Aktuelle Dermatologie 2016; 42(01/02): 23-24
DOI: 10.1055/s-0041-109840
Eine Klinik im Blickpunkt
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Behandlung der Hämangiome im Säuglings- und Kleinkindesalter mit Propranolol

Studienergebnisse und Vorgehensweise in der Universitätshautklinik KielTreatment of Hemangiomas in Infancy and Early Childhood with PropranololStudy Results and Procedure of the Department of Dermatology, University of Kiel
R. Fölster-Holst
Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel
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Korrespondenzadresse

Prof. Dr. Regina Fölster-Holst
Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie
Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel
Schittenhelmstr. 7
24105 Kiel

Publication History

Publication Date:
04 February 2016 (online)

 

Zusammenfassung

Der Betablocker Propranolol wurde kürzlich in der EU in seiner pädiatrischen Formulierung Hemangiol® zur Therapie des Hämangioms im Säuglings- und Kleinkindesalter zugelassen. An den Studien, die letztendlich zur Zulassung beigetragen haben, haben wir im Rahmen unserer Hämangiomsprechstunde teilgenommen. Die Ergebnisse der Studie untermauern sowohl die Effektivität als auch die Sicherheit des Medikamentes. Im Folgenden werden die wichtigsten Ergebnisse, eigene Erfahrungen und auch das aktuelle Vorgehen zur Behandlung mit Propranolol bei Hämangiomen im Säuglingsalter kurz dargestellt.


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Abstract

The beta blocker propranolol has recently been approved in the EU in its pediatric formulation of Hemangiol® for the treatment of hemangioma in infancy and early childhood. As part of our hemangioma consultations, we have participated in the studies that have contributed to the approval. The results of the study support both the effectiveness and the safety of the drug. The most important results, own experience and also the current procedure to use propranolol for treatment of hemangiomas in infancy are briefly presented.


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Hämangiome sind nicht bei Geburt (im Gegensatz zu vaskulären Malformationen, die bereits bei Geburt vorhanden sind), aber innerhalb der ersten Lebenswochen manifest. Mit einer Prävalenz von 4 – 5 % aller Säuglinge kommen sie sehr häufig vor [1] [2] [3]. Nach einer Wachstumsphase von 6 – 9 Monaten kommt es zu einem Wachstumsstillstand und anschließend setzen Regressionsvorgänge ein, die auch die Rationale für die Empfehlung „wait and see“ bei unkomplizierten Hämangiomen darstellen. Unter komplizierten Hämangiomen sind solche zu verstehen, die in der Umgebung wichtiger anatomischer Strukturen wie Auge, Nase, Mund, Ohren und in der Genitoanalregion lokalisiert sind. Diese und auch blutende, ulzerierte sowie Hämangiome mit extremer Wachstumstendenz sind behandlungsbedürftig.

Vor der Zulassung von Propranolol bestand die Therapie der komplizierten Hämangiome in der Gabe von systemischen Kortikosteroiden, alternativ wurden „off-label“ Vincristin oder Interferon-alpha verabreicht. Letztere sollten, nicht zuletzt aufgrund schwerwiegender Nebenwirkungen, nicht mehr eingesetzt werden, während die Kortikosteroide weiterhin bei Patienten indiziert sind, die nicht auf Propranolol ansprechen oder dieses nicht vertragen. Auch intratracheale infantile Hämangiome werden als Indikation angegeben, wobei die systemischen Kortikosteroide dann mit Propranolol kombiniert verabreicht werden sollten. Zum diagnostischen therapeutischen Vorgehen sei auch auf die AWMF-Leitlinien und die Konsensusempfehlungen europäischer Experten verwiesen [2] [3].

Wie gehen wir in unserer Hämangiomsprechstunde vor?

Niedergelassene Kollegen (meist Kinderärzte) stellen die Säuglinge in unserer Hämangiomsprechstunde vor, in der wir das weitere Procedere festlegen. Bei Indikationsstellung zur Propranololtherapie erfolgt die initiale Behandlung während eines eintägigen stationären Aufenthalts in der Kinderklinik unserer Universität. Für diesen Termin legen die Eltern die Ergebnisse des EKGs sowie des Echokardiogramms vor, die bereits ambulant bei niedergelassenen Kinderkardiologen durchgeführt worden sind. Die Initialtherapie von 1 mg/kg/Tag wird in zwei Einzeldosierungen verabreicht. Eine Steigerung auf 2 mg/kg/Tag und bei fehlendem Ansprechen nach weiteren 14 Tagen auf 3 mg/kg/Tag erfolgt ebenfalls im Rahmen eines 1-tägigen stationären Aufenthaltes in der Kinderklinik. Zu diesen Zeitpunkten werden Herzfrequenz, Blutdruck und Blutzucker überwacht.

Weitere monatliche Kontrollen werden in den Kinderarztpraxen vorgenommen. Neben den klinischen Kontrollen einschließlich der Messung der Herzfrequenz werden die Propranololdosen dem Gewicht angepasst. Wird nach 6 Monaten ein gutes Ansprechen festgestellt, wird die Therapie abgesetzt. Ist das nicht der Fall, so wird die Propranololgabe noch für 3 ½ Monate fortgesetzt. Basierend auf Erfahrungen, die sich nach Zulassung des Medikamentes für diese Indikation zeigen werden, werden die Vorgehensweisen entsprechend optimiert.

In der Fachinformation wird nach der Initialdosis von 1,0 mg/kg/Tag eine Steigerung auf 3 mg/kg/Tag in wöchentlichen Abständen empfohlen. Für die stationären Patienten wird gemäß des Expertenkonsens eine Hochtitrierung der Dosis nach einem bzw. nach zwei Tagen auf die Enddosis von 2 und 3 mg/kg/Tag vorgeschlagen [2]. Da systemische Betablocker die Bluthirnschranke passieren können, sind Studien zur weiteren neurologischen Entwicklung der Kinder zu fordern, so die Empfehlung der europäischen Expertenkommission [2].


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Welche anderen Therapiemaßnahmen sind noch indiziert?

Wie oben bereits erwähnt, haben die systemischen Kortikosteroide in Einzelfällen ihre Berechtigung. Die früher vielfach praktizierten Kryo- oder Lasertherapien sollten nur noch zum Einsatz kommen, wenn Propranolol nicht zum Erfolg geführt hat. Verbleiben nach erfolgreicher Therapie Teleangiektasien, können diese mit dem gepulsten Farbstofflaser oder intense pulsed light (IPL) behandelt werden.

Aufgrund nur weniger Untersuchungen zur transkutanen Resorption mit möglichen Risiken systemischer Nebenwirkungen, wie sie auch beschrieben worden sind [4], wird die topische Behandlung mit Betablockern bisher nicht empfohlen [3]. Es sind jedoch in jüngster Zeit mehrere Publikationen erschienen [5] [6] [7], die auf eine sichere und effektive topische Behandlung mit Betablockern (Timolol maleat 0,5 % Gel, 1 % und 3 % Propranolol) hinweisen, einschließlich eines systematischen Reviews und einer Metaanalyse [5]. Weitere Studien werden zeigen, ob die topischen Betablocker ihren festen Platz in der Therapie superfizieller infantiler Hämangiome finden, beispielsweise bei Säuglingen und Kleinkindern, die auf die systemische Therapie schwere Nebenwirkungen entwickeln.


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Welche Kontraindikationen sind bei der Hämangiomtherapie mit Propranolol zu beachten?

  • Frühgeborene, die noch nicht das korrigierte Lebensalter von 5 Wochen erreicht haben

  • Bekannte Unverträglichkeit gegen den Wirkstoff Propranolol oder gegen andere Bestandteile der Hemangiol-Lösung (HyetelloseSaccharin-Natrium, Erdbeeraroma (enthält Propylenglycol), Vanillearoma (enthält Propylenglycol), Zitronensäure-Monohydrat

  • Asthma oder Bronchospasmen in der Vorgeschichte

  • Bradykardie

  • AV-Block zweiten oder dritten Grades

  • Nicht therapeutisch beherrschte Herzinsuffizienz

  • Hypotonie sowie Phäochromozytom


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Welche Nebenwirkungen sind bekannt?

Häufige Nebenwirkungen

  • Schlafstörungen

  • ausgeprägte Infektionen (Bronchitis, Bronchiolitis, Diarrhö u. a.)

Schwere Nebenwirkungen

  • Hypoglykämie mit dem Risiko von Krampfanfällen

  • Schwerste Infektionen der Atemwege mit Atemnot

Die initiale Dosis beträgt 1,0 mg/kg/Tag. Eine Dosissteigerung auf die empfohlene Enddosis von 3 mg/kg/Tag erfolgt bei ambulanten Patienten in wöchentlichen Abständen (laut Fachinformation). Dem Expertenkonsens zufolge wird in der Klinik bei stationären Patienten bereits nach einem bzw. nach zwei Tagen auf die empfohlene Enddosis hochtitriert, die zwischen 2 und 3 mg/kg/Tag variiert. Jeweils die Hälfte der Dosis sollte am Morgen und am Abend zu den Mahlzeiten verabreicht werden. Die empfohlene Mindestdauer der Therapie beträgt sechs Monate, wobei alle vier Wochen Kontrollen der Herzfrequenz sowie Dosisanpassungen erfolgen sollten. Bei schlechter Aufnahme des Medikaments oder dem Auftreten einer Bronchiolitis sollte die Therapie unterbrochen werden.


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Interessenkonflikt

Vortrag im Rahmen der von Pierre Fabre organisierten Pressekonferenz am 24. 7. 2014 (Münchner Fortbildungswoche). Teilnahme an der Propranololstudie zur Behandlung des infantilen Hämangioms.

  • Literatur

  • 1 Léauté-Labrèze C, Hoeger P, Mazereeuw-Hautier J et al. A randomized, controlled trial of oral propranolol in infantile hemangioma. N Engl J Med 2015; 372: 735-746
  • 2 Hoeger PH, Harper JI, Baselga E et al. Treatment of infantile haemangiomas: recommendations of a European expert group. Eur J Pediatr 2015; 174: 855-865
  • 3 AWMF Leitlinie, 2k-Leitlinie 006/100: Infantile Hämangiome im Säuglings- und Kleinkindesalter. 2/2015
  • 4 McMahon P, Oza V, Frieden IJ. Topical timolol for infantile hemangiomas: putting a note of caution in “cautiously optimistic”. Pediatr Dermatol 2012; 29: 127-130
  • 5 Ovadia SA, Landy DC, Cohen ER et al. Local administration of β-blockers for infantile hemangiomas: a systematic review and meta-analysis. Ann Plast Surg 2015; 74: 256-262
  • 6 Chen ZG, Zheng JW, Yuan ML et al. A novel topical nano-propranolol for treatment of infantile hemangiomas. Nanomedicine 2015; 11: 1109-1115
  • 7 Chan H, McKay C, Adams S et al. RCT of timolol maleate gel for superficial infantile hemangiomas in 5- to 24-week-olds. Pediatrics 2013; 131: e1739-1747

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. Regina Fölster-Holst
Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie
Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel
Schittenhelmstr. 7
24105 Kiel

  • Literatur

  • 1 Léauté-Labrèze C, Hoeger P, Mazereeuw-Hautier J et al. A randomized, controlled trial of oral propranolol in infantile hemangioma. N Engl J Med 2015; 372: 735-746
  • 2 Hoeger PH, Harper JI, Baselga E et al. Treatment of infantile haemangiomas: recommendations of a European expert group. Eur J Pediatr 2015; 174: 855-865
  • 3 AWMF Leitlinie, 2k-Leitlinie 006/100: Infantile Hämangiome im Säuglings- und Kleinkindesalter. 2/2015
  • 4 McMahon P, Oza V, Frieden IJ. Topical timolol for infantile hemangiomas: putting a note of caution in “cautiously optimistic”. Pediatr Dermatol 2012; 29: 127-130
  • 5 Ovadia SA, Landy DC, Cohen ER et al. Local administration of β-blockers for infantile hemangiomas: a systematic review and meta-analysis. Ann Plast Surg 2015; 74: 256-262
  • 6 Chen ZG, Zheng JW, Yuan ML et al. A novel topical nano-propranolol for treatment of infantile hemangiomas. Nanomedicine 2015; 11: 1109-1115
  • 7 Chan H, McKay C, Adams S et al. RCT of timolol maleate gel for superficial infantile hemangiomas in 5- to 24-week-olds. Pediatrics 2013; 131: e1739-1747