OP-Journal 2015; 31(03): 160-166
DOI: 10.1055/s-0041-110140
Artikel zum Leitthema
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Beugesehnenverletzungen

Flexor Tendon Injuries
Tim Tobias Lögters
,
Joachim Windolf
Further Information

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Tim Tobias Lögters
Stellvertretender Direktor
Univ.-Prof. Dr. med. Joachim Windolf
Direktor
Klinik für Unfall- und Handchirurgie
Universitätsklinikum Düsseldorf
Moorenstraße 5
40225 Düsseldorf

Publication History

Publication Date:
08 April 2016 (online)

 

Zusammenfassung

Beugesehnenverletzungen an der Hand erfordern eine differenzierte Diagnostik und besitzen einen hohen therapeutischen Anspruch. Die Basis der Diagnostik bildet eine detaillierte klinische Untersuchung. Mithilfe dieser Untersuchung und unter Kenntnis der anatomischen Besonderheiten des Beugesehnenapparats sind in ihrer Funktion beeinträchtigte Sehnen zumeist erkennbar. Die Therapie verletzter Beugesehnen besteht in der Wiederherstellung der Beugesehnenkontinuität durch eine Naht. Es existieren viele unterschiedliche Nahttechniken, wobei diese mehrheitlich aus einer Kern- und Adaptationsnaht bestehen. Die Stabilität der Naht sollte eine frühfunktionelle Nachbehandlung zulassen, in der der betroffene Finger vollständig aktiv gestreckt und mindestens passiv gebeugt werden kann. Bei sachgerechter operativer und frühfunktioneller Therapie besitzen Beugesehnenverletzungen in allen Zonen, v. a. bei glatten Durchtrennungen, eine gute Prognose. Defekt- oder Quetschverletzungen hingegen sind mit schlechteren funktionellen Ergebnissen assoziiert.


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Abstract

Flexor tendon injuries of the hand require a differentiated diagnostic work-up and their treatment is highly demanding. The diagnosis is based on a detailed clinical examination, which, along with a precise knowledge of the anatomical characteristics of the flexor tendons, mostly helps to identify tendons whose function is impaired. Flexor tendon injuries are treated by restoring the continuity of the tendon through a suture. There are various suture techniques, most of them consisting of a core suture and an adaptive suture. The stability of the suture should enable full active extension and at least passive flexion of the injured finger as part of early functional mobilisation. If treated adequately by surgery and early functional therapy, flexor tendon injuries in all zones are associated with good results, most notably in cases of clean cuts. In contrast, complex or crushing injuries are associated with poorer functional outcomes.


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Inzidenz

Von direkten Beugesehnenverletzungen betroffen sind v. a. Männer im jungen bis mittleren Lebensalter. Die Häufigkeit dieser Verletzungsart sinkt mit dem Lebensalter. Das Verhältnis Männer zu Frauen beträgt 4 : 1 [1]. An der oberen Extremität sind Beugesehnenverletzungen mit einer Inzidenz von ca. 5 pro 100 000 Einwohner pro Jahr beschrieben [1].


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Anatomie der Beugesehnen

Die langen Beugemuskeln der Finger besitzen ihren Ursprung am Epicondylus humeri ulnaris. An jedem Finger setzen 2 Sehnen an. Die oberflächliche Beugesehne setzt an der Basis des Mittelglieds an. Durch die sich in 2 Zügel aufteilende oberflächliche Beugesehne tritt die tiefe Beugesehne hindurch. Die tiefe Beugesehne hat ihren Ansatz an der palmaren Basis des Endglieds. Am Daumen existiert eine lange und eine kurze Beugesehne. Die kurze Sehne wird allerdings zu den Handbinnenmuskeln gezählt und stellt keine Beugesehne im klassischen Sinn dar. Die Beugesehnen sind in der Hohlhand und an den Fingern durch Sehnenscheiden umhüllt. Die Sehnenscheiden ermöglichen ein reibungsarmes Gleiten mit hoher Amplitude und sorgen für eine konstante knochennahe Lage der Beugesehnen auch bei Bewegung der Finger. In die Sehnenscheiden integriert sind verstärkende Ringbänder.

Von wesentlicher Bedeutung für eine gute Sehnenführung sind die Ringbänder A2 auf Höhe des Grundgliedschafts und A4 auf Höhe des Mittelgliedschafts.

Sofern möglich, sollten die Ringbänder bei der operativen Versorgung geschont werden. Sind sie mitverletzt oder ist eine Eröffnung zur Sehnennaht notwendig, sollten die Ringbänder im Anschluss an die Sehnennaht rekonstruiert werden. Fehlende Ringbänder können zu einem Bogensehneneffekt an den Fingern mit Insuffizienz der Beugefähigkeit führen. Im Rahmen der operativen Versorgung berücksichtigt werden sollten zudem die von dorsal in die Beugesehnen ziehenden Vincula, in denen die für die Ernährung verantwortlichen Gefäße liegen.


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Zoneneinteilung

Angesichts der komplexen Anatomie der Beugesehnen werden in Abhängigkeit von der Verletzungslokalisation unterschiedliche Therapiestrategien empfohlen [2]. Hierfür existiert nach der „International Federation of Societies for Surgery of the Hand“ (IFSSH) eine Zoneneinteilung ([Abb. 1]) [3]. Durch den Buchstaben „T“ werden die Zonen am Daumen beschrieben.

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Abb. 1 Topografische Zonen an der Hand zur Beschreibung der Lokalisation von Beugesehnenverletzungen (Abbildung aus [2]).

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Verletzungsursache

Scharfe Gegenstände aller Art, in den meisten Fällen Messer, Glassplitter und Sägen, können zu direkten Sehnenverletzungen führen. Zu beachten ist, dass in Abhängigkeit von der Position des Fingers zum Zeitpunkt des Unfalls, die Verletzungslokalisation der Beugesehne von der des Haut-Weichteil-Mantels divergent sein kann.

Befindet sich der Finger zum Zeitpunkt des Unfalls in einer Beugestellung, kommt es allein durch den Verlust des Beugetonus des Fingers zu einer Verlagerung des körperfernen Stumpfes nach distal.

Ist die Sehne zum Zeitpunkt des Unfalls angespannt, kann der proximale Stumpf bis in die Hohlhand zurückschnellen ([Abb. 2]) [2].

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Abb. 2 Lokalisation der Beugesehnendurchtrennung in Abhängigkeit von der Position des Fingers zum Zeitpunkt der Gewalteinwirkung. Schnittverletzungen im gebeugten Zustand des Fingers führen bei anschließender Streckung zu einer Verschiebung des distalen Sumpfes nach distal (Abbildung aus [2]).

Von den direkten Verletzungen zu unterscheiden sind gedeckte Rupturen. Der Unfallmechanismus ist hierbei eine unerwartete und unverhältnismäßig starke unkontrollierte Streckbewegung eines in Beugestellung angespannten Fingers. Unfallunabhängige degenerative Veränderungen der betroffenen Sehne sind i. d. R. präexistent [2]. Eine besondere Entität an der Hand stellt hier die Ruptur der langen Beugesehne bei einliegender palmarer Platte am distalen Radius dar [3], [4]. Aufgrund der chronischen Vorschädigung der Sehne ist eine direkte Naht meistens nicht möglich. In Abhängigkeit von der vorliegenden Grunderkrankung und dem Ausmaß des Funktionsverlusts sind ggf. Sehnenrekonstruktionen z. B. durch Transposition oder Transplantation notwendig.


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Diagnostik

Bei offenen Beugesehnenverletzungen steht ein Wundschmerz im Vordergrund.

Ein etwaiger Funktionsverlust aufgrund einer Sehnenverletzung kann vom Patienten erst verzögert wahrgenommen, wohl aber durch eine detaillierte klinische Untersuchung diagnostiziert werden.

Einflussfaktoren des Funktionsverlusts sind die Art und Anzahl der betroffenen Sehnen [2]. In vielen Fällen liegt bereits bei der Inspektion der Hand ein verminderter Beugetonus eines Fingers gegenüber den Nachbarfingern den Verdacht auf eine Beugesehnenverletzung nahe. Die Durchtrennung beider Beugesehnen eines Fingers führt zu einer Beugeunfähigkeit im proximalen und distalen Interphalangealgelenk. Der spontane Beugetonus des Fingers ist zumeist vollständig aufgehoben. Eine Beugung im Fingergrundgelenk ist jedoch bei intakter intrinsischer Muskulatur weiterhin möglich [2]. Eine isolierte Durchtrennung der tiefen Beugesehne führt zu einer alleinigen Beugeunfähigkeit im distalen Interphalangealgelenk. Bei der isolierten Durchtrennung der oberflächlichen Beugesehne ist die Beugefähigkeit im distalen und auch proximalen Interphalangealgelenk aufgrund der weiterhin intakten tiefen Beugesehne lediglich abgeschwächt. Der spontane Beugetonus ist in diesen Fällen auch abgeschwächt, jedoch noch partiell vorhanden.

Welche Beugesehne verletzt ist, kann anhand klinischer Funktionsprüfungen erfasst werden [5] ([Abb. 3]). Die Funktionsprüfung der oberflächlichen Beugesehnen erfolgt durch funktionelles Ausschalten der tiefen Beugesehnen und beruht auf dem Ursprung der tiefen Beugesehnen des 3.–5. Fingers aus einem gemeinsamen Muskelbauch [2]. Lediglich die tiefe Beugesehne des 2. Fingers entspringt aus einem eigenen Muskelbauch [2], [5]. Die Prüfung der Funktion der oberflächlichen Beugesehne am Zeigefinger wird daher in Spitzgriffposition des Zeigefingers gegenüber dem Daumen durchgeführt [2], [5]. Bei isolierter Durchtrennung der oberflächlichen Beugesehne ist die aktive Beugung im Mittelgelenk nicht durchführbar [2]. Die in [Abb. 3] aufgeführten Funktionsprüfungen sind am Kleinfinger nur eingeschränkt verwertbar. Am Kleinfinger ist in bis zu 30 % der Fälle die oberflächliche Beugesehne funktionell insuffizient oder nicht angelegt [2]. Zur Prüfung der Funktionalität der langen Daumenbeugesehne sollte die aktive Beugung des Daumenendglieds gegen Widerstand erfolgen. Über intakte Vincula kann allerdings trotz Durchtrennung der Sehne noch eine aktive Beugung möglich und eine Verletzung maskiert sein [2].

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Abb. 3 a bis d Klinische Tests zur Überprüfung der Beugesehnenfunktion an der Hand. Prüfung der tiefen Beugesehne (a) und der oberflächlichen Beugesehne (b, geeignet für den 3.–5. Finger), Prüfung der oberflächlichen Beugesehne des Zeigefingers durch aktive Beugung im Mittelgelenk bei Spitzgriffposition (c, d). Abbildung aus [2].

Bei Schnitt- oder Risswunden auf der Palmarseite der Finger und der Hohlhand mit Beteiligung von Beugesehnen sind gleichzeitige Verletzungen von Gefäßen und Nerven nicht selten [5].

In der Transversalebene liegen die palmaren Fingernerven auf Höhe der Beugesehnen und die Arterien dorsal davon [2], [5]. Daher werden Sensibilität und Kapillardurchblutung in der Peripherie obligat überprüft. Bei einem peripheren Sensibilitätsdefizit oder einer arteriellen Blutung aus der Schnittwunde sollte immer an eine Mitbeteiligung der Beugesehnen gedacht werden [2].

Die Durchführung von Röntgenbildern des betroffenen Fingers in 2 Ebenen ist unabhängig von der Größe der Wunde obligat. Anhand dieser Aufnahmen können etwaige knöcherne Verletzungen oder inkorporierte Fremdkörper erfasst werden. Eine Computer- oder Magnetresonanztomografie ist i. d. R. nicht indiziert. Lediglich bei den gedeckten Rupturen kann die MRT ggf. weiterführende Informationen liefern.


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Therapie

Prinzipiell besteht eine Indikation zur Primärnaht bei Verletzungen der tiefen wie auch der oberflächlichen Beugesehne in den Zonen 1–5 sowie T1–T3 [2]. Nicht durchgeführt werden sollten Primärnähte bei Vorliegen einer Infektion und in Fällen, in denen aufgrund eines Defekts primär keine spannungsfreie Anlagerung der Sehnenstümpfe erfolgen kann [2]. Hier ist die zweizeitige Sehnenrekonstruktion anzustreben.

Besteht als Folge des Unfalls unabhängig von einer etwaigen Sehnenverletzung eine signifikante Durchblutungsstörung des Fingers, sollte notfallmäßig eine Wundexploration und Revaskularisation im Operationsaal erfolgen. Eine dringliche Operationsindikation, d. h. innerhalb von 4–6 Stunden, besteht bei stark verschmutzten Wunden oder Defektverletzungen. Bei glatten Schnittwunden mit guter Durchblutung des Fingers kann zunächst eine Wundversorgung mit Hautverschluss erfolgen.

Die Naht der Beugesehne kann dann in den kommenden Tagen im Sinne einer verzögerten Primärnaht durchgeführt werden.

Diese sollte jedoch sicher innerhalb der ersten 14 Tage nach dem Unfall stattfinden.


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Operative Therapie

Die operative Versorgung von Beugesehnenverletzungen erfordert die Berücksichtigung handchirurgischer Standards. Hierzu zählt die Anlage einer Blutsperre, evtl. mit Herstellung einer Blutleere. Die Operation sollte unter Lupenbrillenvergrößerung erfolgen. Angesichts häufig vorhandener Mitbeteiligung von Gefäßen oder Nerven sollten ein Operationsmikroskop und Mikroinstrumentarium einsatzbereit sein [2].

Ausgehend von der Wunde erfolgt zur Darstellung der verletzten Beugesehne und Beurteilung des genauen Verletzungsausmaßes eine Schnitterweiterung gemäß Bruner-Schnittführung [6]. Die Beugefurchen senkrecht überkreuzende Hautschnitte sollten unbedingt vermieden werden, da sie zu Narbenkontrakturen führen können. Die Sehnenscheide wird auf Höhe der Sehnenverletzung, möglichst im Intervall zwischen relevanten Ringbändern, eröffnet. Ist eine Durchtrennung von Ringbändern zur Versorgung der Beugesehnen nicht vermeidbar, sollten diese unbedingt vor Beendigung der Operation rekonstruiert werden. Dies gilt insbesondere für die Ringbänder A2 und A4.

Die Beugesehnenstrukturen sind sehr empfindlich gegenüber externer Manipulation, welche das Risiko der Entwicklung postoperativer Adhäsionen der Sehne in ihrem Gleitkanal erhöhen [2]. Das Heranbringen der Sehnenstümpfe in die Schnittstelle kann am distalen Stumpf häufig allein durch Beugung des Fingers erreicht werden. Der proximale Stumpf kann häufig in die Schnittstelle „ausgemelkt“ werden. Ist der proximale Stumpf weit in die Hohlhand zurückgerutscht kann mitunter ein 2. Zugang weiter proximal in Höhe der vermuteten Lage des Stumpfes oder eine Schnitterweiterung notwendig sein. Der proximalisierte Stumpf kann dann durch einen an den Stumpf fixierten Faden in die Schnittstelle gezogen werden. Zur Durchführung der Naht werden die Stümpfe im Nahtbereich temporär durch Kanülen am umliegenden Gewebe fixiert.

Die gewählte Nahttechnik sollte eine Stabilität aufweisen, die eine frühfunktionelle Mobilisation ermöglicht.

Die Nahttechniken für die Beugesehnen beinhalten mehrheitlich eine Kern- und epitendinöse Adaptationsnaht. Die Stabilität der Naht wird auch durch die Art des Fadenmaterials, die Fadenstärke und Anzahl an axialen Fadensträngen bestimmt [2].

Grundsätzlich können für eine Sehnennaht sowohl ein resorbierbarer als auch ein nicht resorbierbarer Faden genutzt werden. Der nicht resorbierbare Faden wird von den meisten Chirurgen favorisiert [3], [7]. Er stellt unseres Erachtens jedoch langfristig einen inflammatorischen Reiz dar und kann daher die Bildung von intratendinösen Fremdkörpergranulomen fördern [2]. Der Nachteil eines resorbierbaren Fadens besteht in dem Risiko der Abnahme der Reißfestigkeit des Fadens über die Zeit, noch vor endgültiger Sehnenheilung [2]. An unserer Klinik nutzen wir für die Kernnaht einen monofilamentären resorbierbaren Faden der Stärke 4–0 (Polydioxanon, PDS). Dieser Faden wird langsam über einen Zeitraum von 180 bis 210 Tagen resorbiert und behält über 50 % seiner ursprünglichen Ausreißkraft für einen Zeitraum von mindestens 6 Wochen [2].

Für Beugesehnennähte ist eine Vielzahl an Techniken beschrieben, von denen sich auch viele im klinischen Alltag bewährt haben [2], [8]. In der Regel wird an unserer Klinik die auch am weitesten verbreitete Nahttechnik nach Zechner angewendet, eine Weiterentwicklung der Technik nach Kirchmayr und Kessler ([Abb. 5]) [8], [9].

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Abb. 4 a bis j Verletzung der tiefen Beugesehne des Zeigefingers in Zone 3 mit Aufhebung des physiologischen Beugetonus als Indikator für eine Durchtrennung der Beugesehne (a), Schnitterweiterung und Mobilisation der Sehnenstümpfe in die Schnittstelle (b), Kernnaht nach Zechner (cg) und epitendinöse Adaptationsnaht (h) zur Wiederherstellung der Beugesehnenkontinuität (i), Postoperative Wiederherstellung des physiologischen Beugetonus des Kleinfingers (j).
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Abb. 5 a bis h Verletzung der tiefen und oberflächlichen Beugesehne in Zone 2 am Ringfinger und Kleinfinger (a), Sehnennaht nach Zechner am Ringfinger mit Mobilisation der Sehnenstümpfe beider Sehnen in die Schnittstelle und Fixierung durch Kanülen (b), Kernnaht nach Zechner (c–e) und epitendinöse Adaptationsnaht (f), anschließend gleiches Vorgehen an der oberflächlichen Beugesehne (nicht dargestellt). Stabile Sehnenadaption nach Naht beider Sehnen ohne wesentliche Aufwerfungen (f), Rekonstruktion des Ringbands A2 (g), postoperative Wiederherstellung des physiologischen Beugetonus des Ring- und Kleinfingers (h).

Bei der Durchführung der Kernnaht ist darauf zu achten, dass der transversale Verlauf des Fadens in der Sehne jeweils verletzungsnah der Ein- und Ausstichstelle des longitudinalen Verlaufs der Fäden liegt („locking loop“) [2], [10].

Bei dieser Technik besteht eine erhöhte Ausrisskraft der Sehnennaht. Nach abgeschlossener Kernnaht sollten die Sehnenstümpfe einen guten Kontakt zueinander haben. Aufwerfungen der Stümpfe durch eine zu hohe Spannung der Naht können den Gleitvorgang verhindern und sollte unbedingt vermieden werden.

Eine zusätzliche Erhöhung der Ausrisskraft einer Naht kann durch Anwendung mehrerer Kernnähte in einer 4- oder 6-Strang-Technik erreicht werden [7]. Diese Techniken ermöglichen die sofortige postoperative aktive Beugung der betroffenen Finger. Bei diesen Multistrangtechniken besteht allerdings das Risiko einer Beeinträchtigung der Sehnendurchblutung durch eine operationstechnisch bedingte, erhöhte chirurgische Manipulation der Sehnen und einer erhöhten Anzahl intratendinös verlaufender, angespannter Fäden [2].

Zur Augmentation der Kernnaht erfolgt bei der Technik nach Zechner eine fortlaufende epitendinöse Adaptionsnaht. An unserer Klinik wird hierfür ein resorbierbarer monofilamentärer Faden der Stärke 6–0 (PDS) genutzt. Die Adaptationsnaht erhöht die Kontaktfläche und reduziert Verwerfungen zwischen den Stümpfen, sichert die Kernnaht und leistet einen zusätzlichen Beitrag zur Festigkeit der Naht [2].

In fast allen Zonen ist die Anwendung der Sehnennaht nach Zechner möglich. In Abhängigkeit von der Lokalisation in Projektion auf die Zone können jedoch Modifikationen der Sehnennahttechnik notwendig sein:

  1. Zone 1 und T1: In der Zone 1 verläuft nur die tiefe Beugesehne. Sofern der distale Stumpf ausreichend lang ist, kann eine Naht nach Zechner durchgeführt werden [2]. Bei einem zu kurzen Stumpf erfolgt die Verankerung des proximalen Stumpfes an der Basis des palmaren Endglieds. Die Verankerung hier kann, je nach Präferenz des Operateurs, transossär oder mithilfe eines Fadenankers erfolgen. Trotz der höheren Kosten favorisieren wir den Fadenanker, da die transossäre/transunguale Verankerung mit einer erhöhten Rate an Nagelwachstumsstörungen assoziiert ist.

  2. Zone 2 und T2: Tiefe und oberflächliche Beugesehne werden in der Technik nach Zechner genäht ([Abb. 4]). Bei sehr kurzen Stümpfen der oberflächlichen Sehne distal der Aufzweigungsstelle ist auch eine Adaptation der einzelnen Schenkel der Stümpfe mit 1 bis 2 Z- oder U-Nähten ausreichend [2]. Sind die Ringbänder A2 oder A4 mitverletzt, ist eine Rekonstruktion unabdingbar um ein gutes Gleiten der Sehnen zu gewährleisten ([Abb. 4]).

  3. Zone 3: In der Zone 3 werden Beugesehnen in der Technik nach Zechner versorgt ([Abb. 5]).

  4. Zone 4 und T3: In der Zone 4 werden Beugesehnen in der Technik nach Zechner versorgt. Zur Vermeidung eines sekundären Karpaltunnelsyndroms ist die vollständige Spaltung des Lig. carpi flexorum zu empfehlen [2].

  5. Zone 5: Rein tendinöse Durchtrennungen werden in der Zone 5 in der Technik nach Zechner genäht. Bei Verletzungen des muskulotendinösen Übergangs der Sehnen oder proximal davon empfehlen wir die Durchführung von Adaptationsnähten in der Z- oder U-Technik mit einem monofilamentären resorbierbaren Faden der Stärke 4–0 (PDS).


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Partielle Sehnenverletzungen

Obwohl das Verletzungsausmaß insgesamt geringer ist, unterliegen partielle Durchtrennungen der Beugesehnen erhöhten diagnostischen Ansprüchen, da selbst bei Verletzungen von über 90 % des Sehnenquerschnitts die Funktion unbeeinträchtigt sein kann [2]. Mitunter wird vom Patienten lediglich ein Gefühl der Kraftminderung und/oder Schmerzen bei aktiver Beugung des Fingers beschrieben.

Bei Vorliegen einer Schnitt-/Stichwunde am Finger mit Verletzung von Nerven oder Gefäßen sind stets Beugesehnenverletzungen auch ohne funktionelles Defizit in Erwägung zu ziehen. Die Beugesehnen sollten daher im Rahmen der Wundexploration dargestellt werden und etwaige Partialdurchtrennungen wie folgt versorgt werden:

Teilverletzungen von unter 50 % des Gesamtquerschnitts der Sehne gelten als stabil. Hier ist eine Adaptationsnaht der Stümpfe, z. B. durch eine Z- oder U-Naht, ausreichend. Eine postoperative Schienenbehandlung oder spezifische Nachbehandlung ist nicht notwendig. Der betroffene Finger kann frei aktiv bewegt werden, aktive Bewegungen gegen Widerstand sollten jedoch für 12 Wochen vermieden werden [2].

Teilverletzungen von über 50 % des Querschnitts gelten als instabil. Hier droht eine sekundäre Komplettruptur. Sie sollten mit einer Kern- und Adaptationsnaht versorgt und anschließend frühfunktionell, z. B. nach dem Kleinert-Schema nachbehandelt werden [2].


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Nachbehandlung

Zusammen mit einer sachgerechten operativen Versorgung bestimmt die frühfunktionelle Nachbehandlung wesentlich das funktionelle Ergebnis nach Verletzungen von Beugesehnen.

Das Prinzip der Nachbehandlung beruht auf einer Protektion der genähten Sehne vor unverhältnismäßiger Beanspruchung bis zur endgültigen Sehnenheilung und gleichzeitig der Verhinderung von Verklebungen des Sehnengleitkanals [2]. Der mögliche Grad der postoperativen Beanspruchung ist wesentlich abhängig vom Gesamtverletzungsausmaß sowie von der Läsionslokalisation und der Stabilität der gewählten Nahttechnik. Für die 2-Strang-Nahttechnik nach Zechner ist die Anlage einer Kleinert-Schiene mit der Möglichkeit der aktiven Streckung und passiven Beugung vorgesehen (sog. Kleinert-Schema) [11]. Die Schiene wird für 6 Wochen postoperativ getragen. Dies gilt für Beugesehnenverletzungen der Zonen 1–4 und T1–T3.

Die Kleinert-Schiene beschreibt eine dorsal Schiene, die zu einer Beugestellung im Handgelenk von 30° und in den Fingergrundgelenken von 60° führt. Lediglich bei Sehnenverletzung in der Zone 4 und 5 sowie bei älteren Patienten sollte zur Reduktion des Risikos der Entwicklung eines Karpaltunnelsyndroms eine Handgelenkstellung von 0° erfolgen [4], [7]. Die Schienen können individuell angepasst werden, z. B. mit Gips oder Thermoplast. Alternativ stehen konfektionierte Schienen zur Verfügung.

Durch an den Fingernägeln und am Unterarm fixierte Gummi- oder Drahtseilzügel sind die Finger in Beugestellung positioniert. Bei korrekt angelegter Schiene ist der Patient in der Lage, seine Finger in den Fingermittel- und Endgelenken aktiv vollständig zu strecken. Die Rückstellkräfte des Gummi-/Drahtzugs führt anschließend wieder zu einer passiven Beugung des Fingers in die Ausgangsposition [2].

Der Behandlungserfolg der frühfunktionellen geschützten Mobilisation ist wesentlich von ihrer konsequenten Umsetzung abhängig.

Die frühfunktionelle Nachbehandlung erfolgt in Fremd- und Eigenregie. Daher sollte dem Patienten ausführlich und patientengerecht das Prinzip der Behandlung und die praktische Durchführung bei angelegter Schiene erklärt werden. Wichtig ist der Hinweis, dass die Schiene auch nachts getragen werden sollte, ggf. kann hier eine Lagerungsschiene ohne Gummizügel angepasst werden. Eigenverantwortlich sollen die Übungen über einen Zeitraum von mindestens 5 Minuten mindestens 6-mal pro Tag erfolgen. Für die spezifische funktionelle Nachbehandlung existieren Pläne, wie z. B. das „Washington-Schema“, anhand derer sich Patient und Therapeut orientieren können.

Wesentliches Risiko einer schlecht angepassten oder genutzten Schiene ist die Entwicklung einer Kontraktur im Fingermittelgelenk [2]. Diese tritt bei unzureichender Streckung in diesem Gelenk über einen längeren Zeitraum auf. Ist eine Kontraktur präsent, sollte frühzeitig eine Modifikation der Schiene und/oder eine Intensivierung der Mobilisation unter Anleitung erfolgen. Mehrheitlich kommt es hierunter zu einer deutlichen Besserung. Ist die Kontraktur nach der Schienenbehandlung weiter vorhanden, sind mitunter dynamische Extensionsschienen erforderlich [2].

Zusätzlich wird die regelhafte professionelle Betreuung durch einen Physio- oder Ergotherapeuten mindestens 2-mal pro Woche empfohlen. Unter dieser Betreuung kann die Schiene auch abgenommen werden. In Abhängigkeit von der Compliance der Patienten können die passiven Bewegungsübungen unter temporärer Abnahme der Schiene ab der 4. postoperativen Woche auch eigenständig durchgeführt werden. Eine ärztliche Kontrolle sollte 1-mal pro Woche erfolgen.

Die Schienenbehandlung endet nach der 6. postoperativen Woche. Ab dann können die Finger wieder aktiv gebeugt werden. Für weitere 4 Wochen sollten jedoch aktive Beugungen gegen Widerstand vermieden werden [2]. Unter physio-/ergotherapeutischer Anleitung kann ab der 9. Woche vorsichtig mit dem Kraftaufbau begonnen werden. Die Patienten sollten allerdings darauf hingewiesen werden, dass bis zum Ende des 3. Monats noch ein erhöhtes Rupturrisiko bei unverhältnismäßiger Beanspruchung besteht [2].


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Komplikationen

Zu den häufigsten Komplikationen nach einer Beugesehnennaht zählen die Reruptur (3–5 % der Fälle) und Verklebungen (2–6 %) im Sehnengleitkanal mit Bewegungseinschränkungen des Fingers [2], [12].

Wesentliche Einflussfaktoren für das Auftreten von Rerupturen und von Verklebungen sind die Ausführung der Sehnennaht und die Qualität der Nachbehandlung [2].

Eine Reruptur wird vom Patienten zumeist als ein erinnerbares, mitunter geräuschvolles Ereignis mit anschließenden Schmerzen und erneuter Beugeunfähigkeit des Fingers beschrieben. Sie kann allerdings auch unbemerkt auftreten. In den ersten 3 Wochen nach durchgeführter Primärnaht im Sinne einer frühzeitigen Reruptur kann eine erneute direkte Sehnennaht angestrebt werden [2]. Zu späteren Zeitpunkten hingegen sind erneute direkte Sehnennähte nicht mehr zu empfehlen, sondern eher die ein- oder zweizeitige Sehnenrekonstruktion.

Bewegungseinschränkungen der Finger auf der Basis von Adhäsionen erfordern eine frequenzielle Steigerung der physio- oder ergotherapeutsichen Therapie. Das klinische Bild von Sehnenverklebung entspricht einer verminderten aktiven Beweglichkeit der Fingergelenke bei noch erhaltener oder zumindest besserer passiver Beweglichkeit [2]. Tenolysen sollten erst nach Ausschöpfung der konservativen Behandlungsoptionen und frühestens 6 Monate nach der Primärnaht durchgeführt werden.


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Schlussfolgerung

Das funktionelle Ergebnis nach einer Beugesehnenverletzung wird wesentlich bestimmt von einer korrekt durchgeführten Naht und einer suffizienten und konsequenten frühfunktionellen Nachbehandlung [2].

Unter diesen Voraussetzungen ist eine gute Wiederherstellung der Beweglichkeit des betroffenen Fingers erreichbar [13], [14]. Verletzungen höherer Komplexität mit größeren Weichteilschäden, zusätzlich vorliegende Frakturen und schwere Quetschverletzungen sind allerdings mit einem schlechteren funktionellen Ergebnis assoziiert.


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Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Tim Tobias Lögters
Stellvertretender Direktor
Univ.-Prof. Dr. med. Joachim Windolf
Direktor
Klinik für Unfall- und Handchirurgie
Universitätsklinikum Düsseldorf
Moorenstraße 5
40225 Düsseldorf


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Abb. 1 Topografische Zonen an der Hand zur Beschreibung der Lokalisation von Beugesehnenverletzungen (Abbildung aus [2]).
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Abb. 2 Lokalisation der Beugesehnendurchtrennung in Abhängigkeit von der Position des Fingers zum Zeitpunkt der Gewalteinwirkung. Schnittverletzungen im gebeugten Zustand des Fingers führen bei anschließender Streckung zu einer Verschiebung des distalen Sumpfes nach distal (Abbildung aus [2]).
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Abb. 3 a bis d Klinische Tests zur Überprüfung der Beugesehnenfunktion an der Hand. Prüfung der tiefen Beugesehne (a) und der oberflächlichen Beugesehne (b, geeignet für den 3.–5. Finger), Prüfung der oberflächlichen Beugesehne des Zeigefingers durch aktive Beugung im Mittelgelenk bei Spitzgriffposition (c, d). Abbildung aus [2].
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Abb. 4 a bis j Verletzung der tiefen Beugesehne des Zeigefingers in Zone 3 mit Aufhebung des physiologischen Beugetonus als Indikator für eine Durchtrennung der Beugesehne (a), Schnitterweiterung und Mobilisation der Sehnenstümpfe in die Schnittstelle (b), Kernnaht nach Zechner (cg) und epitendinöse Adaptationsnaht (h) zur Wiederherstellung der Beugesehnenkontinuität (i), Postoperative Wiederherstellung des physiologischen Beugetonus des Kleinfingers (j).
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Abb. 5 a bis h Verletzung der tiefen und oberflächlichen Beugesehne in Zone 2 am Ringfinger und Kleinfinger (a), Sehnennaht nach Zechner am Ringfinger mit Mobilisation der Sehnenstümpfe beider Sehnen in die Schnittstelle und Fixierung durch Kanülen (b), Kernnaht nach Zechner (c–e) und epitendinöse Adaptationsnaht (f), anschließend gleiches Vorgehen an der oberflächlichen Beugesehne (nicht dargestellt). Stabile Sehnenadaption nach Naht beider Sehnen ohne wesentliche Aufwerfungen (f), Rekonstruktion des Ringbands A2 (g), postoperative Wiederherstellung des physiologischen Beugetonus des Ring- und Kleinfingers (h).