Fallbeschreibung
71-jährige Patientin, pensionierte Näherin, Nie-Raucherin. Seit 5 Jahren bestehender
Reizhusten. Keine Dyspnoe, negative B-Symptomatik, kein Fieber. Als Vorerkrankung
werden rezidivierende Bronchitiden sowie eine Rheumatoide Arthritis angegeben. Auskultatorisch
beidseits vesikuläres Atemgeräusch ohne Rasselgeräusche mit sonorem Klopfschall.
BGA bei Raumluft: PaO2: 66 mmHg; PaCO2: 35,2 mmHg; pH: 7,43; SaO2: 93,5 %
Labor: weitgehend unauffällig
Abb. 1 Im pulmonalen Fenster des Thorax CT waren – teils sekretgefüllte – Bronchiektasien
im Mittellappen zu sehen. Bei einer anschl. durchgeführten Bronchoskopie wurden Auramin-positive
(säurefeste) Stäbchen im Bronchialsekret gefunden.
Abb. 2 Nicht-tuberkulöse Mykobakteriose bei einem Patienten mit Lungenemphysem und fibrokavernöser
Läsion im rechten Unterlappen.
Fallauflösung
Antwort D: Nicht-tuberkulöse Mykobakteriose
Erläuterung:
Zu den nicht-tuberkulösen Mykobakterien werden alle durch Mykobakterien verursachten
Erkrankungen gezählt, welche nicht durch M. tuberculosis oder M. leprae verursacht
werden. Es handelt sich hierbei um eine Familie von ubiquitär vorkommenden Bakterien,
von denen ca. 40 Vertreter als humanpathogene Keime bekannt sind und pulmonale sowie
extrapulmonale Erkrankungen auslösen können. Zu den häufigsten nicht-tuberkulösen
Mykobakterien, welche pulmonale Infektionen auslösen, zählen: M. avium complex (MAC),
M. kansasii, M. xenopii und M. abscessus.
Das Risiko, an einer nicht-tuberkulösen Mykobakteriose zu erkranken, wird von lokalen
und systemischen Faktoren bestimmt. Vor allem strukturelle Lungenerkrankungen wie
COPD, Lungenfibrose, Bronchiektasien oder Pneumokoniosen, aber auch eine systemische
Abwehrschwäche wie bei HIV-Infektionen, einer immunsuppressiven Therapie oder Malignomen
begünstigen die Infektion mit diesen opportunistischen Erregern.
Symptome einer solchen Infektion der Lunge sind oft unspezifisch und können sich als
Husten mit oder ohne Auswurf, Fieber, Nachtschweiß, Gewichtsverlust oder Dyspnoe präsentieren.
Dementsprechend langwierig kann sich auch die Diagnostik dieser Erkrankung gestalten.
Diese erfordert nach den Empfehlungen der American Thoracic Society (2007) immer die
Zusammenschau aus Klinik, der Bildgebung und dem mikrobiologischen Nachweis eines
nicht-tuberkulösen Mykobakteriums. Hier müssen in mindestens 2 unabhängig voneinander
gewonnenen Sputumproben oder einer steril gewonnenen Probe (Bronchialsekret, BAL oder
Lungenbiopsie) nicht-tuberkulöse Mykobakterien nachgewiesen und kulturell gesichert
werden. Moderne PCR-Verfahren bzw. DNA-Sequenzierung erlauben, eine klinisch-radiologische
Verdachtsdiagnose mit relativ hoher Sensitivität frühzeitig zu verifizieren. Radiologisch
kann sich der pulmonale Befall einer nicht-tuberkulösen Mykobakteriose mit unterschiedlichen
Bildern präsentieren. Unterschieden wird eine vorwiegend fibrokavernöse von einer
nodulär-bronchiektatischen Form, wobei diese Bilder auch häufig von flächigen oder
kleinfleckigen Infiltraten, Bronchiektasien, Kavernen und vergrößerten Lymphknoten
begleitet sein können. Im Rahmen der Diagnosefindung müssen auch andere Erkrankungen,
in erster Linie eine Tuberkulose, ausgeschlossen werden.
Nicht jede neu diagnostizierte nicht-tuberkulöse Mykobakteriose wird auch bzw. muss
antibiotisch therapiert werden. Die Entscheidung zur Therapie hängt ab von der zugrunde
liegenden Erkrankung, der individuellen Klinik, der zu erwartenden therapeutischen
Adhärenz, den Komorbiditäten und dem radiologischen Befund.
Als Säulen der Therapie stehen hier Makrolide, Rifamycine sowie Ethambutol zur Verfügung,
die Therapie sollte zwischen 9 und 18 Monate erfolgen, und eine Dreifachkombination
wird meist empfohlen. Aufgrund der Vielfalt der nicht-tuberkulösen Mykobakterien und
der nicht obligaten Behandlung jedes Patienten richtet sich die Therapie jedoch nach
dem jeweils nachgewiesenen Erreger und – sofern untersucht – dessen Resistenzenlage
(v. a. für Clarithromycin und Azithromycin). Somit wird bei M. avium und M. xenopii
beispielsweise ein Makrolid plus Rifampicin plus Ethambutol über mindestens 9 –12
Monate empfohlen, während bei M. kansasii an Stelle des Makrolides ein Isoniazid in
der dreifachen Kombination empfohlen wird. Die Sputumkonversionsrate bei M. avium-Infektionen
liegt bei rund 50 – 70 %. Liegt bei einem Patienten zusätzlich eine HIV-Infektion
vor, richtet sich die antibiotische Therapie nach der CD4+-Zellzahl und dem Vorliegen
einer HAART-Therapie.