Unter dem Begriff des Cauda-equina-Syndroms werden zahlreiche unterschiedliche Krankheiten zusammengefasst,
die die sogenannte Cauda equina beeinträchtigen. Andere verwendete Bezeichnungen sind lumbosakrale Stenose
oder Lumbosakralsyndrom. Es handelt sich um eine relativ häufige Erkrankung großer Hunde, deren Diagnose
aber oftmals schwierig sein kann. Die Krankheit ist als neurologisches Problem definiert, äußert sich
klinisch aber oftmals eher orthopädisch.
Relevante Anatomie
Zum Verständnis der klinischen und neurologischen Symptome ist eine Kenntnis der Anatomie der lumbosakralen
Region notwendig.
Infolge des unterschiedlichen Längenwachstums im Zuge der Embryonalentwicklung endet das Rückenmark im
Wirbelkanal vor dem Ende der Wirbelsäule [[5]]. Dies ist besonders bei großen
Hunden ausgeprägt. Das Ende des Rückenmarks, der Conus medullaris, ist in der Regel in Höhe der kaudalen
Hälfte des 6. Lendenwirbels bzw. der kranialen Hälfte des 7. Lendenwirbels gelegen [[8]]. Bei kleineren Hunden oder Katzen ist er weiter in Richtung des Endes des 7. Lendenwirbels
gelegen. Der Durasack endet weiter kaudal und reicht bei vielen Hunden bis in das Os sacrum. Es gibt hier
aber zahlreiche Variationen [[17]].
Die Cauda equina entspringt aus dem Conus medullaris und besteht aus den paarigen
Spinalnervenwurzeln bzw. Spinalnerven der Rückenmarkssegmente L6, L7, S1 – S3 und Cd1 – Cd5. Die Dorsal-
und Ventralwurzeln sowie die Spinalnerven liegen innerhalb des Wirbelkanals, laufen über eine Strecke
parallel und verlassen den Wirbelkanal durch die Neuroforaminae [[6]]. Sie
erinnern daher an den Schweif eines Pferdes (= Cauda equina).
Das Rückenmark gehört wie das Gehirn zum zentralen Nervensystem, während die Spinalnervenwurzeln,
Spinalnerven, neuromuskuläre Endplatte und Muskulatur aus funktionell neurologischer Sicht zum peripheren
Nervensystem gezählt werden [[30]]. Es sind also im Bereich der kaudalen
lumbalen bzw. lumbosakralen Wirbelsäule auch Anteile des peripheren Nervensystems gelegen, was wichtig für
das Verständnis der klinischen Befunde ist. Im Gegensatz zu anderen Regionen der Wirbelsäule sind die
zugehörigen Rückenmarkssegmente nicht auf gleicher Höhe mit den gleichnamigen Wirbelkörpern. So liegen
beispielsweise die Rückenmarkssegmente S1 – S3 oftmals in Höhe des 6. oder 7. Lendenwirbelkörpers [[8]].
Im Bereich der lumbosakralen Region der Wirbelsäule werden die Nerven der Cauda equina von folgenden
Strukturen umgeben: ventral vom Lig. longitudinale dorsale, dem dorsalen Anulus fibrosus des
Intervertebralspalts von L7 – S1 und den entsprechenden Wirbelendplatten bzw. -körpern; lateral von
den Pedikeln der Wirbelkörper von L7 bzw. S1 mit den Facettengelenken mit synovialen Strukturen und den
Neuroforaminae; dorsal vom Lig. interarcuale (Lig. flavum) und den Laminae der Wirbel L7 und S1.
Stabilisiert wird die lumbosakrale Region weiterhin durch das Lig. interspinosus, das Lig. longitudinale
ventrale, die umliegenden Faszien und die Muskulatur [[6]].
Ursachen
Die häufigste Ursache des Cauda-equina-Syndroms beim Hund ist eine degenerative lumbosakrale Stenose
(DLSS), auf die in diesem Artikel detaillierter eingegangen werden soll.
Weiterhin kommen in Betracht:
-
kongenitale lumbosakrale Stenosen
-
Malformation der Processus articulares der Wirbel L7 bzw. S1
-
Osteochondrosis dissecans (OCD) der kranialen Endplatte des Os sacrum
-
akute Bandscheibenvorfälle (Hansen-Typ-I-Diskusprolaps)
-
Diskospondylitis
-
traumatische Frakturen, Luxationen oder Subluxationen der Wirbel L7 und/oder des Os sacrum
-
extradurale Zysten
-
primäre oder sekundäre Neoplasien (selten)
-
Tethered cord syndrome (selten)
-
Neuritis (selten)
-
spinales Empyem (selten)
DLSS
Bei der DLSS handelt es sich um eine multifaktorielle Erkrankung, die durch unterschiedliche Kombination
einer
-
chronischen Diskushernie (Hansen-Typ-II-Diskushernie) bei L7 – S1,
-
Hypertrophie von Weichteilstrukturen (Ligamente und synoviale Strukturen),
-
Osteophytose der artikulären Facettengelenke,
-
lumbosakralen Spondylose und
-
lumbosakralen Instabilität charakterisiert ist [[7]].
Weiterhin kommt kongenitalen Veränderungen, insbesondere Übergangswirbeln, eine Bedeutung zu
[[9]].
Pathogenese
Die Lumbosakralregion weist eine vermehrte Beweglichkeit im Vergleich zu anderen Bereichen der Wirbelsäule
auf. Dies ist besonders in Bezug auf die Flexion-Extension, aber auch Torsion oder Biegung ausgeprägt [[2], [12]]. Diese vermehrte Beweglichkeit
prädisponiert die Hunde für eine Degeneration der Bandscheibe bei L7 – S1. Hierdurch kann die
auftretende Belastung nicht mehr ausreichend kompensiert werden, was zu einer vermehrten Proliferation der
knöchernen Strukturen und umgebenden Weichteilstrukturen führt. Es kommt zu einer Ausbildung von Osteophyten
und ventraler bzw. lateraler Spondylose sowie einer Hypertrophie des Lig. interarcuale und Verdickung der
Gelenkkapseln der Facettengelenke. Die degenerierte Bandscheibe wölbt sich zunehmend in den Wirbelkanal vor
[[22]].
Das Resultat dieser Veränderungen ist eine Stenose des lumbosakralen Wirbelkanals und evtl. auch eine
Einengung der Neuroforaminae (▶
Abb.
[
1
]).
Weiterhin ist eine zellvermittelte Entzündung vorhanden, die einen Schmerzreiz induziert.
Klinische Symptome entstehen entweder durch eine direkte Kompression der Cauda equina, das Impingement
(Einklemmung) der Spinalnervenwurzeln und Spinalnerven bei Durchtritt durch das Neuroforamen oder eine
Kombination daraus [[10]]. Weiterhin kann auch eine Beeinträchtigung des
regionalen Blutflusses eine Rolle spielen [[22]].
Abb. 1 Kernspintomografie der lumbosakralen Wirbelsäule in sagittaler T2-Wichtung. a
Normalbefund: Der normal hydrierte Nucleus pulposus (*) stellt sich hyperintens dar. Der Anulus fibrosus
ist ein dünner hypointenser Saum in normaler Position. Das Lig. interarcuale (Pfeilspitze) ist als feine
Linie darstellbar. Das epidurale Fettgewebe stellt sich hyperintens im Gegensatz zu den leicht
hypointensen Spinalnerven dar. Der Durchmesser des Spinalkanals ist regulär. b Diskusdegeneration:
Das Signal des Nucleus pulposus (*) ist hypointens. Andere Veränderungen liegen nicht vor. c
Lumbosakrale Stenose: Die degenerierte Bandscheibe (*) wölbt sich in den Wirbelkanal vor (Pfeil). Das
Lig. interarcuale ist hypertrophiert (Pfeilspitze) und trägt zusätzlich zu einer Stenose des Wirbelkanals
bei. Die Spinalnerven der Cauda equina sind deutlich komprimiert. (© Konrad Jurina)
Vorkommen
Die DLSS tritt vor allem bei adulten Hunden großer Rassen auf. Das Durchschnittsalter bei
Vorstellung liegt bei 7 Jahren. Männliche Tiere sind häufiger betroffen. Es besteht eine
Prädisposition für den Deutschen Schäferhund [[4], [5], [21], [22]].
Weder die Heretabilität noch der Vererbungsmodus konnten bisher definiert werden. Es ist am ehesten von
einer komplexen multifaktoriellen Pathogenese mit einer polygenen Ursache und dem Einfluss von
Umweltfaktoren auszugehen. Neben den genannten Ursachen trägt beim Deutschen Schäferhund das vermehrte
Vorkommen von Übergangswirbeln [[9], [26]],
eine unterschiedliche Angulierung der Facettengelenke und ein kleinerer Durchmesser des Wirbelkanals im
Bereich des Os sacrum im Vergleich mit anderen großen Hunderassen [[24]] zur
Häufung eines Cauda-equina-Syndroms bei.
Eine DLSS ist mittlerweile auch bei Katzen beschrieben [[3]].
Klinik
Die Mehrzahl der Hunde mit einem Cauda-equina-Syndrom wird wegen Schmerzen oder Lahmheit einer
Hintergliedmaße vorgestellt. Nur selten sind neurologische Ausfälle vorhanden.
Die Besitzer berichten in der Regel von einer reduzierten Aktivität, Problemen beim Aufstehen bzw.
Hinsetzen, beim Treppensteigen oder Springen ins Auto. Teilweise zeigen die Hunde dabei Schmerzäußerungen
oder sie ziehen eine Hintergliedmaße an. Es kann eine Kyphose mit unter dem Rumpf gestellten Hinterbeinen
vorliegen. Die Hunde laufen mit trippelnden Schritten. Oftmals verstärken sich die Symptome unter der
Bewegung. Dies ist in einem vermehrten Blutfluss in der lumbosakralen Region begründet, der zu einer
verstärkten Kompression der Cauda equina führt.
Bei Beeinträchtigung der Neuroforaminae bzw. der Spinalnervenwurzeln kann auch isoliert eine bis zu
hochgradige Lahmheit eines Hinterbeins vorliegen, die evtl. nach Belastung stärker ist. Die Gliedmaße wird
im Stehen in starker Flexion entlastet. Man spricht von einem Wurzelirritationssyndrom (Root
signature), das durch einen ausstrahlenden Schmerz im Bereich des N. ischiadicus bedingt ist (▶ Abb.
[
2
]). Mitunter ist ein Zittern der Muskulatur beim
Hinsetzen vorhanden.
Abb. 2 Mischling, männlich-kastriert, 9 Jahre: Wurzelirritationssyndrom mit hochgradiger Lahmheit
der linken Hintergliedmaße und Schmerzen beim Springen wegen einer neuroforaminalen Stenose bei L7 – S1. (© Konrad Jurina)
Die Rute wird vermehrt nach unten gehalten und nicht mehr komplett nach oben geführt.
Weiterhin ist eine Schmerzhaftigkeit im lumbosakralen Bereich, selten auch eine Automutilation dieser
Region vorhanden.
Bei Hunden, die im Hundesport oder als Diensthunde eingesetzt werden, treten die Symptome während der
erhöhten Anforderung im Training oder der Ausbildung auf. Die Leistungsbereitschaft lässt nach. Aus
Erfahrung des Autors haben die Tiere oftmals schon umfangreiche orthopädische Abklärungen hinter sich, die
keine Ursache identifizieren konnten.
Neurologische Defizite sind selten und meist erst bei fortgeschrittener Erkrankung vorhanden. Dies
liegt in erster Linie daran, dass Nerven generell, also auch die der Cauda equina, resistenter gegenüber
einer Stenose des Wirbelkanals sind, als beispielsweise das Rückenmark selbst. Es liegen daher bei
deutlichen neurologischen Defiziten oftmals andere oder zusätzliche Läsionen vor. Vor allem eine
Diskushernie oder ein Diskusprolaps an anderer Lokalisation, eine degenerative Myelopathie oder Neoplasie an
anderer Lokalisation sollten ausgeschlossen werden.
Die neurologischen Defizite sind in erster Linie von den beteiligten Nervenwurzeln bzw. Spinalnerven und
deren Funktion abhängig (▶
Tab.
[
1
]).
Tab. 1
Funktion der peripheren Nerven der Cauda equina und neurologische Befunde bei Hunden mit DLSS
(modifiziert nach [[22]]).
Nerv
|
Ursprung im Rückenmarksegment
|
Reflex
|
normale Funktion
|
neurologische Befunde bei DLSS
|
N. femoralis
|
L4 – L6
|
Patellarreflex
|
Beugung Hüftgelenk, Streckung Kniegelenk
|
normaler Patellarreflex oder Pseudo-hyperreflexie
|
N. ischiadicus
|
L6 – S1
|
Flexorreflex, Tibialis-cranialis-Reflex, Gastrocnemius-Reflex
|
Streckung Hüftgelenk, Beugung Kniegelenk, Beugung und Streckung Tarsalgelenk, Propriozeption
|
normale oder verminderte Reflexe, normale oder verminderte Propriozeption, Muskelatrophie
und/oder verminderter Tonus (vor allem lange Sitzbeinmuskulatur)
|
N. pelvinus und Nn. sacrales
|
S1 – S3
|
|
Harnblasenfunktion
|
kein Befund oder Urininkontinenz
|
N. pudendus
|
S1 – S3
|
Perinealreflex
|
Anal- und Blasensphinkter
|
kein Befund oder verminderter Perinealreflex, kein Befund oder Urin- und Kotinkontinenz
|
Nn. caudales
|
Cd1 – Cd5
|
|
Tonus Rute
|
normal oder Hypotonie
|
Es liegen Veränderungen in der motorischen oder sensorischen Funktion der Hintergliedmaßen, der Rute oder
der Perinealregion vor, die auch asymmetrisch ausfallen können. Diese äußern sich als milde
Propriozeptionsstörungen, Zehenschleifen, Paresen der Gliedmaßen, verminderte Beugung des Tarsalgelenks und
verminderter Rutentonus. Eine Urin- und/oder Kotinkontinenz kann in seltenen Fällen auftreten.
Diese klinischen Zeichen können alleine oder in den unterschiedlichsten Kombinationen vorkommen. Eine
Paraplegie, d. h. ein kompletter Verlust der willkürlichen Motorik der Hintergliedmaßen ist bei einer DLSS
nicht vorhanden.
Klinische Untersuchung
Die klinische Untersuchung sollte eine Allgemeinuntersuchung zum Ausschluss anderer Krankheiten sowie eine
komplette neurologische und orthopädische Untersuchung beinhalten.
Dies ist insbesondere wichtig, da im Falle einer Lahmheit die klinischen Symptome oftmals nicht sicher einer
Erkrankung des Bewegungsapparats oder des Nervensystems zugeordnet werden können. Weiterhin sind bei Hunden
mit einem Cauda-equina-Syndrom auch zahlreiche orthopädische Erkrankungen, wie z. B. eine
Hüftgelenksdysplasie oder eine Kniegelenkspathologie als Komorbidität möglich. Diese sollten im Rahmen der
Untersuchung ausgeschlossen werden.
Druckpalpationstests
Im Vordergrund der klinischen Befunde steht eine Dolenz, die durch Druckpalpation der
Lumbosakralregion provoziert wird. Die Testauswahl ist abhängig von der Kooperationsbereitschaft des
Hundes und der Vorliebe des Untersuchers. In der Regel reicht die Provokation der Dolenz eines Tests aus,
um klinisch den Verdacht auf ein Cauda-equina-Syndrom zu äußern.
Folgende Tests können durchgeführt werden:
-
Dorsaler Druck im Bereich des Lig. interarcuale von L7 – S1 bei gleichzeitiger Hyperextension der
lumbalen Wirbelsäule (Lordose-Test). Es sollte darauf geachtet werden, die Hüftgelenke nicht
übermäßig zu strecken, um eine dort lokalisierte Schmerzursache auszuschließen (▶
Abb.
[
3a
]).
-
Hyperextension der Rute mit oder ohne zusätzlichen lumbosakralen Druck.
-
Hyperextension einer einzelnen Hintergliedmaße und bei gleichzeitigem lumbosakralem Druck
(▶
Abb.
[
3b
]). Hierdurch kann eine
Lateralisation der Schmerzen bestätigt werden. In vielen Fällen führt dies zu einer verstärkten
Lahmheit bzw. vermehrten Entlastung direkt nach der Untersuchung [[10]]. Der Besitzer sollte im Vorfeld der Untersuchungen hierüber informiert werden.
-
Seitlicher paravertebraler Druck unmittelbar kranial des Os ilium in der Vertiefung der
paravertebralen Muskulatur (▶
Abb.
[
3c
]). Der
Autor favorisiert bei Verdacht auf ein Wurzelirritationssyndrom diesen Test gegenüber den anderen
angeführten. Hier liegt ein Dermatom der Dorsalwurzel des L7 vor, wodurch bei betroffenen Tieren
oftmals eine hochgradige Schmerzreaktion hervorgerufen wird.
-
Druckpalpation im weiteren Verlauf des N. ischiadicus im Bereich der kaudalen
Oberschenkelmuskulatur zwischen den Mm. semitendinosus/semimembranosus und dem M. biceps femoris
(▶
Abb.
[3d]) [[7]].
-
Rektale Palpation des Verlaufs des N. ischiadicus und der ventralen Umgebung der Bandscheibe von L7
– S1. Neben einer Dolenz können Raumforderungen in der Beckenhöhle oder Prostataveränderungen
erfasst werden.
Abb. 3 Methoden der Druckpalpation zur Evaluation einer lumbosakralen Dolenz. a
Lordose-Test: Dorsaler Druck im Bereich des Lig. interarcuale von L7 – S1 bei gleichzeitiger
Hyperextension der lumbalen Wirbelsäule. b Hyperextension einer einzelnen Hintergliedmaße und
bei gleichzeitigem lumbosakralem Druck. c Seitlicher paravertebraler Druck unmittelbar kranial
des Os ilium in der Vertiefung der paravertebralen Muskulatur. d Druckpalpation des N.
ischiadicus im Verlauf der kaudalen Oberschenkelmuskulatur. (© Konrad Jurina)
Es sollte eine beidseits vergleichende Palpation der Oberschenkelmuskulatur vorgenommen werden. Hierbei
können oft eine Muskelatrophie und ein verminderter Tonus der langen Sitzbeinmuskulatur bemerkt werden
[[10]].
Neurologische Defizite sind in der Regel Läsionen vom Typ eines unteren motorischen Neurons der
Hintergliedmaßen (▶
s. Kasten). Die spinalen Reflexe, insbesondere der Flexorreflex, können
reduziert sein. Beim Flexorreflex wird oftmals insbesondere die Beugung im Tarsalgelenk nur unvollständig
vorgenommen. Meist ist die Beugung im Knie- und Hüftgelenk normal. Im Gegensatz dazu kann der
Patellarreflex selten auch erhöht sein. Es handelt sich um eine Pseudo-Hyperreflexie, die durch den
erhöhten Tonus der Kniegelenksstrecker (durch den N. femoralis innerviert) und den verminderten Tonus der
Gliedmaßenbeuger (durch den N. ischiadicus innerviert) bedingt ist.
Der Anal- und Perinealreflex kann vermindert sein. Bei der rektalen Untersuchung fällt dann zumeist auch
ein verminderter Analtonus auf. In Fällen einer Kot- und/oder Urininkontinenz kann der Perineal- und
Inguinalbereich entzündet sein.
Oberes und unteres motorisches Neuron
Mit den Begriffen „oberes motorisches Neuron“ (OMN) und „unteres motorisches Neuron“ (UMN) werden
funktionell die Anteile des Nervensystems charakterisiert, die für die Motorik verantwortlich sind.
Das OMN reguliert das UMN.
Das OMN besteht neuroanatomisch aus den motorischen Kernen im Gehirn sowie den Leitungsbahnen im
Rückenmark. Das UMN stellt den efferenten Anteil des spinalen Reflexbogens dar und besteht somit aus
den α-Motoneuronen in der Ventralwurzel des Rückenmarks, den Spinalnervenwurzeln, Spinalnerven und der
neuromuskulären Endplatte.
Klinisch bedeutsam ist die Unterscheidung für die Untersuchung der spinalen Reflexe:
-
Bei einer Läsion des UMN ist der Reflexbogen beeinträchtigt. Die spinalen Reflexe
sind daher vermindert oder abwesend.
-
Bei einer Läsion des OMN ist der Reflexbogen nicht verändert. Die spinalen
Reflexe
sind daher normal, evtl. sogar gesteigert.
Diagnostik
Eine Verdachtsdiagnose wird anhand des Vorberichts und der klinischen Untersuchung gestellt. Um den Verdacht
zu bestätigen, sind bildgebende Verfahren notwendig.
Mittlerweile ist dabei die Kernspintomografie (MRT = Magnetresonanztomografie), u. U. auch die
Computertomografie (CT) die Methode der Wahl.
Die früher verwendeten röntgenologischen Techniken wie Myelografie, Diskografie und Epidurografie wurden
durch die Weiterentwicklung der Schnittbildtechnik und die mittlerweile breite Anwendung in der Tiermedizin
ersetzt.
Nativröntgen
Nativröntgenaufnahmen können für eine erste Übersicht und zum Ausschluss von
Differenzialdiagnosen wie z. B. osteolytischen Neoplasien, Traumata oder einer fortgeschrittenen
Diskospondylitis eingesetzt werden. Die Aufnahmen sollten vorzugsweise in Narkose/Sedation erfolgen, um
gut gelagerte, überlagerungsfreie Bilder des lumbosakralen Übergangs in l/l- und v/d-Projektion zu
erhalten.
Ein weiterer Vorteil der Röntgenaufnahmen liegt in der Möglichkeit, Aufnahmen in Extension und Flexion
der Wirbelsäule anzufertigen. Hierbei kann eine mögliche lumbosakrale Instabilität mit Wirbelgleiten
erkannt werden [[18]].
Hinweise für eine DLSS auf Nativröntgenaufnahmen können sein:
-
eine Reduktion bzw. ein Kollaps des Intervertebralspalts von L7 – S1
-
eine Sklerose der Wirbelendplatten
-
die Ausbildung ventraler und/oder lateraler Spondylosen
-
eine ventrale Subluxation des Os sacrum in Relation zum Wirbelkörper von L7
-
eine Verlängerung der dorsalen Lamina des Os sacrum unter die kaudale Begrenzung von L7
(▶
Abb.
[
4
])
Abb. 4 DSH, männlich, 7 Jahre; Röntgenaufnahme in laterolateraler Projektion. Der Hund zeigte
Schmerzen im Hundesport. Es sind als Zeichen einer DLSS eine Verengung des Intervertebralspalts, eine
ventrale Spondylose (Pfeil) sowie eine Sklerosierung der Wirbelendplatten von L7 bzw. S1 (*) sichtbar.
Das kraniale Dach des Os sacrum reicht „teleskopartig“ unter die kaudale Lamina des L7. (© Konrad Jurina)
Weiterhin können eine OCD-Läsion am kraniodorsalen Rand des Os sacrum [[11]], eine Gasansammlung im Intervertebralspalt (Vakuumphänomen) sowie Übergangswirbel und
knöcherne Malformationen identifiziert werden [[28]].
Bei den Röntgenbildern schließt ein unauffälliger Befund eine lumbosakrale Problematik nicht aus. Ebenso
sind aber auch hochgradige degenerative Veränderungen, die röntgenologisch sichtbar sind, nicht beweisend
für eine DLSS [[25]].
CT und MRT
Der Vorteil der beiden Schnittbildverfahren besteht in der überlagerungsfreien Darstellung der relevanten
Strukturen des lumbosakralen Übergangs. Im Gegensatz zur CT kann die MRT besser die
Weichteilveränderungen darstellen. Beide Methoden haben das Verständnis der pathologischen Veränderungen
und vor allem die chirurgischen Therapieoptionen revolutioniert.
Es können vor allem in transversaler Schnittrichtung Querschnitte angefertigt werden, wodurch der Verlauf
der Spinalnervenwurzeln und speziell die Neuroforaminae beurteilt werden können. Wichtig sind dabei
geeignete Parameter der verwendeten Protokolle. Insbesondere die Schnittdicke der einzelnen Schichten
sollte unterhalb von 1 mm liegen.
Eine Fragestellung, deren Bedeutung noch nicht abschließend geklärt ist, betrifft eine mögliche
lumbosakrale Instabilität. Mittels der Schnittbildgebung können ebenfalls dynamische Untersuchungen in
Flexion und Extension vorgenommen werden und somit ein Wirbelgleiten oder eine positionsabhängige
Verstärkung der Befunde identifiziert werden.
CT
Die Befunde der CT sind analog zum Röntgen. Zusätzlich können aber eine Diskushernie, eine Hypertrophie
des Lig. interarcuale, eine Verdickung der Gelenkkapsel und eine foraminale Stenose erkannt werden.
Kalzifizierungen und ein Vakuumphänomen können sicher identifiziert werden. Eine OCD-Läsion ist mitunter
eindeutiger zu identifizieren.
MRT
Die MRT bietet detaillierte Informationen zur Degeneration der Bandscheibe, zum Duraschlauch und vor
allem in Bezug auf die foraminale Stenose und deren Auswirkungen auf die Spinalnervenwurzeln. Infolge des
chronischen Druckes kommt es zu einer kompensatorischen Querschnittsvergrößerung (▶
Abb.
[
5
]), vor allem der dorsalen Spinalnervenwurzel mit
Einlagerung von „Polsterkissen“, sogenannten Renaut-Körperchen. Dies kann in der MRT-Bildgebung als eine
deutliche Signaländerung dargestellt werden [[19]].
Abb. 5 DSH, männlich, 5 Jahre; hochgradige Lahmheit der linken Hintergliedmaße.
Kernspintomografie in 3D-Gradientenwichtung (3DHYCE) in transversaler Schnittrichtung. a Es ist
eine deutliche Verdickung (Pfeilspitze) der dorsalen und ventralen Spinalnervenwurzeln von L7 im
kranialen Bereich des Neuroforamens bzw. b eine hochgradige Stenosierung der Austrittszone im
weiter kaudalen Verlauf des Neuroforamens durch leicht hyperintenses Material (*) nachweisbar. Das
rechte Neuroforamen (Pfeilspitze) stellt sich unauffällig dar. (© Konrad Jurina)
Auch die Beurteilung des Neuroforamens, vor allem die Lokalisation einer Stenose, kann sicher
identifiziert werden. Eine Vielzahl von Patienten mit einer DLSS, bei denen die Lahmheit einer
Hintergliedmaße das vorherrschende klinische Bild ist, hat eine Stenose der Austrittszone des
Neuroforamens durch bindegewebige Zubildungen [[10]]. In einigen Fällen
kann diese auch bilateral vorhanden sein. Mittels der MRT kann daher eine eventuelle Operation
detaillierter geplant werden.
Zu beachten ist bei der Bildgebung, dass auch andere Läsionen im Bereich der Wirbelsäule an anderer
Lokalisation vorliegen können. Gerade bei Patienten mit neurologischen Ausfällen ist es daher wichtig,
die gesamte Wirbelsäule zu untersuchen, um nicht weitere Pathologien zu übersehen.
Bedeutung der Befunde
Insgesamt besteht eine hohe Korrelation zwischen den Befunden der CT und MRT, aber eine geringe im
Hinblick auf die Bildgebung und den intraoperativen Befund [[16], [29]]. Dies mag teilweise durch eine unterschiedliche Lagerung der Hunde erklärt
sein.
Ein Problem der bildgebenden Verfahren ist daher nach wie vor, dass es nicht möglich ist, eine genaue
Abgrenzung zwischen Veränderungen, die für das klinische Bild verantwortlich sind, und solchen, die einen
Zufallsbefund darstellen, zu treffen. Weiterhin gibt es keine Korrelation zwischen der Schwere der
Befunde der bildgebenden Diagnostik und der klinischen Symptomatik [[1], [15], [20]]. Möglicherweise
können unterstützende Verfahren wie eine Elektrodiagnostik oder eine genauere Bewegungsanalyse mittels
„Force plate“ zukünftig dieses Dilemma lösen [[21], [27]].
Differenzialdiagnosen
Mögliche Differenzialdiagnosen sind in ▶
Tab.
[
2
]
dargestellt. Die meisten, gerade orthopädische Beschwerden, können durch eine sorgfältige klinische
Untersuchung ausgeschlossen werden. Zu beachten ist allerdings, dass ältere Hunde andere degenerative
Erkrankungen zusätzlich zu lumbosakralen Veränderungen aufweisen können.
Tab. 2
Differenzialdiagnosen zum Cauda-equina-Syndrom des Hundes.
Symptome
|
Differenzialdiagnose
|
Schmerzen
|
Hüftgelenksdysplasie
partielle oder komplette Kreuzbandruptur
Grazilis- und Semitendinosus-Kontraktur
primäre oder sekundäre Neoplasie
Trauma
Meningitis/Meningomyelitis
Diskospondylitis
Prostatitis
Diskopathie kaudale Lendenwirbelsäule oder Schwanzwirbel
extramedulläre spinale Zysten
kongenitale Malformationen der Wirbel
kongenitale Malformationen der Cauda equina („Tethered cord syndrome“,
Meningozele/Meningomyelozele)
Dermoidsinus
|
neurologische Defizite
|
degenerative Myelopathie
thorakolumbale Diskopathie
primäre oder sekundäre Neoplasie
Meningitis/Meningomyelitis
schwere Diskospondylitis
Trauma
kongenitale Malformationen der Wirbel
kongenitale Malformationen der Cauda equina („Tethered cord syndrome“,
Meningozele/Meningomyelozele)
Faserknorpelembolie
Polyneuropathie
arterielle Thrombembolie
|
Therapie
Wie bei den meisten bandscheiben-assoziierten Erkrankungen kann eine konservative/medikamentelle oder eine
chirurgische Therapie vorgenommen werden. Die Entscheidung richtet sich in der Regel nach dem Schweregrad
der klinischen Befunde, etwaigen Begleiterkrankungen, dem Alter, aber auch der Nutzung des Hundes, den
Möglichkeiten des Besitzers und weiteren Faktoren.
Konservative/medikamentelle Therapie
In vielen Fällen wird, auch ohne bildgebende Diagnostik, zuerst eine medikamentelle Therapie vorgenommen.
Dies gilt besonders für Patienten mit lumbosakralen Schmerzen.
Auch wenn durch eine symptomatische Therapie die Grundursache der Dolenz nicht beseitigt wird, ja meist
eine definitive Diagnose nicht feststeht, ist die Gefahr einer irreversiblen Schädigung der Nerven der
Cauda equina in der Regel nicht vorhanden. Der Autor beginnt in den meisten Fällen mit einer
medikamentellen Therapie, deren Erfolg aber engmaschig kontrolliert werden muss, um eine Rezidivierung
oder Verschlechterung frühzeitig zu erkennen.
Ein integraler Therapieansatz besteht in einer Ruhighaltung über einige Wochen mit Leinenzwang,
Vermeidung aller Belastungen, die besonders die lumbosakrale Region betreffen (z. B. Hundesport,
extensives Spielen mit anderen Hunden, Treppensteigen, Springen ins Auto, ausgedehnte Wanderungen in den
Bergen) sowie einer Gewichtsreduktion bei übergewichtigen Patienten.
Eine unterstützende physiotherapeutische Behandlung wird unbedingt empfohlen. Hierbei können entspannende
Massagen, Lockerungsübungen und weitere Verfahren je nach Indikation angewandt werden.
Medikamente
Medikamentell kommen Schmerzmedikamente zum Einsatz. Neben der Verabreichung eines nichtsteroidalen
Antiphlogistikums (NSAID) sollte vor allem der neuropathische Schmerz adressiert werden. Hierfür wird
Gabapentin oder Pregabalin eingesetzt, wobei humanmedizinische Präparate umgewidmet werden müssen.
Weiterhin treten schmerzhafte Verspannungen der paravertebralen Muskulatur auf, die mit einem
Muskelrelaxans behandelt werden.
Die systemische Gabe eines Kortikoids ist umstritten und sollte wegen potenzieller Nebenwirkungen eher
vermieden werden. Während beim Menschen die epidurale oder paravertebrale Kortisoninjektion sehr
verbreitet ist, gibt es hierzu nur eine neuere Publikation bei Hunden mit DLSS. Es wurde eine wiederholte
epidurale Verabreichung von Methylprednisolonazetat als erfolgreiche Schmerzbehandlung beschrieben [[13]]. Eine paravertebrale Depot-Kortisoninjektion unter
Durchleuchtungskontrolle an die Austrittszone des Neuroforamens wird ebenfalls angewandt.
Die vom Autor favorisierte medikamentelle Therapie stellt ▶
Tab.
[
3
] dar.
Tab. 3
Wirkstoffe und Dosierung zur medikamentellen Therapie lumbosakraler Schmerzen.
Komponenten
|
Wirkstoff
|
Dosis (mg/kg KM)
|
Wirkdauer
|
Verabreichung
|
NSAID
|
Carprofen
|
4
|
24 h
|
p.o., s.c., i.v.
|
|
Cimicoxib
|
2
|
24 h
|
p.o.
|
|
Firocoxib
|
5
|
12–24 h
|
p.o.
|
|
Meloxicam
|
0,2 am 1. Tag, dann 0,1 ab 2. Tag
|
24 h
|
p.o., s.c., i.m.
|
|
Robenacoxib
|
1–2
|
24 h
|
p.o., s.c.
|
|
Tepoxalin
|
10
|
24 h
|
p.o.
|
|
Metamizol
|
20(–50)
|
6–8 h
|
p.o., s.c.
|
NSAID + Prednisolon*
|
Phenylbutazon 50 mg + Prednisolon 1,5 mg*
|
1 Tbl. pro 15 kg KM
|
12 h
|
p.o.
|
Muskelrelaxans
|
Metocarbamol**
|
25–30
|
8 h
|
p.o.
|
neuropathischer Schmerz
|
Gabapentin**
|
7–10
|
8 h
|
p.o.
|
|
Pregabalin**
|
2(–4)
|
12 h
|
p.o.
|
* = als 2. Option, wenn NSAID nicht ausreichend wirksam sind, ** = Umwidmung aus
Humanmedizin
|
Alternative Verfahren
Als komplementäre Maßnahme kann auch eine Schmerzbehandlung mittels Akupunktur versucht werden.
Therapieerfolg
Die konservative/medikamentelle Therapie kann die Grundursache der DLSS nicht beseitigen. In einzelnen
Fällen kann aber eine ausreichende Schmerzunterdrückung gelingen, um eine normale Bewegung der Hunde zu
erzielen. Eine aktuelle Publikation weist einen Therapieerfolg bei konservativer Behandlung bei 55 % der
untersuchten Fälle nach [[4]]. Je stärker die neurologischen Ausfälle
waren, umso geringer war der Therapieerfolg. Dies traf besonders für Tiere mit Kot- und
Urininkontinenz zu, bei denen es praktisch zu keiner Besserung kam. Bei vielen Fällen, die konservativ
behandelt wurden, besteht aber die Gefahr der Rezidivierung bei stärkerer Belastung der Hunde, auch wenn
die Symptome zunächst nicht mehr vorhanden waren.
Chirurgische Therapie
Eine chirurgische Therapie sollte bei den Patienten eingesetzt werden, bei denen neurologische Defizite
vorliegen oder die deutliche, auf eine konservative Behandlung nicht ansprechende lumbosakrale Schmerzen
haben. Das Ziel besteht in einer Dekompression der Nerven der Cauda equina und/oder der
Druckentlastung eingeklemmter Nervenwurzeln. Es gibt zahlreiche Operationsverfahren, die zur
Therapie der DLSS beim Hund beschrieben sind. Eine genaue Darstellung würde den Umfang dieses Artikels
sprengen. Es wird auf die entsprechende chirurgische Literatur verwiesen.
Die Auswahl und „Dosis“ der Operationsmethode ist entscheidend von den Befunden der Bildgebung abhängig.
Eine Rolle spielt dabei, ob lediglich eine mediane Diskushernie mit Stenose des Wirbelkanals oder auch
zusätzlich oder isoliert eine neuroforaminale Problematik besteht. Es gibt aktuell keine belastbaren
evidenzbasierten Studien, ob neben einer Dekompression auch eine Stabilisierung des lumbosakralen
Segments oder Distraktion mit Stabilisierung bei der chirurgischen Therapie der DLSS beim Hund
vorteilhaft ist.
Dorsale Laminektomie
Die hauptsächlich angewandte Methode zur Dekompression ist eine dorsale Laminektomie, die
zunehmend, um eine zu große Destabilisierung des lumbosakralen Übergangs zu verhindern, eher als
„Mini-Laminektomie“ ausgeführt wird.
Bei der klassischen dorsalen Laminektomie wird in der Regel die dorsale Lamina ab der Hälfte von L7, u.
U. auch noch weiter nach kranial, sowie die dorsale Lamina von S1 entfernt. Im Gegensatz hierzu
beschränkt sich die „Mini-Laminektomie“ auf die Entfernung der Lamina auf S1.
Kombiniert wird die Dekompression oftmals mit einer partiellen Resektion der sich vorwölbenden
Bandscheibe von L7 – S1 und einer Resektion des hypertrophierten Lig. interarcuale.
Foraminotomie
Eine Foraminotomie kommt bei lateral gelegenen Stenosen zum Einsatz. Diese hat den Vorteil, ohne
eine relevante Destabilisierung zu bewirken, vor allem die Austrittszone des Neuroforamens zu erreichen
und somit die Spinalnervenwurzeln wieder freizulegen [[10]]. Somit können
Komplikationen, wie sie bei der früher verbreiteteren Facettektomie aufgetreten sind, verhindert
werden.
Stabilisation
Bei offensichtlicher Instabilität wird zusätzlich eine stabilisierende Operation vorgenommen. Dabei wird
mittels verschiedener Implantate eine feste Verbindung zwischen den Wirbelkörpern von L7 und S1
angestrebt.
„Minimal-invasive“-Technik
Es wurde auch eine „Minimal-invasive“-Technik beschrieben, bei der mittels eines transilialen Pins die
lumbosakrale Wirbelsäule in maximaler Flexion fixiert wird, und somit die Neuroforaminae geweitet und
eine potenzielle Diskushernie reduziert werden [[23]]. Belastbare
Langzeitergebnisse fehlen allerdings bei dieser Methode.
Postoperative Nachsorge
Im Anschluss an eine chirurgische Dekompression werden ebenfalls eine analgetische Behandlung sowie eine
unterstützende Physiotherapie vorgenommen. Die Hunde müssen über einige Wochen strikt ruhig gehalten
werden und dürfen erst langsam wieder belastet werden. Eine enge Zusammenarbeit zwischen
Physiotherapeuten und Chirurgen ist vorteilhaft. Je nach Operationsmethode ist ein Kurz- und
Langzeiterfolg zwischen 67–95 % beschrieben. Auch hier gilt, je stärker die neurologischen Defizite sind,
umso schlechter ist die Prognose. Auch eine Kot- und Urininkontinenz, vor allem länger bestehend, ist
meist nicht reversibel.
Schlussbemerkung
Bei der DLSS des Hundes liegen zahlreiche Analogien zu gleichartigen Befunden beim Menschen vor. Obwohl die
Krankheit beim Hund bereits 1978 erstmalig beschrieben wurde und sich in den letzten Jahren zahlreiche
Veröffentlichungen mit der DLSS beim Hund beschäftigt haben, gibt es noch viele offene Fragen. Dies liegt in
erster Linie an der fehlenden Vergleichbarkeit der vorgenommenen Untersuchungen.
Zweifelsfrei hat die breitflächige Anwendung der modernen Schnittbildverfahren wie CT oder MRT und
kinematischer Studien zu einem besseren Verständnis der Veränderungen geführt. Hierdurch konnten
insbesondere chirurgische Verfahren optimiert werden. Es gibt aber keine belastbaren Informationen, welche
Therapiemethode bei welchen klinischen Symptomen oder Befunden der Bildgebung die am besten geeignete wäre.
Ein bisher nicht gelöstes Dilemma ist, sicher beurteilen zu können, ob die in der Bildgebung erhobenen
Befunde tatsächlich mit den klinischen Symptomen korrelieren.
Es bleibt daher bisher beim Appell, entsprechende Studien mit robusten Einschlusskriterien, objektiven und
definierten Nachkontrollen und idealerweise randomisierten Therapiestudien vorzunehmen [[14]].