Intensivmedizin up2date 2016; 12(01): 2
DOI: 10.1055/s-0042-101333
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Neurochirurgische Intensivmedizin

Andreas Unterberg
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Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Andreas Unterberg
Neurochirurgische Klinik
Universitätsklinikum Heidelberg
Im Neuenheimer Feld 400
69120 Heidelberg

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Publication Date:
11 February 2016 (online)

 

    Für eine anspruchsvolle Neurochirurgie ist eine intensivmedizinische Betreuung zwingend notwendig. So hat z. B. Al-Mefty in seinem Atlas über Meningeomchirurgie bereits in die Essentials seines Buches den Satz geschrieben: „Postoperative (intensive) care is part of the operation and is equal to fine surgical technique.“

    Dieses Statement gilt auch 20 Jahre später. Benötigt man aber eine spezielle neurochirurgische Intensivmedizin, um komplexe kraniale und spinale Operationen durchzuführen und um lebensbedrohliche, operationsbedürftige Krankheitsbilder des Gehirns zu versorgen? Selbstverständlich! Eine berufspolitische Frage ist es, wer diesen speziellen Bedürfnissen neurochirurgischer Patienten in der Intensivmedizin am besten nachkommen kann. Sind es Anästhesiologen, die Intensivmedizin betreiben, Neurologen oder Neurochirurgen? Mittlerweile gibt es einige überzeugende klinisch-wissenschaftliche Analysen, die belegen, dass die Einrichtung spezieller Neuro-Intensiveinheiten sich auch qualitätsverbessernd im Hinblick auf das klinisch-neurologische Endergebnis der behandelten Patienten auswirkt.

    Die speziellen Bedürfnisse neurochirurgischer Patienten, die intensivmedizinischer Unterstützung bedürfen, und die Grundlagen neurochirurgischer Intensivmedizin werden durch den Übersichtsartikel von Beynon et al. klar und unmissverständlich dargestellt und in aller Kürze prägnant erläutert. Aus der Übersichtsarbeit wird klar, dass basierend auf einer allgemeinen Intensivtherapie der besondere Fokus des Neurochirurgen dem nicht geschädigten Nervengewebe gilt. Alle speziell neurochirurgisch-intensivmedizinischen Bemühungen sind darauf ausgerichtet, das intakte Gehirn und Rückenmark bestens zu schützen und optimale Bedingungen für die Erholung läsionierten Nervengewebes zu ermöglichen.

    Höchste Priorität hat die Überwachung des Gehirns, nach wie vor am besten möglich durch simple klinische Beobachtung. Der bewusstlose Patient bedarf allerdings eines weiteren invasiven Monitorings. Auch bei der Therapie gilt mehr denn je der Herstellung einer normalen Physiologie in jeglicher Hinsicht höchstes Augenmerk.

    Deswegen ist es so wichtig, Patienten möglichst rasch klinisch beurteilen zu können und möglichst ohne Sedierung und möglichst ohne „künstliches Koma“ zu behandeln. Letzteres sollte immer Ausdruck einer Notfallsituation sein, denn nach wie vor ist die Sedierung per se keine Neuroprotektion. Denn bedauerlicherweise existieren bis heute keine speziell neuroprotektiven Maßnahmen, weder pharmakologische noch physikalische. Und obwohl die Hypothermie in vielen experimentellen Studien bei unterschiedlichen neurochirurgischen Krankheitsbildern erfolgreich war, konnte sich bis heute klinisch weder beim schweren Schädel-Hirn-Trauma noch bei der Subarachnoidalblutung und auch nicht bei der lebensbedrohlichen zerebralen Ischämie ein überzeugender Erfolg nachweisen lassen.

    In Deutschland wird Neurochirurgische Intensivmedizin nur an wenigen großen Kliniken tatsächlich auch von Neurochirurgen betrieben und auch nur an wenigen weiteren Zentren durch „Neurointensivmediziner“. Umso mehr möchte ich den Artikel von Beynon et al. all denen ans Herz legen, die die Spezifika neurochirurgischer Intensivtherapie als Anästhesiologen, Chirurgen oder Internisten auf interdisziplinären Intensivstationen den betroffenen Patienten zuteil werden lassen.

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    Andreas Unterberg

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