Schlüsselwörter
Rheumatoide Arthritis - Methotrexat - Biologika - Metabolismus - Mortalität
Keywords
rheumatoid arthritis - methotrexate - biologics - metabolism - mortality
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Wirkmechanismus von Methotrexat: Der intrazelluläre Aktivierungsschritt der Polyglutamierung ist entscheidend für die Wirkung von Methotrexat in der Entzündung. Das Wissen über diesen pharmakologischen Mechanismus lässt Rückschlüsse über Faktoren zu, welche die Methotrexatwirkung fördern oder hemmen können.
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MTX als Begleittherapie bei Biologika-Behandlung: Die Ko-Medikation mit Methotrexat kann den Wirkverlust von Biologika durch die Bildung von neutralisierenden Antikörpern verhindern. Eine neue Studie zeigt, dass dafür schon deutlich geringere Dosen ausreichen als früher vermutet.
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Kardioprotektiver Effekt von MTX: Methotrexat reduziert die Mortalität der rheumatoiden Arthritis durch einen protektiven Effekt auf kardiovaskuläre Ereignisse. Neue Daten lassen vermuten, dass dieser Effekt zum Teil unabhängig von dem Ansprechen der Arthritis ist, also ein primärer Effekt auf den Pathomechanismus der Arteriosklerose existieren könnte.
Aktueller Stand
Methothrexat (MTX) hat trotz des Siegeszuges der Biologika weiterhin eine Schlüsselstellung in der Behandlung der rheumatoiden Arthritis (RA). Es ist das Medikament der ersten Wahl; jeder Patient mit einer neu diagnostizierten RA sollte es erhalten, wenn keine Kontraindikationen bestehen [1] (▸ Abb. 1). Gründe hierfür sind folgende:
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Der frühe Therapiebeginn mit MTX ist entscheidend für die Prognose hinsichtlich der radiologischen Progredienz und damit der strukturellen Veränderungen des Bewegungssystems [2].
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Bisher wurde nicht schlüssig gezeigt, dass der Biologika-Einsatz statt MTX schon bei der Diagnosestellung der RA wesentliche Vorteile hätte. Insbesondere würden in diesem Krankheitsstadium die enormen Mehrkosten die geringen Vorteile der Biologika nicht rechtfertigen.
Selbst wenn im weiteren Verlauf der Erkrankung MTX nicht mehr ausreicht und der Patient doch noch andere krankheitsmodifizierende Medikamente benötigt, behält MTX seine Schlüsselrolle: Andere DMARD (z. B. Leflunomid oder die Kombination Sulfasalazin und Hydroxychloroquin) sowie Biologika werden, sofern möglich, vorrangig in Kombination mit MTX gegeben (▸ Abb. 1). Dies ist der Grund, warum MTX im angelsächsischen Sprachraum als „anchor drug“ der RA bezeichnet wird, also übersetzt in etwa „der Dreh- und Angelpunkt“ der Therapie der RA.
Wirkmechanismus von Methotrexat
Wirkmechanismus von Methotrexat
MTX ist ein Folsäureantagonist mit einer breiten Wirkung auf zelluläre Entzündungsmechanismen [3] und einigen pharmakologischen Besonderheiten. Oral gegeben wird MTX im proximalen Dünndarm vor allem durch den Protonen-gekoppelten Folat-Transporter aufgenommen [4]. Dieser hat ein pH-Optimum von 5,5, wird bei Folatmangel hoch- und durch Alholkonsum herunterreguliert. Außerdem konkurriert MTX dabei kompetitiv mit Folaten aus der Nahrung. Dadurch ist die orale Resorption sehr variabel. Auch bei einer wöchentlichen Dosis von 15 mg erreicht die Bioverfügbarkeit ein Plateau, das durch Dosissteigerungen nicht erhöht werden kann [5].
Subkutan gegeben ist MTX ca. 30–40 % wirksamer als per oral [6]. Obwohl es im Serum eine sehr kurze Halbwertszeit von 6–8 h hat, wird es nur einmal pro Woche gegeben. Die Wirkung tritt nach ca. 6–8 Wochen ein. Nach Absetzen hält sie ca. 4 Wochen an. Einige dieser speziellen Eigenschaften werden durch einen intrazellulären Aktivierungschritt des MTX-Moleküls erklärt: die Polyglutamierung. Ihr Ausmaß ist wesentlich für die Effektivität der RA-Therapie.
Nach der zellulären Aufnahme von MTX koppelt das Enzym Folylpolyglutamat-Synthetase bis zu 5 Glutamat-Gruppen an das MTX-Molekül. Dies führt zu einer intrazellulären Persistenz von MTX und zu einer höheren Affinität für folatabhängige Enzyme. Die MTX-Polyglutamate akkumulieren intrazellulär und erreichen nach ca. 15 Wochen einen Steady-State. Nach Absetzen von MTX werden die intrazellulären Metabolite allmählich durch die Gamma-Glutamathydrolase abgebaut, erreichen nach 10 Wochen niedrige Werte und sind erst nach ca. 22 Wochen ganz verschwunden [7]. Diese pharmakologische Besonderheit erklärt den langsamen Wirkeintritt und die vorübergehende Persistenz der MTX-Wirkung nach Absetzen.
Allerdings ist die interindividuelle Variabilität der Polyglutamierung sehr hoch [8]. Außerdem hängt sie von externen Einflussfaktoren ab, wobei die parenterale Gabe die Rate aktiver polyglutamierter MTX-Metabolite erhöht (▸ [
Tab. 1
]).
Tab. 1 Faktoren, die die Konzentration von polyglutamiertem MTX bei der RA beeinflussen [23]. Für Rauchen und die per orale MTX-Gabe wurde auch gezeigt, dass dies Prädiktoren für ein schlechteres Ansprechen auf eine MTX-Therapie im Vergleich zu Nichtrauchern bzw. subkutaner Gabe von MTX sind.
Faktoren, die eine Akkumulation von polyglutamiertem MTX begünstigen
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Faktoren, welche die Akkumulation von polyglutamiertem MTX reduzieren
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Per orale MTX-Gabe
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Rauchen
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NSAR-Begleittherapie
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Lange Zeit war die Bedeutung der Polyglutamierung für die klinische Effizienz von MTX nur aus der Auswertung von Querschnittsstudien geschlossen worden. Erstmals wurden nun in zwei prospektiven Untersuchungen gezeigt, dass diese Metabolisierung tatsächlich entscheidend für den MTX-Effekt sein dürfte. Bei 113 Kindern mit juveniler idiopathischer Arthritis war die langkettige Polyglutamierung mit besserem Therapieansprechen nach 3 und 12 Monaten assoziiert [9]. In einer prospektiven Kohorte mit RA-Patienten von De Rotte et al. [10] war die kurz- und langkettige Polyglutamierung von MTX mit einer höheren Reduktion des Aktivitätsparameters DAS-28 assoziiert. Ferner wurde ein Cut-off-Wert der Polyglutamat-Konzentrationen für ein Ansprechen bestimmen. Aus methodischen Gründen wurden dabei die MTX-Polyglutamate in Erythrozyten gemessen. Polyglutamierung findet jedoch auch am Ort der Entzündung bei RA, der Synovia, statt. Beide Autoren fanden keine Assoziation zur Toxizität von MTX.
Das individuelle Ausmaß der intrazellulären Polyglutmierung von MTX ist mit dem Therapieansprechen assoziiert.
MTX als Begleittherapie einer Biologika-Behandlung
MTX als Begleittherapie einer Biologika-Behandlung
Der Grund, warum eine Therapie mit einem Biologikum wenn möglich in Kombination mit MTX durchgeführt werden sollte, liegt v. a. in der hemmenden Wirkung von MTX auf die Anti-Drug-Antikörperbildung gegen das Biologikum. Sicher nachgewiesen wurde dieser Effekt bei Infliximab, Adalimumab und Golimumab [11]. Vermutlich ist er in unterschiedlichem Ausmaß auch bei anderen Biologika vorhanden. Im Fall des TNF-α-Hemmers Adalimumab wurden ohne eine Begleittherapie mit MTX bei 38 %, und mit einer solchen nur bei 12 % Anti-Adalimumab-Antikörper im Therapieverlauf nachgewiesen [12]. Diese Antikörper neutralisieren entweder direkt die Wirkung des Medikaments oder sie reduzieren die Halbwertszeit durch Komplexbildung. Dementsprechend ist das Medikamentenüberleben der Biologika, also die Dauer wie lange eine Substanz gegeben wird, ohne MTX reduziert. Eindeutig wurde das für Adalimumab im deutschen Rabbit-Register gezeigt: Nach einem Jahr mit MTX bekamen noch ca. 65 % der Patienten Adalimumab, ohne MTX nur ca. 51 % [13]. Dervieux et al. [14] konnten im Falle des TNF-α-Hemmers Infliximab zeigen, dass auch dieser Effekt von der Polyglutamierung abhängig ist.
Burmester et al. untersuchten in der CONCERTO-Studie [15], welche MTX-Dosis notwendig ist, um den hemmenden Effekt auf die Anti-Drug-Antikörperbildung bei einer Kombination mit Adalimumab zu erreichen. Patienten mit relativ früher RA erhielten einmal pro Woche 2,5, 5, 10 oder 20 mg MTX p. o. in Kombination mit Adalimumab. Das Ergebnis war erstaunlich: Für den optimalen MTX-Effekt hinsichtlich klinischer Wirksamkeit und Antikörperbildung gegen Adalimumab reichten 10 mg MTX / Woche völlig aus – entgegen der sonst mindestens nötigen 15 mg / Woche. Bei niedrigeren Dosen oder gar keinem MTX war der klinische Effekt von Adalimumab deutlich geringer. Bedingt ist dies durch eine vermehrte Antikörperbildung und eine dadurch um das Doppelte erhöhte Adalimumab-Clearance [15].
Eine Begleittherapie mit MTX verlängert die Zeit, in der ein Medikament gegeben werden kann. Vermutlich reichen bereits niedrige Dosen aus.
Kardioprotektiver Effekt von MTX
Kardioprotektiver Effekt von MTX
RA-Patienten haben ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko, das in etwa dem des Diabetes mellitus entspricht [16]. Wesentliche Risikofaktoren sind die entzündliche Krankheitsaktivität der RA und andere RA-spezifische Faktoren, wie der Nachweis von Antikörpern gegen citrullinierte Proteine (ACPA) oder extraartikuläre Manifestationen [17], [18]. In Ratingen wurde in den frühen 1980er Jahren als erstes in Europa MTX zur RA-Behandlung eingesetzt. Diese Kohorte wurde systematisch verfolgt. Krause et al. zeigten im Jahr 2000 [19], dass bei Patienten, die auf diese Therapie ansprechen, die Mortalität deutlich reduziert ist; überwiegend aufgrund der Senkung der kardiovaskulären Ereignisse.
Seither wurde immer wieder ein positiver Effekt der Therapie mit MTX auf die Rate von kardiovaskulären Ereignissen bei RA-Patienten gezeigt. So zeigten Billi et al. [20] eine Reduktion des kardiovaskulären Risikos der RA durch die MTX-Therapie auf unter 20 % des Risikos von nicht mit MTX behandelten Patienten. Übertroffen wird dieser Effekt nur noch von dem der TNF-Inhibitoren, bei denen die Risikoreduktion noch deutlicher ausfällt.
Einiges spricht dafür, dass MTX einen sehr spezifischen Effekt auf die Arteriosklerose hat und der Effekt u. U. nicht alleine durch die Reduktion der Krankheitsaktivität vermittelt wird. So wurde gezeigt, dass MTX den reversen Cholesteroltransport aktiviert und damit die Bildung von Schaumzell-Makrophagen im arteriosklerotischen Prozess hemmt [21]. MTX hebt damit die entgegengesetzte Wirkung von COX-Hemmern auf. Dieser Effekt ist Adenosin-abhängig, ein Molekül, das auch in der entzündeten Synovia durch MTX induziert wird und vermutlich für dessen wichtige entzündungshemmende und immunmodulierende Effekte verantwortlich ist.
Krause et al. [22] untersuchten nun die gleiche RA-Kohorte aus Ratingen 10–18 Jahre nach Beginn der MTX-Therapie. Das Besondere dieser Kohorte ist, dass die Patienten damals mangels anderer wirksamer Alternativen auch mit MTX weiterbehandelt wurden, wenn sie wenig oder gar nicht angesprochen haben. Wieder wird ein anhaltender protektiver Effekt von MTX auf die überwiegend kardiale Mortalität nachgewiesen. Am stärksten profitieren Patienten, die nach einem Jahr auf die Therapie ansprachen. Die Mortalität war jedoch auch bei den Patienten reduziert, die nicht mit ihrer RA auf MTX angesprochen haben. Daher könnte MTX einen direkten Effekt auf das kardiovaskuläre Risiko bei RA-Patienten haben, der unabhängig von der Wirkung auf die RA ist. Ein solcher Effekt direkt auf die Arteriosklerose wird inzwischen auch in einer großen klinische Studien („Cardiovascular Inflammation Reduction Trial“; CIRT), bei erhöhem kardiovaskulärem Risiko ohne RA untersucht. Man darf auf das Ergebnis gespannt sein.
Methotrexat reduziert das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse bei RA – unabhängig von seiner Wirkung auf die RA selbst.