Die Studie von P. Lange et al. zeigt uns wieder einmal, um welche heterogene Erkrankung
es sich bei COPD handelt. Die hier vorgestellten Daten sind insofern bemerkenswert,
als dass unser Verständnis des Krankheitsverlaufs der COPD nach wie vor sehr stark
von den klassischen „Fletcher und Peto“-Kurven geprägt sind. Jedoch vermehrt sich
in den letzten Jahren die Evidenz, dass COPD nicht einem klassischen Dosis-Wirkungsprinzip
des Rauchens alleine geschuldet ist.
Tatsächlich ist wissenschaftlich erwiesen, dass es keinen guten Zusammenhang zwischen
kumulativem Tabakkonsum („pack-years of smoking”) und dem FEV1 bei COPD gibt. Folglich müssen auch noch andere Faktoren zur Entstehung der COPD
beitragen. Bereits vor einigen Jahren zeigten C. Svanes et al. (Thorax 2010; 65: 14–20)
anhand einer Longitudinalstudie frühkindliche Risikofaktoren für COPD auf, u. a. die
Anzahl von unteren Atemwegsinfekten in der Kindheit, Asthmaerkrankung der Eltern,
und natürlich auch das Rauchverhalten der Mutter. Die nun vorgestellte Analyse der
Lungenfunktionsverläufe aus 3 großen Kohortenstudien bestätigt, dass COPD nicht nur
ganz unterschiedliche Verläufe nehmen kann, sondern auch Unterschiede im Erkrankungsursprung
bzw. im Ursprungsalter aufweist.
Für die klinische Praxis bedeuten diese Studienergebnisse einmal mehr, dass die Krankheitsaktivität
von größerer Bedeutung ist als der absolute Krankheitsschweregrad. Neben frühkindlichen,
und vermutlich auch genetischen Einflussfaktoren auf die Krankheitsaktivität, zählen
bei manifester Erkrankung die Häufigkeit von Exazerbationen, Leistungsfähigkeit, Komorbiditäten,
der Phänotyp und natürlich auch die Therapieadhärenz. In letzter Konsequenz drängt
sich anhand der Daten von nun vermutlich die Frage nach den therapeutischen Konsequenzen
der unterschiedlichen Krankheits- bzw. Lungenfunktionsverläufe auf.
Gerade in den letzten Jahren hat das Armamentarium der phänotyp-gezielten Therapie
Aufwind bekommen. Die meisten dieser Konzepte fokussieren jedoch auf die Behandlung
der fortgeschrittenen Erkrankung (z. B. Roflumilast, Dauer-Antibiotikatherapie, nicht-invasive
Beatmung, Lungenvolumenreduktion u. a.). Hier ist die klinische Forschung zukünftig
gefordert, anhand individualisierter Behandlungskonzepte den Verlauf dieser hochprävalenten
chronischen Erkrankung bereits in einem frühen Stadium zu evaluieren.
PD Dr. Arschang Valipour, Wien