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DOI: 10.1055/s-0042-101975
Die Ägyptischen Plagen
Egypts Plagues„Alles ist aus dem Wasser entsprungen! alles wird durch das Wasser erhalten!“ (Johann Wolfgang von Goethe, Faust II). „Das Prinzip aller Dinge ist das Wasser, denn Wasser ist alles und ins Wasser kehrt alles zurück“ (Thales von Milet). Leben kommt aus dem Wasser – und anscheinend auch die Risiken für den Menschen. Dabei kann die Bedrohung unterschiedliche Ausmaße haben – nicht nur den Tsunami.
Eine Käfer-Spezies soll nach dem Buch Exodus für eine der 10 Plagen Ägyptens verantwortlich gewesen sein. Die hämorrhagische Konjunktivitis am Auge hat zur Bezeichnung „Nairobi red eyes“ geführt. Verantwortlich ist Paederus, eine Gattung der Käfer aus der Familie der Kurzflügler, der etwa 1 cm misst und schwarz-rotbraun gefärbt ist. Sie kommen in Europa in 16 Arten vor und leben an sandigen Gewässerufern und auf feuchten Wiesen – also wieder Thema Wasser [1]. Synonyme sind die lineare Dermatitis oder Nairobi-Fliegen-Dermatitis [2]. Die Hautveränderungen stammen vom direkten Kontakt mit der Hämolymphe des Käfers; der Käfer sticht und beißt nicht, wird aber von Licht angezogen. Verantwortlich für die Blasenbildung ist Pederin, das vor allem die weiblichen Käfer herstellen. 12 – 36 Stunden nach Hautkontakt erst entsteht ein Erythem, dem dann die Blasenbildung folgt. Nach 3 Wochen ist die Läsion nach Krustenbildung abgeheilt. Histologische Studien haben gezeigt, dass Pederin zu einer akuten epidermalen Nekrose mit Blasenbildung führt mit Akanthose und Mitosefiguren in späteren Stadien, also ein Modell einer irritativen Dermatitis. Es wurde vermutet, dass Pederin die Akantholyse indirekt auslöst, evtl. über epidermale Proteasen [3].
Von März bis Mai sind in Indien die Monate mit der größten Inzidenz und dann erneut im November mit dem Festival des Lichtes (Deepawali) [4]. Weltweit legen die Fallsammlungen und Kasuistiken eine neue Zeit der Plagen nahe und Berichte stammen auch aus Italien und Südfrankreich [5] [6]. Häufige Fehldiagnosen waren Verbrennungen oder Herpes Zoster/simplex. Offensichtlich ist das klinische Bild gerade in der Augenumgebung für Nicht-Dermatologen nicht einfach von einem Kontaktekzem zu unterscheiden [6]. Es wird z. B. von einer 51-jährigen Patientin berichtet, die 4 rezidivierende Episoden periorbitaler Erytheme und Ödeme hatte. Später ließ sich der Zusammenhang mit einer Kenia-Reise herstellen. In einer Augenklinik in der Türkei wurden 13 Fälle einer Paederus-Dermatitis retrospektiv aufgearbeitet. Als mittleres Lebensalter fanden sich 31,5 Jahre. 31 % der Patienten waren weiblich. Subjektive Beschwerden waren Brennen und Tränenlaufen (85 %) und Juckreiz (15 %). Das klinische Bild zeigte erythematöse Plaques und Pusteln auf dem Augenlid (69 %), Erosionen und Blasen (7,7 %), schuppende Plaques und Krusten (15 %) und gerötete Plaques (7,7 %). Bei 85 % der Patienten fanden sich solche Läsionen auch an anderen Körperstellen. Immerhin 15 % der Patienten benötigten auch systemische Steroide wegen der starken Lidödeme [7]. Das positive an Pederin ist, dass es als starkes Zellgift möglicherweise eine Antitumorwirkung hat. Klinisch wichtig ist, den Käfer „wegzupusten“, nicht wegzuwischen, Waschen mit Seife nach Hautkontakt, Fliegengitter und Moskitonetze (vom Licht angelockt).
Viel erschreckender sind die aktuellen Berichte über Zika, eine virale Infektionserkrankung, die von Aedes aegypti- oder Aedes albopictus-Moskitos übertragen wird. Die tagaktiven Vektoren übertragen Viren der Familie der Flaviviridae, verwandt zur Dengue-, Gelbfieber, West-Nil-Viruserkrankung und der Japan-Enzephalitis. Geografisch betroffen ist der gesamte Äquatorgürtel: Afrika/Asien/Lateinamerika. Zika wütet zurzeit in Lateinamerika und hatte einen epidemischen Ausbruch letzten Sommer. Neben leichtem Fieber, Kopf- und Gelenkbeschwerden, Konjunktivitis und einem makulopapulösen Exanthem werden Fälle von Mikrozephalie bei den jetzt Neugeborenen und neurologische Erkrankungen bis hin zum Guillan-Barré-Syndrom beschrieben. Die Mikrozephalusfälle bei Neugeborenen weisen eine 11-fache Zunahme im Nordosten Brasiliens auf [8]. Der virale Erreger kann von der Mutter transplazentar auf das Kind übertragen werden. Ein erkrankter Entwicklungshelfer hatte bei ungeschütztem Verkehr seine Frau mit Zika angesteckt. Fälle in Italien sind bei Reiserückkehrern beschrieben. In Lateinamerika sind Moskitonetze und Repellentien ausverkauft, schwangere Frauen bleiben möglichst im Haus. Die Familien verlegen die Nachwuchsplanung auf das nächste Jahr: Kondome und der Absatz der Pille steigen an. Kleine Wasserpfützen reichen als Brutstätte für die Zika-Vektoren aus. Freiwillige Helfer trainieren die ländliche Bevölkerung, die Wasserauffangbecken des Regenwassers abzudecken. Der Kampf der Regierungen gegen die Infektion ist nicht leicht. Bei Drucklegung des Editorials hat die WHO den Gesundheitsnotstand ausgerufen.
Christiane Bayerl, Wiesbaden
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Literatur
- 1 Reitter E. Germanica – die Käfer des Deutschen Reiches. 5 Bände, Stuttgart: K. G. Link; 1908 – 1916. Berlin: Directmedia Publishing GmbH; 2006: Digitale Bibliothek, Band 134
- 2 Mbonite L. Acute haemorrhagic conjunctivits epidemics and outbreaks of Paederus spp. Keratokonjunctivitis (Nairobi red eyes) and dermatitis. S Afr Med J 2011; 101: 541-543
- 3 Borroni G, Brazelli V, Rosso R, Pavan M. Paederus fuscipes dermatitis. A histopathological study. Am J Dermatopathol 1991; 13: 467-474
- 4 Coondoo A, Nandy J. Paederus Dermatitis: an outbreak, increasing incidence or changing seasonal pattern?. Indian J Dermatol 2013; 58: 410
- 5 Drouet G, Glaizal M, Schmitt C et al. Paederus dermatitis: four cases in Provence, Southern France. Presse Med 2013; 42: 355-357
- 6 Veraldi S, Cuka E, Chiaratti A et al. Paederus fuscipes dermatitis: a report of nine cases observed in Italy and review of the literature. Eur J Dermatol 2013; 23: 387-391
- 7 Canan H, Altan-Yaycioglu R, Durdu M. Periocular Paederus dermatitis mimicking preseptal cellulitis. Can J Ophthalmol 2013; 48: 121-125
- 8 Carneiro LA, Travassos LH. Autophagy and viral diseases transmitted by Aedes aegypti and Aedes Albopictus. Mircobes Infect 2016; 1 Epub ahead of print
Korrespondenzadresse
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Literatur
- 1 Reitter E. Germanica – die Käfer des Deutschen Reiches. 5 Bände, Stuttgart: K. G. Link; 1908 – 1916. Berlin: Directmedia Publishing GmbH; 2006: Digitale Bibliothek, Band 134
- 2 Mbonite L. Acute haemorrhagic conjunctivits epidemics and outbreaks of Paederus spp. Keratokonjunctivitis (Nairobi red eyes) and dermatitis. S Afr Med J 2011; 101: 541-543
- 3 Borroni G, Brazelli V, Rosso R, Pavan M. Paederus fuscipes dermatitis. A histopathological study. Am J Dermatopathol 1991; 13: 467-474
- 4 Coondoo A, Nandy J. Paederus Dermatitis: an outbreak, increasing incidence or changing seasonal pattern?. Indian J Dermatol 2013; 58: 410
- 5 Drouet G, Glaizal M, Schmitt C et al. Paederus dermatitis: four cases in Provence, Southern France. Presse Med 2013; 42: 355-357
- 6 Veraldi S, Cuka E, Chiaratti A et al. Paederus fuscipes dermatitis: a report of nine cases observed in Italy and review of the literature. Eur J Dermatol 2013; 23: 387-391
- 7 Canan H, Altan-Yaycioglu R, Durdu M. Periocular Paederus dermatitis mimicking preseptal cellulitis. Can J Ophthalmol 2013; 48: 121-125
- 8 Carneiro LA, Travassos LH. Autophagy and viral diseases transmitted by Aedes aegypti and Aedes Albopictus. Mircobes Infect 2016; 1 Epub ahead of print

