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DOI: 10.1055/s-0041-110577
Nephrolithiasis bei Kindern – Perkutane Nephrolithotomie vs. retrograde intrarenale Chirurgie
Publication History
Publication Date:
22 February 2016 (online)
Kleinere Konkremente der oberen Harnwege bei Kindern lassen sich meist erfolgreich mittels Stoßwellenlithotripsie behandeln. Zur Therapie größerer Steine stehen verschiedene minimalinvasive endoskopische Techniken zur Verfügung. Saad und Kollegen haben untersucht, welches Verfahren – die perkutane Nephrolithotomie (PCNL) oder die retrograde intrarenale Chirurgie (RIRS) – besser zur Therapie großer Nierensteine bei pädiatrischen Patienten geeignet ist.
J Urol 2015; 194: 1716–1720
mit Kommentar
In die randomisierte, kontrollierte Studie an der Abteilung für Urologie der Universität von Alexandria / Ägypten wurden zwischen 2011 und 2014 38 Patienten (Alter < 16 Jahre) mit Nierensteinen > 2 cm eingeschlossen. Insgesamt wurden 43 Nieren behandelt. In 22 Fällen erfolgte eine PCNL und in 21 Fällen eine RIRS. In allen Fällen wurde nach der Intervention ein Ureterstent eingelegt und für 2–4 Wochen belassen. Die beiden Behandlungsgruppen wurden hinsichtlich demografischer Daten, der Anzahl und Größe der Nierensteine, der Steinlast, der operativen Technik, der Strahlenbelastung, der Komplikations- und Bluttransfusionsrate, der Dauer des Klinikaufenthalts sowie der Steinfreiheitsrate (kein Nachweis residueller Steinfragmente in der Bildgebung nach einem Monat) verglichen.
Das mediane Alter der Patienten der PCNL- und der RIRS-Gruppe betrug 8 (Range 1,42–13,0) bzw. 5 (1,67–16,0) Jahre. 63,6 bzw. 66,7 % der Patienten waren männlich. Die Charakteristika der Nierensteine sowie die Eingriffsdauer unterschieden sich nicht zwischen den beiden Behandlungsgruppen. Die Durchleuchtungszeit sowie die Dauer des Klinikaufenthalts waren hingegen in der PCNL-Gruppe länger als in der RIRS-Gruppe (jeweils p < 0,001).
Bei 2 der ureteroskopisch behandelten Patienten wurde ein Umsteigen auf eine PCNL notwendig. Zwei Patienten der RIRS- (9,5 %) und 1 Patient der PCNL-Gruppe (4,5 %) benötigten eine weitere Intervention. Die Steinfreiheitsrate war nach RIRS-Monotherapie signifikant geringer als nach PCNL-Monotherapie (71,0 vs. 95,5 %; p = 0,046).
Im Vergleich zur RIRS-Gruppe wurden nach PCNL signifikant häufiger Komplikationen beobachtet (9,5 vs. 41 %, p = 0,018). Bei 3 der PCNL-Patienten (13,6 %), jedoch bei keinem der ureteroskopisch behandelten Patienten, trat eine transfusionsbedürftige intraoperative Blutung auf (p = 0,015). Auch der postoperative Hämoglobinabfall war nach PCNL stärker ausgeprägt (p = 0,012).
Das wichtigste Ziel der Urolithiasis-Therapie, so Saad et al., ist die Steinfreiheit. Dies gelte insbesondere für das durch ein hohes Rezidivrisiko belastete pädiatrische Patientenkollektiv. Die Behandlung multipler, großer oder komplexer Nierensteine mittels PCNL, so die Schlussfolgerung der Autoren, bietet im Vergleich zur RIRS-Technik den Vorteil einer höheren Steinfreiheitsrate. Hierfür müssen jedoch eine höhere Strahlenbelastung, ein höheres Komplikationsrisiko sowie ein längerer Krankenhausaufenthalt in Kauf genommen werden.
Geringeres Risiko mit Mikro- und Mini-PCNL
Die Prävalenz von Harnsteinen bei Kindern ist relativ gering. Dennoch untersuchen die Autoren in ihrer Studie bei Kindern mit hoher Steinlast eine wichtige Gruppe von Patienten, die uns als Behandler vor eine große Herausforderung stellen. Einerseits ist insbesondere bei Kindern eine absolute Steinfreiheit anzustreben, da das Risiko für ein Rezidiv mit der Notwendigkeit von Folgeeingriffen höher ist als beim Erwachsenen. Andererseits gilt es durch eine möglichst geringe Invasivität der Therapie Komplikationen oder Folgeschäden am Nierenparenchym zu vermeiden.
Die extrakorporale Stoßwellentherapie (ESWL) stellt aus diesem Grund die primäre Behandlungstechnik bei Kindern mit Nierensteinen dar. Da die Behandlung jedoch je nach Alter des Kindes in Narkose durchgeführt werden muss und bei größeren Konkrementen mehrere Behandlungen erforderlich sind, kann durch die invasivere endourologische Technik Ureterorenoskopie (URS) oder PCNL die Steinfreiheit häufig mit einer einzelnen Behandlung erreicht werden. Beide Techniken werden seit mehreren Jahren erfolgreich bei Kindern angewendet. Insbesondere durch die zunehmende Miniaturisierung der flexiblen URS-Geräte kommen diese immer häufiger anstatt einer ESWL zur Anwendung.
Durch das prospektive, randomisierte Studiendesign versuchen die Autoren die Frage zu klären, welche der beiden endourologischen Techniken bei Kindern vorzuziehen ist. Limitiert wird die Studie jedoch durch mehrere Faktoren:
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Zum einen ist die untersuchte Gruppe relativ klein um verbindliche Aussagen treffen zu können.
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Zum anderen ist die beschriebene Komplikationsrate bei der PCNL-Gruppe ungewöhnlich hoch. Insbesondere der Schweregrad der seltenen Komplikationen mit Darmverletzung, Hydrothorax oder transfusionspflichtigen Blutungen fallen auf [ 1 ].
Die Autoren beschreiben bei der technischen Durchführung der PCNL die Etablierung des Zugangsweges mit einer durchleuchtungsgestützten Punktion mit anschließender Dilatation des Arbeitskanals auf 22Fr. Bei Erwachsenen ist hinlänglich bekannt, dass das Risiko für perioperative Blutungen bei einer rein durchleuchtungsgestützten Punktion höher ist als bei der zusätzlichen Verwendung von Ultraschall [ 2 ]. Des Weiteren steigt das Blutungsrisiko mit zunehmender Schaftgröße. Die Autoren begründen die Verwendung des großen Schafts zur Reduktion des intrarenalen Drucks in Kombination mit einer 17Fr-Optik. Aktuelle Arbeiten zeigen jedoch die sichere und erfolgreiche Anwendung der perkutanen Mikro- und Mini-PCNL-Techniken bei Kindern mit großen Nierensteinen bei einem äußerst geringen Perforationsrisiko [ 3 ], [ 4 ]. Diese Techniken in Verbindung mit einem ultraschallgestützten Zugang zum Nierenbeckenkelchsystem sollten in einem kinderurologischen Zentrum mit ausgewiesener endourologischer Expertise durchgeführt werden. Bei zukünftigen Studien sollte zum besseren Vergleich mit der URS ein entsprechend modernes PCNL-Konzept zur Anwendung kommen.
Fazit
Bei Nierensteinen über 2 cm Größe (oder über 1,5 cm im Unterkelch) können endourologische Operationstechniken auch bei Kindern schneller die Steinfreiheit herbeiführen als die ESWL. Bei der PCNL sollte die Punktion des Nierenbeckenkelchsystems zur Vermeidung schwerwiegender Komplikationen dabei unter sonografischer und Durchleuchtungskontrolle erfolgen und die Größe des Arbeitsschafts möglichst gering sein.
PD Dr. Manuel Ritter, Mannheim
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Literatur
- 1 Ritter M, Rassweiler MC, Michel MS. Complications in percutaneous lithotomy. Urologe A 2014; 53: 1011-1016
- 2 Kamphuis GM, Baard J, Westendarp M et al. Lessons learned from the CROES percutaneous nephrolithotomy global study. World J Urol 2015; 33: 223-233
- 3 Daw K, Kuo Y, Shouman AM, Elsheemy MS et al. Outcome of Mini-percutaneous Nephrolithotomy for Renal Stones in Infants and Preschool Children: A Prospective Study. Urology 2015; 86: 1019-1026
- 4 Karatag T, Khanna A, Tepeler A, Silay MS et al. A Comparison of 2 Percutaneous Nephrolithotomy Techniques for the Treatment of Pediatric Kidney Stones of Sizes 10–20 mm: Microperc vs Miniperc. Urology 2015; 85: 1013-1018
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Literatur
- 1 Ritter M, Rassweiler MC, Michel MS. Complications in percutaneous lithotomy. Urologe A 2014; 53: 1011-1016
- 2 Kamphuis GM, Baard J, Westendarp M et al. Lessons learned from the CROES percutaneous nephrolithotomy global study. World J Urol 2015; 33: 223-233
- 3 Daw K, Kuo Y, Shouman AM, Elsheemy MS et al. Outcome of Mini-percutaneous Nephrolithotomy for Renal Stones in Infants and Preschool Children: A Prospective Study. Urology 2015; 86: 1019-1026
- 4 Karatag T, Khanna A, Tepeler A, Silay MS et al. A Comparison of 2 Percutaneous Nephrolithotomy Techniques for the Treatment of Pediatric Kidney Stones of Sizes 10–20 mm: Microperc vs Miniperc. Urology 2015; 85: 1013-1018