrichtlinie, s. u.).


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Anspruch auf Unterstützung durch Krankenkassen

Der Versicherte hat gegenüber der Krankenkasse einen Anspruch auf Unterstützung des Entlassmangements. Soweit hierbei Hilfen durch die Pflegeversicherung in Betracht kommen, kooperieren Kranken- und Pflegekassen miteinander. Dadurch, dass der Versicherte nunmehr einen unmittelbaren Rechtsanspruch gegenüber der Krankenkasse auf Unterstützung beim Entlassmanagement hat, erfolgt eine deutlich stärkere Einbeziehung der Krankenkassen in den Prozess des Entlassmanagements. Ziel ist es, dass die Krankenkasse gemeinsam mit dem Krankenhaus bereits rechtzeitig vor der Entlassung die für die Umsetzung des Entlassplans erforderliche Versorgung organisiert. Hierzu gehört z. B., dass rechtzeitig Kontakt zu den notwendigen Leistungserbringern aufgenommen wird und dafür zu sorgen, dass diese zeitgerecht zur Verfügung stehen.


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Geltung vertragsärztlicher Regelungen

Durch die ausdrückliche Aufnahme der Regelung, dass bei den Verordnungsmöglichkeiten nach der Entlassung für die Krankenhäuser die Bestimmungen über die vertragsärztliche Versorgung gelten, unterfallen die Krankenhäuser in diesen Bereichen sowohl den leistungsrechtlichen Vorgaben als auch den Wirtschaftlichkeitsbestimmungen. Es ist davon auszugehen, dass hier auch entsprechende Prüfungsmechanismen der Wirtschaftlichkeitsprüfung greifen müssen, sofern sich das Krankenhaus zum Beispiel nicht an die vorgegebenen Verordnungszeiten oder Packungsgrößen hält. Ggf. können hier zukünftig Regresse drohen.


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Wie geht's weiter?

Der Gesetzgeber überträgt dem Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) die Aufgabe, im Rahmen der bereits bestehenden Arzneimittel-Richtlinie die weitere Ausgestaltung des Verordnungsrechts der Krankenhäuser vorzunehmen. Ein entsprechender Entwurf mit zahlreichen Vorgaben wurde bereits erarbeitet und ein Stellungnahmeverfahren eingeleitet. Die Vorgaben betreffen dabei neben den Anforderungen an die Rezeptausstellung wie erwartet auch die Frage der Erforderlichkeit, aber auch Informationspflichten.

Die weiteren Einzelheiten soll der Spitzenverband Bund der Krankenkassen, der Spitzenverband Bund der Pflegekassen, die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und die deutsche Krankenhausgesellschaft unter Berücksichtigung der vorgenannten Richtlinie des G-BA bis zum 31.12.2015 in einem Rahmenvertrag regeln. Vor Abschluss des Rahmenvertrages ist der für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisation der Apotheker sowie den Vereinigungen der Träger der Pflegeeinrichtungen auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellung zu geben. Der Gesetzgeber hat offensichtlich bereits vorhergesehen, dass der entsprechende Rahmenvertrag nicht fristgerecht vereinbart werden wird. Denn er verweist bereits in der gesetzlichen Begründung für den Fall, dass eine Vereinbarung ganz oder teilweise nicht zustande kommt, darauf, dass ihr Inhalt auf Antrag einer Vertragspartei durch das Bundesschiedsamt innerhalb von 3 Monaten festgelegt wird. Alternativ kann auch das Bundesministerium für Gesundheit das Schiedsamt anrufen.

Es bleibt also spannend und noch einige Fragen offen.


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