pferde spiegel 2016; 19(01): 12-18
DOI: 10.1055/s-0041-110020
fachspiegel
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Aktuelle Entwicklung und Folgen der Rechtsprechung zur gesamtschuldnerischen Haftung des Tierarztes nach pflichtwidriger Ankaufsuntersuchung – Teil 1

Kai Bemmann
,
Heike Raum
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Korrespondenzadresse

Kai Bemmann
Fachanwalt für Medizinrecht, Fachanwalt für Agrarrecht
Lehrbeauftragter an der Georg-August-Universität Göttingen, öffentlich bestellter u. vereidigter landwirtschaftlicher Sachverständiger für Pferdezucht u. -haltung in Verden (Aller)
Rechtsanwälte Dr. Bemmann u. Kollegen
Lindhooper Str./Heideweg 1
27283 Verden (Aller)

 

Heike Raum
Ass. jur. bei der Bayerischen Versicherungskammer, Leiterin der Schadenabteilung für Tierarzthaftung in München
Versicherungskammer Bayern
Warngauer Str. 30
81539 München

Publication History

Publication Date:
11 March 2016 (online)

 

Im vorliegenden Beitrag wird die Rechtslage zur Haftung des Tierarztes nach pflichtwidriger Ankaufsuntersuchung dargestellt. Nach einer Einführung in die Problematik befasst sich Teil 1 mit den wirtschaftlichen Überlegungen der tierärztlichen Berufshaftpflichtversicherung. Im Teil 2 werden die juristischen Probleme des Gesamtschuldnerausgleichs angesprochen [ 1 ] .

Einführung in die Problematik

K. Bemmann

Der Käufer, der von seinem Verkäufer ein Pferd erwirbt und außerdem einen Tierarzt mit der Durchführung einer Ankaufsuntersuchung[ 2 ] beauftragt, hat 2 Schuldner, die ihm gegenüber zur mangelfreien Leistung verpflichtet sind:

  • der Verkäufer zu mangelfreier Verschaffung des Pferdes

  • der Tierarzt zu sorgfältiger Durchführung der Ankaufsuntersuchung

Der Käufer schuldet dem Verkäufer die Zahlung des Kaufpreises und dem Tierarzt die Bezahlung der Tierarztgebühren.

Sofern sich nach Übergabe des Pferdes herausstellt, dass dieses unter einem körperlichen Mangel leidet, der in einer Region des Pferdes lokalisiert ist, die vom Spektrum der tierärztlichen Ankaufsuntersuchung umfasst war, stellen sich 2 Fragen:

  • ob der Verkäufer den Mangel zu vertreten hat und der Käufer deshalb Sachmangelrechte besitzt

  • ob der Mangel in Form eines tiermedizinischen Befunds besteht, den der Tierarzt nicht erhoben hat, aber bei sorgfältiger Untersuchung hätte erheben müssen, oder ob er den Befund erhoben, aber pflichtwidrig unzutreffend beschrieben hat und dem Käufer deshalb Schadenersatzansprüche gegen den Tierarzt wegen einer Pflichtverletzung des Untersuchungsvertrages zustehen

Allerdings erfüllt nicht jeder erwähnungspflichtige tiermedizinische Befund auch zugleich den juristischen Mangeltatbestand. So stellt z. B. bei vereinbarter Anwendung des Röntgenleitfadens die fehlende Erwähnung von Befunden der Röntgenklassen II–III oder schlechter eine tierärztliche Pflichtverletzung dar. Demgegenüber erfüllen Röntgenbefunde, die nicht ursächlich mit einer Funktionsstörung des Pferdes einhergehen, für sich genommen unabhängig von der Röntgenklasse nicht ohne Weiteres den juristischen Mangeltatbestand[ 3 ]. Gleiches kann z. B. für Mitralklappeninsuffizienzen gelten, die nicht zur Leistungsminderung führen, sondern nur Zufallsbefunde darstellen, die häufig anlässlich von Allgemeinuntersuchungen im Rahmen von Impfbehandlungen auffallen[ 4 ].

Rangverhältnis der Käuferansprüche

Sollte der vom Käufer gerügte tiermedizinische Befund sowohl den juristischen Mangeltatbestand als auch den Tatbestand einer Pflichtverletzung des Untersuchungsvertrages erfüllen, stellt sich die weitere Frage, ob der Käufer die beiden möglichen Ansprüche gemeinsam oder nach seiner Wahl entweder gegen den Käufer oder den Tierarzt geltend machen kann, oder ob die Ansprüche in einem Rangverhältnis bestehen, sodass zunächst gegen den einen Schuldner vorgegangen werden muss und nur für den Fall, dass er gegen diesen mit seinen Ansprüchen ganz oder teilweise scheitert, die Möglichkeit besteht, den 2. Schuldner in Anspruch zu nehmen.

Aus tatsächlichen Gründen lag nahe, dass die möglichen Ansprüche des Käufers in einem Rangverhältnis stehen, denn selbst wenn das Pferd einen körperlichen Mangel aufweisen sollte und der Tierarzt diesen übersehen oder pflichtwidrig befundet hätte, steht fest, dass der Tierarzt den Mangel nicht herbeigeführt hat, sondern dieser dem Pferd bereits anhaftete oder innewohnte, bevor die tierärztliche Ankaufsuntersuchung durchgeführt wurde. Bedenkt man sodann den Grundsatz, dass „der Schaden dahin zurückgeführt werden muss, wo er hergekommen ist“, drängt sich auf, dass der Pferdekäufer zunächst seinen Verkäufer auf Sachmangelhaftung in Anspruch nehmen muss und nur im Falle des Scheiterns oder wegen darüberhinausgehender Ansprüche auf den Tierarzt zurückgreifen darf.

Bei dieser Betrachtung spielen auch weitere Gesichtspunkte eine Rolle:

  • Der Tierarzt ist in das kaufrechtliche Geschehen nicht eingebunden. Er kann deshalb keinen Einfluss darauf nehmen, welchen Kaufpreis und welche Haftungsübernahmen oder -ausschlüsse die Parteien vereinbaren.

  • Es besteht ein erhebliches wirtschaftliches Gefälle zwischen Verkäufer und Tierarzt in der Vergütung der Leistungen. Der an den Verkäufer zu leistende Kaufpreis übersteigt regelmäßig die an den Tierarzt zu leistenden Gebühren um ein Vielfaches.

  • Im Schadenrecht besteht die Pflicht des geschädigten Käufers, seinen Schaden gegenüber dem Tierarzt gering zu halten, indem er zunächst den Verkäufer auf Sachmangelhaftung in Anspruch nimmt und dadurch den Schaden kompensiert, weil er sich anderenfalls eines Mitverschuldens gem. § 254 BGB in Form einer Schadenminderungspflichtverletzung schuldig macht.

  • Es ist weder aus zeitlichen, prozessualen noch finanziellen Gründen ökonomisch, den Pferdekaufvertrag zunächst über den Tierarzt rückabzuwickeln, indem der Käufer vom Tierarzt verlangt, so gestellt zu werden, als wenn die Ankaufsuntersuchung pflichtgemäß durchgeführt worden wäre und er das Pferd nicht gekauft hätte[ 5 ].

Es mag zwar der Denkweise einiger Vertreter der modernen Pferdekäuferschicht entsprechen, dass all diese Gesichtspunkte aus isolierter Sicht des Käufers unbeachtlich sind, weil es ihnen wichtig erscheint, das Pferd zunächst einmal irgendwie loszuwerden und den Kaufpreis sowie die Verwendungen und ggf. Aufwendungen erstattet zu bekommen. Aber gesamtgesellschaftlich gesehen ist dies ein Rückschritt und für das vertragsgegenständliche Pferd ein Nachteil. Denn ein Tierarzt, der dem Auftraggeber der Ankaufsuntersuchung Schadenersatz zu leisten hat, muss den Käufer von den Folgen des ungewollten Pferdekaufs befreien, indem er ihm das Pferd abnimmt und den Kaufpreis sowie die Nebenkosten erstattet. Danach muss er nun zunächst einmal für das Pferd aufkommen, indem er es nicht nur unterhält, sondern ihm auch artgerechte Bewegung verschafft. Dies muss er über einen langen Zeitraum leisten, bis er sich im Wege des Rückgriffs auf den Verkäufer des Pferdes wieder entledigen kann. Sollte dies im Wege des Zivilprozesses erfolgen müssen, ist der Verbleib des Pferdes über die gesamte Prozessdauer, mithin regelmäßig über mehrere Jahre unklar bzw. muss vom Tierarzt und seinem Berufshaftpflichtversicherer organisiert werden, bis das Pferd dann wieder dorthin zurückgelangt, wo es herkam.

All die vorstehend genannten Erwägungen haben – wenn auch mit jeweils unterschiedlicher argumentativer Gewichtung – viele Gerichte bewogen, dem Käufer, der zugleich auch selbst Auftraggeber einer tierärztlichen Ankaufsuntersuchung war, den Weg zu versperren, sogleich den ankaufsuntersuchenden Tierarzt in Anspruch zu nehmen[ 6 ].

Da in der Rechtsprechung vereinzelt auch die Auffassung vertreten wurde, dass der Tierarzt und der Viehverkäufer gesamtschuldnerisch haften, sobald der Käufer eine direkte Vertragsbeziehung zum Verkäufer eines mangelhaften Pferdes als auch zum pflichtwidrig untersuchenden Tierarzt unterhält, musste zwangsläufig das Problem eines etwaigen Rangverhältnisses der Haftungen bzw. der gesamtschuldnerischen Haftung durch den Bundesgerichtshof geklärt werden, um die Rechtsprechung zu vereinheitlichen und die sich aus der divergierenden Rechtsprechung ergebende Rechtsunsicherheit zu beseitigen.


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Rechtsprechung des BGH

Der BGH hat Ende 2011/Anfang 2012 4 Rechtsstreitigkeiten entschieden, denen die vorstehend genannte Vertragskonstellation zugrunde lag. Da der BGH bereits zu früherer Zeit die heilkundlich nicht indizierten Tierarztleistungen, die mit der Feststellung eines Befundstatus endeten ohne eine Therapie anzuschließen, als werkvertragliche Leistungen qualifiziert hatte[ 7 ] und die Instanzgerichtsrechtsprechung zwangsläufig dieser Auffassung folgen musste, gelangten die Rechtsstreitigkeiten nicht an den ansonsten für das Tiermedizinrecht zuständigen Medizinrechtssenat (V. Senat), sondern an den Baurechtssenat (VII. Senat)[ 8 ]. Dieser entschied in Anlehnung an seine Rechtsprechung zur Haftung der Architekten und Bauunternehmer im Verhältnis zum Bauherrn, dass der Viehverkäufer und der ankaufsuntersuchende Tierarzt jedenfalls bei der vorstehend beschriebenen Fallkonstellation dem Käufer eines Pferdes gegenüber als Gesamtschuldner mit der Folge haften, dass der Käufer wahlweise einen der beiden oder beide gemeinsam in Anspruch nehmen kann und es letztlich dem Verfahren über den sog. „Gesamtschuldnerausgleich“ vorbehalten bleibt, eine Entscheidung darüber herbeizuführen, ob das Pferd in der Sphäre des Verkäufers oder des Tierarztes zu verbleiben hat und wie im Innenverhältnis zwischen Verkäufer und Tierarzt die an den Käufer geleisteten Zahlungen zu verteilen sind[ 9 ].

Mit diesen Entscheidungen hat der BGH den ankaufsuntersuchenden Tierarzt unmittelbar an den Risiken der Sachmangelhaftung des Verkäufers beteiligt. Dies hat erhebliche Auswirkungen auf den Bereich der tierärztlichen Berufshaftpflichtversicherungen und wirft neue juristische Probleme für den Gesamtschuldnerausgleich auf. Außerdem sind Überlegungen für die tierärztliche Praxis bei der Auftragsannahme und -durchführung anzustellen. Insbesondere die tatsächlichen Probleme der tierärztlichen Berufshaftpflichtversicherungen sollen nachfolgend angesprochen werden.


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Überlegungen der tierärztlichen Berufshaftpflichtversicherung

H. Raum

Die Deckung des Haftpflichtrisikos aus Kaufuntersuchungen war bei Versicherern noch nie besonders beliebt, da sie schadenträchtig ist. Nach der Novellierung des Schuldrechts unter Aufgabe des Viehmangelrechts bestand die begründete Hoffnung, dass auf Grund der rechtlichen Besserstellung der Käufer der kaufuntersuchende Tierarzt im Falle einer Kaufreue als potentieller Schuldner des Käufers etwas aus der Schusslinie gelangt.

Tatsächlich zeichnete sich in den ersten Jahren zunächst eine erfreuliche Tendenz ab. Zunehmend rückte dank verbesserter Gewährleistungsrechte mit entsprechender Beweiserleichterung bei „Mängeln“ des angekauften Pferdes richtigerweise der Verkäufer in den Fokus. Denn nach „gesundem Rechtsempfinden“ kann es nicht sein, dass ein Pferdezüchter oder Händler sein unternehmerisches Risiko durch das Instrument der Kaufuntersuchung auf seinen Tierarzt abwälzt.

Einen Mangel und damit korrelierend eine fehlerhafte Beurteilung im Rahmen der Ankaufsuntersuchung unterstellt, ergab sich die heftig umstrittene Frage, in welchem Verhältnis Verkäufer und Tierarzt für den Schaden des Käufers haften müssen. Im Wesentlichen wurden hier juristisch – gestützt durch divergierende OLG-Urteile – 2 Rechtsauffassungen vertreten:

  1. Beide – Verkäufer und Tierarzt – haften als Gesamtschuldner.

  2. Die Haftung des Tierarztes für seine mangelhafte Kaufuntersuchung ist unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht und des geringeren Vorteils nachrangig gegenüber der Gewährleistung.

Die 2. Meinung war das Hauptargument des Haftpflichtversicherers als Interessenvertreter und vertraglicher Sachwalter des Tierarztes, um die Ansprüche – zunächst – abzuwehren. Auf Grund einer divergierenden Rechtsprechung der Oberlandesgerichte befasste die Streitfrage „Gesamtschuld ja oder nein“ schlussendlich den BGH. Ein Stück Rechtssicherheit wurde geschaffen – leider nicht im Sinne von Tierarzt und Haftpflichtversicherer.

BGH-Urteil vom 22.12.2011 – VII ZR 136/11

Mit dem Leitsatz des BGH Urteils vom 22.12.2011 – VII ZR 136/11

„Haftet der wegen eines Fehlers bei der Ankaufsuntersuchung eines Pferdes zum Schadenersatz verpflichtete Tierarzt neben dem Verkäufer als Gesamtschuldner, trifft den Käufer grundsätzlich nicht die Obliegenheit, zur Schadensminderung zunächst seine Ansprüche gegen den Verkäufer (gerichtlich) geltend zu machen“[ 10 ].

sind die Zeiten vorbei, als man als Haftpflichtversicherer noch nonchalant auf die nachrangige Haftung des Tierarztes im eigentlichen Sinne Ausfallschuldners verweisen konnte.

Erwartungsgemäß werden seither in Konsequenz dieser Entscheidung im Falle der Kaufreue – egal welcher Ursache – von Seiten der Käufer Schadenersatzansprüche geschätzt (für eine evaluierte Auswertung der gemeldeten Schadenfälle ist der Zeitraum noch zu kurz) zu mindestens 90 % unmittelbar gegen den kaufuntersuchenden Tierarzt erhoben. Da der Gläubiger im Rahmen des Gesamtschuldverhältnisses seine Ansprüche zwar nur einmal fordern, sich seinen „Lieblingsschuldnern“ aber aussuchen kann, wählt der Findige selbstredend den Tierarzt, da dieser i. d. R. einen solventen Haftpflichtversicherer hinter sich hat.

Diese ist eine in rechtlicher, aber auch tatsächlicher Hinsicht große Herausforderung für den Tierarzt und seinen Haftpflichtversicherer. Wird Schadenersatz wegen fehlerhafter Kaufuntersuchung vom Tierarzt gefordert, kann sich der Haftpflichtversicherer nicht mehr unter Verweis auf die Schadenminderungspflicht auf den „Erst“schuldner Verkäufer zurückziehen, da sich der Käufer nicht mehr auf den Verkäufer verweisen lassen muss. Schlussendlich schultert so seit BGH VII ZR 136/11 der Haftpflichtversicherer als Interessenvertreter und Vertragspartner des Tierarztes ein kostengünstiges Schadenmanagement und das Regressrisiko eines möglichen Innenausgleiches innerhalb des Gesamtschuldverhältnisses.


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Der tierärztliche Vertrag

Der tierärztliche Behandlungsvertrag ist grundsätzlich ein Dienstvertrag im Sinne des § 611 BGB. Dies soll jedoch nach dem bisherigen Willen des BGH nicht für die Kaufuntersuchung gelten, die von der Rechtsprechung nach wie vor dem Werkvertragsrecht zugeordnet wird. Der Tierarzt schuldet also nicht kunstgerechtes Bemühen, sondern einen konkreten Erfolg, d. h. eine objektive, gewissenhafte und sachlich richtig begründete Beschreibung des Ist-Zustandes des untersuchten Pferdes im Rahmen des vereinbarten Untersuchungsumfanges.

Die Hürden des Anspruchstellers, den kaufuntersuchenden Tierarzt wegen einer behauptet fehlerhaften Kaufuntersuchung auf Schadenersatz in Anspruch zu nehmen, sind daher im Vergleich zum Nachweis eines tierärztlichen Behandlungsfehlers deutlich niedriger. Die Auswirkungen auf die aktuelle Regulierungspraxis sind vielfältig und erfordern eine dem Einzelfall angemessene, individuelle Regulierungsstrategie.

Typische Haftungsfälle in der Sphäre des Tierarztes sind:

  • fehlerhafte Feststellung des Befundstatus im Rahmen der Kaufuntersuchung (klinisch oder radiologisch)

  • mangelhafte Aufklärung und Dokumentation

  • unzureichende Untersuchungsbedingungen

  • „leichtsinnige“ Anwendung des Röntgenleitfadens

  • Gefälligkeiten gegenüber dem „Stammkunden“

Stellt der Haftpflichtversicherer nach interner sachverständiger Prüfung fest, dass das Ergebnis der Kaufuntersuchung fehlerhaft ist, muss er regulieren oder eine Vergleichsvereinbarung mit dem Käufer treffen. Im schlechtesten Fall ist hier auch der Kaufpreis Zug um Zug gegen Rückgabe des Pferdes zu erstatten. Aus diesem Problem ergeben sich verschiedene Fragen.

Verbleib des Pferdes

Wo sollte das Pferd hin? Kein Haftpflichtversicherer unterhält Stallanlagen und beschäftigt geeignetes Personal für Pflege, Beritt, etc. Wie kann der Tierarzt hier unterstützen? Wie kann frühzeitig der Verkäufer eingebunden, besser noch mit in die Pflicht genommen werden?

Art und Güte des Pferdes

Bei der Einschätzung des Unterhaltsrisikos sind auch Art und Güte des Pferdes zu berücksichtigen. Kann man ein Sportpferd mal eben so 2–3 Jahre auf die kostengünstige grüne Wiese stellen? Ist es wirtschaftlich vertretbar, ein niedrigpreisiges Pferd über eine geschätzte Regressdauer von 2–3 Jahren durchzufüttern? Soll ein als Schlachtpferd (egal welcher Qualität) deklariertes Pferd zur Schadenminderung geschlachtet, oder darf ein „nicht Schlachtpferd“ rein aus Kostengründen trotz entgegenstehender tierschutzgesetzlicher Regelung euthanasiert werden?

Weitere Fragen

Gibt sich der Käufer mit einer (regressfähigen) Minderung zufrieden und behält das Pferd? Kommt durch eine Chip-OP eine radiologische Kosmetik in Betracht und kann es im Anschluss kostendeckend weiterverkauft werden? Wer trägt das Risiko einer solchen OP oder des Untergangs (man denke nur an eine schwere Kolik mit OP-Indikation)? Sind auch diese Kosten vom Haftpflichtversicherer zu übernehmen? Dann wären da noch Hufschmied, Impfungen, Wurmkuren, Beritt etc.

Dies kostet Zeit und unter Umständen sehr viel Geld: aus 3000 € können unversehens 30 000 € werden. Umgekehrt verlieren hochpreisige Pferde auf der grünen Wiese ohne Beritt etc. in 2–3 Jahren in gleicher Proportionalität schnell an Wert.

Diese Situation schafft somit zwangsläufig eine unfreiwillige Schicksalsgemeinschaft zwischen Tierarzt, Haftpflichtversicherer und Verkäufer. Hier sind guter Wille und faire Kommunikation gefragt: Ohne die tatkräftige Kooperation aller Beteiligten, ist dieses Krisenmanagement weder zu leisten, noch zu finanzieren.


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Absicherung des tierärztlichen Kaufuntersuchungsrisikos

Aus versicherungsmathematischer Sicht wird die Absicherung des tierärztlichen Kaufuntersuchungsrisikos – auch bei wenigen, die Versicherungsgemeinschaft belastenden Fällen – jetzt erst recht zum unerwünschten Verlustgeschäft. Reaktionen bis hin zum Ausschluss der Deckung von Kaufuntersuchungen werden nicht ausbleiben.

Die für die Berufshaftpflichtversicherung wichtige Frage lautet deshalb, ob und ggf. unter welchen Konditionen man dieses Risiko noch versicherbar halten kann.

Die Instrumentarien des Versicherers sind nach eingehender Risikoanalyse:

  • eine stringente Selektion bei der Aufnahme von Neukunden

  • die Sanierung belasteter Verträge durch Kündigung bzw. Änderungskündigung mit Prämienaufschlag und individuellen Auflagen

Bei der Auswahl der Versicherten ist es für den Haftpflichtversicherer vor Vertragsabschluss schwer, die jeweilige Qualifikation und Sorgfalt des einzelnen Tierarztes zuverlässig einzuschätzen. Bei schon länger in freier Praxis tätigen Tierärzten kann eine Anfrage beim Vorversicherer die Einschätzung erleichtern, bietet jedoch keine Garantie.


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Minimierung des Haftungsrisikos

Es liegt im gemeinsamen Interesse von den Tierärzten und ihren Haftpflichtversicherern, das Haftungsrisiko aus der Durchführung von Kaufuntersuchungen weitgehend zu minimieren, damit es versicherbar bleibt. Dazu muss jeder seinen ehrlichen Beitrag leisten.

Jeder Tierarzt, der Kaufuntersuchungen durchführt oder diese Leistung anbieten will, sollte selbstkritisch hinterfragen, ob er in Anbetracht des hohen Haftungsrisikos über die notwendige Qualifikation und eine den Anforderungen entsprechende technische Ausrüstung verfügt. Im Falle der ambulanten Durchführung von Kaufuntersuchungen sind auch die individuellen Gegebenheiten vor Ort zu berücksichtigen. Die sorgfältige Durchführung einer Kaufuntersuchung erfordert geeignete Rahmenbedingungen. Dies gilt gleichermaßen für die rein klinische wie auch die Röntgenuntersuchung. Allzu große Kompromisse als Zugeständnis an den Kunden bedeuten für den Tierarzt ein hohes Haftungsrisiko.

Auch der Haftpflichtversicherer ist gefordert, wenn er sich dafür entscheidet, das Risiko Kaufuntersuchung zukünftig weiterhin abzudecken. Für den Haftpflichtversicherer bedeutet Risikomanagement neben der Selektion auch Prävention. Vermeidbare Haftungsquellen müssen frühzeitig aufgedeckt und durch entsprechende Information und Beratung der Tierärzte, notfalls in Form der Ausgestaltung von Auflagen im Versicherungsvertrag, miniert werden.


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Dokumentation

Spätestens mit der Anzeige des ersten Kaufuntersuchungsfalls richtet sich das Augenmerk des Versicherers auf die Dokumentation des Untersuchungsganges.

Eine sorgfältige Dokumentation des Untersuchungsganges ist unverzichtbar.

Die Qualität der Dokumentation zeigt Extreme in beide Richtungen. Protokolle der Marke Eigenbau reichen von der einseitigen Minimalisten-Version bis hin zu Werken mit weit über 20 Seiten. Empfehlenswert ist das gesunde Mittelmaß: „so wenig wie möglich – so viel wie nötig“. Die zur rechtlichen Absicherung für die Kaufuntersuchung erarbeiteten Hilfsmittel können sich sonst im Streitfall für die Verwender als Fallstrick erweisen. Es empfiehlt sich daher die Verwendung eines juristisch geprüften, praxistauglichen Kaufuntersuchungs-Protokolls, in dem auch die Haftungsausschlüsse von kundigen Juristen überarbeitet und der geltenden Rechtslage angepasst wurden. Wegen der strengen Inhaltskontrollen für Formularverträge (§§ 305 ff BGB) ist deren Wirksamkeit häufig streitig. Will der Tierarzt seine Haftung rechtssicher beschränken, bietet nur eine Individualvereinbarung mit dem Auftraggeber zuverlässigen Schutz. Die Anforderungen an Art und Dokumentation dieser Individualabreden sind in Abgrenzung zur Verwendung von AGB jedoch hoch.

Kaufempfehlungen oder Prognosen zur gesundheitlichen Entwicklung der Pferde, die sich bisweilen in den Untersuchungsprotokollen finden, müssen unbedingt vermieden werden. Dies entspricht auch den Empfehlungen des Röntgenleitfadens, der in seiner Präambel ausdrücklich klarstellt, dass Prognosen nicht abgegeben werden können und die Beurteilung die Momentaufnahme eines Lebewesens darstellt, dessen Beschaffenheit ständigen Veränderungen unterliegt. Ebenso entspricht dies den Empfehlungen des „Vertrages über die Untersuchung eines Pferdes“[ 11 ].


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Weitere Risiken bei der Kaufuntersuchung

Weitere, absolut zu vermeidende Risiken bei der Kaufuntersuchung sind:

  • Die Akzeptanz unzureichender Untersuchungsbedingungen: im Zweifel muss die Untersuchung protokolliert abgebrochen werden.

  • Die sofortige Befundung von Röntgenbildern vor Ort unter unzureichenden Lichtbedingungen, Zeitdruck etc.

  • Kritische mündliche Aussagen, die kein Pendant im Protokoll haben.

  • Die Akzeptanz unzureichender Vorberichte des Verkäufers oder schlimmer noch, seiner nicht nachweislich bevollmächtigten Erfüllungsgehilfen.

  • Das Verschweigen von Vorerkrankungen bzw. Behandlungen des Pferdes. Stimmt der Verkäufer der Auskunftserteilung nicht zu, muss der Auftrag abgelehnt werden.

Idealerweise sollte der Tierarzt eine Kaufuntersuchung niemals allein, sondern unter Anwesenheit eines Zeugen, der nicht im Lager des Verkäufers oder Käufers steht, durchführen.


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Fazit

Wenn man Kaufuntersuchungen, die ein nicht unerhebliches Geschäftsfeld der Pferdepraktiker ausmachen, weiterhin zu bezahlbaren Prämien versichern will, sind alle Beteiligten in der Pflicht. Vermeidbare Leichtsinnsfehler sind absolut tabu.


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1 Der Beitrag ist eine Zusammenfassung der Referate, die im Rahmen der forensischen Diskussionsrunde auf dem bpt-Kongress 2014 von den Autoren gehalten wurden.


2 Im Sprachgebrauch der Gerichtlichen Tierheilkunde sind die Begriffe der 3 Kaufuntersuchungsarten (Verkaufsuntersuchung, Ankaufsuntersuchung und Gewährschaftsuntersuchung) im Jahr 2014 reformiert worden (vgl. Bemmann/Becker/Stadler/Brehm/Oexmann/Klimke/Schüle, Phk 2014, 687 ff.). Da die hier thematisierte Rechtsprechung des BGH aus den Jahren 2011/2012 stammt, werden zum Zweck des besseren Verständnisses für diese Publikation noch die früheren Begriffe benutzt.


3 Vgl. LG Hannover, RdL 2006, 98; OLG Celle, RdL 2006, 209 ff.; OLG Oldenburg, RdL 2006, 319 ff.;BGH RdL 2007, 120 ff.; Bemmann, RdL 2005, 57 ff.


4 Vgl. OLG Stuttgart, Urt. v. 08.11.2012 – 13 U 189/11; OLG Braunschweig, Urt. v. 26.06.2013 – 1 U 88/11; OLG Oldenburg, Urt. v. 05.02.2015 – 14 U 29/12.


5 Vgl. zum Umfang des Schadenersatzanspruchs aus pflichtwidriger Ankaufsunteruchung BGH MDR 2001, 1002; BGH MDR 2004, 520 ff.; BGH MDR 2009, 508 f.


6 Vgl. insbesondere: OLG Schleswig, VersR 1987, 624; OLG Karlsruhe, NJW-RR 1998, 601 f.; AG Lübeck, Urt. v. 04.04.2001 – 31 C 1543/00; OLG Frankfurt a. M., OLGR 2007, 697 ff.; LG Stade, Urt. v. 06.05.2009 – 5 O 377/08; OLG Celle, MDR 2010, 373 f.; LG Kiel, Urt. v. 25.06.2010 – 2 O 16/10; LG Itzehoe, Urt. v. 15.09.2010 – 2 O 164/09; OLG Celle, Urt. v. 13.12.2010 – 20 U 9/10; LG Stade, Urt. v. 10.02.2011 – 4 O 294/08; LG Flensburg, Urt. v. 11.03.2011 – 4 O 41/10; OLG Schleswig, RdL 2011, 208 ff.; OLG Schleswig, Urt. v. 23.06.2011 – 13 U 22/10.


7 Vgl. BGH JZ 1983, 668 ff.


8 Die werkvertragliche Typisierung aller tierärztlichen Kaufuntersuchungsleistungen wird in der tiermedizin-rechtlichen Literatur mit zutreffenden Argumenten abgelehnt, weil das dazu erforderliche Merkmal der vollständigen Beherrschbarkeit der psychischen und physischen Kriterien der Leistung nicht erfüllt wird, vgl. Zeller, DpT 1972, 488 ff.; Mickwitz, TU 1988, 778; Plewa, Phk 2002, 284 ff.; Bemmann, RdL 2006, 85 ff.; Bemmann, RdL 2007, 169 ff.; Stadler, Phk 2008, 577 ff.; Bemmann/Schüle, Phk 2010, 208 ff.


9 Vgl. BGH RdL 2012, 65 f.; BGH RdL 2012, 66 ff.; BGH RdL 2012, 126 f.; BGH RdL 2014, 44 f.


10 Vgl. BGH RdL 2012, 65 f.


11   Vgl. Barnewitz/Becker/Bemmann/Blobel/Deegen/Donandt/Düe/Ende/Eversfield/Ferencz/Gerhard/Grabner/Hertsch/Kreling/Lutz/Nowak/Ohnesorge/Plewa/Schatzmann/Schüle/Schusser/Stadler/Stadtbäumer/Weinberger/Witzmann, Vertrag über die Notuntersuchung eines Pferdes, von den Autoren erarbeitet im Auftrag der Gesellschaft für Pferdemedizin, empfohlen von der Bundestierärztekammer, herausgegeben vom Hippiatrika Verlag.



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Kai Bemmann
Fachanwalt für Medizinrecht, Fachanwalt für Agrarrecht
Lehrbeauftragter an der Georg-August-Universität Göttingen, öffentlich bestellter u. vereidigter landwirtschaftlicher Sachverständiger für Pferdezucht u. -haltung in Verden (Aller)
Rechtsanwälte Dr. Bemmann u. Kollegen
Lindhooper Str./Heideweg 1
27283 Verden (Aller)

 

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