In dieser Arbeit von Abdollah et al. konnte bestätigt werden, dass die aRT bei Patienten mit PLN mit einer Verbesserung des krankheitsspezifischen Überlebens vergesellschaftet ist. Die Arbeitsgruppe um Herrn Abdollah setzt sich schon seit längerer Zeit intensiv mit einer potenziellen Differenzierung der Lymphknotenlast auseinander. In vorherigen Arbeiten konnte gezeigt werden, dass das lokale Tumorstadium und der Tumorgrad nur bei den Patienten mit einer geringen Lymphknotenlast (≤ PLN) einen Einfluss auf das Überleben hat [2]. Hingegen war die Prognose der Patienten mit einer erhöhten Lymphknotentumorlast (> 2 PLN) unabhängig vom lokalen Tumorstatus. Dieser Schwellwert von 2 PLN konnte auch in dieser Arbeit erneut bestätigt werden.
Darüber hinaus erfolgte in dieser Arbeit eine weitere Substratifizierung der pN1-Patienten, um die PLN-Patienten zu identifizieren, welche am meisten von einer aRT profitieren würden. Zur klinischen Anwenderfreundlichkeit entwarfen die Autoren ein einfaches statistisches Modell, welches die idealen Kandidaten für eine aRT als diejenigen mit einer geringen Tumorlast (≤ 2 positive Lymphknoten) bei Intermediate- bis High-Grade-Tumoren mit einem nicht organbegrenzten Wachstum und die Patienten mit einem mäßigen Lymphknotenbefall (3–4 positive Lymphknoten) unabhängig von den Tumorcharakteristika, identifizieren konnte. Die Erstellung eines komplexeren Models zur Risiko-Stratifizierung war aufgrund der geringen Anzahl an Patienten in den Subgruppen nicht möglich. Aus der Not wurde eine Tugend geboren, da die Einfachheit des Models eine positive klinische Anwenderfreundlichkeit darstellt.
Des Weiteren sollte angemerkt werden, dass die Daten für diese Arbeit auf retrospektiven Daten basiert, es gibt keine prospektiven, randomisierten Studien, die diese unterstützen könnten. Den potenziellen Bias einer Patientenselektion kann man so nicht ausschließen. Beispielsweise basierte die Anwendung der aRT alleinig auf der Entscheidung des einzelnen Klinikers.
Ein grundlegendes Problem dieser Arbeit und der darauf basierenden Statistik ist die Annahme der Autoren, dass in der Patientengruppe mit mehr als 4 positiven Lymphkoten eine metastasierte Situation außerhalb des kleinen Beckens zum Zeitpunkt der Therapie bereits bestand und somit eine aRT eine Übertherapie darstellt. Diese Hypothese kann nicht durch diese Arbeit bestätigt werden, da methodisch keine genaue Standort-Evaluation des Lymphknotenbefalls (pelvin vs. extrapelvin) möglich ist [17].
Alle Patienten erhielten eine adjuvante Hormontherapie
In diesem Zusammenhang sollte auch erwähnt werden, dass alle pN1- Patienten, die in diese Studie eingeschlossen worden waren, eine aHT erhielten, sodass eine klinische Anwendung dieses Models bei Patienten, die keine aHT erhalten haben, nicht möglich ist. Dieses Vorgehen wiederspricht erstens der Annahme dieser Arbeit, dass die meisten Patienten mit einem geringen PLN ein lokales Problem haben bzw. die Rezidive lokal auftreten, und zweitens der Empfehlung eben nicht alle pN1-Patienten gleichzusetzen, sondern durch eine Risiko-Stratifizierung diejenigen zu identifizieren, die ggf. einer Therapie bedürfen. Allen pN1-Patienten eine aHT zu geben, stellt eine Übertherapie dar [18, 19]. Denn obwohl die LOE1-Studie von Messing et al. einen Überlebensvorteil für diejenigen pN1-Patienten mit aHT aufzeigt [12], konnten Boorjian et al. in einer aktuellen retrospektiven Studie zeigen, dass die aHT bei pN1-Patienten nach einem medianen Follow-up von 10,3 Jahren mit einer erniedrigten Rate an biochemischen Rezidiven einhergeht, jedoch keinen Einfluss auf die Krankheitsprogression bzw. das krebsspezifische Überleben hat [1].
Für eine klinische Anwendung des Modells ist ebenfalls eine richtige externe Validierung erforderlich. Um die Ergebnisse ihrer Studie zu bekräftigen, führten die Autoren eine externe Validierung mit einer Kohorte von 3158 Patienten mit einem pN1-Status (aus der SEER Datenbank) durch – und konnten diese bestätigen. Diese Validierung darf jedoch nicht als adäquat gewertet werden, da (1) der Gleason Score nicht kontinuierlich verschlüsselt wurde, (2) die Angabe vom pathologischen Stadium und dem chirurgischen Absetzungsrand fehlten, und (3) keine genaue Informationen über die Art der postoperativen Bestrahlung vorlagen (aRT vs. Salvage-RT).
Diese Arbeit von Abdollah und Kollegen kann bei der klinischen Entscheidung helfen, welcher pN+-Patient eine aRT erhalten soll und für welchen Patienten diese eine Übertherapie darstellt. Trotzdem muss angemerkt werden, dass die Auswertung und Interpretation von retrospektiven Daten immer einen nicht zu vernachlässigenden potenziellen Bias mit sich bringt. Man darf gespannt sein auf die Ergebnisse der prospektiv randomisierten, multizentrischen Phase-III-Studie ART-2 zum Vergleich der aRT mit einer „Wait-and-see-Strategie“ nach radikaler Prostatektomie mit PLN (≤ 2 PLN) [20].
PD Dr. Luis A. Kluth, Prof. Dr. Felix K.-H. Chun, Hamburg