Zeitschrift für Phytotherapie 2016; 37(02): 45-46
DOI: 10.1055/s-0042-104625
Editorial
© Haug Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG

Editorial

Phytotherapie bei Hauterkrankungen und Wunden: Viel Empirie, noch wenig klinische Forschung
Karin Kraft
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Publication Date:
16 June 2016 (online)

 
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Arzneipflanzen werden für medizinische Maßnahmen teilweise seit Tausenden von Jahren verwendet, gerade auch für die ­Behandlung von Hautkrankheiten und Wunden. Heutzutage erkennen wir zunehmend, dass sie für die Heilung und Geweberegeneration deswegen so geeignet sind, weil sie über viele einander ergänzende Wirkmechanismen verfügen, insbesondere antiinflammatorische, antioxidative, antimikrobielle und/oder analgetische Wirkungen. Weitere Gründe sind, dass ihr Nebenwirkungsspektrum überschaubar ist und zumeist eine geringe Häufigkeit aufweist. Und sie sind preiswert. Gegenwärtig wird übrigens weltweit ein Drittel aller traditionellen Arzneimittel zur Behandlung von Wunden und Hautkrankheiten verwendet, während dies nur für 1-3 % aller modernen Arzneimittel gilt [1].

Die Haut ist eine Schutzbarriere gegen die Außenwelt, jede Unterbrechung muss deshalb rasch und effektiv repariert werden. Wenn die akute Wundheilung nicht ordnungsgemäß und zeitlich korrekt verläuft, können Komplikationen auftreten wie klaffende Wundränder, Ausbildung von Hernien oder Entwicklung von Ana­stomosen und Fisteln. In Deutschland sind viele für das Management chronischer Wunden verfügbare Medikamente und Medizinprodukte nicht nur relativ teuer, sondern werfen zudem Probleme wie Allergien und Resistenzen auf, ohne dass überzeugende Belege für ihre Wirksamkeit vorliegen [2]. Für etliche Hautkrankheiten ist nach den derzeit übrigens großenteils abgelaufenen entsprechenden Leitlinien der AWMF zumeist mindestens eine Standardtherapie verfügbar. Pflanz­liche Zubereitungen werden dagegen in diesen Leitlinien nicht erwähnt, obwohl nach einem im Jahr 2010 von deutschen Dermatologen verfassten Review verschiedene Arzneipflanzen ein er­hebliches Potenzial haben, so z. B. Mahonie und Teebaumöl bei der Lokal­therapie von Akne vulgaris, Mahonie, Johanniskraut und Süßholz (Glycyrrhiza) bei der Lokaltherapie der atopischen Dermatitis sowie Mahonie und Capsicum bei Psoriasis. Die Autoren weisen zudem darauf hin, dass viele Arzneipflanzen auch in Kosmetika verwendet werden und verlangen schon deshalb allgemein zugängliche adäquate Hinweise auf unerwünschte Wirkungen wie insbesondere Allergien und gegebenenfalls Photodermatitis sowie eine bessere Information von Ärzten und Pflegepersonal [3].

Gegenwärtig erleben sich jedoch oft die Patienten bei der Behandlung akuter kleinerer Wunden als Experten und haben auch bei chronischen Wunden häufig umfassende Erfahrungen, insbesondere mit Unverträglichkeiten oder Therapie­(miss)erfolgen. Sie nehmen infolgedessen oft das Gesundheitssystem nicht in Anspruch und versuchen, die Wunde in Selbsthilfe zur Abheilung zu bringen, da der ansonsten erforderliche regelmäßige Kontakt mit dem Versorgungssystem von ihnen als belastend und zeitaufwändig erlebt wird. Ein Teil der restriktiven Haltung von Fachkräften gegenüber dem Selbstmanagement von Wunden und dermatolo­gischen Erkrankungen gerade auch mit pflanzlichen Arzneimitteln ist aber sicher­lich dadurch bedingt, dass sich die Patienten nur dann bei ihnen melden, wenn das Selbstmanagement versagt hat. Ob der Heilungsverlauf bei chronischen Wunden im Selbstmanagement länger dauert als bei Inanspruchnahme professioneller Hilfe, wurde übrigens bisher nicht in Studien untersucht [2]. Es liegen bisher auch keine Daten vor, welche Zubereitungen aus Arzneipflanzen in welchem Umfang in den verschiedenen Ländern für die Wundtherapie verwendet werden.

Um effektivere Methoden beim klinischen Wundheilungsmanagement oder bei dermatologischen Erkrankungen zu identifizieren, werden dringend weitere klinische Studien zu den hierfür verwendeten pflanzlichen Drogen und ihren Wirkmechanismen benötigt. Bei einigen auch in Deutschland häufig angewendeten pflanzlichen Drogen existieren für diese Indikationsgebiete überhaupt noch keine oder nur sehr alte klinische Untersuchungen. Ein Hoffnungsträger für die Zukunft ist sicherlich die Entwicklung von Wundverbänden mit pflanzlichen Extrakten oder die Weiterentwicklung pflanzlicher Inhaltsstoffe. Bei der Translation von Ergebnissen tierexperimenteller Untersuchungen auf den Menschen ist jedoch wegen der unterschiedlichen Hautstrukturen von Menschen und Tieren Vorsicht geboten.

Ärzte und Pflegekräfte sollten über die Anwendung und Sicherheit von Arznei­pflanzen in den genannten Bereichen gut informiert sein, um die beste Versorgung der Patienten entweder als Monotherapie oder in Kombination mit anderen Arzneimitteln bei geringeren Nebenwirkungen, einer besseren Bioverfügbarkeit und geringen Kosten zu gewährleisten. Hier besteht durchaus erhebliches Interesse, wie ich von meinem persönlichen Umfeld weiß. Der kompetente Umgang mit der topischen oder systemischen Anwendung von Arzneipflanzen in diesem Bereich sollte darüber hinaus allgemeines Wissensgut sein, gerade auch bei Patienten mit therapieresistenten oder chronischen Ulcera oder chronischen Hauterkrankungen.


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