Subscribe to RSS
DOI: 10.1055/s-0042-103361
Schritt für Schritt: Orientierende Ganzkörperinspektion beim Traumapatienten
Korrespondenz
Publication History
Publication Date:
06 December 2016 (online)


Standard bei allen traumatischen Ereignissen
Die Ganzkörperinspektion ist ein wichtiger Bestandteil der strategischen Notfallversorgung von Patienten. Eine schnelle Traumauntersuchung (STU) gewährleistet, dass der Patient rasch medizinisch versorgt und in die geeignete Zielklinik transportiert werden kann. Mit nur wenig Material lässt sich so ein Überblick über den Patientenzustand verschaffen.
#
Gegen die Zeit
Während Blutungen nach außen meist gestillt werden können, sind innere Verletzungen als Blutungsursache einer präklinischen Therapie i. d. R. nicht zugänglich. Dann steht der Faktor Zeit im Vordergrund: Bei nicht stillbaren inneren Blutungen (z. B. bei Milzruptur oder zerebralen Blutungen) muss der Transport möglichst zügig eingeleitet werden („Load and Go“). Das Ziel ist dann, den Verletzten innerhalb von 10 min an der Einsatzstelle medizinisch mit dem Notwendigsten versorgt zu haben. Dazu zählt,
-
einen Überblick über die Vitalparameter zu erlangen (nach ABC-Schema),
-
den Patienten fachkundig zu immobilisieren und
-
ihn in den Rettungswagen zu bringen.
Zur Erinnerung: Für den gesamten Prozess sollten Sie nicht länger als 10 min benötigen! Wichtig ist: Ob es sich um einen Patienten mit oder ohne Transportpriorität handelt – die Ganzkörperinspektion wird auf die gleiche Art und Weise durchgeführt.
Studien haben ergeben, dass das Konzept „Stay and Play“ (die weitestmögliche Stabilisierung und Versorgung des Patienten noch am Notfallort) einen schlechteren Patientenzustand nach sich zieht, als nur das Nötigste zu tun und den Verletzten schnellstmöglich in eine Klinik zu transportieren. Tatsächlich hat der Basic Life Support einen größeren Nutzen als der Advanced Life Support bewiesen [1].
#
Inspizieren, betasten und abhören
Für die Ganzkörperinspektion benötigt man wenig Equipment. Setzen Sie primär Ihre Sinne ein (Hören, Sehen und Fühlen)! Darüber hinaus reichen ein gutes Stethoskop, eine Pupillenleuchte und ein Blutzuckermessgerät aus. Welche Beobachtungen Sie dabei machen und worauf diese hinweisen könnten, fasst Tab. 1 zusammen (online). Dazu gehören u. a.:
-
Hautemphysem als Zeichen für Spannungspneumothorax
-
Anisokorie bei Schädel-Hirn-Trauma
-
Narben als Hinweis auf Herzschrittmacher oder Bypass-OP
-
gedämpfte Herztöne bei Herzbeuteltamponade
-
etc.


#
Sauerstoffgabe
Helfer 1 versorgt den Patienten nach der ABC-Kontrolle mit einer Sauerstoffmaske. Er fixiert während der gesamten Untersuchung ununterbrochen dessen Kopf!
Bei bewusstseinsgetrübten Patienten sollten Sie zeitnah den neurologischen Status überprüfen (d. h. den Blutzucker und die Pupillen). Zur Kontrolle der Pupillenfunktion legen Sie dem Patienten Ihre Handkante zwischen die Augen und bitten ihn, die Augen zu schließen und wieder zu öffnen. Leuchten Sie ihm im Moment des Öffnens mit der Pupillenlampe zunächst in das eine, nach nochmaligen Schließen und Öffnen der Augen in das zweite Auge. Ist die Reaktion der Pupillen auf das Licht seitengleich oder verzögert? Ist die Pupillenform normal?


#
Entkleiden
Entkleiden Sie den Patienten von oben nach unten (d. h. von Kopf bis Fuß).


#
Kopf und Hals
Gehen Sie auch bei der Untersuchung von oben nach unten vor. Achten Sie am Kopf auf Wunden, knöcherne Verletzungen und Schmerzen. Die Halswirbelsäule untersuchen Sie auf Stufenbildung und Hartspann der Muskulatur. Überprüfen Sie den Hals außerdem auf die korrekte Position der Luftröhre (Trachea) und gestaute Halsvenen.


#
Thorax
Nun sehen Sie sich den Thorax an. Achten Sie dabei auch auf eventuelle Hautemphyseme und ertasten Sie die Stabilität des Thorax in zwei Ebenen.


#
Auskultation
Anschließend sollten Sie Lungen und Herz auskultieren (abhören) und ggf. die Lungen auch perkutieren (beklopfen). Achten Sie bei der Auskultation der Lunge auf eine seitengleiche Belüftung und die Abschwächungen der Atemgeräusche.


#
Bauch
Inspizieren Sie das Abdomen, bevor Sie es abtasten. Anschließend überprüfen Sie alle 4 Quadranten auf Druckschmerz und Abwehrspannung.


#
Becken
Tasten Sie das Becken ab und achten Sie dabei besonders auf Druckschmerz, Instabilität und Krepitation (Reibegeräusche von Knochenfragmenten).
Besteht Verdacht auf ein Beckentrauma, können Sie auf eine Palpation verzichten und den Patienten gleich mit einer Beckenschlinge versorgen.


#
Oberschenkel
Die Oberschenkel werden ebenfalls auf Druckschmerz, Instabilität und Krepitation hin untersucht. Bei einer Einblutung kann das Volumen des Oberschenkels zunehmen.


#
Sensibilitätstest
Geben Sie Schmerzreize an allen Extremitäten, um neurologische Ausfälle zu diagnostizieren. Bewerten Sie die Reaktion.


#
Fingernagelprobe
Um die Rekapillarisierungszeit zu überprüfen, drücken Sie das Nagelbett des Daumens für 5 s und lassen anschließend wieder los. Die Rekapillarisierungszeit beschreibt die Zeit, die vergeht, bis das Nagelbett wieder rosig durchblutet ist. Sie sollte < 2 s liegen. Ertasten Sie am besten auch gleich den Puls.
Eine Rekapillarisierungszeit von > 2 s könnte ein Anzeichen für einen Volumenmangel oder andere Störungen sein.
Quality:
#
#


Patrick Michelmann ist hauptberuflicher Dozent in der Erwachsenenbildung an der DRK-Landesschule Baden-Württemberg. Er bildet Notfallsanitäter aus und ist verantwortlich für die Aus- und Fortbildung von Betriebssanitätern. Des Weiteren arbeitet Herr Michelmann aktiv im Rettungsdienst.
E-Mail: p.michelmann@drk-ls.de


Steffen Schweiker ist Notfallsanitäter und Dozent an der DRK-Landesschule Baden-Württemberg.
E-Mail: s.schweiker@drk-ls.de
-
Literatur
- 1 Liberman M, Mulder D, Sampalis JS. Advanced or basic life support for trauma: meta-analysis and critical review of the literature. J Trauma 2000; 49: 584-599
- 2 Kuhnke R, Müller S. Back to the roots – Diagnose ohne technische Hilfsmittel. retten 2012; 1: 27-33
Korrespondenz
-
Literatur
- 1 Liberman M, Mulder D, Sampalis JS. Advanced or basic life support for trauma: meta-analysis and critical review of the literature. J Trauma 2000; 49: 584-599
- 2 Kuhnke R, Müller S. Back to the roots – Diagnose ohne technische Hilfsmittel. retten 2012; 1: 27-33

























