Schlüsselwörter
Hypnotika - Sedativa - Arzneimittelanwendung - Einstellungen des Gesundheitspersonals - Querschnittstudie
Keywords
hypnotics - sedatives - drug utilization - attitude of health personnel - cross-sectional study
Einleitung
Zur kurzfristigen symptomatischen Behandlung von Schlafstörungen und Angst- oder Erregungszuständen wird z. B. der Einsatz von Hypnotika wie Benzodiazepine und selektiven Benzodiazepin-Rezeptoragonisten, wie Zolpidem und Zopiclon (kurz Z-Substanzen) empfohlen [1]. Von einer Langzeiteinnahme von > 4 Wochen wird aufgrund der Nebenwirkungen wie Stürze, kognitive Beeinträchtigungen, Tagesschläfrigkeit, erhöhte Unfallneigung und Abhängigkeit insbesondere bei älteren Menschen abgeraten [15]. Nach San-José et al. (2015) zählen jedoch insbesondere Benzodiazepine gerade bei älteren Patienten zu den am häufigsten im Krankenhaus eingesetzten Medikamenten [6]. Neben der Behandlung von Angst- oder Erregungszuständen finden diese Medikamente in Krankenhäusern auch bei Ein- und Durchschlafstörungen und Schmerzen ihre Anwendung [7]. Bisher lieferte nur die Untersuchung von Somers et al. [7] Einblicke in den Umgang mit Schlaf- und Beruhigungsmitteln in einem Krankenhaus: Danach berichteten 54,9 % der 330 befragten Patienten von Ein- und Durchschlafstörungen während eines Krankenhausaufenthaltes. Von diesen 330 Patienten erhielten im Krankenhaus 15,6 % zum ersten Mal ein Medikament aus der Gruppe der Benzodiazepine oder Z-Substanzen, besonders oft auf einer chirurgischen oder rehabilitativen Station.
Für die ambulante Versorgung existieren verschiedene Schätzungen zur Einnahmehäufigkeit und -dauer dieser Medikamente [8], [9], [10], [11]. Nach einer Hochrechnung des Norddeutschen Medikamentenmonitors erhalten 4–5 % der gesetzlich Krankenversicherten mindestens eine Verordnung eines Benzodiazepins oder einer Z-Substanz pro Kalenderjahr. Mindestens 1,6 Millionen Menschen in Deutschland nehmen diese länger als sechs Monate ein [11].
Von den oben genannten Einzelstudien abgesehen, fehlen verlässliche epidemiologische Daten zur Einnahmehäufigkeit und -dauer von Benzodiazepinen und Z-Substanzen in Krankenhäusern; auch ist nicht bekannt, in welchen Situationen und bei welchen Patienten diese Medikamente eingesetzt werden. Ebenso wenig wissen wir über die Erfahrungen und Wahrnehmungen des ärztlichen und pflegerischen Personals in Krankenhäusern bei der Anwendung dieser Medikamente. Lediglich aus den Ergebnissen einer Fokusgruppen-Studie mit Pflegekräften in belgischen Altenpflegeheimen könnte man vermuten, dass sich der Einsatz von Schlaf- und Beruhigungsmitteln manchmal als einfache und risikoarme Lösung zur Aufrechterhaltung des Schlaf-Wach-Rhythmus der Heimbewohner anbietet, aber schnell zum Dauergebrauch führt [13]. Im Vordergrund unserer Studie standen daher folgende Fragen:
-
Wie beurteilt das pflegerische und ärztliche Personal eines Krankenhauses die Verwendung von Benzodiazepinen und Z-Substanzen?
-
Wie bewerten beide Gruppen das Nutzen- und Schadenverhältnis dieser Medikamente bei älteren Patienten?
-
Welche Faktoren begünstigen bzw. beeinflussen eine positive Einstellung / Wahrnehmung dieser Medikamente in einem Krankenhaus?
Methode
Design | Diese Querschnittstudie fand in einem Krankenhaus der Grund- und Regelversorgung mit insgesamt 342 vollstationären Betten statt – im Rahmen eines Forschungsprojekts zur Verordnungen von Benzodiazepinen und Z-Substanzen an der Schnittstelle von Krankenhaus und Hausarzt [24]. Alle Angehörige des pflegerischen Personals (mit Ausnahme von Auszubildenden) und ärztlichen Personals erhielten einen standardisierten Fragebogen zur Anwendung von Benzodiazepinen und Z-Substanzen als Schlaf- und Beruhigungsmittel. Um eine möglichst hohe Rücklaufquote zu erreichen, übernahmen wir folgende Empfehlungen aus einem aktuellen Cochrane Review [13]: Ankündigung der Studie in der Mitarbeiterzeitschrift des Krankenhauses, persönliche Kontaktaufnahme zum ärztlichen und pflegerischen Personal auf den Stationen, einladende Gestaltung des Briefumschlages sowie zusätzliche Informationen zur Studie durch einen Flyer (mit Hinweisen zum Datenschutz, Ziele der Untersuchung und Ansprechpartner). Nach acht Wochen wurde noch einmal an die Befragung erinnert. Es gab keine finanziellen Anreize, an der Studie teilzunehmen.
Fragebogen | Für die standardisierte Befragung wurde der Fragebogen von Hoffmann verwendet [14]. Ursprünglich richtete er sich an Hausärzte, um Einstellungen zu Risiken und Nebenwirkungen von Benzodiazepinen und Z-Substanzen zu erfragen. Der Fragebogen wurde für die statio-näre Versorgungssituation angepasst. Beide Berufsgruppen erhielten identische Fragen und wurden nach ihrem individuellen Anwendungsverhalten gefragt. Da Pflegekräfte Medikamente nicht verordnen dürfen, wurden sie um eine Einschätzung der Verordnungshäufigkeit bzw. Verwendung gefragt.
Der Fragebogen umfasste folgende Themen:
-
medikamentöse und nicht-medikamentöse Interventionen bei Schlafstörungen und Angst-, Anspannungs- oder Erregungszuständen
-
Wirksamkeit und unerwünschte Wirkungen von Benzodiazepinen und Z-Substanzen
-
Nutzen-Schaden-Verhältnis dieser Medikamente
-
personenbezogene Angaben (Geschlecht, Tätigkeit, Abteilung)
Im Rahmen des o. g. Forschungsprojektes stand die Anwendung von Benzodiazepinen und Z-Substanzen als Schlaf- und Beruhigungsmittel im Vordergrund.
Die Einschätzung zur Häufigkeit der Anwendung der Medikamente wurde durch eine 5-stufige Skala ermittelt. Auch die Einschätzung des Nutzen-Schaden-Verhältnisses erfolgte fünfstufig mit den Extremen: „Nutzen überwiegt deutlich“ und „Schaden überwiegt deutlich“.
Datenauswertung | Die Auswertung zur Häufigkeit der Anwendung und zum Nutzen-Schaden-Verhältnis der Medikamente erfolgte deskriptiv (absolute und relative Häufigkeiten). Einflussfaktoren für die wahrgenommene Häufigkeit der Verwendung von Benzodiazepinen oder Z-Substanzen wurden mittels multipler logistischer Regression bestimmt – mit Odds Ratios und ihren 95 %-Konfidenzintervallen als Effektgrößen. Antworten auf die Frage nach der Häufigkeit der Anwendung von Benzodiazepinen oder Z-Substanzen wurden – soweit sinnvoll – dichotomisiert: „nicht häufig“ (gar nicht, selten, manchmal) vs. „häufig“ (häufig und immer). Einflussfaktoren im Modell waren:
-
Geschlecht
-
Beruf (Arzt, Pflegekraft)
-
Abteilung (chirurgische, nicht-chirurgische Abteilung)
-
Dauer der beruflichen Tätigkeit im betreffenden Krankenhaus (> 10 Jahre, 5–10 Jahre, <5 Jahre)
-
die Einschätzung des Nutzen-Schaden-Verhältnisses [15]
Alle Berechnungen erfolgten mittels SAS 9.4 für Windows.
Einhaltung ethischer Richtlinien | Die Ethik-Kommission der Universitätsmedizin Göttingen stufte die Untersuchung als ethisch unbedenklich ein (25/2/14). Auch die Mitarbeitervertretung des Krankenhauses gab für die Befragung ihr Einverständnis. Das ärztliche und pflegerische Personal wurde ausdrücklich darüber informiert, dass eine Teilnahme an der Studie freiwillig ist. Die ausgefüllten Fragebögen und unterschriebenen Einverständniserklärungen gaben die Teilnehmer getrennt voneinander in geschlossenen Briefumschlägen ab.
Ergebnisse
Teilnehmer | Insgesamt beantworteten 138 von 359 Mitarbeitern (38 %) den Fragebogen, deutlich häufiger ärztliche Mitarbeiter (65/126; 51 %) als pflegerische Mitarbeiter (73/282; 26 %).
In die Auswertung kamen nur Fragebögen mit vollständigen Angaben zu Geschlecht, Abteilung, Dauer der beruflichen Stellung und zur Einschätzung der Häufigkeit der Verwendung von Benzodiazepinen oder Z-Substanzen (n = 131). Bei den ärztlichen Mitarbeitern dominierten die Männer (65 %), umgekehrt war es beim Pflegepersonal (18 %). Etwa ein Drittel aller befragten Krankenhausmitarbeiter war auf chirurgischen Stationen tätig. Das Pflegepersonal war deutlich berufserfahrener als das ärztliche Personal (▸ [
Tab. 1
]).
Tab. 1 Stichproben (alle Angaben in Prozent)
|
ärztliches Personal (n = 63)
|
Pflegepersonal (n = 68)
|
Geschlecht
|
|
65,1
|
17,7
|
|
34,9
|
82,3
|
Abteilung
|
|
31,8
|
38,2
|
|
68,2
|
61,8
|
Dauer der Berufstätigkeit
|
|
47,6
|
23,5
|
|
30,2
|
20,6
|
|
22,2
|
55,9
|
Einschätzung zur Verwendung von Benzodiazepinen und Z-Substanzen | Bezogen auf die jeweiligen Stationen schätzte das Pflegepersonal die Häufigkeit der Verwendung der beiden Medikamentengruppen deutlich höher ein als das ärztliche Personal (▸ [
Tab. 2
]). Das galt sowohl für Benzodiazepine als auch für Z-Substanzen. Weit über die Hälfte des befragten Pflegepersonals berichtete, dass Schlafmittel bei Schlafstörungen häufig verwendet werden. Beim ärztlichen Personal berichtete dies nur ein knappes Drittel. Dass diese Medikamente gar nicht bei Schlafstörungen eingesetzt werden, meinten ca. 20 % der Ärzte, niemand dagegen vom Pflegepersonal.
Tab. 2 Geschätzte Häufigkeit der Anwendung von Benzodiazepinen und Z-Substanzen bei Schlafstörungen.
Häufigkeit der Anwendung
[
*
]
|
Benzodiazepine
|
Z-Substanzen
|
ärztliches Personal (n = 63)
|
Pflegepersonal (n = 68)
|
ärztliches Personal (n = 63)
|
Pflegepersonal (n = 68)
|
gar nicht
|
17,5
|
0,0
|
20,6
|
0,0
|
selten
|
31,8
|
7,4
|
19,1
|
8,8
|
manchmal
|
22,2
|
35,3
|
31,8
|
25,0
|
häufig
|
28,6
|
51,5
|
28,6
|
64,7
|
immer
|
0,0
|
5,9
|
0,0
|
1,5
|
* nach Einschätzung der Befragten; alle Angaben in %
Bewertung des Nutzen-Schaden-Verhältnisses von Benzodiazepinen und Z-Substanzen | Fast die Hälfte des ärztlichen Personals war der Ansicht, dass der Schaden bei Benzodiazepinen den Nutzen bei älteren Patienten überwiegt (48 %), seltener war das Pflegepersonal dieser Meinung (29 %). Bzgl. der Z-Substanzen glaubten dies 29 % der Ärzte und 18 % der Pflegekräfte (▸ [
Tab. 3
]). Entsprechend häufiger als Ärzte glaubte das Pflegepersonal, dass der Nutzen von Benzodiazepinen den möglichen Schaden überwiegt (40 % vs. 20 %), ähnlich bei Z-Substanzen.
Tab. 3 Nutzen-Schaden-Verhältnis beider Medikamentengruppen bei älteren Patienten.
Nutzen-Schaden-Verhältnis
[
*
]
|
Benzodiazepine
|
Z-Substanzen
|
ärztliches Personal (n = 61)
|
Pflegepersonal (n = 68)
|
ärztliches Personal (n = 55)
|
Pflegepersonal (n = 67)
|
Nutzen überwiegt
|
19,7
|
39,7
|
30,9
|
44,8
|
halten sich die Waage
|
32,8
|
30,9
|
40,0
|
37,3
|
Schaden überwiegt
|
47,5
|
29,4
|
29,1
|
17,9
|
* nach Einschätzung der Befragten; alle Angaben in %
Was beeinflusst die Einschätzung der Häufigkeit der Anwendung von Benzodiazepinen und Z-Substanzen? | Für die Einschätzung, dass Benzodiazepine oder Z-Substanzen häufig verwendet werden, hatte im multivariaten Modell das vermutete Nutzen-Schaden-Verhältnis einen signifikanten Einfluss (▸ [
Tab. 4
]): Wenn aus Sicht der Befragten der Nutzen von Benzodiazepinen deren potenziellen Schaden überwog, waren sie vergleichsweise oft der Ansicht, diese Medikamente häufig zu verwenden bzw. zu verordnen (Odds Ratio: 3,35; 95 %-Konfidenzintervall: 1,28–8,79). Dieser Zusammenhang galt auch für Z-Substanzen (5,07; 1,48–17,35). Anders als bei den Benzodiazepinen spielten bei den Z-Substanzen aber noch weitere Faktoren eine signifikante Rolle, insbesondere die Berufszugehörigkeit. So waren deutlich mehr Mitarbeiter aus der Pflege als Ärzte der Ansicht, Z-Substanzen als Schlaf- und Beruhigungsmittel häufig zu verwenden (13,95; 3,87–50,28). Auch die Tätigkeit auf nicht-chirurgischen Abteilungen (im Vergleich zu anderen Abteilungen), eine kürzere Berufstätigkeit und die Einschätzung, dass bei Z-Substanzen das Nutzen-Schaden-Verhältnis ausgeglichen ist bzw. der Nutzen überwiegt, waren in diesem Zusammenhang von Bedeutung.
Tab. 4 Einflussfaktoren für die Einschätzung einer häufigen Anwendung von Benzodiazepinen und Z-Substanzen als Schlaf- und Beruhigungsmittel. Aufgrund vereinzelter Ausfälle bei den Fragen zum Nutzen-Schaden-Verhältnis reduzierte sich die Stichprobe auf N = 130 (Benzodiazepine) bzw. N = 122 (Z-Substanzen). OR = Odds ratio (signifikante Werte sind fett markiert)
|
Benzodiazepine
|
Z-Substanzen
|
OR
|
95 %-Konfidenzintervall
|
P
|
OR
|
95 %-Konfidenzintervall
|
P
|
Geschlecht
|
|
1,00
|
|
|
1,00
|
|
|
|
1,19
|
0,48–2,96
|
0,7016
|
1,62
|
0,56–4,65
|
0,3718
|
Beruf
|
|
1,00
|
|
|
1,00
|
|
|
|
2,48
|
0,96–6,36
|
0,0598
|
13,95
|
3,87–50,28
|
< 0,0001
|
Abteilung
|
|
1,00
|
|
|
1,00
|
|
|
|
0,66
|
0,30–1,46
|
0,3002
|
5,41
|
2,00–14,61
|
0,0009
|
Dauer der Berufstätigkeit
|
|
1,00
|
|
|
1,00
|
|
|
|
0,74
|
0,28–1,99
|
0,5557
|
4,02
|
1,17–13,88
|
0,0277
|
|
0,47
|
0,18–1,19
|
0,1118
|
4,90
|
1,43–16,81
|
0,0115
|
Nutzen-Schaden-Verhältnis
|
|
1,00
|
|
|
1,00
|
|
|
|
2,36
|
0,94–5,94
|
0,0678
|
3,96
|
1,18–13,32
|
0,0262
|
|
3,35
|
1,28–8,79
|
0,0141
|
5,07
|
1,48–17,35
|
0,0096
|
Diskussion
Mitarbeiter des ärztlichen und pflegerischen Personals nehmen die Häufigkeit der Verwendung von Benzodiazepinen und Z-Substanzen unterschiedlich wahr, ebenso das Nutzen-Schaden-Verhältnis dieser Medikamente. Vermuteten Mitarbeiter in der Anwendung von Benzodiazepinen einen höheren Nutzen als Schaden, insbesondere bei älteren Patienten, waren sie auch vergleichsweise oft der Ansicht, diese Medikamente häufiger anzuwenden. Dies galt auch für die häufigere Anwendung von Z-Substanzen. Hier spielten aber zusätzlich die Tätigkeit als Pflegekraft, die Arbeit auf nicht-chirurgischen Abteilungen oder auch geringere Berufserfahrung eine Rolle.
Verglichen mit Ärzten, gaben doppelt so viele Mitarbeiter aus der Pflege an, Benzodiazepine und Z-Substanzen häufig zu verwenden – das attestiert dieser Berufsgruppe eine nicht zu unterschätzende Rolle im Umgang mit Schlaf- und Beruhigungsmitteln. Im Gegensatz zum ärztlichen Personal verbringt das pflegerische Personal deutlich mehr Zeit mit den Patienten [16], [17]. Es ist zu vermuten, dass Pflegekräfte oft näher am Patienten sind, erste Ansprechpartner bei Ein- und Durchschlafstörungen sind und auch die Verordnung bzw. Gabe von Bedarfsmedikamenten veranlassen. Demzufolge könnte die Einschätzung der Pflegekräfte zutreffender als die der Ärzte sein und die Ausgabe von Benzodiazepinen und Z-Substanzen tatsächlich regelmäßig und häufiger erfolgen, als Ärzte vermuten.
Wie in Hoffmanns Befragung von Hausärzten [14], sahen auch in unserer Studie viele Ärzte (31 %) bei Z-Substanzen einen größeren Nutzen als Schaden, gerade für ältere Patienten. Allerdings meinten 40 % der befragten Ärzte, dass sich Nutzen und Schaden die Waage hielten. Das Pflegepersonal schätzte die Bilanz positiver ein: Knapp 40 % bzw. knapp 45 % meinten, dass bei älteren Patienten der Nutzen von Benzodiazepinen bzw. Z-Substanzen den Schaden überwiegt. Nach den vorhandenen und auch für Pflegekräfte zur Verfügung stehenden Leit- und Richtlinien wie bspw. der im kooperierenden Krankenhaus berücksichtigten PRISCUS-Liste sollte jedoch bekannt sein, dass beide Medikamentengruppen bei älteren Patienten mit Begleiterkrankungen wie Demenz, Ateminsuffizienz oder einer bekannten Gefährdung für Substanzabhängigkeit nur unter engmaschiger klinischer Kontrolle eingesetzt werden sollten, um Nebenwirkungen rechtzeitig erkennen zu können. Der in unserer Studie – wie auch in der Studie von Anthierens et al. (2009) [12] – insbesondere von den Pflegekräften wahrgenommene großzügige Einsatz beider Medikamentengruppen widerspricht diesen Empfehlungen.
Z-Substanzen kommen – insbesondere in der Wahrnehmung der Pflegekräfte – häufiger zum Einsatz als Benzodiazepine. Beide Berufsgruppen attestieren ihnen auch das bessere Nutzen-Schaden-Verhältnis. Möglicherweise drückt sich hierin der Therapie-Optimismus aus, der die Einführung der Z-Substanzen begleitete. So empfahl z. B. Antai-Otong (2006) in ihrem Review für Pflegekräfte in der Psychiatrie die Z-Substanzen wegen ihrer angeblichen Sicherheit, Wirksamkeit und geringeren Nebenwirkungen als gute Option bei Schlafproblemen [18]. Dazu passt auch unser Ergebnis, dass Ärzte und Pflegekräfte, deren Ausbildung noch nicht so lang zurückliegt, von einer deutlich häufigeren Anwendung dieser Substanzen berichten. Auch wenn mittlerweile in der wissenschaftlichen Diskussion die Euphorie der realistischen Einschätzung gewichen ist, dass Z-Substanzen nicht minder riskant hinsichtlich Stürzen und kognitiver Beeinträchtigungen am Morgen sind [19], wurden sie aber kürzlich noch in der auflagenstarken Streuzeitung „Der Privatarzt“ als ideales Schlafmittel“ angepriesen [20]. Der Nimbus wirkt offensichtlich fort.
Krankenhausaufenthalte – und die damit einhergehenden Akutsituationen – können ein potenzieller Ort für den (erstmaligen) Einsatz von Benzodiazepinen und Z-Substanzen sein und zeitgleich als Initiator für Folgeverordnungen fungieren, wenn auch nicht unbedingt für eine gefährliche Langzeiteinnahme [21]. Dass ein Krankenhausaufenthalt die weiterführende (bspw. hausärztliche) Medikation beeinflussen kann, ist aus anderen Untersuchungen bekannt [22]. Die recht großzügige angenommene Verwendung von Benzodiazepinen und Z-Substanzen, wie sie zumindest Pflegekräfte in unserer Untersuchung berichteten, könnte die Grundlage für einen Fortsetzungswunsch dieser Medikamente legen. Zukünftige Studien sollten den Umgang mit Benzodiazepinen und Z-Substanzen in Krankenhäusern – als eventuellen Ausgangspunkt für eine erstmalige Verordnung von Hypnotika – weiter fokussieren [7].
Die aus der Befragung sich abzeichnenden unterschiedlichen Einschätzungen des ärztlichen und pflegerischen Personals legen es nahe, beide Berufsgruppen über einen adäquaten Umgang von Benzodiazepinen und Z-Substanzen und über die Risiken einer Weiterverordnung im ambulanten Sektor zu informieren bzw. fortzubilden, möglichst interdisziplinär, um zur gemeinsamen Entwicklung von Lösungsstrategien zu kommen [23]. Dies wäre auch ein Thema für Arzneimittelkommissionen, soweit in Krankenhäusern ansässig.
Stärken und Schwächen | Die Untersuchung erlaubt erstmals Einblicke zur Einschätzung der Anwendung von Benzodiazepinen und Z-Substanzen und vor allem zu den Einstellungen des pflegerischen und ärztlichen Personals eines Krankenhauses der Grund- und Regelversorgung gegenüber diesen Medikamenten. Gerade der Vergleich beider Berufsgruppen zeigt Ansatzpunkte für Interventionen.
Trotz intensiver Planung und vorbereitender Maßnahmen [14] ist die Beteiligung des Pflegepersonals an der Befragung mit 26 % enttäuschend niedrig, ein Selektionsbias kann nicht ausgeschlossen werden. Die Länge des Fragebogens könnte ein Grund für die Nichtteilnahme gewesen sein, aber auch Unsicherheiten in der Anwendung der Medikamente, die man ungern artikulieren wollte. Beide Berufsgruppen hatten vereinzelt Schwierigkeiten, die beiden Medikamentengruppen getrennt voneinander zu bewerten, wie sich z. B. aus den fehlenden Antworten zur Einschätzung der Häufigkeit der Anwendung und des Nutzen-Schaden-Verhältnisses andeutet. Neben möglichen Schwächen des Fragebogens unterstreicht dieser Mangel die Dringlichkeit von Fortbildungen, um defizitäre pharmakologische Kenntnisse auszugleichen.
Eine weitere Schwäche ist die Beschränkung auf subjektive Einschätzungen und Wahrnehmungen zur Anwendung von Benzodiazepinen und Z-Substanzen. In einem nächsten Schritt soll durch eine retrospektive Sichtung von Patientenakten (Chart-Review) das tatsächliche Verordnungsgeschehen – als Bedarfs- und Dauermedikation – erhoben werden, einschließlich der dann im Entlassungsbrief empfohlenen Medikamente. Des Weiteren stehen noch qualitative Interviews mit dem ärztlichen und pflegerischen Personal aus, um die vorliegenden Ergebnisse besser einordnen zu können.
Konsequenz für Klinik und Praxis
-
Die befragten Berufsgruppen schätzen die Häufigkeit der Anwendung von Benzodiazepinen und Z-Substanzen unterschiedlich ein.
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Z-Substanzen haben gegenüber Benzodiazepinen eine höhere Akzeptanz, sowohl beim ärztlichen als auch pflegerischen Personal, wenngleich die wissenschaftliche Evidenz fehlt.
-
Die Faktoren für die wahrgenommene Häufigkeit der Medikamentenanwendung wie z. B. Annahmen über das Nutzen-Schaden-Verhältnis, die Tätigkeit als Pflegekraft oder geringere Berufserfahrung können Interventionen zur Verbesserung des Umganges mit Schlaf- und Beruhigungsmitteln in Krankenhäusern anregen.