Definition
Die Pyometra ist eine hormonell (durch Progesteron und Östrogene) beeinflusste, eitrige Entzündung der
Gebärmutter, bei der das Uteruslumen an mindestens einer Stelle 1 cm oder mehr im Durchmesser beträgt.
Ähnliche klinische Bilder schließen die Mukometra und die Hydrometra ein (▶
Abb.
[
1
]).
Abb. 1a und b Mukometra. (© K. Blendinger)
Die Pyometra entsteht typischerweise am durch Östrogene vorbereiteten Uterus während der Phase der
Progesterondominanz (Diöstrus) und danach (Anöstrus). Am häufigsten wird sie in einem Zeitraum zwischen 2
Wochen und 4 Monaten nach einer Läufigkeit diagnostiziert. Es gibt viele Hinweise darauf, dass
Hündinnen, die noch keinen Wurf hatten, und Hündinnen über 4 Jahre ein erhöhtes Pyometrarisiko haben.
Trächtigkeiten haben einen schützenden Effekt vor Pyometra [[16]].
Es gibt keinen Zusammenhang zwischen dem Auftreten einer Scheinträchtigkeit und dem einer Pyometra.
Inzidenz
In einer Beagle-Kolonie war die Inzidenz der Pyometra 15,2 % bei den Hündinnen über 4 Jahren mit einem
durchschnittlichen Alter von 9,36 ± 0,35 Jahren [[10]]. In einer Population
versicherter Hunde in Schweden, wo die Ovariohysterektomie ohne medizinische Indikation verboten ist, waren
insgesamt etwa 25 % der Hündinnen vor dem Alter von 10 Jahren von einer Pyometra betroffen [[7]].
Bestimmte Rassen haben ein erhöhtes Pyometrarisiko [[5], [7]]:
Ätiologie und Pathogenese
Ätiologie und Pathogenese
Der häufigste Erreger, der im Uterusinhalt oder vaginalen Ausfluss einer Hündin mit Pyometra nachgewiesen
wird, ist Escherichia coli (bis zu 80 %). Der Hauptinfektionsweg ist eine aszendierende
Besiedelung der Gebärmutter durch die geöffnete Zervix uteri während des Östrus bis hin zum Übergang vom
Östrus zum Metöstrus. Auch eine hämatogene Erregerausbreitung ist möglich.
Die Pathogenese der Pyometra bei der Hündin schließt eine Östrogenstimulation gefolgt von einer Phase der
Progesterondominanz ein. Progesteron führt zur Proliferation des Endometriums, Sekretion der Drüsen und
Reduktion myometrialer Kontraktionen. Die Hemmung der Leukozyten im Uterus unter Progesteroneinfluss
erleichtert das bakterielle Wachstum. Diese Effekte kumulieren mit jedem Zyklus und verschlimmern die
Veränderungen am Uterus. Dow [[6]] beschreibt 4 Stadien des Komplexes GLZHE
(glandulär-zystische Hyperplasie des Endometriums)/Pyometra (▶
Abb.
[
2
]):
-
Typ 1: unkomplizierte GLZHE
-
Typ 2: GLZHE mit Infiltration von Plasmazellen
-
Typ 3: GLZHE mit akuter Endometritis
-
Typ 4: GLZHE mit chronischer Endometritis
Abb. 2 Glandulär-zystische Hyperplasie des Endometriums (GLZHE). (© K. Blendinger)
Eine Behandlung von Hündinnen im Alter von 1–4 Jahren mit Östrogenen erhöht das Risiko einer Pyometra [[5]]. Die Anwendung von Östrogenen zur Nidationsverhütung bei diöstrischen Hündinnen
ist besonders gefährlich und führte bei 25 % der behandelten Tiere zur Pyometra [[4]].
Die Entstehung einer glandulär-zystischen Hyperplasie, die sehr häufig im Frühstadium einer entzündlichen
Uteropathie vorzufinden ist, wird durch die gemeinsame Wirksamkeit von Östrogenen und Progesteron besonders
begünstigt [[6]]. Neben der iatrogenen Östrogenanwendung zur
Nidationsverhütung, die heute wegen der Verfügbarkeit eines Antigestagens kaum mehr durchgeführt wird,
kommen auch Östrogene aus Ovarialzysten oder Ovarialtumoren oder erhöhte Östrogenkonzentrationen im Blut
durch verzögerten Abbau in der Leber bei Leberfunktionsstörungen infrage. In Ausnahmefällen steht der Körper
bei einer Pyometra nur unter Östrogeneinfluss [[2]].
Liegt ein normales Zyklusgeschehen vor, beginnen die Progesteronwerte zwischen 2 und 4 Wochen nach Ende der
Läufigkeit zu sinken, wodurch sich der zervikale Schleimpfropf lockert und der eitrige Inhalt abzufließen
beginnt. Dieser Ausfluss kann phasenweise oder kontinuierlich über die Scheide und die Rima vulvae zu
beobachten sein. Ist eine Hündin nicht durch andere Erkrankungen geschwächt und handelt es sich um ein
weniger aggressives Keimspektrum im Uterus, kann sogar der gesamte Eiter abfließen und die so entstandene
Endometritis weitgehend ausheilen [[6]]. Im Anschluss an die nächste
Läufigkeit muss allerdings erneut mit einer Pyometra gerechnet werden.
Erreger und Toxine aus der Gebärmutter können sich hämatogen oder lymphogen im Sinne einer Sepsis auf
alle anderen Organe ausbreiten und auch ohne Uterusruptur zu einem akut lebensbedrohlichen Krankheitsbild
führen. Weitere Wege der Erregerausbreitung sind die Ulzeration der Uteruswandung, die Besiedelung der
Bauchhöhle retrograd durch die Tuben und die Uterusruptur, die zu einem perakuten Krankheitsverlauf mit
septischem Schock und Tod innerhalb weniger Stunden führen kann.
Klinische Symptome
Leitsymptome sind:
Diese Symptome werden vorwiegend in einem Zeitraum zwischen 2 Wochen und 4 Monaten nach der Läufigkeit
bemerkt. Die Pyometra kann auch in allen anderen Zyklusstadien oder nach einer Hormonbehandlung auftreten
(▶
Abb.
[
3
]). Bei der geschlossenen Form der Pyometra
kann der Eiter nicht durch die Zervix uteri abfließen, wodurch für den Besitzer der wichtigste Hinweis auf
die Erkrankung fehlt und die Gefahr der Uterusruptur besteht.
Abb. 3 Gestagen-induzierte Pyometra. (© K. Blendinger)
Typischerweise sind beide Gebärmutterhörner gleichmäßig mit Eiter gefüllt und durch den Inhalt erweitert
(▶
Abb.
[
4
]). Der eitrige Inhalt kann auch in einzelnen
Ampullen liegen (▶
Abb.
[
5
]), die an eine frühe
Gravidität erinnern oder sich auf einzelne Uterusabschnitte beschränken. Dadurch kann selbst bei vaginalem
Ausfluss („offene Pyometra“) die Gefahr der Uterusruptur bestehen. Die Uteruswand variiert stark in ihrer
Schichtdicke und kann mit endometrialen Zysten durchsetzt sein (▶
Abb.
[
6
]). Sie kann weich und locker oder auch stark tonisiert und knotig
verändert sein (▶
Abb.
[
7
]).
Abb. 4 „Typische Pyometra“: Beide Gebärmutterhörner sind gleichmäßig mit Eiter gefüllt. (© K. Blendinger)
Abb. 5 Ampulläre Form der Pyometra. (© K. Blendinger)
Abb. 6a und b Pyometra mit endometrialen und Serosazysten. (© K. Blendinger)
Abb. 7 Pyometra mit knotig veränderter Uteruswand. (© K. Blendinger)
Der Zustand der Gebärmutter wird durch das Alter der Hündin, die hormonellen Einflüsse, die Erreger und
Toxine und die Krankheitsdauer beeinflusst.
Diagnostische Aufarbeitung
Diagnostische Aufarbeitung
Anamnese
Der Vorbericht einer Hündin mit Pyometra kann unspezifisch sein. Am häufigsten werden reduziertes
Allgemeinbefinden, Inappetenz, Polydipsie, Polyurie, Lethargie und abdominale Umfangsvermehrung
genannt.
Die Pyometra sollte bei jeder an abdominalen Beschwerden leidenden unkastrierten Hündin zur
Differenzialdiagnose gehören.
Die Zyklusanamnese kann die wichtigsten Hinweise für eine Störung im Ablauf des Geschlechtszyklus geben
und hat damit auch prognostische Relevanz. Es wird nach Verlauf, Dauer und Länge der letzten Läufigkeiten
und nach dem Abstand zwischen den Läufigkeiten gefragt. Irreführende Angaben können beispielsweise
dadurch entstehen, dass die Besitzer bei älteren Hündinnen eine Läufigkeit übersehen haben und annehmen,
dass sie in der „Menopause“ ist, die es bei der Hündin aber nicht gibt. Der Besitzer kann einen blutigen
Ausfluss im Rahmen einer Pyometra für eine normale Läufigkeitsblutung halten.
Allgemeinuntersuchung
Das Allgemeinbefinden von Hündinnen mit Pyometra ist meist reduziert, kann aber unverändert sein. Sie
haben normalerweise kein Fieber. Veränderungen der kapillären Füllungszeit können vorkommen. Der vaginale
Ausfluss bei einer Hündin mit Pyometra kann eitrig, eitrig-blutig, schleimig oder vorwiegend blutig sein
[[18]].
Jeglicher vaginaler Ausfluss sollte dazu führen, die Pyometra in die Differenzialdiagnosen
einzubeziehen.
Andere mögliche Ursachen für einen vaginalen Ausfluss sind:
-
Vaginitis
-
Östrus
-
immunvermittelte Thrombozytopenie (blutiger Ausfluss)
-
Vergiftung mit Antikoagulanzien wie Rattengift (blutiger Ausfluss)
-
Metritis
-
Subinvolution der Plazentarstellen
Vaginalzytologie
Bei einer Pyometra dominieren in der Regel neutrophile Granulozyten das vaginalzytologische Bild. Die
Epithelzellen aus dem Scheidenepithel liefern Hinweise auf den hormonellen Status: Superfizialzellen
(▶
Abb.
[
8
]) sind ein zuverlässiger Bioindikator für
eine Östrogenwirkung. Werden nur Basal- und Parabasalzellen nachgewiesen, deutet das darauf hin, dass
sich die Hündin im Anöstrus (weder Progesteron- noch Östrogenwirkung) befindet. Ein gemischtes Zellbild
mit überwiegend Intermediärzellen (▶
Abb.
[
9
])
deutet auf Progesteroneinfluss im Anschluss an eine Läufigkeit (Diöstrus) hin. Dieses Bild kann aber auch
einige Zeit lang ohne Hormonwirkung durch eine chronische Entzündungsreaktion aufrechterhalten
werden.
Abb. 8 Vaginalzytologie: Superfizialzellen. (© K. Blendinger)
Abb. 9 Vaginalzytologie einer Hündin mit Pyometra: Intermediärzellen. (© K. Blendinger)
Eine Tupferprobe, die in der mittleren bis kranialen Scheide entnommen wurde, kann als Träger zur
Einleitung einer bakteriologischen Untersuchung dienen.
Ultraschalluntersuchung
Mittels Sonografie können die Ausdehnung des Uterus, sein Füllungszustand, die Wanddicke und
-beschaffenheit sowie Hinweise für proliferative Prozesse erfasst werden. Beim Nachweis von
flüssigkeitsgefüllten Schlingen im Abdomen müssen differenzialdiagnostisch
-
ein Ileus oder
-
ein gestauter Ureter
in Betracht gezogen werden.
Die sonografische Untersuchung schließt die Ovarien ein, an denen nach zystischen oder
proliferativen Veränderungen gesucht wird. Durch die Veränderungen am Uterus kann die Darstellung der
Ovarien allerdings erheblich erschwert oder vorübergehend unmöglich sein.
Röntgenuntersuchung
Der typische Röntgenbefund ist ein flüssigkeitsgefülltes, schlauchförmiges Organ im mittleren Abdomen,
das sich am besten in Seitenlage darstellt. Abhängig vom Füllungsgrad der Gebärmutter wird das
Darmkonvolut nach dorsal und kranial verdrängt. Wenn auch die Ultraschalluntersuchung das Röntgen als
wichtigstes Hilfsmittel zur Diagnose der Pyometra abgelöst hat, können im Röntgen wertvolle Hinweise auf
begleitende Erkrankungen wie beispielsweise Fremdkörper oder thorakale Erkrankungen gewonnen werden.
Computertomografische Untersuchung
Die Diagnose der Pyometra wird ohne Computertomografie gestellt. Bei Fragen um die Art und Ausdehnung von
begleitenden Ovarerkrankungen und bei Verdacht auf zusätzliche Erkrankungen – z. B. an den
Nebennieren oder am Pankreas – kann sie wertvolle Einblicke liefern, besonders, wenn die Beurteilung
dieser Strukturen durch die Ultraschalluntersuchung aufgrund der gefüllten Uterusschlingen beeinträchtigt
ist.
Laboruntersuchungen
Hündinnen mit Pyometra haben normalerweise:
-
eine Leukozytose
-
eine Hyperproteinämie
-
eine Hyperglobulinämie
Eine prärenale Azotämie geht mit einer Dehydratation einher. Die Fähigkeit zur Urinkonzentration kann
beeinträchtigt sein. Eine Zystozentese birgt das Risiko, die gefüllten Uterusschlingen zu perforieren,
wodurch uteriner Inhalt in die Bauchhöhle gelangen kann. Wiederholte Laboruntersuchungen im Laufe der
Behandlung und in deren Anschluss sind häufig nötig, um den Heilungsverlauf beurteilen zu können.
Komplikationen und Mortalität
Komplikationen und Mortalität
In der oben erwähnten schwedischen Untersuchung lag die Mortalität der Pyometra einschließlich Euthanasie
bei 10 % [[7]]. Die Leukopenie war der wichtigste Marker für eine
Peritonitis (bei 13 % der betroffenen Hündinnen nachgewiesen) und war mit einem 18fach erhöhten Risiko für
eine Peritonitis und einem über 3,5fach erhöhtem Risiko für eine verlängerte postoperative stationäre
Behandlung verbunden [[12]].
Chirurgische Therapie
Die Behandlung der Wahl für jede ältere oder kranke Hündin oder eine Hündin mit einer Pyometra mit
geschlossener Zervix ist die komplette Ovariohysterektomie.
Vorbereitung
Auch wenn das Ergebnis der bakteriologischen Untersuchung noch nicht vorliegt, wird die Hündin mit
Pyometra mit einem Antibiotikum mit breitem Wirkspektrum im grampositiven und gramnegativen
Bereich behandelt (z. B. Amoxicillin/Clavulansäure, Enrofloxacin oder Marbofloxacin). Nach Eingang des
Resistenztests wird diese Therapie ggf. modifiziert. Ein venöser Zugang zur adäquaten
Narkoseleitung und Infusionstherapie entsprechend den Blutergebnissen wird gelegt.
Durchführung
Nach aseptischer Vorbereitung der Bauchhaut zwischen Sternum und Schambeinrand wird bei der in Rückenlage
ausgebundenen Hündin die Bauchdecke beginnend 1 cm hinter dem Nabel nach kaudal auf eine Länge von etwa
10–20 cm abhängig von der Größe der Hündin eröffnet.
Das Netz wird nach kranial hin verlagert und das linke Uterushorn aufgesucht. Dieses wird von dort aus
nach kaudal palpiert, bis die Zervix uteri dargestellt werden kann. Falls nötig, wird hierfür die
Laparotomiewunde nach kaudal erweitert. Eine Massenligatur mit resorbierbarem Nahtmaterial der Stärke 3,5
oder 4 metric (0 oder 1 USP) unmittelbar kaudal des Muttermunds, die auch die beiden Uteringefäße
einschließt, unterbindet die Blutzufuhr aus diesem Bereich. Nun wird das linke Uterushorn erfasst und
entlang dieses Organs nach kranial palpiert, bis der Übergang zwischen Uterushornspitze und Bursa ovarica
mit einer Klemme erfasst werden kann. Eine Hilfsperson hält diese Klemme unter gleichmäßigem,
vorsichtigem Zug, während der Operateur entweder Mullkompressen oder kleine Operationstücher rechts und
links der Eierstocktasche und des Mesovars so in den Bauchraum verbringt, dass das Mesovar und die Bursa
ovarica von den übrigen Baucheingeweiden getrennt dargestellt werden. Im Falle einer Pyometra ist das
Bindegewebe meist locker und das Vorlagern der Ovarien gut möglich. Es kann allerdings auch hilfreich
sein, das Lig. ovaricum proprium mit der Schere oder stumpf durchzutrennen, wodurch mehr Raum für eine
Ligatur entsteht.
Nach Darstellung des Mesovars und der Bursa ovarica wird eine fettgewebsarme Stelle im Mesovar
aufgesucht, diese durchgetrennt und von kaudal her eine Klemme über die Blutgefäße und das Lig. ovaricum
proprium gesetzt. Ein resorbierbarer Ligaturfaden der Stärke 3,5 oder 4 metric (0 oder 1 USP) wird unter
die Klemme gebracht, diese um 0,5 cm weiter nach kaudal gesetzt und an der vorkomprimierten Stelle die
Ligatur gesetzt.
Die Klemme wird nahe an die Bursa ovarica gesetzt und darunter das Mesovar getrennt. Der Stumpf wird auf
Blutungen hin untersucht und in den Bauchraum entlassen. Das Mesovarium kann nun i. d. R. ohne weitere
Blutstillung stumpf durchtrennt werden, wobei das Lig. teres uteri, das zwischen Leiste und Übergang
zwischen Uterushornspitze und Ovar verläuft, besonders auf eventuelle Blutungen zu kontrollieren ist.
Noch bestehende Blutungen werden durch Ligaturen oder Elektrokoagulation gestillt.
Nach entsprechender Vorgehensweise auf der rechten Seite wird über der Ligatur kaudal der Zervix eine
Darmklemme so angelegt, dass die beiden Uteringefäße gut dargestellt sind. Eine weitere Klemme kranial
der Zervix im Corpus uteri verhindert das Auslaufen von Eiter bei der Entnahme der Gebärmutter. Zunächst
wird die Laparotomiewunde so abgedeckt, dass auch kleinere Mengen uterinen Inhalts nicht in den Bauchraum
gelangen können. Mit dem Skalpell werden nun die Gebärmutter auf Höhe der Zervix uteri abgesetzt und
Reste des Zervikalgewebes aus dem Stumpf werden entfernt. Beide Uteringefäße werden gesondert ligiert und
der Zervikalstumpf einstülpend vernäht. Es erfolgt die Kontrolle der Bauchhöhle auf Blutungen und andere
Veränderungen, das Netz wird wieder nach kaudal verlagert und die Laparotomiewunde routinemäßig in 3–4
Schichten vernäht.
Postoperative Versorgung
Die Hündin wird postoperativ beobachtet mit besonderem Augenmerk auf Körpertemperatur und
Kreislaufzustand. Meist wird hierbei die Infusionstherapie beibehalten und die Hündin durch gut isolierte
Lagerung und zusätzliche Wärmequelle vor dem Auskühlen geschützt.
Mögliche Komplikationen während der Operation
Ruptur der Ovargefäße beim Versuch der Ligatur
Besonders bei entzündlichen Prozessen oder unter Östrogeneinfluss besteht die Gefahr, dass das Mesovar
und die Ovargefäße sehr brüchig sind und leicht abreißen. Sollte dies passieren, wird als erstes
mit einem Scherenschlag die Bauchdecke über den Nabel hinaus nach kranial weiter eröffnet. Danach greift
die Hand des Operateurs unabhängig von der Sicht, die möglicherweise durch Blutansammlung behindert ist,
nach der Niere und palpiert zwischen Daumen, Zeige- und Mittelfinger nach kaudal, bis das pulsierend
blutende Gefäß erfasst und mit den Fingern die Blutung zum Stillstand gebracht werden kann. Während die
eine Hand die Blutung verhindert, kann mit der anderen Hand und weiteren Hilfspersonen in Ruhe für gute
Sicht gesorgt werden. Mit einer Klemme wird zunächst das blutende Gefäß erfasst und schließlich
ligiert.
Unvollständige Ligatur der Ovargefäße
Der korrekte Sitz der Ligatur an den Ovargefäßen muss vor Entlassen des Stumpfes in die Bauchhöhle
überprüft werden. Durch ungenügende Darstellung des Operationsgebiets oder durch zu viel
Fettgewebe in der Ligatur kann diese zu locker sein und muss ggf. durch eine erneute Ligatur
ergänzt werden.
Uterusruptur während der Vorlagerung des Organs
Die Uteruswand kann bei Hündinnen mit Pyometra sehr dünn und fragil sein. Besondere Vorsicht ist daher
beim Vorlagern des Organs geboten. Sollte es dennoch zur Ruptur kommen und dabei Uterusinhalt in
die Bauchhöhle gelangen, gilt es zunächst, die Entnahme des Uterus und der Ovarien routinemäßig
abzuschließen. Dann muss die gesamte Bauchhöhle so lange mit körperwarmer Infusionslösung (z. B. 0,9 %ig
NaCl-Lösung oder Ringer-Lösung) gespült werden, bis kein Uterusinhalt mehr zu erkennen ist. Eine
antiphlogistische Behandlung begleitet diese Maßnahme.
Bakteriämie/Endotoxämie
Auch ohne Ruptur des Uterus kann es im Rahmen der Operation zur Ausbreitung von Bakterien und Toxinen
kommen, selbst wenn es dafür vor dem Eingriff keine Hinweise gab. Daher sind die postoperativen
Kontrollen in der Aufwachphase und in der ersten Woche nach dem Eingriff von besonderer Bedeutung.
Bei diesen Kontrollen sollte auch auf Hinweise für eine intravasale Gerinnung (DIC) geachtet werden.
Konservative Therapie
Verschiedene Verfahren und Medikamente werden in der konservativen Behandlung der Pyometra eingesetzt.
Antibiotika
Die Sepsis ist eine potenzielle Komplikation der Pyometra. Eine Breitspektrumantibiose sollte während der
gesamten Behandlungsdauer verabreicht werden. Als Mittel der ersten Wahl können Amoxicillin, Amoxicillin
mit Clavulansäure, Cephalosporine und Sulfonamid-Trimetoprim verwendet werden [[19]]. Änderungen richten sich nach dem Ergebnis der bakteriologischen Untersuchung mit
Resistenztest, die immer durchgeführt werden sollten.
Aglepristone
Aglepristone blockiert die Progesteronrezeptoren, ohne die zelluläre Antwort abzurufen.
Progesteron wirkt ab einer Serumkonzentration von 1–2 ng/ml auf das Endometrium proliferativ und
sekretionssteigernd. Das Myometrium verliert seine Empfänglichkeit für tonisierende Einflüsse, wodurch es
erschlafft. Der Muttermund kontrahiert sich und wird durch die Bildung eines zähen Schleimes
verschlossen. Diese Wirkungen werden durch Aglepristone aufgehoben, wodurch sich der Muttermund öffnet,
sich das Myometrium kontrahieren kann und die Sekretion und Proliferation am Endometrium abnimmt.
Aglepristone bewirkt keine Luteolyse. Um den antigestagenen Effekt aufrechtzuerhalten, muss das
Präparat in der handelsüblichen Form (Alizin®, 10 mg/kg s.c.) mind. 1-mal wöchentlich so lange
verabreicht werden, bis der Serumprogesteronspiegel unter 1 ng/ml gefallen ist.
Prostaglandin F2α
Prostaglandin F2α bewirkt starke Uteruskontraktionen und eine Luteolyse, wobei die
Gelbkörper bei der Hündin in den ersten 2–3 Wochen weitgehend refraktär gegenüber der luteolytischen
Wirkung sind. In Fällen, in denen der Abfluss uterinen Inhalts durch den progesteronbedingten kompletten
oder teilweisen Verschluss der Zervix eingeschränkt ist, besteht die Gefahr der Uterusruptur bei
Anwendung von Prostaglandin F2α. Eine luteolytische Behandlung mit Cabergoline [[8]] oder eine Antigestagenbehandlung mit Aglepristone [[9]] im
Vorfeld und/oder begleitend zur Prostaglandinanwendung hat sich bewährt. Gegenanzeigen für Prostaglandine
sind Niereninsuffizienz, Pneumopathie und kongestive Herzinsuffizienz.
Angewandt wird natürliches Prostaglandin F2α (Dinoprost, Dosierung: 25 µg/kg 3 × tgl. s.c. [[9]]) oder synthetisches Prostaglandin F2α (Cloprostenol, Dosierung a: 1 µg/kg 1
× tgl. s.c. [[9]]; Dosierung b: 5 µg/kg jeden 3. Tag s.c. [[8]]; Dosierung c: 2–3 µg/kg jeden 2. Tag [vom Autor verwendete Dosierung]).
Nebenwirkungen oder Symptome der Überdosierung sind Krämpfe, Schmerzäußerungen, Erbrechen und
Kotabsatz. Sie können von Temperaturschwankungen zwischen Fieber und Untertemperatur begleitet sein.
Cabergolin
Die Luteolyse, die durch den Dopamin-Agonisten Cabergolin (5 µg/kg 1 × tgl. p.o.) induziert wird,
erfolgt langsamer (5–10 Tage) als die Luteolyse, die durch Prostaglandine induziert wird. Im Gegensatz zu
den Prostaglandinen fehlt aber die stark uteruskontrahierende Wirkung.
Transzervikale endoskopische Katheterisierungs-Technik (TEKT)
Eine transzervikale endoskopische Katheterisierungs-Technik (TEKT) wurde beschrieben, um den Uterus zu
spülen, den Eiter zu entfernen und intrauterin Cephazolin (22 mg/kg 1-malig) und Prostaglandin F2α (10
µg/kg 1-malig) zu applizieren. Die Ausheilungsdauer wird mit 3–5 Tagen angegeben im Vergleich zu 5–10
Tagen unter Verwendung von systemisch angewandten luteolytischen und antibiotischen Medikamenten [[19]]. Der mögliche Nutzen dieser Technik muss gegen die Risiken abgewogen
werden, die in einer Perforation des Uterus während der Behandlung mit folgender Peritonitis und Sepsis
bestehen.
Wahl der konservativen Therapie
Wahl der konservativen Therapie
Um die adäquate konservative Therapie wählen zu können, werden folgende Fragen abgeklärt:
-
Bestehen Hinweise auf eine Ovarerkrankung?
-
Steht die Hündin unter Progesteron- oder Gestageneinfluss?
-
Steht die Hündin unter Östrogeneinfluss?
Bestehen Hinweise auf eine Ovarerkrankung?
Hinweise auf Ovarerkrankungen sind:
-
verkürzte und unregelmäßige Zyklusabstände, verlängerte Läufigkeit und bilateral symmetrische
Alopezien im Lendenbereich und an den Hintergliedmaßen, die durch vermehrte oder unregelmäßige
Östrogenproduktion entstehen können
-
verkürzte Zyklusabstände, die aufgrund eines vorzeitigen Progesteronabfalls durch Infektionen und
Toxine mit Beteiligung der Ovarien, durch eine Corpus-luteum-Insuffizienz oder durch die Verabreichung
luteolytisch wirkender Medikamente entstehen
-
verlängerte Zyklusabstände durch Corpus-luteum-Zysten, die differenzialdiagnostisch vom
Hypothyreoidismus abgegrenzt werden müssen
Zusätzlich zur Anamnese kann es hilfreich sein, die Ovarien sonografisch zu untersuchen. Vor allem
zystische Veränderungen und größere Tumore können auf diese Weise erkannt werden.
Steht die Hündin unter Progesteron- oder Gestageneinfluss?
In den ersten 4 Wochen nach einer normalen Läufigkeit steht die Hündin unter Progesteroneinfluss. Bei
unklarem Zyklusstand kann ein quantitativer Progesterontest darüber Klarheit verschaffen. Auch
semiquantitative Progesterontests sind zum Nachweis einer Progesterondominanz geeignet.
Es muss nach Behandlungen zur Läufigkeitsunterdrückung oder Zyklusbeeinflussung mit Gestagenen gefragt
werden. Diese werden bei der Progesteronbestimmung im Serum nicht nachgewiesen, jedoch alle durch
Progesteron vermittelten Reaktionen im Körper abrufen.
Steht die Hündin unter Östrogeneinfluss?
Eine sehr gute und schnelle Aussage über den Östrogenstatus kann über die Vaginalzytologie gemacht
werden. Liegt der Anteil der Superfizialzellen an den Epithelzellen bei über 90 %, ist der Östrogeneinfluss
nachgewiesen. Beschränken sich die Zellen der Vaginalschleimhaut auf Parabasalzellen und Intermediärzellen,
wurden in den Tagen vor der Untersuchung keine den Krankheitsverlauf maßgeblich beeinflussenden
Östrogenmengen freigesetzt.
Das Auftreten vieler Intermediärzellen und vereinzelter Superfizialzellen kann durch die Entzündungsreaktion
hervorgerufen werden und ist noch kein Östrogennachweis. Im Zweifelsfall muss Östradiol im Serum bestimmt
werden. Auch nach dem Einsatz von Östrogenen, beispielsweise zur Nidationsverhütung, zur Behandlung einer
Harninkontinenz oder von Hauterkrankungen muss gefragt werden.
Pyometratypen
Anhand der Klinik, den Ergebnissen der bildgebenden Verfahren, der klinischen Chemie und des hormonellen
Status aus Progesteron und Östrogenen teilt der Autor die Pyometra in 3 verschiedene Gruppen ein
[[3]], die für die Therapie und die Prognose relevant sind:
-
Notfall-Pyometra
-
Pyometra mit Zyklusstörungen und/oder Ovarerkrankungen
-
Pyometra ohne Zyklusstörungen und/oder Ovarerkrankungen
Notfall-Pyometra (Typ 1)
Bei einer Notfall-Pyometra gibt es Hinweise auf Sepsis und/oder Uterusruptur oder -ulzeration. Als
prognostisch ungünstigster Laborparameter hat sich die Leukopenie erwiesen.
Therapie
Da eine akute, lebensbedrohliche Situation besteht, müssen diese Patienten unverzüglich durch die
Herstellung eines operationsfähigen Zustandes und eine Ovariohysterektomie nach Einleitung einer
antibiotischen Therapie behandelt werden. Dies ist bei allen Tieren gegeben, bei denen Hinweise auf eine
Sepsis mit oder ohne Ruptur oder Ulzeration der Gebärmutter bestehen. Diese liegen bei dem Vorbericht
eines sich akut verschlechternden Allgemeinbefindens vor und werden labordiagnostisch vor allem durch
eine Leukopenie [[12]] oder Azotämie erhärtet. Auch eine progressive
Anämie oder Gerinnungsstörung führt zur Zuordnung zur Gruppe 1.
Pyometra mit Zyklusstörungen und/oder Ovarerkrankungen (Typ 2)
Therapie
Die Prognose für eine erfolgreiche konservative Behandlung ist ungünstig, da die begleitenden
Erkrankungen, die von den Ovarien ausgehen, einer Restitutio ad integrum im Wege stehen.
Der Versuch einer konservativen Therapie ist bei einer Notfall-Pyometra kontraindiziert.
Pyometra ohne Zyklusstörungen und/oder Ovarerkrankungen (Typ 3)
Dieser Pyometratyp wird in Formen mit Progesterondominanz oder Gestageneinfluss (Typ 3a) und Formen ohne
Progesterondominanz oder Gestageneinfluss (Typ 3b) unterteilt.
Therapie
Bei Hündinnen dieser Gruppe besteht eine vorsichtige bis günstige Prognose für den Erfolg der
konservativen Therapie. Diese wird unter enger klinischer Überwachung durchgeführt, da die Hündinnen
manchmal auch während der Behandlung kurzfristig der Gruppe 1 zugeordnet werden müssen und eine sofort
durchgeführte Ovariohysterektomie unumgänglich wird. Ziele der konservativen Pyometra-Therapie sind die
vollständige Entleerung des Eiters aus der Gebärmutter und die Bekämpfung der Infektion. Die Methode der
konservativen Behandlung ist abhängig davon, ob sie unter Progesterondominanz (Progesteron
> 1–2 ng/ml) oder Gestageneinfluss stehen oder nicht.
Die Behandlung der Gruppe 3a (Progesterondominanz oder Gestageneinfluss) besteht in:
-
Antibiose (ggf. nach dem Ergebnis des Resistenztests abzuändern)
-
Antigestagenbehandlung
-
Infusionstherapie (nach Bedarf)
-
Schleimhautschutz für den Gastrointestinaltrakt (nach Bedarf)
Nach 3–5 Tagen, wenn die Effekte durch die Gestagene aufgehoben sind, kann die Entleerung des Uterus
durch Prostaglandine unterstützt werden, wobei gegen das Nebenwirkungsrisiko abgewogen werden muss.
Bei Hündinnen der Gruppe 3b (ohne Progesterondominanz oder Gestageneinfluss) wird wie bei der
Gruppe 3a vorgegangen, allerdings auf die Antigestagenbehandlung verzichtet und stattdessen Prostaglandin
F2α verwendet. Dies kann durch die TEKT ergänzt werden. Auch hier muss individuell gegen das Risiko von
Komplikationen abgewogen werden.
Nur bei einer Pyometra ohne Zyklusstörungen oder Ovarerkrankungen kann die konservative Therapie eine
vorsichtige bis günstige Prognose haben.
Nach einer erfolgreichen konservativen Behandlung können Hündinnen ein verkürztes Interöstrusintervall
haben. Beim Wunsch zur Zuchtnutzung wird empfohlen, direkt die auf die Behandlung folgende Läufigkeit zu
nutzen und vor der Belegung eine bakteriologische Untersuchung mit Antibiogramm einzuleiten. Die
Konzeptionsrate nach konservativer Pyometrabehandlung wird mit 50–65 % angegeben, die Rezidivrate mit bis
zu 77 % [[16]].