Aktuelle Dermatologie 2016; 42(06): 243-246
DOI: 10.1055/s-0042-104840
Übersicht
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Fallstricke in der Proktologie

Pitfalls in Proctology
F. Ernst
Proktologisches Zentrum, Berlin
› Institutsangaben
Weitere Informationen

Korrespondenzadresse

Dr. Fedor Ernst
Proktologisches Zentrum
Fasanenstraße 60
10719 Berlin

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
13. April 2016 (online)

 

Zusammenfassung

Jedes Fachgebiet in der Medizin enthält spezifische Probleme, die, wenn sie nicht richtig erkannt werden, unerwünschte Folgen erzeugen können. Die folgende Abhandlung entstand aus der langjährigen Erfahrung eines proktologischen Zentrums und erhebt nicht den Anspruch auf Vollständigkeit.

In der Wahrnehmung der Patienten sind Erkrankungen des Anus höchst unangenehm und mit einem Tabu belegt. Hinzu kommen die häufig unausgesprochenen Ängste vor einem Malignom und die als sehr unangenehm und schmerzhaft antizipierte proktologische Untersuchung zum Tragen. Aus dieser Gemengelage heraus entstehen die ersten Fallstricke.


#

Abstract

Each section in medicine contains specific problems. If they are not recognized correctly, they can produce undesirable consequences. The following discussion originated from the vast experience of a center for proctology, and does not claim completeness.

In the patient’s perception, especially medical problems in the taboo area anus are very unpleasant. In addition to this, the often not mentioned fears of malignancy and the anticipated unpleasant and painful examination make understanding of the patient’s real problems more difficult. Lack of experience and exaggerated therapeutic activity is often the cause for many pitfalls in this field.


#

Die Anamnese ist nicht selten irreführend, vielfach benennen die Patienten statt ihrer Beschwerden eine Diagnose: „Ich habe Hämorrhoiden“. Gerade im Gebiet der Proktologie werden Symptome unter Umständen aggraviert oder untertrieben, die sexuelle Orientierung bzw. sexuelle Praktiken werden verschwiegen. Eine HIV-Infektion wird selten freiwillig angegeben, auch bei direkter Nachfrage erhält man nicht immer korrekte Antworten. Indirekt können hier durch die Medikamentenanamnese wertvolle Informationen gewonnen werden. Es sollte immer eine strukturierte Anamnese erfolgen, um beispielsweise eine Stuhl-Entleerungsstörung (Outlet-Obstruktion) von einer Transitproblematik abgrenzen zu können.

Man sollte nicht versäumen, nach der Einnahme von Antikoagulantien zu fragen.

Bei der Diagnostik können unzureichende Lichtverhältnisse die eminent wichtige Beurteilung der Perianalhaut verfälschen. Adipositas schränkt die Beurteilbarkeit gerade in Seitenlage zum Teil erheblich ein. Hier sollte man, wie auch in Steinschnittlage, die Patienten bitten, mit den eigenen Händen die Exposition der Region zu unterstützen.

Zur genauen Beschreibung eines proktologischen Befundes hat sich die sogenannte Zifferblatteinteilung bewährt. 12 Uhr bedeutet Richtung Skrotum bzw. Labien, 6 Uhr Richtung Steißbein. Diese Einteilung sollte auch bei einem Lagewechsel des Patienten bestehen bleiben. Ein Befund, der in Steinschnittlage bei 12 Uhr liegt, sollte in Knie-Ellbogenlage nicht plötzlich bei 6 Uhr zu liegen kommen. Diese Übereinkunft sollte man beachten. Sie sorgt für klare Verhältnisse. So kann es bei der interkollegialen Befundübermittlung nicht zu Missverständnissen kommen.

Ein weiterer Fallstrick besteht bei der Rektoskopie, wenn das starre Gerät in stabiler Seitenlage gerade nach oral geschoben wird, ohne den evtl. stark nach dorsal abgewinkelten Verlauf des Rektums zu beachten. Es besteht Perforationsgefahr! Gleichermaßen können dorsal gelegene Polypen oder Tumore im Rektum übersehen werden, wenn das Rektoskop nicht ausreichend nach dorsal angewinkelt wird. Anders als mit den flexiblen Endoskopen ist nur eine orthograde Blickrichtung möglich.

Sehr häufig deuten Patienten Gewächse oder Veränderungen im Analbereich als Hämorrhoiden. Nicht selten ist eine sichere Beurteilung auch durch Ärzte nicht möglich. Ein Granulationspolyp, der einer Hämorrhoide aufsitzt, sieht einem Adenom oder ggf. einem Malignom sehr ähnlich, ein irritiertes prolabierendes Analfibrom unterscheidet sich kaum von einem Analkarzinom und eine nicht typisch blau schimmernde Analvenenthrombose ist optisch und palpatorisch mit einem kleinen Analabszess zu verwechseln.

Große aber tief-pararektal oder intersphinkter liegende Analabszesse entziehen sich der Prima-vista-Diagnose. Ohne Rubor, Tumor und Calor ist man unter Umständen versucht, die Ursache der erheblichen Schmerzen des Patienten auf eine (ggf. gleichzeitig bestehende) Fissur zurückzuführen. Hinweisend, aber nicht beweisend, sind über Tage zunehmende Schmerzen und ein ausgeprägtes Krankheitsgefühl. In der Regel können die Patienten nicht mehr sitzen und kaum noch laufen. Trotz aller Schwierigkeiten ist die Palpation erforderlich. Dann lässt sich in aller Regel eine prall-elastische Resistenz als Substrat eines pararektalen Abszesses nach proximal hin ertasten. Bei der chirurgischen Therapie des akuten Analabszesses sollte die Suche nach einer ursächlichen Fistel nur mit äußerster Vorsicht erfolgen [1]. Im entzündlichen Gewebe ist eine via falsa bei brüsker Sondierung mit einer feinen Sonde schnell erzeugt. Kann eine Fistel sicher und ohne Gefahr dargestellt werden, ist es eine gute Option, diese Fistel zunächst mit einem Faden zu markieren. Die definitive Therapie der Fistel, die inzwischen viele Optionen umfasst, lässt sich auf einen späteren, dann entzündungsarmen und damit operativ günstigeren Zeitpunkt terminieren.

Der chronische Abszess nur mit einer Fistelöffnung nach innen zum Rektum hin, entzieht sich ggf. der Diagnose, wenn er zum Zeitpunkt der klinischen Untersuchung gerade entleert ist. Die Patienten geben eine wiederkehrende Verhärtung ohne große Schmerzen oder Fieber an. Vielfach stellen sie sich im beschwerdefreien Intervall vor. Bei genauer Untersuchung tastet sich unter Umständen eine kleine Induration. Da apparative Methoden wie Endosonografie oder Magnetresonanztomografie nicht immer zur Verfügung stehen, sollte der Patient bei nicht eindeutiger Diagnose über die mögliche Genese der Beschwerden informiert werden und eine umgehende Wiedervorstellung bei erneut auftretender Symptomatik empfohlen werden.

Anale Fisteln sind trotz ihrer Beziehung zum Sphinkterapparat und der damit verbundenen Therapierisiken in den meisten Fällen gut operabel. Aber es gibt Umstände, die zu höchster Vorsicht mahnen. Dazu gehört die ventral, also in Steinschnittlage zwischen 10 und 2 Uhr gelegene Fistel, insbesondere bei der Frau. Der Sphinkter ist hier ausgedünnt und verfügt ventral nicht über einen „Reservesphinkter“ wie die dorsal gelegene Puborektalisschlinge. Schon eine recht oberflächliche Durchtrennung einer ventralen Fistel hat unter Umständen erhebliche Folgen für die Stuhlkontinenz. Bei Rezidivfisteln ist weniger der häufig vermutete M. Crohn die Ursache als ein übersehener Fistelgang. Es sollte gute Praxis sein, eine Fistel während der Operation mit Blaulösung anzufärben, um eventuelle Nebengänge zu erkennen und entsprechend zu therapieren. Auch ist die Füllung der Fistel mit Luft unter endosonografischer Kontrolle eine gute Methode, Seitengänge darzustellen.

Die Ursache eines perianalen Abszesses findet sich nicht immer in einer kryptoglandulären Infektion. Wichtig ist hier die Differenzialdiagnose zur Akne inversa. Hier gibt es Erscheinungsformen, die sich wie ein singulärer Abszess darstellen. Das typische Bild der Akne invesa mit multiplen Indurationen und multiplen putriden sezernierenden Fistelöffnungen stellt sich dabei nicht dar. Die Fistelgänge liegen bei dieser Erkrankung im Bereich der Subkutis und ziehen nicht durch oder in den Sphinkterapparat. Wiederum ist die Färbung der Abszesshöhle und möglicher Fistelgänge von großer Bedeutung für den therapeutischen Erfolg.

Fallstricke können auch im Fissurleiden liegen. Vielfach wird die akute Analfissur wegen erheblicher Schmerzen und der damit einhergehenden eingeschränkten Untersuchungsmöglichkeit proktoskopisch nicht dargestellt. Damit einhergehend wird die der Fissur möglicherweise zugrunde liegende inkomplette Fistel nicht erkannt und die im Prinzip notwendige Fissurektomie nicht durchgeführt. Wichtig ist, im weniger schmerzhaften Intervall die Untersuchung mit einer kleinen Hakensonde vorzunehmen, um die Läsion zu erkennen. Sollte ein akuter Schmerzzustand vorliegen, ist auch an einen kleinen intersphinktären Abszess zu denken. Ist die palpatorische Untersuchung einer Fissur nicht möglich, kann mit einer sehr feinen Nadel die Injektion von Lokalanästhetikum vom Analrand her in den Fissurgrund eine umgehende Symptomlinderung bewirken. Alternativ kann eine visköse Lidocainlösung mit einem Wattetupfer in den Analkanal und damit auf den Fissurgrund eingebracht werden. Gleichzeitig kann mit dieser Methode die Diagnose Fissur erhärtet werden, wenn der Wattetupfer durch die Fissur blutig tingiert wird. Eine akute Fissur sollte nur in Ausnahmefällen operiert werden [1], denn die Abheilungsrate liegt bei über 80 %.

Bei der Therapie von Hämorrhoiden ist zur Vermeidung von Fallstricken die richtige Stadieneinteilung erforderlich. Dabei lässt einen die klinische Untersuchung gern im Stich. Besonders bei jungen Männern verhindert während der klinischen Untersuchung ein kräftiger Sphinktertonus den anamnestisch angegebenen Hämorrhoidalprolaps. Der Angabe „es tritt etwas aus dem Anus aus“ kommt eine große Bedeutung zu. Um die Diagnose Hämorrhoidalprolaps zu sichern, sollte der Patient zum Gang auf das WC gebeten werden, um dort unter „physiologischen“ Bedingungen den Prolaps zu erzeugen. Ist der Sphinktertonus bei einem jungen Mann hingegen auffallend schwach, kann der seltene Fall eines Rektumprolaps vorliegen. Es prolabiert die zirkulär gefältete seidig schimmernde Rektummukosa. Trotz aller operativer laparoskopischer Qualität besteht bei der zur Therapie erforderlichen Operation, der Rektopexie ggf. in Kombination mit einer Rektosigmoidresektion, immer das Risiko postoperativer Erektionsstörungen. Daher ist in gut ausgewählten Fällen ein transanales Vorgehen zu erwägen.

Bei der Sklerosierung von Hämorrhoiden sind Probleme und Komplikationen nur selten zu erwarten [2]. Da dieses Verfahren bei sachgerechter Durchführung keine Schmerzen erzeugt, sind diesbezügliche Mitteilungen des Patienten schon beim Ansetzen der Injektionsnadel zu beachten, meist hat sich dabei das sensible Anoderm durch das Proktoskop nach innen verschoben und wird akzidentell von der Nadel verletzt. Gerade bei älteren Patienten sollte immer nach einer vorausgegangenen Radiatio gefragt werden, denn die Injektion in auch weit in der Vergangenheit bestrahltes Gewebe ist deutlich risikoträchtiger. Probleme können hierbei besonders durch nicht heilende Ulzera entstehen. In seltenen Fällen können sich daraus anale Fisteln entwickeln. Es sind Fälle bekannt, bei denen im Verlauf die Rektumexstirpation erforderlich wurde.

Nach Sklerosierungen kann es zu postinterventionellen Blutungen kommen, die an sich zwar nicht bedrohlich sind, aber erhebliche Sorgen bei den Patienten hervorrufen können. Nicht selten vorkommende Verunreinigungen der Wäsche lassen sich durch Vorlage einer Kompresse verhindern.

Eine mögliche harmlose Folge der Sklerosierung können kleinere Ulzera im distalen Rektum sein. Folgt eine endoskopische Kontrolluntersuchung nach 3 – 4 Wochen, können die kleinen Läsionen einen Malignomverdacht auslösen und damit unnötig verunsichern. Hier bietet sich eine kurzfristige Kontrolle an. Gelegentlich kommt es direkt nach einer Sklerosierung, vorzugsweise bei jungen Männern, zu einer Synkope aufgrund einer erheblichen vasovagalen Reaktion. Nach entsprechender Lagerung bessert sich die anfangs dramatisch imponierende Sachlage rasch.

Echte akut thrombosierte Hämorrhoiden sollten nicht operativ therapiert werden, ein konservatives Vorgehen mit adäquater antiphlogistischer Therapie bessert die Schmerzen meist nach ein paar Tagen, der Hämorrhoidalknoten schrumpft durch die kräftige Entzündung und retrahiert sich meist dauerhaft, ohne dass ein operatives Vorgehen erforderlich ist. Die Operation im akuten Stadium ist mit einem höheren Blutungs- und Infektionsrisiko und der Gefahr der Sphinkterverletzung verbunden.

Eine Proktitis ist in der Regel durch klinische Diagnostik einfach zu erkennen. Die histologische Beurteilung ergibt in vielen Fällen zunächst eine unspezifische Entzündung, auch wenn sich im weiteren, dann rezidivierenden Verlauf eine Proktitis ulcerosa als Ursache herauskristallisiert. Somit ist die initiale Therapie einer distalen Proktitis mit Mesalazin immer gerechtfertigt, auch wenn die Genese zunächst nicht histologisch eindeutig belegt sein sollte.

Bei einer eitrigen Proktitis eines männlichen Patienten sollte zudem in einer vertrauensvollen Weise nach homosexuellen Kontakten gefragt werden. Aber auch dann besteht immer die Gefahr, inkorrekte Angaben zu erhalten und ggf. eine venerische Infektion zu übersehen. Gerade bei einer Proktitis erlaubt das klinische Bild häufig keine eindeutige Zuordnung. Sowohl makroskopisch als auch durch eine Probeexzision lassen sich eine Chlamydien- oder Gonokokken-Proktitis nur schwer von einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung abgrenzen. Die Standardbehandlung allein mit Mesalazin wird nicht zum Erfolg führen. Zum Glück stehen mittlerweile gut validierte und zuverlässige Polymerase-Kettenreaktion-Testsysteme (PCR) zum Nachweis von Chlamydien und Gonokokken zur Verfügung. Deren Durchführung besteht in der einfachen Entnahme eines Abstrichs von der Rektummukosa. Sollte eine Chlamydieninfektion die Ursache der Proktitis sein, sind in seltenen Fällen erhöht pathogene Serotypen L1-L3 verantwortlich [3]. In diesen Fällen reicht die Standardtherapie einer Chlamydieninfektion mit 2 Tabletten Doxycyclin 100 mg für 7 Tage nicht aus. Es ist eine 21-tägige Therapie erforderlich. Bis dato sind nur wenige Labore in Deutschland in der Lage, durch die PCR-Analyse die verschiedenen Serotypen zu unterscheiden. Daher sind klinische und laborchemische Kontrollen des Therapieerfolgs erforderlich.

Ein weiterer Fallstrick kann in der Interpretation eines Ulkus oder einer Wunde im peri-, intra- oder supraanalen Bereich liegen. Die möglicherweise ursächliche Syphiliserkrankung nimmt in den letzten Jahren besonders in den Ballungszentren beständig zu. Als HIV noch als unheilbar galt, infizierten sich nach Daten aus dem Robert Koch-Institut Ende der 90er-Jahre etwa 800 – 1000 Menschen pro Jahr in Deutschland mit Treponema pallidum. Aktuell liegt die Zahl der meldepflichtigen Neuinfektionen bei 5700 pro Jahr [4]. Ein Direktnachweis des Erregers ist nach wie vor schwierig, auch die PCR-Diagnostik ist noch nicht ausgereift. Zielführend und gut etabliert für die Diagnose sind die Antikörpernachweise im Serum.

Fallstricke liegen auch in der dermatologischen Beurteilung der perianalen Region. Diese wird auch von Gastroenterologen, Chirurgen oder Urologen vorgenommen, die gerade in jüngeren Jahren noch nicht über die notwendige dermatologische Erfahrung verfügen. Viel zu oft werden atopische Ekzeme mit Antimykotika behandelt, obwohl nur etwa 5 % aller perianalen Ekzeme durch Dermatophyten oder Sprosspilze verursacht werden. Der Lichen ruber planus ist eine ebenfalls nur schwer zu diagnostizierende Erkrankung. Hier hilft die Histologie weiter. Gerade bei unklaren Befunden sollte zum Ausschluss eines Malignoms die Indikation zu einer diagnostischen Exzision großzügig gestellt werden.

Die akute Diarrhoe ist ein häufiges Symptom, das sich in der Regel durch Flüssigkeitssubstitution und Nahrungskarenz behandeln lässt. Bei zwei Patientengruppen ist besondere Aufmerksamkeit erforderlich. Hochbetagte entwickeln nicht selten einen massiven Kotstein, der wegen der Obstruktion zu einer paradoxen Diarrhoe führt. Bei Patienten nach Hämorrhoidenoperation kann sich ebenfalls ein Kotstein durch eine schmerzbedingte Entleerungsblockade entwickeln und damit mit dem Symptom Diarrhoe manifestieren. Hier führt die vorsichtige Palpation zur Diagnose. Unter Umständen ist eine manuelle Entfernung des Kotsteins in Narkose erforderlich. Zuvor kann ein Versuch mit sechs Beuteln Magrocol unternommen werden, um eine Entfernung des Kotsteins zu erreichen.

Weitere Ursachen für die chronische Diarrhoe sind der Zustand nach rechtsseitiger Hemikolektomie oder Cholezystektomie. Die Folge kann eine chologene Diarrhoe sein. Bei Zustand nach Hemikolektomie kommt es wegen des fehlenden terminalen Ileums zu einer mangelnden Resorption von Gallensalzen, die ihrerseits eine erhebliche laxative Wirkung im Kolon entfalten. Es lohnt in solchen Fällen ein Therapieversuch mit Cholestyramin. Eine weitere nicht selten übersehene Ursache für eine Diarrhoe ist die mikroskopische oder lymphozytäre Kolitis. Die alleinige Koloskopie zeigt nicht die Genese der Problematik, da die Mukosa einen vollkommen unauffälligen Aspekt präsentiert. Nur die diagnostische Exzision, jeweils im Colon ascendens, transversum und descendens, offenbart die pathologischen Veränderungen in der Mukosa. Eine dreimonatige Therapie mit 9 mg Budenosid erbringt Besserung, Rezidive sind möglich [5].

Nicht nur die medizinischen Fragen im Zusammenhang mit Untersuchung, Diagnose und Therapie erzeugen Fallgruben und Irrtümer, auch die Nomenklatur der analen Dysplasien bietet hier Möglichkeiten für Irrglauben und falsche Entscheidungen. Aktuell werden die analen Dysplasien in drei Grade unterteilt:

AIN I, AIN II und AIN III, analog zur zervikalen Dysplasie. Die AIN III entspricht dem Carcinoma in situ oder dem Morbus Bowen. Bei dem alten Begriff des Carcinoma in situ ist bei der Weitergabe der histologischen Befunde an die Patienten mit fatalen Irrtümern zu rechnen, da der Begriff Carcinoma in situ unter Umständen mit einem Karzinom gleichgesetzt wird. Dabei handelt es sich auch bei einem Carcinoma in situ um eine Dysplasie (AIN III), die durch lokale Exzision und engmaschige Kontrolle gut überwacht werden kann. Eine Radiochemotherapie ist nicht indiziert. Metastasen sind nicht zu befürchten, daher kann auf eine entsprechende Umfelddiagnostik verzichtet werden.

Die Indikation zur Operation sollte sorgfältig abgewogen und nicht zu früh und nicht zu spät gestellt werden. Beim Abszess sollte nicht abgewartet werden, bis er „reif“ ist. Mit der Diagnose ist auch die Operationsindikation zu stellen. Falsche und überholte Indikationen sind die Longooperation bei Hämorrhoiden 4. Grades, die Inzision einer thrombosierten Hämorrhoide, die routinemäßige Sphinkterotomie bei einer chronischen Analfissur oder der schneidende Faden bei der Analfistel.


#

Interessenkonflikt

Der Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.


Korrespondenzadresse

Dr. Fedor Ernst
Proktologisches Zentrum
Fasanenstraße 60
10719 Berlin